Universitätsklinikums Mannheim die- sen Ansatz weiter. So werden im Rah- men eines Projektes Tumorzellen der Krebspatienten mit kostimulatorischen Molekülen wie Interleukin 2, B7-1 und B7-2 bestückt. Die so veränderten Tu- morzellen sollen nach einer Vakzi- nierungstherapie vom Immunsystem erkannt werden. Damit verbindet man die Hoffnung, residuale Tumorzellen nach konventioneller Behandlung zu eliminieren.
Fallbesprechungen in interdisziplinären Konsilen
Ein zweiter Ansatz: Die Wissenschaftler verändern Killerzellen, also die Effek- torzellen des Immunsystems, in ihren Erkennungseigenschaften dahingehend, dass sie gezielt auf Tumorzellen gelenkt werden können. Dazu wird der Erken- nungskomplex auf den Effektorzellen durch Gentransfer so verändert, dass er spezifisch mit einem Tumorantigen rea- giert, das die Tumorzelle auf ihrer Ober- fläche ausprägt. Diese „umprogram- mierten“ Killerzellen können in Gewe- bekultur vermehrt und dem Patienten anschließend zurückgegeben werden.
Hängt die Behandlungsqualität vom Zufall ab, wie von Kritikern postuliert wird? Auch hier kontern die Wissen- schaftler. Was für die Heidelberger Thoraxklinik gilt – die Abstimmung der Therapiestrategie durch ein interdiszi-
plinäres Team –, wird in den Sitzungen der onkologischen Arbeitskreise auch bei anderen Tumorarten praktiziert.Am Klinikum in Mannheim werden nieder- gelassene Proktologen für die Entwick- lung neuer Therapiestrategien beim Rektumkarzinom mit an die Klinik ge- holt, beschreibt der Direktor der dorti- gen Chirurgischen Uniklinik, Prof. Ste- fan Post, das Vorgehen. Fallbesprechun- gen, die von niedergelassenen Ärzten an das Tumorzentrum herangetragen wer- den, werden in interdisziplinären Konsi- len erörtert.
Das Ziel, dass Patienten mit einer be- stimmten Tumorart in eine „Behand- lungstür“ hineingehen und dort von An- fang an interdisziplinär adäqat versorgt werden, wird vom Tumorzentrum ver- folgt. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das „Comprehensive Cancer Center“.
In dieser interdisziplinären Tumorambu- lanz sollen in der Pilotphase zunächst Patienten mit Lymphomen und gastroin- testinalen Tumoren wie Pankreaskrebs von einem interdiziplinären Experten- team betreut werden. Dazu zählen Strahlentherapeuten, chirurgische und internistische Onkologen, aber auch Pa- thologen und Epidemiologen.
Auch das „heiße Eisen“ Krebs- früherkennung, die nach Aussage von Weissbach nicht effizient und zu teuer sei, wurde angepackt. Seit der Ein- führung der gesetzlichen Vorsorgeun- tersuchung auf dem Gebiet des Gebär- mutterhalskrebses sei die Mortalität
der in Deutschland betroffenen Frauen nahezu halbiert worden, betonte Prof.
Gunter Bastert, Direktor der Heidel- berger Universitäts-Frauenklinik. Beim Brustkrebs mangele es an Daten. Weil es hier kein suffizientes Krebsregister gebe und das Screening nicht – wie in anderen Ländern – überwacht wurde, sei man im Hinblick auf die Bewertung von Behandlungserfolgen bei Brust- krebs in Deutschland auf Hochrech- nungen einzelner kleiner Register be- ziehungsweise europäische Zahlen an- gewiesen, sagte Bastert.
Die Aufgabe in Deutschland sei es nun, das Brustkrebsscreening nach eu- ropäischen Leitlinien auch in Deutsch- land qualitativ hochwertig umzusetzen.
Derzeit werde die Heidelberger Uni- versitäts-Frauenklinik als Brustzen- trum einem Zertifizierungsverfahren unterzogen. Er kritisierte, dass sich vie- le Zentren mit dem Namen „Brustzen- trum“ schmückten, ohne den qualitati- ven Anforderungen zu entsprechen.
Defizite räumte der Leiter des Hei- delberger Tumorzentrums bei der Do- kumentation ein. Dies resultiere aus ei- nem „überzogenen Datenschutz“, dar- über könne man in anderen Ländern nur Kritik üben. Im Tumorzentrum Heidelberg/Mannheim werden jährlich rund 16 000 onkologische Patienten versorgt, davon 6 000 neu Erkrankte.
Das Zentrum wird von Bund und Land mit etwa 2,8 Millionen Euro jährlich gefördert. Ingeborg Bördlein P O L I T I K
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A2634 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4110. Oktober 2003
Die Metastasierung ist ein komplexer Prozess. Die Tumor- zellen lösen sich vom Primärtumor ab, wandern in das Ge- fäß- oder Lymphsystem ein und infiltrieren von dort aus die Organe. Für diesen Ortswechsel müssen die Tumorzellen Bindegewebe und Gefäßmembranen passieren. Dies setzt voraus, dass sie ihre Form und ihre elastischen Eigenschaf- ten – ihre Zellarchitektur – rasch verändern. Wissenschaft- ler der Universität Ulm und der Universität Heidelberg be- richten in der Septemberausgabe von Nature Cell Biology, dass ein bioaktives Lipid, Sphingosylphosphorylcholin, das Zytoskelett und die elastischen Eigenschaften von mensch- lichen Tumorzellen grundlegend verändern kann. Dieses Lipid kommt physiologischerweise beim Menschen im Blut vor, bei Patienten mit Tumorerkrankungen in erhöhter Konzentration.
Bringt man dieses Lipid mit menschlichen Tumorzellen zusammen, ändert sich deren Zytoskelett-Struktur. Die Ke- ratinfilamente werden durch das Lipid völlig neu organi- siert. Auch werden im Kontext dieser Neuorganisation die Zellen elastischer, „weicher“ und damit leichter verform- bar. Dieser nur durch das Lipid auslösbare „Weichmacher- effekt“ tritt innerhalb weniger Minuten ein.
Menschliche Tumorzellen aus Bauchspeicheldrüsen- und Magenkarzinomen, die mit dem Lipid behandelt wurden, wandern dadurch deutlich leichter durch Membranporen, die wesentlich kleiner sind als die Zellen selbst. Die Be- obachtungen zeigen einen völlig neuen Mechanismus der Formänderung sowie der Änderung der elastischen Eigen- schaften von Tumorzellen als Voraussetzung ihrer kolonisie- renden Einwanderung in Gefäße und Gewebe. EB