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mutig das Land modernisieren

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Academic year: 2022

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Ambitionierte Zukunftsinvestitionen und eine stärkere Mitbestimmung im digitalen Zeitalter – das sind die politischen Schwerpunkte des Deutschen Gewerkschafts- bundes für das Jahr 2021. Aus Sicht des DGB kann ein mutiges Zukunftsprogramm dabei helfen, die Folgen der Corona-Krise zu mildern. Die Menschen brauchen „sozi- ale Sicherheit im Wandel“. Doch: Es darf aus Sicht des DGB nicht nur darum gehen, den Zustand von vor der Krise wiederherzustellen. Vielmehr müsse der Übergang in eine digitale und klimaneutrale Wirtschaft und Arbeits- welt gerecht gestaltet werden.

Die Krise hat deutlich gemacht, wo es hapert: Per- sonalmangel im Gesundheitswesen und im Öffentlichen Dienst, eine defizitäre Infrastruktur, nicht-digitalisierte

Schulen, nicht genug bezahlbarer Wohnraum. In allen Bereichen sind massive Investitionen nötig. Ein starker handlungsfähiger Staat trägt auch dazu bei, den sozia- len Zusammenhalt zu verbessern und so die Demokratie zu stärken. Über die finanziellen Impulse hinaus, müs- sen auch die Tarifbindung und Mitbestimmung weiter gestärkt werden, um den Menschen zukunftsfeste Jobs und Arbeitsbedingungen zu bieten.

Die im Koalitionsvertrag versprochene Stärkung der Tarifbindung muss aus Sicht des DGB schnellstmög- lich umgesetzt werden. Tarifverträge garantieren höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedin- gungen – dies bringt Sicherheit für die Beschäftigten.

Auch die Mitbestimmung muss – angesichts von Be- und Verhinderung von Betriebsratsgrün- dungen – weiter gestärkt werden. Die Union muss die Blockade des Betriebs- rätestärkungsgesetzes beenden, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgelegt hat. Es sieht einen besseren Kündigungsschutz für Beschäftigte vor, die zur Betriebsrats-Wahl aufrufen.

Im Hinblick auf die zunehmend mobilere Arbeitswelt fordert der DGB auch digitale Kontaktmöglichkeiten für Gewerkschaften und Betriebsräte.

Gewerkschaften müssten Beschäftig- ten beispielsweise über das Intranet eines Unternehmens Informationen zur Verfügung stellen können – quasi ein digitales Werkstor. Dafür müssen die Zugangsrechte im Betriebsverfas- sungsgesetz an die digitale Arbeits- welt angepasst werden.

Corona-Pandemie

mutig das Land modernisieren

Eine klare und mutige Strategie, um das Land zu modernisieren – mit massiven Investitionen in Arbeit, Bildung, Gesundheit und (digitale) Infrastruktur, fordert der DGB von der Politik 2021. Für Gewerkschaften braucht es – in Zeiten mobilen Arbeitens – digitale Zugangsrechte zu den Beschäftigten.

Keine rolle rückwärts Die DGB-Frauen fordern zum Internationalen Frauentag und Equal Pay Day, bestehende Ungerechtigkeiten zu überwinden.

Seite 3

Solidarität ist trumpf Die Idee der Solidarität ist uralt.

Doch wie lässt sie sich in Krisenzeiten mit Leben füllen?

Seite 4-5

mehr investitionen Der Wirtschaftsweise Achim Truger skizziert eine Reform der Schuldenbremse

Seite 7

einbLiCK im internet

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© DGB-einblick 03/2021 / CC BY 4.0 Quelle: DGB 2021

Mitgliederzahlen 2020

Entwicklung der Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften 2020 im Vergleich zum Vorjahr

31.12.2019

DGB gesamt 5 934 978 5 850 167 (-1,43%)

31.12.2020 IG Metall

ver.di IG BCE GEW IG BAU NGG GdP EVG

2 214 662 (-2,12%)2 262 571 1 941 071 (-0,72%)1 955 080

606 348 (-1,94%)618 321 280 452 (+0,04%)

280 350

231 663 (-3,53%) 240 146

194 145 (-1,84%) 194 926 197 736 (+1,44%) 197 791

184 090 (-0,92%) 185 793

Homeoffice zieht an

So viele Menschen arbeiteten im Homeoffice (in Prozent)

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung 2021

© DGB-einblick 03/2021 / CC BY 4.0

Dezember Januar November

14 17 24

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Die Bundesregierung hat ein Lieferkettengesetz verabschiedet, das Unternehmen zur Achtung der Men- schen- und Arbeitsrechte der Beschäftigten verpflichtet – auch bei ihren ausländischen Zulieferern entlang der Lieferkette. Dies hatte der DGB seit langem gefordert, unter anderem in der „Initiative Lieferketten- gesetz“. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann begrüßte die Entscheidung: „Das ist ein guter Tag für Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten.“ Das Gesetz sei ein wichtiger Schritt für soziale und ökologische Verantwortung „made in Germany“.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellte das Gesetz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am 12. Februar in Berlin vor. Deutsche Firmen müssen sich ab 1. Januar 2023 dann an die Bestimmungen des Gesetzes halten, zunächst gilt es für Firmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern, ab 2024 dann auch für Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern. Reiner Hoffmann nannte das Gesetz wirkungsvoll, „trotzdem sollten perspektivisch auch Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten unter dieses Gesetz fallen.“

Der DGB-Chef begrüßt die geplanten Kontrollmechanismen: „Ein Gesetz ist nur so gut, wie es auch kontrolliert wird. Daher ist die starke behördliche Umsetzung, wie sie im Entwurf geplant ist, sehr zu begrüßen.“ Der DGB und seine Gewerkschaften seien bereit, ihre Expertise beim Aufbau der Behörde und der Kontrollmechanismen einzubringen.

LieFerKettengeSetz Kommt

die Sorge, sich am arbeitsplatz oder auf dem weg dorthin mit dem Corona-Virus anzustecken, ist bei arbeitnehmerinnen in deutschland weiterhin hoch – auch im zweiten Shutdown. mehr als jede/r dritte, insgesamt 35 Prozent, hat davor angst.

das fand eine aktuelle umfrage des wSi der hans-böckler-Stiftung heraus. besonders besorgt sind beschäftigte, die nah am menschen arbeiten.

Quelle: WSI, Hans-Böckler-Stiftung 2021 © DGB-einblick 03/2021 / CC BY 4.0

Angst vor Ansteckung

Erziehung und Soziales Gesundheitsberufe Verkaufsbereiche Produktion Bürotätigkeiten

57 52 47 31 29

Viele Beschäftigte sind besorgt, sich im Job mit Corona zu infizieren (in Prozent)

bezahLte Vätertage auCh in deutSChLand

Zehn Tage Vaterschaftsurlaub für Väter direkt nach der Geburt des Kindes sieht die 2019 beschlossene EU-Vereinbarkeits- richtlinie vor. Die Bundesregierung will die Richtlinie aber nicht in deutsches Recht umsetzen. Die Begründung: Die bestehen- den Gesetze in Deutschland reichen bereits aus. Ein Gutachten im Auftrag des DGB widerspricht der Bundesregierung: Auch Deutschland müsse die 10 Tage Vater- schaftsurlaub umsetzen. „Das ist ein ein- deutiger Handlungsauftrag“, sagt die stell- vertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.

„Wir brauchen die Vaterschaftsfreistellung zur Geburt – das sieht auch eine deutliche Mehrheit der hier lebenden Menschen so“, so Hannack.

betriebSräte StärKen – bLoCKade StoPPen

Das Betriebsrätestärkungsgesetz wurde im Februar nicht wie geplant vom Kabinett beraten. Der Grund: Von der Union geführte Ministerien weigern sich, den Kündigungs- schutz für InitiatorInnen von Betriebsräten zu stärken. Das ist ein Affront und ignoriert die wichtige Rolle, die Betriebsräte unter anderem in der Corona-Pandemie wahrneh- men, kritisiert der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Im Koalitionsvertrag ist verein- bart, die Gründung und Wahl von Betriebs- räten zu erleichtern. Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird jede sechste Wahl in Betrieben, die bis dahin noch keine Interessenvertretung hatten, mit illegalen Mitteln behindert. Der DGB-Vorsitzende fordert die Union auf, ihre Blockade auf- zugeben: „Die Stärkung der Betrieblichen Interessenvertretung ist überfällig, nicht nur, weil sie eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie spielen. Gerade der digitale Wandel in der Arbeitswelt macht es dringend erforderlich, die Mitbestim- mungsrechte der Arbeitnehmer zu stärken.“

www.dgb.de/betriebsraetestaerkungsgesetz

telegramm

Als einen Tropfen auf den heißen Stein hat DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel die geplanten 150 euro Kinderbonus und Corona-Zuschuss

für Hartz-IV-EmpfängerInnen bezeichnet.

Zwar seien die Gelder ein richtiges Zeichen – doch die Unterstützung reiche nicht aus.

„Wir wissen, dass die Familien in den letzten Monaten hoch belastet waren. Nicht nur, dass sie

so viel nebeneinander stemmen müssen, auch finanziell sind erhebliche Mehrkosten auf sie

zugekommen“, sagte Piel.

DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell hat gefordert, betriebsvermögen stärker zu besteuern. Sie müssten in der Erschaftsstuer genauso behandelt werden wie andere Vermögen

auch. Fast die Hälfte aller Erbschaften geht an die reichsten zehn Prozent der Deutschen, das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Eine besser ausgestaltete Erbschaftssteuer würde zu mehr Steuergerechtigkeit führen und so den gesellschaft-

lichen Zusammenhalt stärken, so Körzell.

Es müsse Schluss sein mit den steuerlichen Vorteilen für Unternehmensanteile und Aktienpakete.

Diese Vermögensarten werden vor allem von Reichen gehalten.

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betriebSräte-PreiS 2021:

auSgezeiChnet durCh die KriSe

Home Office, Kurzarbeit und drohende Insolvenzen – Betriebsräte sind nah dran an den Sorgen der Beschäftigten in der Corona-Krise. Innovativ und mit großem Einsatz haben sie seit Beginn der Pandemie flexibel Lösungen erarbeitet und umgesetzt. Um diesen Einsatz zu würdigen, sind Interessenvertre- tungen aufgerufen, sich mit ihren Projekten und Initiativen für den Deutschen Betriebsräte-Preis zu bewerben.

Bewerbungsschluss ist der 30. April. Verliehen werden die Preise am 11. November im Rahmen des Deutschen Betriebsräte-Tags in Bonn. www.dbrp.de

Auch Personalräte sind aufgerufen, ihre Projekte unter dem Motto „Initiativen für Beschäftigte“ für den Deutschen Personalräte-Preis einzureichen. Bewerbungsschluss ist der 31. Mai. Der Personalräte-Preis wird am 3. November im Rahmen des „Schöneberger Forums“ von DGB und DGB-Bildungswerk verliehen. www.dprp.de

Foto: privat

Der Weltfrauentag am 8. März steht 2021 unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Gastronomie, Einzelhandel, Erziehung, Pflege und Gesundheit – die Krise trifft Branchen überdurchschnittlich hart, in denen viele Frauen arbeiten. Die Folgen: Einkommenseinbußen, Freistellung, Kurzarbeit und Arbeitslosig- keit. „Bereits bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nehmen momentan zu“, erklärt DGB-Vize Elke Hannack am 10. Februar in Berlin. Sie warnte vor den langfristigen, negativen Folgen der Corona-Krise für die wirtschaftliche Situation von Frauen. Wer heute seine Arbeitszeit reduziere, könne – angesichts der wirtschaftlichen Lage – „nicht so schnell wieder zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückkehren“, so Hannack.

Zum Internationalen Frauentag fordern Die DGB-Frauen 2021, die Folgen der Corona-Krise für Frauen besonders in den Blick zu nehmen. Unter dem Motto „Mehr Gewerkschaft. Mehr Gleich- stellung. Mehr denn je!“ fordern die Gewerk- schaftsfrauen den Einsatz für existenzsichernde Einkommen, Arbeitszeiten, Kinderbetreuung und eine gerechte Besteuerung. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack steht am 8. März in einer online-Session Rede und Antwort zu den Themen Frauen und Gewerkschaften:

www.frauen.dgb.de

Drei Monate und 10 Tage – so lange müssen Frauen länger arbeiten, um das Einkommen zu erzielen, das Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres erreicht haben. Der Equal Pay Day macht auf diese Lohnungerechtigkeit aufmerksam und findet dieses Jahr am 10. März statt. Zwar ist der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen zuletzt gesunken – von über 20 auf jetzt 19 Pro- zent. Allerdings sind diese Zahlen von 2019: Die Effekte der Corona-Krise wie Kurzarbeit und Job- verlust sind darin noch nicht enthalten. Sie dürften sich aber auf die Löhne von Frauen und Männern auswirken. Deutschland rangiert mit dieser Lohn- lücke seit Jahren auf den letzten Plätzen in Europa.

Wenn es in diesem Tempo weitergeht, müssten Frauen in Deutschland noch rund 100 Jahre auf Entgeltgleichheit warten, hat der Europäische Gewerkschaftsbund berechnet.

Frauen und gLeiChSteLLung : Keine roLLe rüCKwärtS durCh Corona

gLeiChe bezahLung jetzt!

tipp

Quelle: destatis 2020 © DGB-einblick 03/2021 / CC BY 4.0

Lücke schließt zu langsam

2006 2010 2014 2018 2019

EU-Durchschnitt

23 22 22

20 19

15 (2018) Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland (unbereinigter Gender Pay Gap) (in Prozent)

DR EI F R AN

wie wirkte sich die Covid-19- Pande mie auf die Landarbeiterinnen in ecuador aus?

Während der Pandemie galten auf den Feldern weiterhin die gleichen Arbeitszeiten, nämlich 12 bis 14 Stunden pro Tag, an fünf bis sechs Tagen in der Woche. Während des Ausnah- mezustands genehmigte die Regierung die Fortsetzung der Exportaktivitäten, zwang die Unternehmen aber nicht, den Arbeiterinnen und Arbeitern die Schutzmittel zur Verfügung zu stellen. In den meisten Fällen mussten sie diese Ausgaben von ihrem ohnehin schon geringen Lohn bestreiten. Der Mangel an staatlicher Kontrolle während der Pandemie wurde dadurch verschärft, dass die Inspek- toren des Arbeitsministeriums ihre Arbeit ein- stellten.

was bedeutet das für die gewerkschaften in ecuador?

Hier ist es leider angebracht, Selbstkritik zu üben. Die Gewerkschaftsbewegung Ecuadors lebt in der Vergangenheit. Es handelt sich nicht um eine kreative Gewerkschaftsbewegung.

Sie sucht nicht nach neuen Möglichkeiten zu kämpfen oder ihre Mitglieder zu führen. In einer Zeit der Pandemie, in der wir alle Angst vor Ansteckung haben und deswegen zu Hause bleiben, wurden keine alternativen Formen des Widerstands gefunden. Als ASTAC suchen wir jedoch nach alternativen Formen der Interes- senvertretung. Wir müssen aufhören zu glau- ben, dass die einzige Form des Kampfes die Straße ist. In Zeiten eingeschränkter Mobilität müssen wir Alternativen entwickeln.

was erwartet ihr von euren europäischen Partnern?

Unter unseren wichtigsten Verbündeten in Europa sind die Verbraucher. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass der billige Preis eines Produkts oft Ausbeutung und Rechtsver- letzung außerhalb des eigenen Landes bedeu- ten. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch die Verbraucher und Verbraucherinnen meist auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind.

Jorge Acosta Orellana ist Generalkoordinator der “Gewerkschaft der Bananen-ArbeiterIn- nen und KleinbäuerInnen in Ecuador”. Er ist nominiert für den Arthur-Svensson-Preis für Gewerkschaftsrechte.

jorge aCoSta

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Solidarität ist zukunft

Die Idee der Solidarität ist uralt. Doch was macht solidarisches Handelns heute aus – vor allem jetzt, in der größten Krise nach dem zweiten Weltkrieg?

Fakt ist: Nur mit Solidarität lässt sich ein Weg aus der aktuellen Situation finden.

Wir zeigen, warum Solidarität Zukunft ist.

E

s war Anfang März 2020, als eine junge Bayerin in das Münchner Krankenhaus gebracht wurde: Sie hatte Covid19, eine der ersten Kranken. Es dauerte Wochen, bis sie wieder gesund war – aber jetzt trifft man sie wieder in dem Krankenhaus an. Aber als Stati- onsassistentin, bis April. Die junge Frau „möchte den Menschen was zurückgeben, die mir so viel gegeben haben, dem Stationspersonal“ sagte sie dem Sender Bayern 2.

Es ist nur eines von vielen Beispielen für Solidarität in dieser fürchterlichen Pandemie. Fast jede und jeder kann ein Beispiel dafür nennen, ob die Nachbarschaftshilfe für Ältere, die plötzlich aufblühte, oder die Beutel mit Lebensmitteln für Obdachlose, die an Zäunen hingen, ob das kos- tenlose Taxi für die PflegerInnen oder der Kinobe- treiber, dem die Fans einen neuen Projektor finan- zieren, weil der alte kaputt ist: Die Pandemie hat zu einer Welle der Solidarität geführt. Auch wenn diese Bewegung durchsetzt ist mit Querdenkern

und Querulanten: Sie sind wenige im Vergleich zu den Millionen, die sich zusammengetan haben, um die Schwachen zu schützen, die Alten, die Vorerkrankten. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten Ländern der Welt.

Der DGB hat nicht nur deswegen für den 1. Mai die Solidarität in sein Motto gehoben:

„Solidarität ist Zukunft“. Nur mit Solidarität, so der DGB, lässt sich ein Weg aus der Krise finden.

Das passende Bild zum Motiv hat der junge Künst- ler Niklas Apfel von der Berliner Universität der Künste entworfen. „Gerade heute in einer sich immer mehr globalisierenden Welt, und auch in der aktuellen Pandemiesituation, ist es sehr wich- tig, dass es Menschen gibt, die sich für die Arbeits- rechte anderer einsetzen. Denn gemeinsam sind wir stärker“, beschreibt er sein Ziel.

VerwundbarKeit aLS „grund- modeLL der SoLidarität“

Viele solidarische Handlungen in der Pandemie sind dabei weniger auffällig gewesen als die in den Medien zitierten, aber sie sind genauso substanziell wie die sichtbaren.

Wie zum Beispiel die Entscheidung in einem Chemieunternehmen, dass die Belegschaft eine Samstagsschicht leisten muss - die das, diskutiert im Betriebsrat, aber auch möchte, damit alle durch die Schichtwechsel sicher arbeiten können, und das Unternehmen trotzdem weiter produzieren kann. Oder wenn Spenden an wohltätige Organisatio- nen wie Brot für die Welt deutlich ansteigen – statt, wie erwartet, zu sinken.

Der renommierte Soziologe Heinz Bude glaubt, dass diese Welle der Soli- darität nicht einmalig und befristet ist.

Vor der Pandemie habe es eine Krise des Sozialstaates gegeben, erklärte er in einem Vortrag, und es herrschte die neoliberale Überzeugung vor, dass eine gute Gesell- schaft eine mit starken Einzelnen ist, die in der Lage sind, für sich selber zu sorgen.

„Das glauben die Menschen nicht mehr. Die Pandemie hat ein neues Motiv geschaffen:

Man kann noch so reich, noch so schlau sein: Man kann sich nicht selber schützen, wenn andere sich nicht auch schützen“, sagt er. Dieses Bewusstsein für die individu- elle Verwundbarkeit sei „das Grundmodell der Solidarität“.

„Eine zukunftsfähige Solidarität muss die Idee des verwundbaren Individuums ernst neh- men“, fordert Bude – und beobachtet in der Pan- demie genau das. Zudem habe sich gezeigt, dass vor allem Länder mit funktionierendem Staatswe- sen die jeweilige Bevölkerung verhältnismäßig erfolgreich durch die Pandemie gesteuert haben.

Daraus resultiere, so Bude, für die Zivilgesellschaft ein Bewußtsein für die „Staatsbedürftigkeit“ – ohne den Staat, ohne seine Institutionen wäre die Menschheit dem Virus vollständig hilflos ausge- liefert.

Die Idee der Solidarität ist dabei uralt – sie ankert im Römischen Recht, entwickelt zwischen dem 5. Jahrhundert vor Christus und dem 3. Jahr- hundert nach Christus: Solidus selbst heißt so viel wie gediegen, fest, „in solidum“ hieß es damals:

Alle für einen und einer für alle, und beschrieb ein Schuldverhältnis, in dem jeder und alle haf- ten – es gibt eine verbindliche Verpflichtung, eine Gesamtschuld.

Seitdem hat diese gegenseitige Verpflich- tung, sich zu unterstützen, immer wieder Glanz- zeiten erlebt: Mit der französischen Revolution („Einheit, Gleichheit, Solidarität“), mit dem Wiederaufbau nach den beiden Weltkriegen, mit der Errichtung des hochsolidarischen Sozialsys- tems mit Krankenkasse, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung. Heute kann man die Attraktivität des Begriffs sogar ganz einfach mes- sen – im März 2020, zu Beginn der Pandemie, wurde der Begriff „Solidarität“ extrem oft gegoo- gelt (allerdings auch der Begriff „Aktien kaufen“).

SoLidariSChe energie Für hiStoriSChen SChritt?

Dass noch viel Luft nach oben ist, zeigt die Pan- demie ebenfalls, und das nicht nur darin, dass in den ersten Wochen des Lockdowns Toiletten- papier ausverkauft war und Desinfektionsmittel gestohlen wurde. Solidarität sieht anders aus. Und während im ersten Lockdown noch für das Pfle- gepersonal und die Alltagshelden wie LKW-Fah- rer und Verkäuferinnen von Balkonen geklatscht wird, hört man davon im derzeitigen Dauerlock- down wenig. Auch für die 60 000 Erntehelfer*in- nen aus Ost- und Südeuropa, die voraussichtlich dieses Jahr wieder einreisen werden, gibt es bis Solidarität hat auch im netz Konjunktur. jeden

monat suchen weltweit mehrere zehntausend menschen nach dem begriff Solidarität in den Suchmaschinen.

74 000 74 000 60 500 22 000 18 900 15 400 15 100 13 000 12 700 Mexiko USA

Brasilien

Frankreich Italien

Vereinigtes Königreich

Polen Deutschland

Spanien

So viele Menschen suchen jeden Monat in Internetsuchmaschinen nach dem Begriff Solidarität (in ausgewählten Ländern*)

Quelle: sistrix.de 2021

*in der jeweiligen Landessprache

© DGB-einblick 03/2021 / CC BY 4.0

Solidarität: Populär im Netz

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heute keine soziale Absicherung, heißt, keine Krankenversicherung - mitten in der Pandemie.

Im ersten Moment wurde auch der Skandal im Sommer kleingeredet, als die Beschäftigten in den Schlachthöfen wegen mangelnder Hygienekon- zepten und schlechten Arbeitsbedingungen dem Virus hilflos ausgeliefert waren.

Aber hier war plötzlich unter dem Druck der Öffentlichkeit möglich, was über Jahre gefor- dert wurde und angeblich bis dahin nie umsetz- bar war: Scharfe gesetzliche Regelungen für die Arbeitsbedingungen und Unterkünfte der meist ost- und südeuropäischen Schlachthofmitarbeite- rinnen und -mitarbeiter. Selbst der letzte Versuch der Schlachtindustrie, die gesetzlichen Vorschriften aufzuweichen, scheiterte in der Politik.

Offen ist, ob die solidarische politische Energie ausreicht, um auch beim Pflegepersonal einen historischen Schritt zu gehen. Dass sie mehr verdienen sollten, dass Pflege mehr wert ist als ein paar Prämien, ist durch die Pandemie gesell- schaftlicher Konsens geworden. Ein entsprechen- der Tarifvertrag zwischen Verdi und dem Arbeit- geberverband BVAP steht – doch noch steht aus, wie sich die Kirchen zu dem Tarifvertrag stellen.

materialien zum 1. mai 2021

bestellfrist: 12. märz 2021

https://www.dcm-drucksachen.de/dgb/erstermai2021 motivplakat

Erst Ende Februar will man sich in der paritätisch besetzte Arbeitsrechtlichen Kommission zusam- mensetzen und entscheiden, ob die Kirchen den

„Dritten Weg“ aufgeben – und damit die Basis für eine Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertra- ges ermöglichen.

arme Länder unterStützen Doch nicht nur auf nationaler Ebene hakt es noch mit der Solidarität. Zwar hat die EU gerade des- wegen so lange bei den Impfstoffen verhandelt, damit sie alle 27 EU-Länder unter einem (solida- rischen) Hut hatte bei der Pandemiebekämpfung.

Aber um die Pandemie zu bewältigen, muss sie nicht nur europaweit, sondern weltweit bezwun- gen werden; schon und auch aus ökonomischen Gründen. Es bringt wenig, wenn die reichen Länder durchgeimpft sind, aber die Wirtschaft in anderen Ländern, sei es Liefer- oder Exportland, still steht, weil das Virus weiter wütet. Trotzdem haben die reichen Ländern bis Mitte Januar 60 Prozent des damals verfügbaren Impfstoffs auf- gekauft oder vertraglich gesichert, obwohl sie nur 16 Prozent der Bevölkerung ausmachen, zitiert die „Zeit“ eine Studie. Und obwohl die Impfstoffe

mit riesigen staatlichen Hilfen entwickelt wurden – Biontech hat allein 375 Millionen Euro bekom- men – unterliegen sie dem Patentschutz, der sie teuer macht. Dabei appellieren bereits 100 Länder an die Welthandelsorganisation, den Patentschutz wenigstens zu lockern, damit die armen Länder günstig an Impfstoff kommen.

Gewerkschaften werden deswegen am 1. Mai wieder für Solidarität eintreten – digital, aber auch persönlich. In Deutschland wollen die Gewerkschafter*innen dort, wo es unter Einhal- tung der Hygieneauflagen möglich ist, auf den Plätzen ein Netz der Solidarität spannen – weil Solidarität die Zukunft ist.

SoLidarität reLoaded

Kann Solidarität unsere Gesell- schaft vor dem Auseinanderbre- chen bewahren?

Heinz Bude appelliert an eine neue Art des Zusam- menlebens.

Solidarität war einmal ein starkes Wort.

Es geriet in Verruf, als jeder für sein Glück und sei- ne Not selbst

verantwortlich gemacht wurde. Heute ist die Gesellschaft tiefer denn je zwischen Arm und Reich gespalten. Natürlich gibt es ein Sozialsystem, das einen Ausgleich bewirkt.

Dazu brauchen wir aber ein neues Verständ- nis von Solidarität. Wir sollten uns nicht damit begnügen, materielle Not zu lindern, sondern im anderen uns selbst als Mensch wiedererkennen. Erst durch diese freie Ent- scheidung zur Mitmenschlichkeit findet eine Gesellschaft wieder zusammen. Heinz Budes Reflexionen über die solidarische Existenz liefern die Antworten auf die soziale Frage unserer Zeit.

Heinz Bude: Solidarität, Hanser Literatur- verlag, 176 Seiten, 19,60 Euro Kann Solidarität

Auseinanderbre- chen bewahren?

verantwortlich gemacht wurde. Heute ist

Postkarte

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„ M i t . M u t . M a c h e n . “

Unter dieses Motto hat die IG BCE ihre Reformagenda gestellt, anhand der sie die Programme der politischen Parteien zur Bundestagswahl 2021 messen wird. Den Forde- rungskatalog hat der 30-köpfige Hauptvorstand der Gewerkschaft bei einer virtuellen Klausur beschlossen. „Wir wollen mit Mut aus der Krise kommen und mit Mut die Zukunft des Indust- riestandorts gestalten“, sagte der Vorsitzende der zweitgrößten Industriegewerkschaft, Michael Vassiliadis. www.igbce.de

H e l m p f l i c h t f ü r Fa h r r a d f a h r e r

Die GdP hat sich für eine Helmpflicht für Radfahrer ausgesprochen. „Zum eigenen Schutz sollte für das Tragen eines Helms dringend geworben werden“, erklärte der stellver- tretende GdP-Vorsitzende Michael Mertens.

Angesichts der voranschreitenden Zahl von E-Bikes und Pedelecs und damit verbundener größerer

Geschwindigkeiten sei ein Kopfschutz noch viel wichtiger für einen präventiven Gesundheits- schutz. „Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass durch Nutzung geeigneter Fahrradhelme das Ausmaß von Kopfverletzungen erheblich gemildert werden kann“, so der GdP-Verkehrsexperte.

www.gdp.de

M e h r P e r s o n a l f ü r A r b e i t s s c h u t z Die IG BAU kritisiert die mangelnde Ausstattung der Arbeitsschutzbehörden in den Bundesländern. Dabei haben die Landesbehörden seit Anfang des Jahres neue Aufgaben: unter anderem eine stärkere Überwa- chung der Fleischbranche und die Kontrolle der aktuellen Homeoffice-Verordnung. Angesichts dieser zusätzlichen Aufgaben befürchtet der IG BAU-Vorsitzende Robert Feiger auf Baustellen und in Betrieben ein „Sicherheitsvakuum“ beim staatlichen Arbeitsschutz. Rein rechnerisch kommt damit ein/e KontrolleurIn auf 1500 Betriebe und mehr als 26 000 Beschäftigte, so die IG BAU unter Berufung auf Zahlen der Arbeitsagentur.

Petition : mindeSt- KurzarbeitergeLd

ver.di und die NGG werben mit einer Online- Petition für ein Mindest-Kurzarbeitergeld für Men- schen mit niedrigen Löhnen. Seit Dezember sind gastronomische Betriebe, Hotels, Läden des Ein- zelhandels und der Friseurbranche geschlossen – mit dramatischen Folgen für die Beschäftigten.

Viele haben ihre Arbeit verloren. Hunderttausende sind seit Monaten in Kurzarbeit. Damit sind aus- gerechnet die Beschäftigten besonders von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie betroffen, die – auch in normalen Zeiten – geringe Löhne erhalten. Das Kurzarbeitergeld ist demnach noch niedriger. Hunderttausende sind schuldlos in existentielle Not geraten und brauchen dringend finanzielle Hilfe. Für sie fordern ver.di und NGG ein branchenunabhängiges Mindest-Kurzarbeitergeld von 1200 Euro. www.ngg.net/mindest-kug

ticker

Nicht erst seit der Corona-Krise haben Arbeitsintensität und Arbeitsstress für viele Beschäftigte im Dienstleistungssektor zuge- nommen. Wie genau neue Modelle der Leis- tungssteuerung sich auf die Belastung der Beschäftigten auswirken, hat die ver.di-Studie

„Leistungssteuerung und Arbeitsintensität im Dienstleistungssektor“ untersucht.

Auf Grundlage des DGB-Index Gute Arbeit – also Daten, die vor der Corona-Pan- demie erhoben wurden – analysiert die Studie, wie die Steuerungsmodelle und Arbeitsmenge zusammenhängen und wie sich dies auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt. Neue Modelle zur Leistungssteuerung delegieren Verantwortung an die Beschäftigten, die gefor- derten Leistungen zu erreichen, oft aber, ohne sie mit den entsprechenden Ressourcen und Handlungsspielräumen auszustatten.

Die Ergebnisse zeigen klar: je mehr Steuerungsformen angewendet werden, desto höher ist die Arbeitsverdichtung. Wenn die Leistungssteuerung sich zusätzlich an Zielen und Ergebnissen orien- tiert, steigen Arbeitshetze und Arbeitsdruck. Dies kann sich negativ auf die Gesundheit der Beschäf- tigten auswirken, da sie zunehmend auf Pausen verzichten und auch krank zur Arbeit kommen, um das Pensum zu schaffen.

Hatten die Beschäftigten hingegen Einfluss auf die Arbeitsmenge und Arbeitszeit, waren positive Effekte zu beobachten, die aber nicht ausreichten, um die negativen Auswirkungen auszu- gleichen. https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/

Starre Steuerungsmodelle führen zu arbeitsverdichtung und Stress

mehr übergriFFe auF zugPerSonaL

Zugfahren ohne Mund-Nasen-Schutz, Frust über Abstandsregeln und allgemeiner Lockdown-Über- druss – immer öfter lassen Fahrgäste ihren Frust an Bahn-Beschäftigten aus. So hat die Zahl der Über- griffe im letzten Jahr teils stark zugenommen – obwohl wegen der Corona-Pandemie viel weniger Menschen Zug gefahren sind. Die offiziell gemelde- ten Beleidigungen, Bedrohungen und Nötigungen bei der DB Regio haben sich innerhalb von zwölf Monaten verdoppelt – und liegen für das Jahr 2020 bei rund 7300. „Da schrillen bei uns alle Alarm- glocken“, erklärt EVG-Vorstand Kristian Loroch. Die EVG fordert von den Arbeitgebern deutlich mehr Anstrengungen zum Schutz der Beschäftigten vor Übergriffen. Gerade die Zahl der gemeldeten Kör- perverletzungen sei im Verhältnis stark angestie- gen. Die Zahl der Körperverletzung lag mit rund 1200 im Jahr 2020 genauso hoch wie 2019.

Ein Grund für die hohen Zahlen dürfte nach Einschätzung der EVG die Einführung einer App sein, mit Hilfe derer betroffene ZugbegleiterInnen bei DB Regio viel einfacher als bisher Übergriffe melden können. „Das Lagebild wird so deutlich realistischer und zeigt, wie die Situation im Regi- onalverkehr tatsächlich ist.“, so Kristian Loroch.

Auch bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) und Bussen sei die Zahl der Über- griffe angestiegen.

dienStLeiStungen : arbeitSStreSS Steigt

imPreSSum herausgeber Deutscher Gewerkschaftsbund anschrift DGB-Bundesvorstand, Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion einblick/

Gegenblende, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Telefon: 030 / 240 60-615 oder 616, E-Mail: einblick@dgb.de Presserechtlich verantwortlich Timm Steinborn redaktion Lena Clausen, Sebastian Henneke redaktionelle mitarbeit Luis Ledesma Layout zang.design infografik Klaus Niesen druck und Vertrieb DCM Druck Center Meckenheim GmbH abonnements abo-einblick@dgb.de e-mail-newsletter www.dgb.de/einblicknewsletter

Nachdruck frei für DGB und Mitgliedsgewerkschaften bei Quellenangabe und zwei Belegexemplaren. Alle anderen nur nach schriftlicher Genehmigung durch die Redaktion. Nachdruck von namentlich gezeichneten Artikeln nur nach Genehmigung durch Redaktion und AutorIn.

Quelle: Studie „Leistungssteuerung und Arbeitsintensität“, ver.di-Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit 2019

© DGB-einblick 03/2021 / CC BY 4.0

Leistungssteuerung und Arbeitshetze

Steuerung durch Ziele/Ergebnisse Keine Steuerung durch Ziele/Ergebnisse

60 44

Anteil der Beschäftigten, die sich sehr häufig/oft bei der Arbeit gehetzt fühlen (in Prozent)

(7)

Foto: UNI Duisburg-Essen_Bettina Engel-Albustin/fotoagentur ruhr moers

G

egenwärtig steht die Überwindung der Coronakrise zu Recht im Fokus der Wirt- schaftspolitik. Allerdings wird Deutsch- land auch nach der Überwindung der Corona- krise vor großen Herausforderungen stehen. Die sozial-ökologische Transformation muss noch deutlich ambitionierter als bisher angegangen werden. Auch hinsichtlich Bildung, Forschung, Digitalisierung, im Gesundheitswesen und bei der traditionellen Infrastruktur gibt es massive Handlungs- und Investitionsbedarfe. Nicht alles davon muss staatlich finanziert werden. Den- noch wird der öffentliche Ausgabenbedarf sehr groß sein.

Das Institut für Makroökonomie und Kon- junkturforschung und das Institut der Deutschen Wirtschaft forderten unterstützt von DGB und BDI schon 2019 gemeinsam ein über die bisherigen Planungen hinausgehendes Investitionspaket im Umfang von 450 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre.

Es ist kaum vorstellbar, dass zentrale Zukunftsaufgaben in dieser Dimension ohne eine Reform der Schuldenbremse umgesetzt werden können. Wenn die wirtschaftliche Erholung nicht viel kräftiger ausfällt als bislang erwartet, wer- den die öffentlichen Haushalte noch über Jahre hinweg mit bedeutenden Mindereinnahmen im Vergleich zur Vorkrisenplanung zu kämpfen haben. Kehrt man in dieser Situation – wie von manchen gefordert – schnell wieder zur Regel-

grenze der Schuldenbremse zurück, werden die öffentlichen Haushalte in den nächsten Jahren auf Konsolidierungskurs gezwungen. Die vorge-

Schuldenbremse

investitionsorientiert reformieren

Wenn die Schuldenbremse nicht reformiert wird, droht ein harter Konsolidierungskurs der öffentlichen Haushalte, warnt der Ökonom achim truger, der seit 2019 Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen ist.

Im einblick skizziert er, wie eine solche Reform aussehen könnte.

schriebene Tilgung der bislang aufgenommenen Corona-Schulden verengt die ohnehin geringen Kreditspielräume zusätzlich. Dann werden Steu- ererhöhungen oder Ausgabenkürzungen unaus- weichlich, was die Erholung der Konjunktur empfindlich schwächen würde. In einem solchen Umfeld werden sich große zusätzliche Investiti- onssummen kaum mobilisieren lassen.

Ökonomisch wäre eine beschleunigte Konsolidierung also völlig kontra-

produktiv, zumal angesichts der Tatsache, dass die auf absehbare Zeit extrem niedrigen – wenn nicht negativen – Zinsen die Kosten der Staatsverschuldung extrem redu- ziert haben. Dies gilt umso mehr, wenn die Staatsverschuldung zur Finanzierung von Zukunftsinves-

titionen verwendet wird, die einen langfristigen Nutzen stiften. Genau deshalb fordert die finanz- wissenschaftliche Goldene Regel der öffentlichen Investitionen die Kreditfinanzierung öffentlicher Nettoinvestitionen, denn diese erhöhen den öffentlichen Kapitalstock und schaffen Produkti- vität und Wachstum auch für zukünftige Gene- rationen.

Zukünftige Generationen sollten daher über den Schuldendienst auch zur Finanzierung herangezogen werden. Andernfalls müssten heu- tige Generationen über höhere Steuern oder Aus- gabenkürzungen die gesamte Finanzierungslast

tragen, was mit hoher Wahrscheinlich- keit gerade in Konsolidierungsphasen dazu führt, dass öffentliche Investitio- nen unter die Räder geraten.

Um technische Schwierigkeiten zu vermeiden, bietet sich eine pragma- tische Umsetzung an: Bund und Län- der sollten als Ersatz für die bisherige Schuldenbremse investive Ausgaben in Höhe von insgesamt zwei Prozent des BIP dauerhaft auf Kredit finanzieren dürfen. Ein strukturelles Defi-

zit in dieser Höhe sollte Tragfähigkeitsprobleme ausschließen.

Da eine zweifelsfreie ökonomische Defini- tion des Investitionsbegriffs und die Festlegung von Abschreibungen unmöglich ist, sollte die Politik im demokratischen Wettbewerb jeweils für einen bestimmten Zeitraum vorab die als investiv zu klassifizierenden Ausgaben nach kla- ren Kriterien festlegen. Je nach politischer Prä-

ferenz könnten also etwa auch Investitionen in Bildung und nicht nur in Beton gefördert werden.

Personalkosten für Wartung und Instandhaltung und für Lehrkräfte könnten so mitfinanziert werden. Und die Spielräume könnten auch zur Förderung kommunaler Investitionen genutzt werden.

Eine solche Reform der Schuldenbremse könnte in Deutschland die nötigen Spielräume zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben schaf- fen. Ist die notwendige Zweitdrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung realistisch? Immerhin sprechen sich nicht nur der derzeitige Koalitions- partner der Union, die SPD, sondern auch die Grü- nen als potenzielle Koalitionspartner der Union nach der Bundestagswahl im Herbst, seit langem für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Und wie der Vorstoß von Kanzleramtsminister Helge Braun zeigt, wächst offenbar auch in Teilen der Union die Einsicht, dass die Schuldenbremse reformbedürftig ist. Zudem sprach sich kürzlich eine Mehrheit der Landtagsabgeordneten für eine investitionsorientierte Reform der Schulden- bremse aus.

aChim truger, 51, ist Mitglied des Sachverstän-

digenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor für Staatstätigkeit und Staats- finanzen an der Universität

Duisburg-Essen.

 Eine Reform der Schuldenbremse könnte in Deutschland die nötigen Spielräume zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben schaffen.

 Bund und Länder sollten als Ersatz für

die bisherige Schuldenbremse investive

Ausgaben in Höhe von insgesamt

zwei Prozent des BIP dauerhaft auf

Kredit finanzieren dürfen.

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Personalia

Foto: White House_CC BY 3.0 US

das steht an …

„Einige werden Dir sagen, dass Du nicht dran bist, dass jetzt nicht Deine Zeit ist.

Hör’ ihnen nicht zu.“

Die amerikanische Vize-Präsidentin Kamala Harris darüber, was sie jungen Menschen rät, am 18. Januar auf Twitter. Sie ist die erste Frau und die

erste person of colour, die dieses Amt innehat.

8 . M ä r z

Am internationalen Frauentag 2021 fordern die DGB-Frauen, die Folgen der Corona-Krise für Frauen besonders in den Blick zu nehmen. Unter dem Motto „Mehr Gewerkschaft. Mehr Gleichstellung. Mehr denn je!“ geht es um den Einsatz für existenzsichernde Einkommen, Arbeitszeiten, Kinder- betreuung und gerechte Besteuerung. (s. Seite 4). www.frauen.dgb.de

1 0 . M ä r z

Am 10. März ist equal Pay day – bis zu diesem Tag müssen Frauen rechnerisch weiter arbeiten, um das Vorjahreseinkommen der Männer zu erreichen. In diesem Jahr beträgt die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern 19 Prozent. (s. Seite 4). www.frauen.dgb.de

1 1 . M ä r z

Vor 10 Jahren löste ein Seebeben vor der japanischen Küste einen Tsunami aus, der wiederum zur reaktorkatastrophe von Fukushima führte.

In dem japanischen Atomkraftwerk kam es in drei Blöcken zur Kernschmelze.

Infolge des Unglücks entschied die Bundesregierung, die beschlossene Laufzeitenverlängerung für Atomkraftwerke zurückzunehmen.

2 1 . M ä r z

Der 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Vom 15. - 28. März finden die internationalen wochen gegen rassismus statt – 2021 unter dem Motto „Solidarität. Grenzenlos“. Die Stiftung gegen Rassismus, die die Aktivitäten koordiniert, wurde auf Initiative von DGB und Partnern gegründet. https://stiftung-gegen-rassismus.de/

eVeLYn räder,

52, hat seit 1. Februar in der Abtei- lung Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Bundesvorstand angefangen.

Sie übernimmt die Abteilungsleitung von johannes jakob, der zum 1.

April in den Ruhestand geht. Zuvor war sie beim ver.di-Bundesvorstand im Bereich Rechtspolitik tätig.

robert SinoPoLi,

40, verstärkt seit 1. Februar die Abteilung Digi- tale Arbeitswelten beim DGB-Bundesvorstand.

Er ist Referent für Datenanalyse und Statistik des DGB-Index Gute Arbeit. Zuvor war der Politik- wissenschaftler an der Universität Osnabrück als Wissenschaftlicher Mitarbeiter mit statistischen Analysen im Bereich der Arbeits- und Industrie- soziologie befasst.

buchtipp

der eigenen Verantwortung SteLLen MitläuferInnen oder fanatische Nazis?

97 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer waren von 1933 bis 1945 Mitglied im NS-Lehrerbund. Wie ging die Gewerk- schaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach dem Kriegsende mit diesem Erbe um? Dieser Frage sind die Leipziger Historiker Jörn-Michael Goll und Detlev Brunner nachgegan- gen. Das nun vorliegende Buch „Die GEW und das NS-Erbe“ schlägt einen Bogen von den LehrerIn- nen im Nationalsozialismus, dem Kriegsende, über die Entnazifizie- rung zum Umbruch und der kritischen Aus-

einandersetzung mit der eigenen Geschichte. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe schreibt im Vorwort: „Dabei treten unbequeme Fakten zu Tage, vor allem der Befund, dass sich die GEW mit einer kritischen Stellungnahme zur eigenen Geschichte lange Zeit schwergetan hat.“ Das Buch versteht sich nicht als Abschluss dieses Prozesses. Es bilde das Fundament für die weitere Debatte, so Tepe.

Goll, Jörn-Michael: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und das NS-Erbe, Beltz-Verlag 2021, 420 Seiten, 39,95 Euro, E-Book: 36,99 Euro.

MitläuferInnen oder fanatische Nazis?

97 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer waren von 1933 bis 1945 Mitglied im NS-Lehrerbund. Wie ging die Gewerk- schaft Erziehung und Wissenschaft

rung zum Umbruch und der kritischen Aus-

einandersetzung mit der eigenen Geschichte. Die GEW-Vorsitzende Marlis

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Foto: pexels/energepic.com

WIKIPEDIA: AUTORINNEN GESUCHT

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ist 20 Jahre alt. Ein großer Teil der Mitwirkenden ist männlich. Das soll sich nun ändern. Am 2. Februar 2021 hat der Vorstand der Wikime- dia Foundation einen „Universal Code of Conduct“ (UCoC) offiziell verabschiedet. Die Vereinbarung soll zudem dafür sorgen, dass der Umgang auf der Plattform toleranter wird.

Immer wieder hat es Berichte über den harten Umgangston unter den AutorInnen gegeben. Besonders NeueinsteigerIn- nen haben es schwer, sich gegen erfahrene AutorInnen und Administratoren durchzusetzen. Die Verhaltenscodex richtet sich auch explizit gegen jede Form von Diskriminierung, Belästigung oder negatives Verhaltensweise.

RIGHT TO REPAIR:

FRANKREICH LEGT VOR

Frankreich hat seit Anfang des Jahres einen Reparatur- Index, um Geräte danach beurteilen zu können, wie gut sie reparierbar sind. Denn, technische Geräte sollen nachhal- tiger werden. Im November letzten Jahres hat das EU-Par- lament einen Bericht verabschiedet, der eine Kreislaufwirt- schaft im Sinne des Green Deal fördern soll. Eines der sechs klimapolitischen Ziele der EU ist es, bis 2050 die Netto- Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren.

Bei elektronischen Geräten bedeutet das weniger Abfall, mehr Recycling und die Möglichkeit der Reparatur.

Der französische Index gilt momentan für unterschiedliche Produktfamilien wie Smartphones, Laptops, Rasenmäher, Staubsauger oder Waschmaschinen. Der Index besteht aus fünf Kriterien: dem Zugang zu Informationen wie Hand- büchern oder Reparaturanleitungen, der einfachen Demon- tage und dem Zugang zu Ersatzteilen sowie dem Preis der Ersatzteile, schreibt netzpolitik.org.

Seit 15 Jahren ist das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in Kraft. Dadurch kann jede/r BürgerIn bei Ministerien, Behörden oder kommunaler Verwaltung Informa- tionen, Daten und Positionen einholen. Die Webseite FragDenStaat unterstützt bei Auskünften und sammelt alle Anfragen samt Antworten.

Die Definition klingt zwar etwas trocken: „Informations- freiheit ist das voraussetzungslose Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen. Es bietet die Möglichkeit, sämt- liche Daten und Fakten, die bei staatlichen Stellen vorhan- den sind, unabhängig von ihrer Speicherung auf Anfrage zu erhalten, darunter Gutachten, Rechnungen und interne Schriftwechsel.“ Doch was in der Theorie eher unscheinbar wirkt, hat für die journalistische und politischen Arbeit großen Wert. Der Staat muss laut Gesetz auf Anfragen von BürgerInnen antworten – es sei denn, es stehen gravierende Sicherheitsbedenken entgegen. Das ist in den allermeis- ten Fällen nicht so. Außerdem: Informationsfreiheit hat Geschichte. Das erste Gesetz dieser Art ist bereits 1766 in Schweden erlassen worden.

Erfragte staatliche Veröffentlichungen liefern spannende Einblicke, in Themen, die sonst keine Rolle spielen in Gesell- schaft und Medien. Wer dafür einen Beleg sucht, sollte die Webseite https://FragDenStaat.de besuchen. Die Initiative hilft und verwaltet alle Anfragen an staatliche Institutionen.

Auf der Online-Plattform können alle Anfragen nach Bund bzw. Bundesländern, nach Suchbegriffen und nach aktuel- lem Status der Bearbeitung gefiltert werden. Es finden sich behördliche Auskünfte über Personal, Arbeitsbedingungen, Ausgaben, Berichte und Dokumentationen.

Die Plattform ist eine Fundgrube, auch für die gewerk- schaftliche Arbeit. So finden sich zum Beispiel Berichte des Regierungspräsidiums Kassel über den Arbeits- und Gesund- heitschutz des Amazon-Logistikzentrums in Bad Hersfeld.

Oder: Aktuell fordert eine FragDenStaat-Kampagne, alle Prüfungsausgaben für Schulen aufzulegen. Vorjahresprüfun- gen seien zur Vorbereitung quasi Voraussetzung, in vielen Bundesländern aber nur käuflich von privaten Unternehmen erhältlich, kritisieren die AktivistInnen. Durch die Ankün- digung der Kampagne konnte Niedersachsen dazu bewegt werden, auch Prüfungsaufgaben der Haupt- und Realschul- abschlüsse zu veröffentlichen – das Land hatte bereits Abi- turprüfungsfragen der Vorjahre veröffentlicht. Auch Bremen und Schleswig-Holstein richten aktuell ein Portal ein. In Bayern gibt es über Mebis die Möglichkeit, an die Aufgaben zu kommen.

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SM AR T

UN IO N SMART

UNION

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urteile urteile

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KEIN ANSPRUCH AUF

VORGEZOGENE CORONA-IMPFUNG

Die in der Coronavirus-Impfverordnung vorgegebene Rei- henfolge der Schutzimpfungen (Priorisierung) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Fall: Der 73-jährige leidet an einer chronischen Herz- krankheit. Sein behandelnder Hausarzt bescheinigte ihm aufgrund der Erkrankung ein erheblich erhöhtes Risiko und empfahl dringend eine frühzeitige SARS-CoV-2-Impfung.

Nachdem der Mann über die zentrale Impfhotline erfahren hatte, dass eine Impfung in der ersten Gruppe mit höchs- ter Priorität für ihn ausgeschlossen sei, stellte er einen gerichtlichen Eilantrag. Er beanstandete, dass die Bundes- regierung die Impfgruppen ausschließlich nach dem Alter eingeteilt hat und nicht nach anderen Risiken wie Vorer- krankungen. Weil seine Frau Grundschullehrerin sei und mit Schülern Kontakt habe, könne er sich nur begrenzt selbst schützen. Außerdem habe er zwei jugendliche Kinder.

Sein Antrag hatte keinen Erfolg.

Das Landessozialgericht: Der Mann hat keinen Anspruch auf eine unverzügliche Impfung im Rahmen der höchsten Priorität. Er gehört vielmehr zur Priorisierungsstufe 2.

Die Knappheit der Impfstoffe ermöglicht die Teilhabe an der Impfung nur im Rahmen verfügbarer Kapazitäten und erfordert eine Priorisierung, die grundsätzlich nicht zu be- anstanden ist. Die vorrangige Impfung von Personen ab 80 Jahren überzeugt daher, weil damit viele schwere Erkran- kungsfälle und Todesfälle verhindert werden könnten. Dies dient dem Individualschutz wie dem Schutz der Allgemein- heit vor Überlastung der Versorgungssysteme. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass die weiteren Differenzie- rungen ab Stufe 2 und Stufe 3 wissenschaftlich fundiert sind. Dem Risiko des Mannes wird mit einer Zuordnung zur Kategorie 2 ausreichend Rechnung getragen, auch wenn sich seine Frau als Grundschullehrerin Kontakten außerhalb des eigenen Haushalts nicht vollständig entziehen kann.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2021 – L 5 SV 1/21 B ER

Corona

JOBCENTER MUSS UMZUGSFIRMA BEZAHLEN

Hartz-IV-Empfänger sind gehalten, Umzugskosten gering zu halten. Wegen der Corona-Pandemie brauchen sie den Umzug derzeit aber nicht einfach mit „studentischen Hilfskräften“ zu organisieren. Daher muss das Jobcenter aufgrund der Infektionsgefahr für die Kosten eines Umzugsunternehmens aufkommen.

Sozialgericht Dortmund,

Beschluss vom 12. November 2020 – S 30 AS 4219/20 ER

GESICHTSBEDECKUNG KANN PFLICHT SEIN

Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen.

Der Fall: Der Mann ist bei der beklagten Stadtverwaltung im Rathaus beschäftigt. Der Arbeitgeber ordnete in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase- Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Arbeit- nehmer legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemein- schaftsräumen zu tragen. Der Mann legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Stadt ihn nicht im Rathaus beschäftigen. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Mann im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung;

alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden.

Seine Anträge blieben erfolglos.

Das Arbeitsgericht: Der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung. Zudem bestehen Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Ein solches Attest muss konkrete und nachvollziehbare Angaben ent- halten, warum eine Maske nicht getragen werden kann. Ein Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes besteht in diesem Fall nicht.

Arbeitsgericht Siegburg,

Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 4 Ga 18/20

JOBCENTER ZAHLT SCHÜLER-COMPUTER

Die Kosten zur Anschaffung eines Computers für den Corona-bedingten Heimunterricht sind nicht durch den Hartz-IV-Regelbedarf abgedeckt. Deshalb muss das Job- center bei Bedarf dem Schüler oder der Schülerin im Hartz-IV-Leistungsbezug einen Computer mit Zubehör zur Verfügung stellen oder die Anschaffungskosten erstatten.

Thüringer Landessozialgericht,

Beschluss vom 8. Januar 2021 – L 9 AS 862/20 B ER

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