• Keine Ergebnisse gefunden

Ganz auf Linie

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Ganz auf Linie"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Auf den alle fünf Jahre stattfinden- den Parteitagen der Kommunisti- schen Partei Chinas (KPCh) werden in der Regel keine unerwarteten pro- grammatischen Kurswechsel vollzo- gen. Vielmehr werden Modifikationen des Partei- und Staatssystems der vo- rangegangenen Jahre formal abgeseg- net. So auch auf dem 19. Parteitag im Oktober 2017.

Die Erarbeitung konsensfähiger Konzepte hatte lange vorher begon- nen, in zahlreichen Arbeitssitzun- gen, teils sogar unter Einbindung ex- terner Berater. Der ganz offiziell in Parteierklärungen eingeräumte Re- formstau führte dazu, dass die chi- nesische Führung Korrekturen des bisherigen Entwicklungsmodells vor- nehmen musste, was unausweich- lich Interessenkonflikte innerhalb der Eliten hervorruft. Mittels so ge- nannter „kleiner Führungsgruppen“, die von Staats- und Parteichef Xi Jin- ping und seinen Vertrauten geleitet werden, wurden die etablierten, po- tenziell reformaversen Partei- und

Staatsorgane teilweise umgangen. Pa- rallel aber zielten Xi und seine Ver- trauten darauf, innerhalb der forma- len Führungsgremien strategische Mehrheiten zu gewinnen.

Neue, alte Gesichter

Das scheint geglückt, denn der Par- teitag stellte die entsprechenden Wei- chen. Die bestehende Altersgrenze machte dieses Jahr den Austausch von etwa zwei Dritteln der Partei- und Staatsfunktionäre notwendig. Zu- sätzlich hat die 2012 von Xi initiierte Antikorruptionskampagne unzählige Parteikader zu Fall gebracht und da- mit die Machtbeziehungen zwischen den verschiedenen Strömungen und Netzwerken innerhalb der KPCh au- ßerhalb der formal vorgesehenen Zeitfenster verschoben.

In seiner Eröffnungsrede wies Xi auf die Gefahren und Herausforde- rungen für die Einparteienherrschaft hin und forderte eine pragmatische Weiterentwicklung des chinesischen Sozialismus. Zudem differenzierte Nele Noesselt | Parteitage der Kommunistischen Partei Chinas sind in ers- ter Linie symbolische Rituale zur Orchestrierung der Politik. Die Weichen für die weitere Rezentralisierung der Macht wurden 2017 ebenso gestellt wie die für die Fortführung des neoliberalen Staatskapitalismus. Außen- politisch dürfte die Führung in Peking ihre bisherige Linie fortführen.

Xi Jinping sieht die Volksrepublik global auf der Überholspur

Ganz auf Linie

(2)

Xi hat das Prinzip der kollektiven Führung partiell ausgehebelt

er seine „Zweimal-Hundert“- Formel weiter aus, die das 100. Gründungs- jubiläum der KPCh (2021) und den 100. Jahrestag der Volksrepublik (2049) als Prüfdaten für den Aus- bau des Sozialismus fixiert hatte. Er skizzierte einen Mehrstufenplan des Umbaus zu einer „modernen sozia- listischen Großmacht“ mit den Jah- ren 2020, 2035 und 2050 als Eckda- ten einzelner Entwicklungsphasen.

Mächtiger als Mao?

Auch wenn unter Xi Reformprozes- se straff von oben nach unten ver- laufen sollen, so sind die Debatten darüber, wie diese gestaltet werden könnten, alles andere als einheitlich.

Angesichts der zahlreichen konkur- rierenden Strömungen und der stra- tegischen Interessensklüngel inner- halb der KPCh lohnt ein Blick zurück:

Zwar sind die parteiinternen Debat- ten über den „richtigen“ Entwick- lungsweg mit den Reformbeschlüs- sen von 2013 und der Verabschiedung des 13. Fünfjahresplans formal abge- schlossen – zumindest vorläufig.

Doch bei der konkreten inhalt- lichen Ausgestaltung wird die neue Machtbalance der Faktionen nach dem Parteitag eine zentrale Rol- le spielen. In den vergangenen fünf Jahren hat Xi eine Rezentralisierung politischer Koordination und Steue- rung durchgesetzt und zugleich mit der Re-Personalisierung chinesischer Politik auf höchster Ebene das Prin- zip der kollektiven Führung partiell ausgehebelt. Viele Beobachter haben das bislang als Rückkehr zu einem autoritären, charismatischen Füh- rungsstil mit dem Ziel der Machtma- ximierung eingestuft: Xi sei heute so mächtig wie Mao Zedong, wenn nicht mächtiger.

Parallel hierzu aber sind seit 2013 zahlreiche Maßnahmen zum weite- ren Ausbau des freien Marktes be- schlossen worden, die eine Fortfüh- rung des neoliberalen Wirtschafts- kurses und somit ein Festhalten am bisherigen Entwicklungs-

weg implizieren. Auch weiterhin steht die Wirt- schaftspolitik der Volks- republik in der Traditi- on der von Deng Xiaoping

erwirkten Beschlüsse des 3. Plenums des 11. Zentralkomitees von 1978 zu

„Reform und Öffnung“ – alle wich- tigen Parteidokumente zum Zusam- menspiel von Politik und Wirtschaft verweisen auf eben dieses Plenum und konstruieren damit eine gerade Entwicklungslinie des chinesischen Einparteiensystems. Und Kontinui- tät – in Form der Weiterführung po- litischer Traditionen, symbolischer Praktiken und staatsphilosophischer Konzepte – gilt als ein elementarer Baustein der Legitimierung des Ein- parteienregimes. Deshalb warnten Berater die chinesische Regierung vor einem radikalen Systemumbau, mit dem diese Linearität durchbro- chen würde.

Dieses Kontinuitätsnarrativ wird in der jüngsten politischen Debatte auf die Formel der „Neuen Norma- lität“ gebracht. Die Rede ist von ei- nem neuen „Dauerzustand“, in den das System nach den kurzfristigen Erschütterungen im Zuge der Ban- ken- und Finanzkrisen in den USA und Europa (2007/08) eingetreten ist.

Oder noch genauer: Die KPCh veror- tet China nun in einer Phase, die sich in vielerlei Hinsicht von der „alten“

Normalität unterscheidet, wenngleich sie doch aus Gründen der symboli- schen Legitimierung als Restabilisie-

(3)

rung und Rückkehr zur (modifizier- ten) alten Ordnung ausgegeben wird.

„Neu“ sind allerdings die aktive För- derung des Binnenkonsums und die Umsteuerung in Richtung Nachhal- tigkeit – und auch die Idee, nicht län- ger im Auftrag und nach Vorgabe des Weltmarkts zu produzieren, sondern innovative Technologien zu entwi- ckeln. So soll China zu einem führen- den Zentrum der Weltwirtschaft auf- gebaut werden.

Die gegenwärtigen Systeman- passungen erfolgen vor dem Hinter- grund identifizierter Fehl- entwicklungen, aus denen – so die Prognosen – frü- her oder später eine laten- te Systemkrise erwach- sen könnte. Die negativen Begleit erscheinungen der Wirtschaft- stransformation hin zu einer kapita- listischen Marktwirtschaft (wenn- gleich formal eingebettet in ein Sys- tem der zentra listischen Wirtschafts- ordnung) sind omnipräsent und bergen enorme Sprengkraft.

Dass bislang die Einheit des Sys- tems trotz der an so vielen Stellen eklatanten sozioökonomischen Un- gleichheit gewahrt werden konnte (und dies nicht primär durch gewalt- same Repression), zeugt durchaus von einer hochentwickelten Steue- rungskompetenz der politischen Eli- ten. Als Schlüsselinstrument dieser staatlich generierten Systemkohäs- ion gilt, dass es der KPCh-Führung bislang noch stets gelungen ist, po- tenzielle Gegeneliten einzubinden oder zu kooptieren. Solange es für diese Gruppen von Vorteil ist, in Symbiose mit den Strukturen des Einparteiensystems zu agieren, sind keine revolutionären Reformforde- rungen zu erwarten.

Anders formuliert: Große Teile der Eliten sollten auch in Zukunft systemtreu agieren. Es sind vielmehr Konflikte zwischen Parteikadern der Lokalregierungen und der Be- völkerung, die das System nachhal- tig destabilisieren könnten. Illega- le Landnahme, Machtwillkür, Kor- ruption und Amtsmissbrauch sind immer häufiger Auslöser lokaler Mas- senproteste – was auf dem 19. Partei- tag auch zur Sprache kam.

Rückmeldung aus den Provinzen Solange diese Proteste nach dem Prin- zip des „rechtmäßigen Widerstands“

ablaufen, sie sich also auf zentral- staatlich zugesicherte Rechte und Ge- setze berufen und die Formeln der of- fiziösen Politsprache der Partei ver- wenden, werden diese Bewegungen nicht automatisch unterbunden, son- dern finden auf den übergeordneten Verwaltungsebenen durchaus Ge- hör. Denn über diese Proteste erhält die Zentrale in Peking eine Rückmel- dung über die Lage in den Provinzen.

An ihr kann sie dann oft erst erse- hen, an welchen Schrauben nachge- zogen werden muss, um sicherzustel- len, dass das, was zentral verordnet wurde, auch vor Ort umgesetzt wird.

Dass Xi in seiner Parteitagsrede erklärte, es existierten in China grund- legende „Widersprüche“ (gemeint wa- ren in erster Linie die latenten sozi- oökonomischen Interessenkonflikte in der Gesellschaft), lässt sich als Remi- niszenz an Maos Lehre der Widersprü- che verstehen. Doch gibt es einen ent- scheidenden Unterschied: Xi will kei- ne Revolution, sondern setzt auf evo- lutionäre Lösungen durch den Aufbau eines „modernen“ zentralistischen so- zialistischen Staatssystems unter Füh- rung der Kommunistischen Partei.

Die chinesische Führung sieht eine

„Neue Normalität“

(4)

„Dem Volk dienen“ lautete die ideologische Formel der revolutionä- ren Mao-Ära. Auch weiterhin regiert die KPCh dem Anspruch nach „im In- teresse“ und „im Dienste“ des Volkes.

Nur hat sie sich im Laufe der vergan- genen Jahrzehnte von einer revoluti- onären Kaderpartei zu einer Partei des gesamten Volkes transformiert.

Da sich die soziale Schichtung der Bevölkerung ab 1978 wieder deutlich stärker ausdifferenziert hat, wird die Partei damit in eine Mittlerrolle zwi- schen den konkurrierenden sozioöko- nomischen Aufsteigern und den tradi- tionellen Parteieliten hineingezwun- gen. Besonders brisant ist der mittler- weile von der KPCh zuletzt auf dem 19. Parteitag offiziell eingestandene Verlust der „sozialen Gerechtigkeit“, woraus eine Glaubwürdigkeitskrise für das ja eigentlich „sozialistische“

Einparteiensystem resultiert.

Zwar ist die Staatsführung dar- um bemüht, den Sozialismus-Begriff neu zu definieren und die Theorie

des Marxismus unter Verweis auf die spezifischen chinesischen Ent- wicklungsbedingungen zu modifizie- ren. Nichtsdestotrotz arbeitet sie, ins- besondere der linke Flügel der Partei um die Jugendliga-Faktion im Verein mit der Gruppierung der chinesi- schen Neuen Linken, an Maßnah- men, die – zumindest auf dem Papier – auf einen allgemeinen Ausgleich durch staatlich organisierte Umver- teilungsmechanismen abzielen.

Dies unterstreicht, dass die Span- nungen zwischen „sozialistischer“

Systemidentität und real gelebtem

„Sozialismus“ auch aus Sicht der chi- nesischen Führung fortbestehen und eine Gefahr für das Überleben des po- litischen Regimes bedeuten. Dass es bislang nicht gelungen ist, alle Bevöl- kerungsgruppen gleichermaßen an Chinas neuem Reichtum partizipie- ren zu lassen, wird nicht zuletzt auf die Korruption und Disfunktionalitä- ten des Systems auf der lokalen Ebe- ne zurückgeführt.

Der Verlust an

„sozialer Gerechtig- keit“ scheint kein Grund für eine grund- legende Kurskor- rektur: Xi Jinping bei seiner Eröffnungs- rede, 18. Oktober 2017

Bild nur in

Printausgabe verfügbar

(5)

Generell zielen Xis Pläne auf eine stärkere Verrechtlichung der Poli- tik ab. Konzipiert wird ein System der „Herrschaft durch Recht“ (rule by law), das im Unterschied zu einer

„Herrschaft des Rechts“

(rule of law) die Parteie- liten über das abstrakte Recht stellt. Recht wird gesetzt, bewahrt, gespro- chen – für und im Inter- esse des Volkes, aber nicht durch das Volk. Der chinesische Rechtsstaat soll, so die Abschlusserklärung des 4.

Ple nums von 2014, umfassend ausge- baut werden. Um dies sicherzustellen, sollen die Unabhängigkeit der lokalen Gerichte gestärkt und diese dem allzu direkten Zugriff der lokalen Parteika- der entzogen werden. Zudem wurde der Aufbau überregionaler Gerichte angekündigt.

Zur Konfiguration des chinesi- schen Rechtsstaats und zur Rolle der Verfassung in der Ausgestaltung des Zusammenspiels von Politik und

Recht finden sich neben der offiziellen Parteilinie zahlreiche konkurrieren- de Denkmodelle. Diese sind zum Teil von westlich-liberalen Verfassungs- konzeptionen inspiriert, aber auch von einem marxistischen Rechts- und Verfassungsverständnis. Hinzu kom- men Rückgriffe auf rechtsphilosophi- sche Elemente des Konfuzianismus und des Legalismus. Insgesamt wer- den also durchaus konkurrierende Ideen zusammengeschoben, um ein dezidiert „chinesisches“ Rechtskon- zept zu konstruieren.

Wider das westliche Muster

Allerdings lehnen sowohl die Ver- fechter eines konfuzianischen als auch eines „sozialistischen“ Konsti- tutionalismus eine Regimetransfor- mation nach dem Muster westlicher Demokratien ab. Liberale Ansätze gelten als mit dem Grundkonzept des chinesischen Modells nicht kom- patibel, da sie auch die Partei dem Recht unterordnen und der Verfas-

Xi Jinping will den chinesischen Rechts-

staat ausbauen

Bild nur in

Printausgabe verfügbar

(6)

„Leere Reden“

können Reformen nicht ersetzen

sung eine machtlimitierende Funkti- on zuschreiben.

Die Partei – in diesem Punkt ließ Xi Jinpings Parteitagsrede kei- nen Zweifel aufkommen – fungiert als Urheberin des Rechts wie auch zugleich als Wächterin der Gesetze.

Die 2012 eingeleitete Antikorrupti- onskampagne und Maßnahmen zur Einschwörung der untergeordneten Verwaltungskader auf die ideologi- schen Grundformeln der KPCh wer- den von Parteiorganen koordiniert.

Die Partei erneuert und korrigiert sich selbst – und bindet das Volk hier- bei nur insofern ein, als dass sie auf Meldungen und Berichte zu Fehlent- wicklungen und Fehlverhalten re- agiert. Die erfolgreiche Bekämpfung der Korruption ist für den Einpartei- enstaat eine Frage von „Leben oder Tod“ – Korruption gilt als Auslöser von Dynastiezusammenbrüchen in der chinesischen Geschichte.

Erweitert wird dies um die Ein- schätzung, dass stets umfassende Re- formen und konkrete Maßnahmen erforderlich waren, um das System zu bewahren. Bloße Lippenbekennt- nisse, „leere Reden“, reichten hierfür nicht aus, wie der Staats- und Partei- chef mit Rückgriff auf Chinas Dy- nastiegeschichte erklärte.

Die Rolle des Rechts, die Konzep- tion von Gesetzen und die Sicher- stellung ihrer Einhaltung sowie die Sanktionierung von Regelverstößen – all dies wurde und wird in der chi- nesischen Staatsphilosophie und po- litischen Historiografie über die Jahr- hunderte hinweg immer wieder the- matisiert.

Während konfuzianische Strö- mungen an moralische Verhaltens- normen appellieren, gehen Anhän- ger des chinesischen Legalismus da-

von aus, dass der Mensch von Natur aus böse sei, also eine gesellschaftli- che Ordnung nur durch Gesetze und Strafandrohung erzwungen und auf- rechterhalten werden könne.

Konfuzius, Han Fei, Carl Schmitt Der vierten Führungsgeneration (Hu Jintao und Wen Jiabao 2002/03–

2012/13) wird eine konfuzianisch geprägte Politikgestaltung nachge- sagt. Xi Jinping setzt im Zuge des rechtsstaatlichen Neu-

aufbaus auf den chinesi- schen Rechtsphilosophen Han Fei (280–233 v. Chr.).

Für Han Fei galt nicht die konfuzianische Moral-

ordnung, sondern ein universelles Ordnungsprinzip (dao). Von dieser Grundnorm leitete er ein abstraktes universelles Rechtsverständnis ab und propagierte einen starken Staat.

Die Macht, Gesetze und Vorga- ben des Gemeinwesens zu formu- lieren und Fehlverhalten zu sankti- onieren, schrieb Han Fei allein dem Herrscher zu. Eine Delegation dieser Kompetenzen an untergeordnete Ebe- nen sah er als Gefahr, da hierdurch die Kontroll- und Steuerungsautori- tät des Herrschers geschwächt wer- den könnte. Chaos (luan) muss um jeden Preis vermieden werden, so ein Grundaxiom der chinesischen Staat- sphilosophie.

In der chinesischen Forschung zu vormodernen Staatsrechtsdebatten werden immer wieder auch Parallelen zu Schlüsselwerken der „westlichen“

Rechtsphilosophie identifiziert. Trotz der Kampfansage an „westliche“ Wer- te läuft die Exegese der Schriften Carl Schmitts, der in der chinesischen De- batte als Vertreter einer staatszen- tristischen, instrumentalistischen

(7)

Xis China will in der Außenpolitik anleiten, aber nicht führen

Rechtskonzeption verstanden wird, in der Volksrepublik China weiter- hin auf Hochtouren.

Außenpolitische Anspruchshaltung Xi Jinping sprach auf dem Parteitag auch über die chinesische Außenpo- litik im regionalen und globalen Kon- text. Durchaus selbstbewusst präsen- tierte er das „sozialistische“ Modell Chinas als Alternative zu liberalen Demokratien; eine Übernahme frem-

der Systemelemente wies er zurück. Einmal mehr positionierte er China als ökonomisch erfolgreiche Meritokratie auf der neoli- beralen Überhol spur. Die von Xi immer wieder vorgetragenen Konzepte der globalen „Schicksals- gemeinschaft“ und des „neuen Typs der Beziehungen zwischen den Groß- mächten“ unterstreichen den aktiven Wunsch nach Mitsprache- und Mit- gestaltungsrechten bei der Neugestal- tung der globalen Ordnung.

Bereits im Februar 2017 hatte Xi bei einem Arbeitstreffen der Kom- mission für Nationale Sicherheit ei- nen aktiven „Leitungs“-Anspruch Chinas formuliert mit Blick auf den

„Aufbau einer gerechteren internati- onalen Ordnung“ und „die Wahrung der internationalen Sicherheit durch die internationale Staatengemein- schaft“ formuliert. Die Volksrepub- lik grenzt ihren Rollenanspruch hier- bei mit dem Begriff des „(An)Leitens“

weiterhin deutlich von dem Konzept des „Führens“ ab.

Es besteht ein grundlegender Kon- sens, dass der Aufstieg China zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht hin- ter den USA nicht gegen, sondern

eben gerade eingebunden in das beste- hende internationale Institutionenge- füge erfolgt und folglich auch an die- ser neoliberal dominierten Ordnung festzuhalten sei. Mit seinen Reden auf dem APEC-Gipfel 2016 in Lima und auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2017 hat sich Xi offiziell zum Prinzip des Freihandels bekannt. Chi- na ist und bleibt auf den internationa- len Handel angewiesen, es kalkuliert diesen im Rahmen der „Neuen Sei- denstraßen“-Strategie und der „Neu- en Normalität“ aktiv in seine Ent- wicklungs- und Modernisierungsstra- tegie mit ein.

Wie Xi Jinping auf dem 19. Par- teitag unterstrich, steht eine Ab- schottung und selbstgewählte Iso- lation Chinas nicht zur Debatte.

Vielmehr exportiert China über die Neue Seidenstraße seine eigene Va- riation des Kapitalismus und formu- liert zugleich globale Gestaltungs- ansprüche. Diese ergeben sich zum Teil aus innenpolitischen und ent- wicklungsstrategischen Handlungs- zwängen. Sie beruhen aber auch auf einer visionären Weltordnungskon- zeption. In den kommenden Jahren wird hiervon im Zuge der Neuausta- rierung der Kräfteverhältnisse und strategischen Allianzen der Faktio- nen im Zentralkomitee noch mehr zu hören sein.

Prof. Dr. Dr. Nele Noesselt lehrt und forscht zur Politik Chinas und Ostasiens an der Universität Duisburg-Essen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hier zeigt sich, dass die grundsätzliche Zustimmung zu Klimaschutz für eine Mehrheit der Bevölkerung nicht bedeutet, dass Klimaschutz auch Vorrang vor anderen Zielen hat, sondern

Bei der Kommunikation zwischen den Teams im Rahmen der Behandlung oder bei Verlegung eines Patienten können Informatio- nen verloren gehen oder missver-1.

Das Spektrum der Bodenbesitzverhältnisse in Ost- mitteleuropa ist breit: Es umfasst grossbetriebliche Erzeuger mit überwiegend Pachtland, bäuerliche Familienbetriebe mit

Sie reichen von der Einführung oder Aufwertung des Verfassungsrangs für Nachhaltigkeit zum Staatsziel, der strikten Nachhal- tigkeitsprüfung von Gesetzen, Ombudspersonen für

Die soziale Herkunft der Schüler ist nicht nach der Schichtzugehörigkeit, sondern nach der Berufszugehö- rigkeit der Eltern erfaßt, dennoch ergibt sich eine eindeutige

Neben dem besonderen, außerordentlichen Bevölkerungszuwachs durch den Zugang aus- wärtiger Arbeitskräfte, der auch nach dem Kriege durch die Sonderstellung der Dessauer

Im Rahmen der vorliegen- den Diplomarbeit wird untersucht, inwiefern es möglich ist, eine Schichtung des im Zuge des AGR-Konzepts in den Brennraum eines aufgeladenen

Wie in jedem Jahr, kann man sich auch heuer wieder für eine Praktikantenstelle im Ausland in der ÖH anmelden•. Ich möchte Dir vorher noch einige Informa-