ie Hausärzte der Bereit- schaftspraxis im Klinikum rechts der Isar der Techni- schen Universität München haben in den ersten drei Monaten mehr als 2 500 Patienten behandelt. Das Klini- kum wurde dadurch in der Notfallver- sorgung der ambulanten Patienten entlastet. 90 Prozent der Patienten konnten ambulant versorgt werden.
In acht Prozent der Fälle mußten die Patienten per Überweisung in eine fachärztliche Klinikambu-
lanz weitergeleitet wer- den. Nur zwei Prozent der Patienten mußten auf- grund der Schwere der Er- krankung stationär einge- wiesen werden. Die in der Bereitschaftspraxis behan- delten Patienten wurden fast ausschließlich von ei- nem niedergelassenen Arzt weiterversorgt.
Das sind die ersten Ergebnisse des Modell- projektes, das auf Initia- tive des Klinikums am 1. Oktober 1998 gestartet wurde. Die Bereitschafts-
praxis, die abends, am Wochenende und an Feiertagen geöffnet ist, über- nimmt die Behandlung von Patienten mit allgemeinmedizinischen Erkran- kungen. Die Räume, die das Klinikum zur Verfügung stellt, umfassen mehre- re Sprechzimmer, EKG, Sonografie und einen Operationsraum für die kleine Chirurgie. Im Bedarfsfall kön- nen die Praxisärzte auf alle Spezialun- tersuchungen und Notfalleinrich- tungen der Uniklinik zurückgreifen.
Der Rückgang der Patientenzahl in der chirurgischen und internisti- schen Notaufnahme des Klinikums
betrug in den Öffnungszeiten der Pra- xis bis zu 50 Prozent. Die Zahl der sta- tionären Aufnahmen und die Arbeits- unfälle, die nicht in der Praxis ver- sorgt werden können, sind konstant geblieben.
Die Analyse der Patientenströme ergab, daß der hohe Rückgang der Pa- tientenzahl in den Polikliniken fast ausschließlich auf Patienten mit all- gemeinmedizinischen Erkrankungen zurückzuführen ist. Die Bereitschafts-
praxis hat offenbar keine zusätzliche Nachfrage ausgelöst, da der Rück- gang der Patientenzahl in den Polikli- niken etwa der Zahl der in der Bereit- schaftspraxis behandelten Patienten entspricht.
Die Auswertung von 300 Frage- bogen ergab, daß die Hausärzte nur Patienten versorgt haben, die ohnehin in das Klinikum gekommen wären. 70 Prozent der Patienten hätten sich in jedem Fall an die Polikliniken gewen- det, wenn es die Bereitschaftspraxis nicht gegeben hätte. 20 Prozent hätten einen niedergelassenen Arzt oder den
Hausarzt aufgesucht, wenn sie ihn er- reicht hätten. Mehr als zwei Drittel gaben an, die Praxis zuvor nicht ge- kannt zu haben.
Mehr als 90 Prozent der Patien- ten, die selbst entscheiden, ob sie in ei- ne Notfallambulanz der Klinik oder in die Praxis gehen möchten, beurteilten die Bereitschaftspraxis als sehr gut.
Sie loben die Freundlichkeit und die fachliche Kompetenz der Allge- meinärzte, schätzen die geringen War- tezeiten und die patientenorientierte Gesprächsführung.
Die Kooperation der Praxis- und Klinikärzte wurde nicht evaluiert, sie hat sich jedoch spürbar verbessert.
Dies drückt sich bereits in gemeinsa- men Diskussionsrunden über klini- sche Themen aus, die Relevanz für den Praxisalltag haben.
Seit dem Wintersemester 1998/99 wird die Bereitschaftspraxis auch in die Ausbildung der Medizinstudenten einbezogen. 85 Prozent der Studenten des allgemeinmedizinischen Kurses haben im Wintersemester das Ange- bot einer freiwilligen halb- oder ganztägigen Hospita- tion wahrgenommen.
Ökonomisch kann das Modell noch nicht ab- schließend bewertet wer- den. Aus Sicht der Klinik wirken sich kurzfristig der Rückgang der Sachleistun- gen und die Überweisun- gen aus der Praxis positiv aus. Mittelfristig wird es möglich sein, Personal aus den Polikliniken in andere Bereiche, zum Beispiel in die klinische Forschung, umzusetzen. Dadurch wer- den die Ambulanzen finan- ziell entlastet. Es wird erwartet, daß die Einnahmeausfälle, die mit dem Rück- gang der Patientenzahl verbunden sind, mehr als kompensiert werden.
Für die Praxisärzte dürften sich ihre Investitionen und ihr Einsatz für die Bereitschaftspraxis rechnen. Be- rufspolitisch positiv zu beurteilen ist, daß die ambulanten Gelder der Not- fallversorgung nun aus dem Kranken- haus in den vertragsärztlichen Sektor überführt werden.
Dr. med. Martin Siess Dr. med. Lothar Schmittdiel A-606 (30) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 10, 12. März 1999
P O L I T I K AKTUELL
Mehr als 2 500 Patienten behandelt: die Bereitschaftspraxis im Klinikum rechts der Isar
Bereitschaftspraxis im Klinikum rechts der Isar
Münchner Projekt weckt Zuversicht
Die Kooperation zwischen Klinik und Hausärzten rechnet sich – für alle Beteiligten. Das zeigen die ersten Ergebnisse des in Deutschland einmaligen Modellprojektes.
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Foto: Lothar Schmittdiel