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ArzthaftungArzthaftung für Mitteilung einer gravierenden Erbkrankheit (Cho-rea Huntington)BGB §§ 253, 823: Stellt der Arzt eine meist im Erwachsenenalter ausbrechende schwere Nerven-

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Christoph Sevenich, Geschäftsführer und Mitinitiator der Schiffsarztlehr- gang GbR, beschreibt den Hinter- grund des ersten zivilen deutschen Schiffsarztlehrganges: „Auf Grund fehlender Regularien besteht die Gefahr unsachgemäßer Fortbildungs- angebote in diesem wachsenden Segment. Qualitativ hochwertige Fortbildung aus erster Hand, mit Augenmaß und Verantwortungsbe-

wusstsein ist unsere oberste Prä-

misse. Uns ist wichtig, unseren Teil- nehmern gleich von Anfang an ihre bedeutsame Rolle für Besatzung und Passagiere zu verdeutlichen, sie auf ihren späteren Einsatz gut vorzube- reiten und dabei mit viel Einfüh- lungsvermögen und echter Praxiser- fahrung aus der Maritimen Medizin Wissen zu vermitteln.“

„Wenn es das schon früher gegeben hätte, wäre mir auf meinen ersten

Seereisen deutlich wohler gewesen,“

so Dr. Riemer, der nun als einer der Referenten seine inzwischen ausgie- bigen Erfahrungen an die Kollegen weitergeben wird.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Frank Heblich Wissenschaftlicher Leiter Schiffsarztlehrgang GbR Meimersdorfer Weg 217, 24145 Kiel

Recht und Medizin Originalien

Ärzteblatt Sachsen 9 / 2012 381

Arzthaftung

Arzthaftung für Mitteilung einer gravierenden Erbkrankheit (Cho- rea Huntington)

BGB §§ 253, 823: Stellt der Arzt eine meist im Erwachsenenalter ausbrechende schwere Nerven- krankheit mit hohem Vererbungs- risiko fest, darf er der Bitte des Patienten, dessen geschiedene Ehefrau wegen der bei dieser lebenden ehelichen Kinder zu informieren, nicht entsprechen, weil eine medizinische Sachauf- klärung bei Minderjährigen in Deutschland nicht statthaft ist, sodass sich für die Mutter aus der belastenden Information keiner- lei Handlungsoption ergibt.

OLG Koblenz, Beschl. v. 1.2.2012 – 5 W 63/12, rkr.

(LG Bad Kreuznach – 3 O 306/11) Der Beschl. des OLG Koblenz ist im Heft 3 der GesR 2012 auf S. 164 f.

abgedruckt.

Anmerkung:

Das OLG Koblenz hat in seinem Pro- zesskostenhilfebeschluss eine Rechts- ansicht vertreten, die nicht unwider- sprochen bleiben kann.

1. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einer psychiatrischen Klinik war bei einem Patienten Chorea Hun- tington diagnostiziert worden.

Ein Oberarzt dieser Klinik teilte die Diagnose auf Wunsch des

Betroffenen der geschiedenen Ehefrau des Patienten mit, damit sie für die beiden 1994 und 1999 geborenen Kinder eine „Blutun- tersuchung“ veranlassen möge, da es sich um eine unheilbare Erbkrankheit handelt, die mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit übertragen wird. Das Gericht sah in der Benachrichtigung der Ex - ehefrau eine Körperverletzung i.S.v. § 823 BGB, weil die Mittei- lung bei der Mutter zu psychi- schen Störungen geführt habe.

Dabei ging das Gericht davon aus, dass die „Gesetzeslage in Deutschland … es der Mutter nicht gestattet, durch Untersu- chungen der Kinder Gewissheit dahin zu erlangen, ob die Krank- heit latent im Erbgut der Kinder angelegt“ sei. Der Leitsatz drückt das noch prägnanter aus: „…

weil eine medizinische Sachauf- klärung bei Minderjährigen in Deutschland nicht statthaft ist“.

2. Anzuwendendes Recht: Die zuletzt genannte Wertung des OLG ist falsch. In Deutschland gilt seit dem 1. 2. 2010 das Gen- diagnostikgesetz (GenDG), das für diesen Fall anwendbar ist, weil die Diagnose Chorea Hun- tington nur durch eine geneti- sche Untersuchung abgesichert werden kann. Sollte also eine prädiktive Abklärung gewünscht sein, wäre dies nur mit einer genetischen Untersuchung mög- lich. Dann müsste bei den Kin- dern eine genetische Untersu- chung durchgeführt werden.

3. Das GenDG kennt für die Frage der Einwilligung die Kategorien Minderjährig- und Volljährigkeit

nicht. Zwar spricht der einschlä- gige § 8 GenDG diese Frage nicht ausdrücklich an, sondern verlangt lediglich eine Einwilli- gung. Aus § 14 GenDG ergibt sich indessen, dass es insoweit allein auf die Einwilligungsfähig- keit ankommt, nicht auf die Voll- jährigkeit. Und die Einwilligungs- fähigkeit dürfte zumindest bei dem älteren Kind problemlos gegeben sein. Damit stünde bei dem älteren Kind einer soforti- gen genetischen Untersuchung nichts im Wege, sofern dieses seine Einwilligung erklärt hätte.

Das gälte im Übrigen auch – ent- gegen der Ansicht des OLG –, wenn das GenDG noch nicht ver- abschiedet oder nicht einschlägig wäre.

4. Vielfach problematisch ist indes- sen die Weitergabe der Informa- tion an möglicherweise betrof- fene Verwandte. Insoweit han- delt es sich idealtypisch um eine Dreierkonstellation mit grund- sätzlich divergierenden Interes- sen. Der Patient möchte seine Geheimsphäre gewahrt wissen.

Der behandelnde Arzt möchte, dass die Angehörigen informiert werden, damit sie entsprechende Maßnahmen ergreifen können.

Die Interessen der Angehörigen sind theoretisch ambivalent.

Einerseits möchten sie mögliche Handlungsoptionen mitgeteilt bekommen, andererseits steht ihnen das Recht auf Nichtwissen zu. Dieses Dilemma zwischen Schweigepflicht, Fürsorge und möglichem Nichtwissenwollen versucht § 10 Abs. 3 S. 4 GenDG zu lösen: „Ist anzunehmen, dass

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Recht und Medizin

382 Ärzteblatt Sachsen 9 / 2012

genetische Verwandte der be - troffenen Person Träger der zu untersuchenden genetischen Eigenschaften mit Bedeutung für eine vermeidbare oder behandel- bare Erkrankung oder gesund- heitliche Störung sind, umfasst die genetische Beratung auch die Empfehlung, diesen Verwandten eine genetische Beratung zu empfehlen.“

5. Von ärztlicher Seite wird die Regelung für ungenügend erach- tet, weil der Patient (die betrof- fene Person) dieser Empfehlung nicht Folge leisten muss. Die Ärzte hätten daher gern eine Regelung, die ihnen das Recht zur Information der Verwandten gibt. Das ist allerdings aus Grün- den der Schweigepflicht nicht möglich.

6. Dieses Problem stellt sich im ent- schiedenen Fall allerdings nicht, weil der Betroffene den Arzt um die Information seiner Exfrau gebeten hat. Diese Einwilligung müsste gemäß § 11 Abs. 3 GenDG ausdrücklich und schrift- lich erfolgt sein. Ob das gesche- hen ist, ist nicht bekannt. Falls es nicht geschehen sein sollte, bleibt die Frage zu klären, wie- weit dieser Formverstoß Einfluss auf das Verhältnis gegenüber dem Dritten haben kann. Dem Geheimnisschutz ist jedenfalls Genüge getan.

7. Allerdings stellt sich das weitere Problem, dass das Gesetz die Verpflichtung des Arztes zur Empfehlung nur für den Fall aus- spricht, dass es sich um eine the- rapierbare Erkrankung handelt.

Das ist bei Chorea-Huntington nicht der Fall. Es handelt sich aber auch nicht um die Verpflich- tung des Arztes, sondern um das Recht zur Information. Und das ist sinnvoll auch in diesem Fall gegeben. Für die Kinder bedeu- tet das Wissen von der Erkran- kung des Vaters die Kenntnis von der 50%-igen Wahrscheinlich- keit, auch erkrankt zu sein. Die Option, die sich stellt, ist die, mit der Ungewissheit zu leben oder Gewissheit zu erlangen. Es lebt sich sicherlich besser, wenn man weiß, dass man zu den 50%

gehört, die nicht zu den Krank- heitsträgern zählen, als über die- sen Umstand im Ungewissen zu sein.

8. Damit ist aber nur der Konflikt zwischen dem Arzt und dem Betroffenen bezüglich des Ge - heimhaltungsinteresses gelöst.

Nicht angesprochen wird im Gesetz die zweite Frage des Rechtes auf Nichtwissen des Dritten. Möglicherweise bleiben insoweit Ge setzestext und Be - gründung be wusst unklar. „Aller- dings bleibt die direkte Informa- tion auch mit Einwilligung des

Patienten problematisch, weil das Recht auf Nichtwissen der bisher unbeteiligten Dritten dagegen spricht.“ Diese Frage könnte im weiteren Prozessver- lauf einer Klärung zu geführt wer- den.

9. Zu dieser eigentlich spannenden Rechtsfrage gelangt das Gericht erst gar nicht, weil es die Anwendbarkeit des GenDG nicht

erkennt. Auch bleibt die Frage letztlich unerörtert, was es in die- sem Fall mit der Information der

„Vierten“ auf sich hat, von der das Gesetz gar nicht spricht. Die Information war für die Mutter direkt nicht belastend, denn sie hat die Krankheitsanlage sicher- lich nicht. Auch stellt sich die Frage, ob der Schutzzweck der Norm ihre behauptete Verlet- zung überhaupt erfasst.

10. Sollte das nach Ansicht des ent- scheidenden Gerichtes der Fall sein, so ist – auf der Grundlage der einschlägigen Regeln des GenDG – aber meiner Meinung nach zumindest das Verschulden des Arztes in hohem Grade frag- lich, sodass davon auszugehen ist, dass die Sachentscheidung zu einer Klageabweisung gelangen wird.

Prof. Dr. jur. Bernd-Rüdiger Kern, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsgeschichte und Arztrecht, Juristenfakultät der Universität Leipzig

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