Winzer-Tradition
Man kann nicht gerade behaup- ten, daß die bundesdeutschen Winzer darben — soviel sie auch über die marktverdrängerischen Vertriebspraktiken ausländi- scher Konkurrenten und die kli- matisch bedingten Nachteile der eigenen Scholle klagen mö- gen. Und seit strengere Buch- führungsvorschriften auch den kleinsten Winzerbetrieb trans- parent machen, der Fiskus auch dem Feierabend-Winzer in die Bücher schaut, ist das Unge- mach noch größer geworden.
Wie traditionsreiche Weingüter einen ebenso originellen wie unkonventionellen Weg be- schreiten, um ihre Qualitäts- und Prädikatsweine an den Mann oder die Frau zu bringen, dafür gab das Weingut von Chri- stoph von Nell im Rahmen einer fulminanten Weinprobe in Kasel (im unteren Ruwertal gelegen) ein anschauliches Beispiel:
Winzer von Nell mußte nicht lan- ge in den Annalen seiner Vor- fahren stöbern, um das Resultat für die Weinwerbung einzu- spannen. Zahlreiche kulturhi- storische Kleinodien liegen den Winzerbetrieben des Ruwerta- les praktisch vor der Tür. Was
liegt dann näher, als die Wein- kultur mit kulturellen Reminis- zenzen zu verbinden? Das „hi- storische Weinzimmer" des Fa- milienbetriebes von Nell hat da eine Menge aufzubieten: Urkun- den, historische Stiche und alte Bücher zeugen von der Tradi- tion dieses heute 13 ha großen Weingutes. Es ist verbrieft, daß die Urahnen der von Nells in Ka- sel bereits seit 1789 Weinbau betrieben haben. Der Weinberg- besitz liegt an den Steillagen des Ruwertales, die Lage Domi- nikanerberg, ein 5 ha großer schieferreicher Südhang, mit der klassischen Rebsorte Ries- ling bewachsen, findet sich im Alleinbesitz der von Nells. Chri- stoph von Nell ist ein junger dy- namischer Nachfahre der vor Jahrhunderten in den trieri- schen Raum aus Irland einge-
wanderten O'Neills. Der Name von Nell findet heute in Trier und Umgebung noch vielerorts namentliche Erwähnung. Daß die von Nells eine Menge vom Wein verstehen, dafür geben die von ihnen an- und ausge- bauten klassischen Ruwer-Ries- linge, allesamt der Prädikatstufe trocken bis halbtrocken, wohl- mundendes Zeugnis.
Ein neues Signet soll nun als Qualitätssymbol für Ruwerwei- ne aus dem gesamten Gebiet werben: die Nachbildung eines bei Schloß Grünhaus an der Ru- wer gefundenen Fragmentes ei- nes römischen Grabmales, das einen vor seinen Weinfässern sitzenden Winzer, mit der Buch- führung beschäftigt, darstellt.
Es hat seinen Ehrenplatz im hi- storischen Weinzimmer des Weingutes von Nell, bildlich un- ter den Augen derer von Nell, unter denen der Frankfurter Je- suit Professor Dr. Oswald von Nell-Breuning (94) der bekann- teste Lebende ist. Allerdings hat er seinem Patenkind, Christoph von Nell, noch nicht insoweit die Türen öffnen können, als daß das Trierer Domkapitel bei ihm die Meßweine bestellt hätte.
Denn die Kirche kann als Selbst- versorger drei namhafte Wein- güter ihr eigen nennen ... HC POST SC RI PTU M
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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870 (186) Heft 11 vom 16. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A
