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Leben in der grünen Kirche

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M E C K L E N B U R G I S C H E & P O M M E R S C H E

Evangelisches Wochenblatt für die Nordkirche Nr. 36 | 70. Jahrgang | 6. September 2015 | 1,20 E | www.kirchenzeitung-mv.de

Die genauen Zahlen stehen erst nach dem Abschlussgottesdienst am Sonn- tag fest. Aber rund 3000 Menschen werden auch in diesem Jahr wieder Gast in der grünen Kirche im IGA-Park in Rostock gewesen sein, meint Koor- dinatorin Karin Krentz.

Von Marion Wulf-Nixdorf Rostock. Wie jedes Jahr seit Bestehen 2003 waren von Mitte Mai an sonn- abends und sonntags um 15.30 Uhr Besucher zu Veranstaltungen und Got- tesdiensten in den Weidendom auf dem IGA-Gelände in Rostock eingela- den. Der Sonnabend ist kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten oder Tanzdarbietungen vorbehalten, der Sonntag Gottesdiensten und Andach- ten. Auch in der Woche verweilen Gäs- te gern und genießen die Atmosphäre in der grünen Kirche, deren Bögen im Kirchenschiff in diesem Jahr alle mit grünen Weiden bewachsen sind, sagt Karin Krentz.

Seit Jahren gibt es liebgewordene Traditionen. Ein Mal im Jahr feiert die Kirchengemeinde Evershagen ihren ganz normalen und durch den Ort doch besonderen Gottesdienst am Sonntagnachmittag im Weidendom.

Da die evangelische Gemeinde keine eigene Kirche hat, ist sie seit 30 Jahren Gast in der katholischen Thomas-Mo- rus-Kirche, und ihre Gottesdienste fi n- den vor der Messe um 8.30 Uhr statt.

So ist es ein Mal im Jahr eine schöne Ausnahme, um 15.30 Uhr zu feiern.

„Wir freuen uns immer über Gäste, auch bei dem sich traditionell an- schließenden Picknick“, sagt Gemein- depastor Matthias Wilpert. Es gäbe

„fast so etwas wie eine eigene Weiden- dom-Gemeinde“, hat er beobachtet.

Rund 20 bis 30 Menschen aus ganz Rostock und der Region kämen jeden Sonntag zu den Gottesdiensten, egal, wer dazu einlade. Außerdem blieben immer auch IGA-Besucher stehen, manche gingen weiter, andere setzten sich dazu – „wir sind eben off ene Kir- che“, betont Karin Krentz.

Statt einer Orgel erklingt im Gottes- dienst mit den Evershägern Posaunen- musik vom gemeindeeigenen Chor. In diesem Jahr gab es sogar ein kleines Gewitter, aber unter der Weidendom- Kuppel sei man vor dem Regen ge- schützt, sagt Wilpert.

Gebaut von 600 Helfern aus 14 Nationen

Auch das Evangelische Frauenwerk und die Katholische Frauengemein- schaft laden seit Jahren an einem Sonntag ein, ebenso die Martin-Lu- ther-Gemeinde mit Pastor Johannes Kopelke und Gospel Schröder mit Chor aus Schwerin, wie auch die Re- formierte Kirche in Mecklenburg- Bützow.

Bei den elf kulturellen Veranstal- tungen in diesem Jahr war ein Höhe- punkt der Auft ritt der Rostocker Tanz- schule „Dance“ mit 330 Gästen, freuen sich die Veranstalter. Das sind die Mit- glieder des „Freundeskreis Weiden- dom“, der sich im IGA-Jahr 2003 ge- gründet hatte und heute rund 60 Mit- glieder hat. Ein besonderer Höhe- punkt ist seit 2004 auch die Ende Juli stattfi ndende Sommerfi lmwoche.

An diesem Sonntag, 6. September, lädt der Freundeskreis zu seiner letz- ten Veranstaltung in diesem Jahr in den Weidendom ein. Der ökumeni- sche Abschlussgottesdienst fi ndet um 15.30 Uhr statt und wird von Pastor Jörg Utpatel, Evangelische Uferge- meinde Schmarl-Groß Klein, und Pas- toralreferentin Christina Innemann von der katholischen Christusgemein- de gestaltet. Diakonin Jutta Krämer

wird den Gottesdienst musikalisch be- gleiten.

Der Bau des Rostocker Weiden- doms, der als das weltweit größte le- bende Baumwerk gilt, geht auf die Idee von Albrecht Krummsdorf, bis 1991 Professor für Landeskultur und Umweltschutz an der Universität Ros- tock, und Pastorin Sabine Handrick, damals Lambrechtshagen, heute Schweiz, zurück. 600 Helfer aus 14 Na- tionen begannen mit dem Architek- ten Marcel Kalberer 2001 mit dem Bau. Bei der Pfl ege des Weidendoms wird der Verein tatkräft ig von der IGA GmbH unterstützt, denn die Höhen von 15 Metern und die üppig wachsen- den Weiden sind ohne Technik nicht so ohne Weiteres zu erklimmen. Mar- cel Kalberer war begeistert von dem guten Zustand, als er im vergangenen Jahr hier war, erzählt Karin Krentz.

Die Weidendom-Saison in Rostock endet am Sonntag mit einem ökumenischen Gottesdienst

Leben in der grünen Kirche

In den Weidendom im IGA-Park in Rostock wurde in diesem Jahr an den Wochenenden zu 16 Gottesdiensten und Andachten sowie elf kulturellen Veranstaltungen eingeladen. Foto: Karin Krentz

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Besuch aus Tansania in Rostock

Rostock. Bereits seit 2009 existiert eine Partnerschaft dreier Rostocker evangelischer Gemeinden, der In- nenstadtgemeinde, der Kirchenge- meinde Groß Klein/ Schmarl und der Warnemünder Gemeinde, mit der lutherischen Gemeinde Mhero im Nordosten Tansanias, inmitten der Pareberge. Seit dem 27. August sind erstmals vier Gemeindemit- glieder in Rostock, darunter Pastor Mlemba, nachdem eine kleine Gruppe aus Rostock im September vergangenen Jahres in Mhero war.

Bis zum 18. September wollen die Gäste die drei Gemeinden kennen- lernen und Zeit zum intensiven Aus- tausch über die kaum vergleichbare Situation der kirchlichen Arbeit hier und dort haben. Am vergangenen Sonntag nahmen sie am Schulan- fangsgottesdienst in Groß Klein teil.

Sie werden den Gottesdienst und das Fest des Tansaniatages des Kir- chenkreises Mecklenburg an die- sem Sonntag, 6. September, rund um die Rostocker Petrikirche, mit- gesalten. Am 13. September werden sie beim Gemeindefest in Warne- münde zu Gast sein. kiz

Grauer Kirchturm leuchtet bald in Rot

Boldekow. Die Sanierungsarbeiten am Turms der Dorfkirche Boldekow zwischen Anklam und Friedland ha- ben begonnen. Überraschung bei den Vorbereitungen zum Bau: Der graue Turm sah nicht immer so aus.

Farbreste an der Nordseite zeigten dem geschulten Auge des Restaura- tors Peter Wagner, der Turm war ur- sprünglich in rötlichem Ocker ge- strichen. So soll er nach dem Ab- schluss der Restaurierung mög- lichst noch vor Weihnachten auch wieder erstrahlen. „Mit dieser Farbe wird der Turm ein Knaller“, ist sich Pastor Philipp Staak sicher. Sieben Jahre dauerte die Finanzierung des Projektes. Insgesamt kostet die In- standsetzung des Boldekower Kirchturms 140 000 Euro. kiz

MELDUNGEN

Blühende Kirchen

Auf der BUGA im Havelland liegt ein Findling aus Alt Karin in Mecklenburg

15 Der Kirche was geigen

Geiger Florian Sonnleitner spielt für die Kirche in

Wusterhusen

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Die Konfirmandenstunde ist zu Ende. Alle stieben auseinander. Nur einer bleibt und fragt: Kann ich beim Aufräumen helfen? Das ist ein Ausländer: Mohsen aus Afghanistan. Da können wir was lernen.

Jesus begegnete zehn aussätzigen Männern, die ihn um Hilfe baten. Er wies sie auf einen Weg der Heilung. Sie wurden gesund. Nur einer kehrte um,

um Gott die Ehre zu geben. Alle anderen stürmten los, endlich wieder zur Arbeit nach überstandener Krankheit! Nur ei- ner wollte noch einmal zur Quelle der Heilung zurückkehren. Jesus weist die Umstehenden darauf hin, dass dies ein Ausländer war.

Mohsens Mutter erzählt mir von Ihrer Flucht. Das Boot geriet in Seenot. Was ich oft im Fernsehen sah, erzählt sie mit großem Ernst. Sie erzählt von ihrer Angst

um die Kinder: Ich fühlte mich so hilfl os. Und dann waren starke Hände da, die die Kinder fest hielten. Das war un- sere Rettung. Wir wurden bewahrt und beschützt. Nun will sie zurückkehren und Gott danken. Es ist für sie eine Suche nach dem Gott, der befreit und sie als alleinste-

hende Frau mit vier Kindern in ein neues Leben führt.

Ihre körperliche und seelische Erfahrung beheimatet sich im Glauben. So wird sie weiterhin Kraft und Mut aus der Quelle ihrer Rettung schöpfen.

In unserer Kirchengemeinde erleben wir, wie Christen aus dem Iran, aus Afghanistan und Eritrea uns bereichern. Im Licht ihrer Lebensgeschichten werden wir neu dankbar. Durch ihre Fragen, zum Beispiel nach der Freiheit und Verbind- lichkeit des Glaubens auf dem Hinter- grund der Erfahrungen mit dem Islam, werden uns Werte unseres Glaubens neu bewusst. Durch ihre Beteiligung an unseren Gottesdiensten wird die globa- le Gemeinschaft der Kirche gelebt. Wir stehen im Abendmahlskreis als Brüder und Schwestern, und Christus führt uns in seinen Frieden. Dies sind Reich-Got- tes-Momente, die unsere Hoffnung stärken inmitten ei- ner zerrissenen Welt.

Damals der Mann aus Samarien. Heute die Frau aus Af- ghanistan. Jesus sagt: Seid aufmerksam. Da könnt ihr was für euren Glauben lernen.

„Hat sich sonst keiner gefunden als nur dieser Ausländer? ...“

aus Lukas 17, 11-19

Da können wir was lernen

Roger Thomas ist Pastor an St. Nikolai Wismar.

Foto: privat

14. SONNTAG NACH TRINITATIS

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2 xMEINUNGx

Sonntag, 6. September 2015 | Nr. 36 MV

IMPRESSUM

Denkmalstreit neu entfacht?

Thomas Nitz aus Stralsund ist Leiter des Nachbarschaftszent- rums, einer Einrichtung der Dia- konie. Außerdem engagiert er sich in der Rehabilitation von Stasi-Opfern. Sein Brief bezieht sich auf den Artikel „Denkmal im Weg“ vom 7. Juni (Ausgabe 23).

Darin bildete Sybille Marx den Streit um das russische Ehren- mal ab, das zur Zeit der DDR vor das Hauptportal der St. Marien- kirche gestellt wurde und die Kirchengemeinde nun gern an einem anderen Platz hätte. Tho- mas Nitz berichtet von folgender Beobachtung:

Kürzlich hatte der Kreisverband der Linken aufgerufen, der Er- mordung des Hamburgers und KPD Führers Ernst Thälmann zu gedenken. An dessen Denkmal an der Stralsunder Sundprome- nade ehrt die Linke traditionell den am 18. August 1944 in Bu- chenwald von den Nationalsozi- alisten ermordeten Kommunis- tenführer.

In diesem Jahr lieferte dieses Datum, an dem 1962 auch das Denkmal enthüllt wurde, den Hintergrund eines ganz beson- deren Aufmarsches. Sonnenbe- brillte, gespenstisch Uniformier-

te präsentierten in Kampfgrup- pen- und Besatzungsmachtuni- f o r m D D R - Fa h n e u n d KPD-Banner. Unter den Versam- melten war auch die neue Kreis- vorsitzende der, wie man sieht, ganz neuen Linken und Vertreter der „Linken Offenen Liste“.

Manch Urlauber schüttelte den Kopf. Auch Thälmann wäre sicher lernfähiger als diese Genossen.

Denkmäler der Diktatoren kön- nen radikalisieren, sie dienen oft auch als Kulisse für fragwürdige Aufmärsche. Die SED verstellte 1967, als Ersatz der älteren Anla- ge, der Stralsunder St. Marienkir- che mit einen sowjetverherrli- chenden Obelisken das Nord- portal. Nun gibt es einen ernst- haften Streit einiger Weniger um das Monstrum als Denkmal.

Man sollte darüber nachdenken, solcherart Zeitzeugnisse mit den dazu gehörigen Ereignissen aus zentralen Bereichen der Weltkul- turerbe- und Touristenstadt her- auszuhalten.

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Anzeigenschluss: 11 Tage vor Erscheinungstermin.

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Anke Dessin, Anja Steinig, Sabine Wilms Layout: Christine Matthies, Allison Neel Druck:

Druckzentrum Schleswig-Holstein, Büdelsdorf

Die Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung erscheint wöchentlich und kann beim Vertrieb (s.o.) bestellt werden.

Der monatliche Bezugspreis beträgt 4,17 Euro einschließlich Zustellgebühr und 7 Prozent Mehrwertsteuer. Nach Ablauf des vertraglich vereinbarten Bezugszeitraumes sind Kündigungen mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende möglich.

Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Kiel. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird kein Honorar gezahlt.

Redaktion: 0385 / 30 20 80 Vertrieb: 0385 / 30 20 811

Wir in der Redaktion freuen uns über Leserbriefe zu Beiträgen in unserer Zeitung, auch wenn sie nicht der Meinung der Redakti- onsmitglieder entsprechen. Wir behalten uns aber bei Abdruck sinnwahrende Kürzungen vor.

Beilagenhinweis: Der gesamten Ausgabe ist die Beilage „Evangelische Mission in Solidarität“

beigefügt.

München / Hamburg. Angesichts der vielen Flücht- linge rufen Kirchen ihre Gemeinden dazu auf, nach Unterkünften zu suchen. Dass einige fordern, Ge- meindezentren für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, hält die Ansbach-Würzburger Regionalbi- schöfin Gisela Bornowski für keine gute Idee.

Viele Flüchtlinge leben in Zelten. Ist das nicht beschämend?

Gisela Bornowski: Mit so einer großen Anzahl von Flüchtlingen hat kaum jemand gerechnet. Natür- lich ist die Unterbringung in Zelten eine Über- gangslösung. Soweit ich das beurteilen kann, bemühen sich alle Verantwortlichen, die Men- schen so gut es geht unterzubringen.

Welche Möglichkeiten hat die Kirche zu hel- fen? Könnten im Winter nicht auch Gemein- dezentren als Flüchtlingsunterkünfte dienen?

Der Vorschlag wurde schon öfters unterbreitet.

Was zuerst als gute Lösung erscheint, scheitert schon daran, dass die sanitären Einrichtungen dort nicht für eine solche Nutzung ausgelegt sind und das schon von daher gar nicht genehmi- gungsfähig wäre. Die bayerische Landeskirche hat 32 Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung ge- stellt, bis zum Sommer 2016 sollen es 100 werden.

Das mag wenig klingen, aber wir haben vor ein paar Jahren ein Immobilienprojekt durchgeführt, deshalb gibt es keine leer stehenden Gebäude oder Wohnungen im Besitz der Kirche.

Diakonie-Vertreter haben angemahnt, andere sozial Schwache nicht zu vergessen. Schüren solche Aussagen nicht erst Neid?

Die Gefahr besteht ja, dass durch die große Her- ausforderung mit den vielen Flüchtlingen die Schwachen im eigenen Land in den Hintergrund treten. Daran zu erinnern finde ich legitim. Neid entsteht meines Erachtens nicht durch solch mahnende Worte, sondern dadurch, dass insge- samt zu wenig Mittel bereitgestellt werden. epd

NACHGEFRAGT

Foto: epd

Gisela Bornowski ist Ans- bach-Würzburger Regio- nalbischöfin.

Die Bundesregierung hat das Pfle- gestärkungsgesetz II beschlossen.

Drei statt fünf Pflegestufen, mehr Hilfen für Menschen mit Demenz und Angehörige verspricht es.

Aber reicht das aus?, fragt der Pflegekritiker Claus Fussek.

Bereits bei der Einführung der Pflegereform 1995 waren sich ei- gentlich alle einig, dass wir einen anderen Pflegebegriff brauchen.

Nach über 20 Jahren leiden- schaftsloser Diskussion hat das Bundes kabinett nun eine Pflege- reform beschlossen, die meilen- weit an der Lebens- und Pflegere- alität vorbeizielt.

Die menschenunwürdige „Mi- nutenpflege“ bleibt erhalten. Wer Menschen nicht aktiviert und mo- bilisiert, sondern „in die Betten pflegt“, wird finanziell belohnt!

Eine hohe Pflegestufe bringt das meiste Geld. Bereits heute erhal- ten die meisten pflegebedürftigen Menschen wegen Pflegenotstands nicht die ihnen rechtlich zustehen- den Leistungen.

Bescheid wissen, schweigen, mitmachen

Ich bin immer wieder fassungs- los, dass so viele Menschen „in der Pflege“ Bescheid wissen, schweigen und mitmachen. Die Allianz des Schweigens und Weg- schauens – auch der Kirchen – ist grausam. Ein Klima der Angst ist in vielen Einrichtungen verbrei- tet. Täglich erhalte ich Hilferufe von verzweifelten Pflegekräften und ohnmächtigen Angehöri- gen: Alte Menschen trinken („freiwillig“?!) nicht so viel, trocknen aus, um dem Personal nicht so viel Arbeit zu machen – für 3500 Euro pro Monat.

Eine Angehörige berichtet, was sie im Speiseraum erlebte: Eine an Demenz erkrankte Frau kann ihre Suppe schwer essen, weil sie den Löffel kaum halten kann. Von drei

Schwestern für 17 Bewohner hilft niemand. Die Suppe landet auf ih- rem Kleid, wofür die Schwester sie ausschimpft. Das Hauptessen ist kalt, als man es ihr bringt. Salat und Nachtisch werden weggeräumt, weil alle anderen schon fertig sind.

Eine andere fragt: „Wissen Sie, wie lange ,gleich‘ ist, wenn jemand auf die Toilette muss und die Schwester sagt: ‚Ich komme gleich?‘“

Eine weitere schreibt, es gebe keine separaten Sterbezimmer im Pflegeheim. Auf Nachfrage hieß es: Wenn ein Sterbender im Dop- pelzimmer liegt, müsse der Mitbe- wohner dies aushalten. Ein Kran- kenpfleger in der Altenpflege steigt aus, weil er sich vergeblich für ein menschenwürdiges Leben und Arbeiten eingesetzt hat. „Ich kann nicht mehr verantwortlich sein, wenn Mitarbeiter überfor- dert oder Bewohner nicht gut ge- pflegt sind.“ Mit Würde habe das nichts zu tun. Eine Kollegin: „Ich

kann sterbenden Menschen nicht einmal die Hand halten. Ich schä- me mich, kann den alten Men- schen nicht mehr in die Augen schauen.“

Was muss eigentlich noch pas- sieren? Offensichtlich haben „wir“

uns an die würdelosen Zustände in vielen Pflegeheimen und Kran- kenhäusern gewöhnt. Es geht uns – früher oder später – alle an. In den Pflegeheimen werden unsere Eltern, Großeltern, Angehörigen versorgt. Jeder, der „es“ wissen will, kann sich vor Ort, Tag oder Nacht, von der Lebens- und Pflegerealität in den Pflegeheimen überzeugen.

Warum konfrontieren wir nicht Politiker, Vertreter der Kostenträ- ger und die Pflegefunktionäre un- angemeldet mit der Realität?

Wir schämen und empören uns nicht, dass pflegebedürftige, schutzbedürftige und sterbende Menschen am Lebens abend in vie- len Pflegeheimen und Kranken-

h ä u s e r n w ü r d e l o s u n d erniedrigend ver- und „ent-“sorgt werden. Wir müssen endlich den Mund aufmachen, Haltung zeigen und Verantwortung übernehmen!

Es geht um Ehrlichkeit, Emotio- nen, Mitgefühl, Solidarität, Barm- herzigkeit und Zivilcourage. Wer schweigt, stimmt zu, macht sich mitschuldig. Wir dürfen die pflege- bedürftigen, sterbenden Men- schen, ihre überlasteten Angehöri- gen und die (noch) engagierten Pflegekräfte nicht im Stich lassen.

Ein Pflegeheim ohne Hospiz- und Palliativkultur darf es nicht mehr geben. Über deren Finanzie- rung kann nicht ernsthaft verhan- delt werden. Selbst in Heimen in christlicher Trägerschaft ist das Leit- bild „Jeder Mensch hat seine unver- lierbare Würde, die ihm von Gott verliehen ist“ nicht umsetzbar.

Wenn wir es in gemeinsamer Verantwortung in dieser reichen Gesellschaft nicht sehr bald schaf- fen, dass wir allen pflegebedürfti- gen Menschen garantieren, dass sie im letzten Lebensabschnitt pallia- tiv, schmerzfrei versorgt werden können, dürfen wir diese verzwei- felten Menschen auch nicht am Sterben hindern. Wir werden uns dann offen und ehrlich in diesem Land mit den Möglichkeiten der aktiven Sterbe hilfe beschäftigen müssen. Weil dann niemand mehr da ist, der uns pflegt.

Selbstverständlich geht es auch anders. Es gibt gut geführte Heime mit verantwortungsbewuss ten Lei- tungen und empathischen und kompetenten Pflegekräften. Auf einer Palliativstation, in einem Hospiz werden wenige Menschen nach aktiver Sterbehilfe verlangen.

Pflegeheim ohne Hospiz- und Palliativkultur darf es nicht mehr geben, fordert Claus Fussek

Würde statt Minuten-Pflege

Claus Fussek ist Sozialpädagoge und und Co- Autor des Buches: „Es ist genug! Auch alte Menschen haben Rechte“, Knaur Taschenbuch, München 2013.

Foto: droemer-knaur

Gemeinden sind keine Flüchtlingsunterkünfte

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Sonntag, 6. September 2015 | Nr. 36 NK

XCHRISTSEIN IM ALLTAGx

Rolf Seelmann-Eggebert (78) gehört zu den bekanntesten Fernsehjourna- listen Deutschlands. Die Berühmtheit verdankt der überzeugte Demokrat ausgerechnet seiner Rolle als Be- richterstatter über die europäischen Monarchien, die 1985 mit der Reihe

„Königshäuser“ ihren ersten Höhe- punkt fand. Eine Übertragung royaler Feiern ohne seinen wohlgesetzten Kommentar ist seitdem undenkbar.

Kaum bekannt ist dagegen, wie viel- fältig sich der Moderator engagiert.

Von Ortwin Löwa

Nach dem Studium in Soziologie, Völkerrecht und Ethnologie begann der aus einem gutbürgerlichen christ- lichen Elternhaus stammende Rolf Seelmann-Eggebert als Hörfunkre- porter im NDR und wurde später Korrespondent in Afrika. Entwick- lungspolitik im Allgemeinen und Af- rika im Besonderen bestimmen bis heute sein politisches Engagement.

Rolf Seelmann-Eggebert spielt Geige und leitet das Kuratorium des Orches- ters Hamburger Camerata. Er ist das Bild eines musischen Menschen, der sich auf der Grundlage christlicher Werte bis heute einmischt.

Rolf Seelmann-Eggebert hat eine christliche Erziehung genossen, mit schulischem Religionsunterricht, Konfirmation und einem adligen Pa- tenonkel. Doch es ist nur ein Gerücht, dass daraus sein Interesse für die eu- ropäischen Königshäuser entstanden sei. Auch hat ihn seine christliche Er- ziehung, wie er sagt, nicht zu einem

„treuen Kirchgänger“ gemacht. Aller- dings engagiert sich Seelmann-Egge- bert in der Altenarbeit der Hambur- ger Hauptkirche St. Nikolai am Klos- terstern und tritt einmal im Jahr mit dem Orchester der Hamburger Came- rata in der Melanchthon-Kirche in Groß Flottbeck auf.

Ausdruck seiner kirchlichen Bin- dung war auch seine Berufung 1985 in die Nordelbische Synode. Dort plä- dierte er 1992 anlässlich der ersten großen Auseinandersetzung um das Asylrecht und die damaligen Aus- schreitungen engagiert für eine Ent- wicklungspolitik, die in den Her- kunftsländern der Flüchtlinge die Ursache an der Wurzel packt.

Begegnung mit dem

„schreienden Elend“

Die heutigen Konflikte in der Flücht- lings- und Asylpolitik sieht Seelmann- Eggebert mit Besorgnis, vor allem mit Blick auf die Situation in Afrika. Mit etwas Hoffnung erfüllt es ihn, dass beim Plädoyer für eine Willkommens- kultur die Kirchen bzw. Menschen mit kirchlichen Bindungen in vorderster Reihe stünden. Leider habe die staatli- che Entwicklungspolitik die wichtige Rolle etwa der Kirchen und besonders der Partnerkirchen in der „Dritten Welt“ für eine Entwicklungspolitik erst sehr spät wahrgenommen.

Wenn Rolf Seelmann-Eggebert auf seine christliche Erziehung ange- sprochen wird, dann erwähnt er ein Schlüsselerlebnis aus dem Jahre 1962, das für seine spätere Arbeit als Journalist entscheidend war. Als jun- ger Hörfunkreporter des NDR nahm er an einer Reise nach Nigeria teil und kam dabei von, wie er sagt, „ei- nem Land, in dem Milch und Honig fließen“ ins schreiende Elend. Die Afrika Erfahrungen motivierten Seelmann-Eggebert als Fernsehpro- grammdirektor des NDR dazu, nicht nur journalistischer Beobachter zu sein, sondern sich tatkräftig einzu- bringen. Er organisierte 1984 und 85 eine große Spendenaktion, erst mit einem „Karfreitagsaufruf“, dann mit einem „ARD Tag für Afrika“. Einge-

nommen wurde die stolze Summe von 200 Millionen Mark. In der Fol- gezeit schlief das entwicklungspoliti- sche Bewusstsein wieder ein, wie Seelmann-Eggebert beklagt.

Gibt es einen Zusammenhang mit Großbritannien? Wieder eine Erinne- rung. Als Student in London erlebte er, wie die Konflikte nach dem Zu- sammenbruch des Kolonialreichs die britische Gesellschaft einer allmähli- chen Zerreißprobe aussetzten. Eine Entwicklung, die auch uns jetzt be- vorstünde. Und eigentlich wollte Seelmann-Eggebert 1978 als frisch gebackener Fernsehkorrespondent in der britischen Hauptstadt vor allem über die sozialen Umbrüche der Thatcher-Ära berichten, aber die Wir- ren der „Royals“ kamen ihm dazwi- schen. Es begann noch gemütlich mit einem Ständchen zum 30. Geburtstag von Prinz Charles, steigerte sich aber

zu einem regelrechten „royalen Re- portage-D-Zug“, nachdem Charles und Diana sich im Februar 1981 ver- lobten und Rolf Seelmann-Eggebert auch in den Reportagen über die fol- genden Liebeswirren der beiden so- zusagen den seriösen Kontrast zur Regenbogenpresse übernahm. Res- pektvolle Informationen über die eu- ropäischen Monarchien statt sensati- onsgieriger Klatschgeschichten, das ist auch die Linie Seelmann-Egge- berts, dem es vor allem darauf an- kommt, den Deutschen das System demokratisch fundierter, also parla- mentarisch-konstitutioneller Königs- häuser zu vermitteln.

Allmächtige Herrscher, vielleicht

„blutbefleckt“ wie in Saudi Arabien, sind seine Sache nicht. Wenn Elisa- beth II. sich als Königin „von Gottes Gnaden“ empfindet, so entspricht das nicht dem Selbstbild einstiger absolu-

tistischer Monarchen, sondern soll ihr Pflichtbewusstsein ausdrücken, dem britischen Volk ihr Leben lang zu dienen. Anders als etwa in Hol- land, Belgien oder Luxemburg kommt eine Abdankung nicht infra- ge. In diesen Tagen ist Elisabeth II.

einen Tag länger im Amt als ihre le- gendäre Vorfahrin Queen Victoria.

Wichtig ist für Seelmann-Eggebert in diesem Zusammenhang das karita- tive Engagement der Königsfamilie mit Hunderten von Pflichtterminen, weshalb man Charles auch den „Ca- ring (fürsorglichen) Prince“ genannt hat. Das trifft sich mit den eigenen christlich-humanitären Intentionen Seelmann-Eggeberts, beispielsweise als Mitglied des Kuratoriums der von Königin Sylvia von Schweden ins Le- ben gerufenen „World Childhood Foundation“, einer Hilfsorganisation für missbrauchte und benachteiligte Kinder. Die Royals als „gute Samari- ter“? Nun, jedenfalls als Stabilisie- rungselement in krisenhaften Zeiten.

Vor allem wegen der vielen weihe- vollen Rituale, die Seelmann-Egge- bert mit britischer Gelassenheit kommentierte. Dazu gehörte etwa die Vermittlung von hierzulande seltsam anmutenden Bräuchen wie die alljährliche Militärparade „Troo- ping the Colour“ zum Geburtstag des jeweiligen britischen Monarchen.

Dabei marschieren die Musikkapel- len der königlichen Garderegimen- ter auf und präsentieren ihre Fah- nen. Ein Gruß an das Staatsober- haupt, keine Waffenschau wie bei anderen Militärparaden.

Rolf Seelmann-Eggebert ist über- haupt ein Musik liebender Mensch.

Seine Erziehung bescherte ihm das Violine-Spiel, das er jetzt noch als

„zweite Geige“ in einem Streichquar- tett praktiziert. Sein Lieblingskonzert wird er jedoch am 12. September zum letzten Mal für das NDR-Fernsehen kommentieren. Die „Last Night of The Proms“ in der Londoner Royal Albert Hall. 34 Jahre lang hat Seel- mann-Eggebert das Schauspiel aus einer eigenen Loge begleitet.

Ein großer Spaß, aber auch zu- gleich großer Ernst und durchaus gemischte Gefühle, wenn das Publi- kum gegen Ende „Rule, Britannia“

singt, nicht aus nationalistischem Überschwang, sondern eher mit wehmütiger Ironie in Gedenken an die vergangenen Zeiten Englands als führende Kolonial- und See- macht. Das führt zu einer kirchli- chen Grundsatzfrage für die heutige britische Krone. Noch nennt sich Elisabeth II. „Defender of the Faith“, also Verteidigerin des einzigen Glaubens, nämlich der Anglikani- schen Kirche. Prinz Charles will dies als König in „Defender of Faith“ än- dern, also Verteidiger des Glaubens allgemein, als Reverenz an die Viel- falt der Religionen. Das ist brisanter als die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört.

Rolf Seelmann-Eggebert moderiert zum letzten Mal die „Last Night of The Proms“

Christ, Humanist und Gentleman

Mit Kavalierstuch, sonorer Stimme und stets respektvoll hat Rolf Seelmann-Eggebert (unten) Generationen von deutschen Fernsehzuschauern über die europäischen Königshäuser informiert. Oben: Königin Elisabeth II. Fotos: epd / NDR

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Sonntag, 6. September 2015 | Nr. 36 MV

Es ist 6000 Jahre her, dass die Schrift aufkam. Doch über Jahr- tausende blieb es ein Privileg, die Kunst des Schreibens zu erlernen.

Mit der Reformation war Bildung für alle auf dem Vormarsch.

Von Christine Senkbeil Schule. Nichts tun. Freie Zeit. Tat- sächlich – dies ist die ursprüngli- che Bedeutung des griechischen Begriffs ‚schola‘. Was für ein Be- deutungswandel? Eigentlich nicht. Denn Zeit für Muße sehen die alten Griechen als Vorausset- zung für das Umsetzen anspruchs- voller Tätigkeiten an. Muße be- deutet: Möglichkeit. Sie ist notwendig zur Entfaltung des Geistes. Darum wurde der Begriff später für Studium oder Vorle- sung verwendet.

Doch nicht erst die alten Grie- chen machten Schule. Vermutlich kannten schon die Sumerer seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. Schu- len, in denen Rechnen, Zeichnen und Sumerisch, nämlich Lesen und Schreiben, gelehrt wurde.

Auch schickten die wohlhaben- den Ägypter – und nur diese – ihre Kinder in Schulen. Schreiben können bedeutete Ansehen. Ma- thematik, Geografie, Geschichte, Astronomie, Bildhauerei, Malerei und auch Sport wurde in Tempel- schulen unterrichtet.

Sport und Gesang waren die Fächer, auf die man im alten Grie- chenland großen Wert legte. Öf- fentliche Schulen kannten auch sie aber noch nicht, unterrichtet wurde beim Lehrer zu Hause.

Erst in der Römischen Kaiser- zeit wurden öffentliche Schulen gegründet. In der Spätantike be- stand ein dichtes Netz an Gram- matik- und Rhetorikschulen, von Laien getragen, wie Heinz Dopsch in seiner Abhandlung über die Grundzüge des mittelalterlichen Bildungswesens darstellt. „Mit dem Untergang der römischen Kultur kam es vor allem nördlich der Alpen zu einem raschen Nie- dergang von Bildung, Schriftwe- sen und Schulen“, beschreibt er.

Klosterschulen stehen am Beginn

des mittelalterlichen Schulwe- sens. Vom 4. bis 6. Jahrhundert hatten sich Männer- wie Frauen- klöster ausgebreitet. Hier konnte die Jugend in asketischer Weltent- sagung christliche Lehre, aber auch die für nützlich erachteten Teile der antiken Bildung studie- ren. Dennoch unterschied sich ihr Lehrprogramm von dem der Rö- mer und Griechen. Während der Gegenstand der antiken Erzie- hung der künftige Staatsbürger war, standen im Mittelpunkt der christlichen Erziehung die künfti- gen Bürger eines Reiches, das nicht von dieser Welt ist. Da Gott kein Ansehen der Person kennt, wurden im Christentum auch Frauen, Sklaven und Lohnarbei- ter als der Erziehung würdig und bedürftig erachtet, wie bei Gustav Baur in der „Geschichte der Erzie- hung“ nachzulesen ist. Auch jun- ge Frauen bildeten sich also in den Frauenklöstern.

Als größter christlicher Päda- goge dieser spätantiken Zeit gilt Kirchenvater Augustinus, dessen

zentrales Erziehungsziel die christliche Liebe als Gottes- und Nächstenliebe war. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts wurden ne- ben Klosterschulen auch Außen- schulen eingerichtet, in denen Laien und künftige Weltgeistliche unterrichtet wurden, beschreibt Hermann Masius in seiner „Erzie- hung im Mittelalter“.

Um 780 startete Karl der Große ein umfassendes Bildungspro- gramm – die karolingische Bil- dungsreform. An den Klöstern und Bischofskathedralen entstan- Familie Schutsch aus Vorpommern

empört sich über die Schulpflicht – und behauptet: Tausende den- ken wie wir, Tausende würden ihre Kinder gern zu Hause unterrich- ten. In Deutschland ist das aber verboten. Gut so?

Von Sybille Marx

Greifswald/Lindach. Wenn Ekke- hard Schutsch über „normale“

Schulen in Mecklenburg-Vorpom- mern redet, wird er schnell pole- misch. Schon die Kleidung regt ihn auf. „Gucken Sie doch mal, wie manche Lehrerinnen rumlaufen“, sagt der 51-Jährige. „Wie Huren:

halbnackt, in Miniröcken und Ti-

ger-Leggins!“ Dann der Sexualkun- deunterricht. „Die Kinder kom- men mit Heften voller pornografischer Bilder nach Hau- se.“ Individuell gefördert würden sie dagegen kaum, zu einem Leben mit Gott ermutigt schon gar nicht.

Und was sie auf dem Schulhof lernten, seien viel zu oft Schimpf- wörter, Lügen, Angst und Gewalt.

Ginge es nach Ekkehard Schutsch, würden seine vier Kinder darum zu Hause unterrichtet, von seiner Frau Auri in einem alten Gutshaus in Vorpommern.

Doch es geht nicht nach Ekke- hard Schutsch, und darum leben seine Frau und die Kinder Jona-

than, Oscar, Matilda und Karl seit ein paar Monaten rund 830 Kilo- meter von ihm entfernt in Baden- Württemberg – „auf der Flucht“, wie Schutsch es nennt, wenn er sich in Rage geredet hat.

Vor allem das Schulamt Greifs- wald macht ihn wütend. Wie ei- nen Verbrecher habe man ihn dort behandelt, sagt der Maschi- nenbauer. Tatsächlich musste Schutsch bis vor einer Woche fürchten, vor Gericht zu landen.

Der Vorwurf: Mehrere Monate lang hatte er Matilda und Karl nicht zur Schule geschickt. Dem Schulamt Greifswald erklärte er, man würde sie zu Hause unter-

richten – bis eine andere, gute Schule gefunden sei. In Deutsch- land ist Hausschule aber verbo- ten, das Amt reichte Klage ein.

Der hessische Rechtsanwalt Dr.

Andreas Vogt, den Schutsch ein- schaltete, kann immer weniger nachvollziehen, warum deutsche Behörden so handeln. In den ver- gangenen acht Jahren hat er rund 20 Familien aus verschiedenen Tei- len Deutschlands vertreten, die wegen Heimunterrichts mit Buß- geldern belegt oder mit Haftstra- fen bedroht wurden. „Mir kam das anfangs auch spanisch vor, dass je- mand seine Kinder aus der Schule nehmen will“, sagt Vogt. Doch

Bildung für alle – das galt nicht immer

Über Jahrhunderte lag in Europa der Unterricht in kirchlicher Hand

Geistlicher Gesang war ein wichtiger Bestandteil d chen und Novizen aus dem 14. Jahrhundert.

Dass Kinder in der Schule lernen sollten und nicht zu Hause – wir Deutschen finden es selbstverständlich. So selbstverständlich, dass Heimunterricht als Alternativ

„Schule verdirbt die Kinder!“

Eine Ehepaar aus Vorpommern stellte sich der Schulpflicht entgegen, wollte zu Hause unterrichten. Vergeblich: Die Behörden drohten mit Strafen.

Von Gerd-Matthias Hoeffchen

Die allgemeine Schulpflicht ist eine segensreiche Errungenschaft. Sie gibt Kindern aller Schichten die Chance auf Bildung. Und: Sie stellt Lernen und Geis- tesprägung in den weltanschaulich neutralen Raum – Grundbedingung für eine freiheitlich-demokrati- sche Gesellschaftsordnung.

Insofern gehen die Urteile, die in letzter Zeit ge- gen religiöse Schulverweigerer ergangen sind, völlig in Ordnung. Wie das gegen die Eiferer der Zwölf Stämme im bayerischen Deiningen beispielsweise.

Wegen der Schulverweigerung wurden die Sekten- mitglieder des Öfteren zu hohen Bußgeldern verur- teilt, die sie jedoch nicht bezahlten. Nachdem her- auskam, dass sie ihre Kinder mit Stockschlägen miss- handelten, war ihnen vergangenen Herbst das Sor- gerecht für 40 Kinder entzogen worden.

Diese Leute hängen einer Vorstellung von Erzie- hung und Bildung an, die auf eines hinausläuft: den Aufbau einer Parallel-Gesellschaft, die Absonde- rung von der Welt. Nebenbei: Das widerspricht auch der Haltung Jesu. Er wandte sich der Welt zu. Er liebte die Menschen um sich herum – uns, die Sün- der und Irrenden. Er brachte der Welt Hoffnung, statt vor ihr zu fliehen. Das Urteil in diesem Fall ist richtig. Wie kostbar die Errungenschaft Schulpflicht ist, wird auch an der plötzlichen Forderung nach ihrer Aussetzung deutlich. Der Erfurter Oberbürger- meister etwa sprach sich kürzlich überraschend da- für aus, dass die Schulpflicht nicht für Kinder von Flüchtlingen gelten solle, über deren Asylantrag noch nicht entschieden sei. Die Anzahl der schul- pflichtigen Kinder ohne Aufenthaltsstatus sei sehr hoch, die Kapazität der Schulen ausgereizt, argu- mentierte Andreas Bausewein.

Die Schulpflicht kann also schnell unbequem werden, in beide Richtungen. Mehr noch. Die Aus- einandersetzung zeigt, dass diese Pflicht auch ein gutes Recht ist, nämlich für benachteiligte Kinder.

Dennoch heißt das alles nicht, dass über Ausnah- men von der Pflicht zum Besuch einer Schule über- haupt nicht nachgedacht werden dürfte. Denn nicht alle, die sich um eine Aussetzung der Schulpflicht mühen und ihre Kinder zu Hause unterrichten wol- len, sind religiöse Spinner. Eine Unterrichtspflicht kann es ja trotzdem geben! Die Erfahrungen in fast allen anderen Ländern zeigen, dass dies – unter stren- ger Kontrolle – für einige junge Menschen ein guter, manchmal der bessere Weg sein kann. Etwa für die, die im oft rüden Selbstbehauptungskampf auf Schul- höfen und in Klassenzimmern unterzugehen drohen.

Der deutsche Rigorismus bei der Schulpflicht ist in der westlichen Zivilisation ein Sonderweg.

Noch einmal: Die Schulpflicht ist gut. Ganz grund- sätzlich. Aber über Ausnahmen sollte man zumin- dest wieder einmal nachdenken dürfen. Der Fall der religiösen Schuleiferer würde nicht dazugehören.

Heimunterricht?

Nur als Ausnahme

STICHWORT

Da geht es also wieder los, das morgendliche Mur- ren aus dem Kinderzimmer, nachdem der Wecker geklingelt hat. Schulbeginn. Da kommt keiner drum herum, zumindest in Deutschland nicht. Denn bei uns gilt die Schulpflicht.

Im Grunde ist es ja ein Privileg, zur Schule gehen zu dürfen. Wenige Kinder hatten diese Möglichkeit frü- her und auch heute ist es nicht überall selbstver- ständlich, dass Kinder systematisch lesen und sch- reiben lernen, dass Lehrer ihnen Wissen vermitteln, dass sie damit mündig durch die Welt gehen und sich auf eigene Faust weitere Wissensgebiete er- obern können. Ein schlechter Trost natürlich für den Nachwuchs, der sich am frühen Morgen gern noch- mal in die Federn kuscheln würde.

Zum Glück hat sich aber viel getan in der deutschen Schullandschaft. Nicht zuletzt die evangelischen Schulen mit ihren reformpädagogischen Konzepten bieten eine Alternative im noch immer recht starren Bildungssystem. Und wenn Schule so richtig Spaß macht, stört es doch auch kein Kind, dass man hin- gehen muss…?

Doch halten wir einen Rundumblick auf das Phäno- men „Schulpflicht“: zurück in die Vergangenheit, quer durch Deutschland und hinaus in die Welt.

Gerd-Matthias Hoeffchen ist Chefredakteur von „Unsere Kirche“, Evangelische Zeitung Westphalen und Lippe. Foto: Unsere Kirche

GASTBEITRAG

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Sonntag, 6. September 2015 | Nr. 36 MV

den Domschulen, an denen Jun- gen als Geistliche, aber auch als Laien ausgebildet wurden. Karl wollte das ganze Volk bilden und sittlich erheben. Alle Schüler soll- ten auch zu Hause ihre Angehöri- gen unterweisen. Karl wünschte, dass alle Christen das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis aus- wendig konnten. Latein wurde in dieser Zeit zur Gelehrtensprache.

Seit dem 12. Jahrhundert ging die Bedeutung der Klosterschulen langsam zurück, Universitäten ka- men auf. Stadt- und Lateinschulen

entstanden, in denen der Nach- wuchs von Kaufl euten und Ge- werbetreibenden erstmals eine standesspezifi sche Ausbildung er- halten konnte.

Der Dominikaner Vinzenz von Beauvais schrieb damals eine The- orie der christlichen Erziehung.

Die durch ihren himmlischen Ur- sprung zunächst reine Seele des Kindes bedarf danach der Füh- rung, in intellektueller wie auch in moralischer Hinsicht. Weisheit mit Beredsamkeit, Gewandtheit und Erfahrenheit fordert er vom Lehrer.

Die größte Breitenwirkung seit dem 12./13. Jahrhundert hatten dann Pfarrschulen. Lehrer war der Pfarrer, die Lehrinhalte hin- gen stark von dessen Horizont ab.

Seit dem 15. Jahrhundert gab es mehr und mehr Grammatikschu- len – meist städtische oder private Stift ungen, mit schlecht bezahl- ten Lehrern und umfangreichem Züchtigungsprogramm. Immer- hin. Die Schreibkundigkeit wuchs.

Menschen zu bilden, wurde dann elementares Anliegen der Reformation. Philipp Melanch- thon, oder auch „der Lehrer der Deutschen“, erkannte: Religion braucht Bildung und Bildung braucht Religion. Dieser „andere Reformator“, wie der frühere EKD -Ratspräsident Nikolaus Schneider Melanchton in einer

Würdigung beschreibt, setzte auf eine breite Allgemeinbildung.

Sprache sei das wichtigste Instru- ment des Geistes, fand er. Schulen gebühre der Vorrang vor Kirchen und Fürstenhöfen, „weil man in ihnen mit größerem Einsatz nach der Wahrheit strebt“, mahnte Me- lanchthon.

Und auch Luther fordert 1524 in der Erziehungsnot der Um- bruchszeit die Ratsherren aller Städte deutschen Landes vehe- ment auf, „die christlichen Schu- len aufzurichten und zu halten“.

„Darum will‘s hier dem Rat und der Obrigkeit gebühren, die aller- größte Sorge und Fleiß aufs junge Volk zu haben.“

Allgemeine Schulen für Jun- gen und Mädchen wollte die Re- formation. Das Herzogtum Pfalz- Zweibrücken richtete 1592 als erstes Territorium der Welt die allgemeine Schulpfl icht für Mäd- chen und Knaben ein. Straßburg folgte 1598. Gesetzliche Bestim- mungen zur Schulpfl icht wurden dann in vielen protestantischen Fürstentümern eingeführt und fi nden sich dank des Wirkens des Nord-Reformators Johannes Bu- genhagen in fast allen evangeli- schen Kirchenordnungen der Zeit. Die allgemeine Schulpfl icht wurde 1649 eingeführt. Besonders in der Landbevölkerung stieß dies zunächst auf Widerstand. Schul-

pflichtgesetze waren eher Ab- sichtserklärungen. Der Staat ver- fügte nicht über ein fl ächende- ckendes Schulsystem, das allen potenziellen Schülern einen ord- nungsgemäßen Schulbesuch er- möglicht hätte. Es fehlten Schul- gebäude, Lehrer und vor allem eine staatliche Kultusbüro- kratie.

Festgeschrieben für ganz Deutschland ist die allgemeine Schul- pfl icht nun seit 1919 – in der Weimarer Verfassung.

xSSCHULPFLICHTx

dann habe er überrascht festge- stellt, dass Deutschland mit sei- nem Hausschulverbot eine Aus- nahme in Europa bildet, dass fast alle anderen Länder und die USA

„Homeschooling“ erlauben – wenn der Lernerfolg staatlich kon- trolliert und nachgewiesen wird.

Bildungspfl icht statt Schulpfl icht hält der Jurist darum für besser.

„Es sind ja auch nicht nur reli- giöse Fundamentalisten, die ihre Kinder zu Hause unterrichten wollen“, betont Vogt. „Die meis- ten, die das möchten, kommen aus der Mitte der Gesellschaft !“

Manche von ihnen fänden das Lernen zu Hause besser, weil es individueller sei, pädagogisch sinnvoller. Andere hätten Kinder, die in Schulen litten oder ge- mobbt wurden. Und sogar mit einer selbstbewussten 14-Jährigen hatte er zu tun, die zu Hause ler- nen wollte, weil sie da besser vor- ankomme. Insgesamt, schätzt An-

dreas Vogt, unterrichten über 8000 deutsche Eltern ihre Kinder privat.

„Es gibt Ämter, die das stillschwei- gend zulassen, weil sie ja im Grun- de wissen, dass das Kindeswohl nicht gefährdet ist.“ Ein Recht auf Hausschule vor dem Bundesverfas- sungsgericht oder dem Europäi- schen Gerichtshof durchzuboxen, hat aber noch keine deutsche Fa- milie geschafft . „Da wurde dann argumentiert: Mit der Hausschule bilden sich Parallelgesellschaft en“, sagt Vogt. Schule habe eben auch die Funktion, Kinder in die Gesell- schaft einzuführen, sie zu „soziali- sieren“, hätten die Richter erklärt.

Ähnlich sieht man es im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Eine Stellung- nahme zum Thema hat das Gremi- um nie veröff entlicht. Aber die beratende, 20-köpfige Bildungs- kammer des Rats sei sich einig, sagt Matthias Otte als Geschäft sführer der Kammer: „Wir brauchen kein Homeschooling. Die deutsche fö- derale Bildungslandschaft ist so vielfältig, dass jeder für sein Kind die passende Schule fi nden kann.“

Die Fälle, in denen Familien für die Hausschule stritten, seien alle- samt „problematisch“. Und natür- lich könne man es als Zumutung betrachten, dass der Staat Eltern die Heimschule verwehrt. „Aber diese Zumutung hat einen guten Grund: nämlich, dass Schule inte- grative Wirkung hat.“ Sie helfe, die Gesellschaft zusammenzuhalten, und das sei wichtig für alle.

Haben wir Deutschen vielleicht Angst, dass vor allem Neonazis, re- ligiöse Fundamentalisten und an- dere Radikale das Recht auf Heim- schule nutzen würden, dass in den Wohn- und Kinderzimmern Grup- pen heranwüchsen, die unsere De- mokratie bedrohen könnten oder einfach die Durchschnittsvorstel- lung von dem, was gut und richtig ist? „Keiner hat mir das bisher ins Gesicht gesagt, aber ich vermute, dass solche Befürchtungen eine Rolle spielen“, sagt Vogt.

Ekkehard Schutsch umgekehrt lacht auf, wenn er Wörter wie „so- zialisieren“ hört. „Das Gegenteil ist der Fall“, meint er. „Die Schule verdirbt unsere Kinder.“ Nicht, dass er und seine Frau von Anfang an gegen dieses Unterrichtsmo- dell gewesen wären. Als sie 2003 nach Vorpommern zogen, kauf-

ten sie ein Haus in Krebsow – so gelegen, dass die ältesten Söhne Jonathan und Oscar die Waldorf- schule in Greifswald besuchen konnten. Doch bald tauchten aus Sicht der Eltern die ersten Proble- me auf. „Der Unterricht war zu laut, es fehlte die Individualförde- rung“, meint Schutsch. „Jonathan konnte in der vierten Klasse noch nicht ein Wort schreiben!“ In der staatlichen Grundschule im klei- nen Ort Züssow, wo Jonathan, Os- car und auch Matilda als Nächstes hingingen, hätten sich „stalinisti- sche Abgründe in den Gesinnun- gen der Lehrerinnen“ gezeigt.

Dann die zweijährige Orientie- rungsstufe in der staatlichen Pee- netalschule Gützkow: „Die Kinder lernten die Fäkalsprache und den Umgang mit Computerspielen“, schildert Schutsch. Zuhause hätten die Jungs nur noch vor dem Rech- ner sitzen wollen. Der kleinere sei zudem gemobbt worden, pampig und blutig seien beide oft nach Hause gekommen. Kurz: Über Jahre hatte das Ehepaar Schutsch das Gefühl, dass seine Kinder in der Schule auf ungute Weise be- einfl usst würden, jeden Tag neu.

„Der Herr hat geholfen“

Als Ekkehard Schutsch 2012 die

„Global Home School Confe- rence“ in Berlin besuchte, schien sich für ihn eine neue Tür zu öff - nen. Der Franzose André Stern habe dort einen überwältigenden Vortrag gehalten zum Thema:

„Ich hatte Glück, dass ich nicht zur Schule musste.“ Schutsch er- kundigte sich, wie Heimschule in Deutschland rechtlich und prak- tisch möglich sei, besuchte etwa die christliche Philadelphia-Schu- le in Siegen (Nordrhein-Westfa- len), die Lernmaterialien für den Heimunterricht herausgibt.

Dass das Modell erfolgreich sein kann, hätten verschiedene Heimschulkinder längst bewiesen, sagt nicht nur Philadelphia-Leiter Helmut Stücher. Auch Rechtsan- walt Vogt sieht es so. Die Kinder der Familie Dudek etwa, die er vor Jahren in Hessen vertrat, hätten sicher eine konservativere Lesart der Bibel als die Mehrheit der

Christen. Insofern könnte man sie vielleicht als Sonderlinge abtun.

„Aber die stehen voll im Leben!“

Nach dem Heimschulunterricht hätten sie Einser-Abschlüsse hinge- legt, „jetzt machen sie groß Karrie- re“. Auch Genies wie Goethe und Mozart seien Hausschüler gewe- sen, „denn es gab in Deutschland zwar früh Schulgesetze, aber im- mer auch die Möglichkeit des Hei- munterrichts.“ Erst im 20. Jahr- hundert, besonders unter den Na- zis, habe der Staat darauf gepocht, dass er ein Erziehungsrecht habe.

Fragwürdig, fi ndet Vogt. „Meiner Ansicht nach ist die Freiheit, zu Hause zu unterrichten, durch die Menschenrechte gedeckt!“

Das Land Mecklenburg-Vor- pommern gehört wie Hessen, Hamburg und wenige weitere aber zu den Bundesländern, die es mit der Schulpfl icht besonders ge- nau nehmen. „Hier gilt ein Ver- stoß nicht nur als Ordnungswid- rigkeit wie Falschparken, sondern kann strafrechtlich verfolgt wer- den“, erklärt der Jurist. Ekkehard Schutsch und seine Frau gaben den Plan der Hausschule darum auf und suchten Zufl ucht bei der Domino Servite Schule im baden- württembergischen Lindach, ei- ner freien evangelischen Schule.

Schon nach dem ersten Probe- tag war Schutsch begeistert. „Mir kamen die Tränen, weil ich gese- hen habe, wie Schule auch sein kann.“ Nicht so „lauwarm christ- lich“ wie andere, nicht so lieblos, sagt er. Die Lehrer legten großen Wert auf christliche Tugenden,

„man sieht einfach, dass die auch im Herzen Christ sind und jedes Kind als Geschöpf Gottes betrach- ten.“ Jeder Tag beginne mit einer Andacht, Gesang, Gebet. Auch Disziplin, Ehrlichkeit und Respekt würden groß geschrieben. „Meine Kinder fühlten sich sofort wohl.“

Vor ein paar Tagen erreichte Schutsch dann ein Schreiben vom Amtsgericht Greifswald: Gegen ihn wird kein Verfahren eröff net.

Aus formalen Gründen. Denn nicht das Schulamt, sondern nur das Bildungsministerium hätte gegen die Familie klagen können.

„Mir ist ein Stein vom Herzen ge- fallen“, sagt Schutsch. Und an der Schule in Baden-Württemberg seien nun alle überzeugt: „Der Herr hat geholfen.“

der klösterlichen Erziehung. Darstellung mit Mön-

Foto: Sailko

e verboten ist. Foto: epd/Montage EZ/kiz

Von Bernd Honig und Christine Senkbeil Kiel. Ein Blick über den deutschen Tellerrand zeigt es ganz deutlich: Wir sind mit unserer starren Schul- pfl icht europa- und weltweit ein Sondermodell.

Vielleicht sogar ein Auslaufmodell? In den meisten europäischen Ländern besteht nämlich keine Schul- pfl icht, statt dessen nur eine Unterrichts- oder Bil- dungspfl icht. In der Schweiz beispielsweise. Und in Österreich, in Frankreich, Spanien, den Beneluxstaa- ten und den skandinavischen Ländern. Auch Irland, England, Ungarn, Polen, Griechenland und Portu- gal eröff nen Familien die Möglichkeit des soge- nannten „unbeschulten Lernens“. Bildungsambitio- nierte Eltern übernehmen dabei auf ganz legale Weise die Funktion von Lehrkräft en.

Das sogenannte Freilernen oder Homeschoo- ling weist im Vergleich zur Schulpädagogik sogar erfolgreichere Leistungen der Kinder vor. Das be- legt nicht nur eine Studie in den USA aus dem Jahr 2009, auch Erfahrungen in Europa zeigen es.

Fallbeispiel Dänemark. Der augenfälligste Un- terschied zwischen uns und dem nördlichen Nach- barland: Es gibt dort keine Schulpfl icht, nur eine Unterrichtspfl icht, und das seit dem Jahr 1855.

Etwa 88 Prozent der Schüler besuchen öff entliche Schulen, fast der ganze Rest geht in Privatschulen.

Nur wenige Hundert Schüler erwerben ihr Wissen zu Hause – das ist bei zirka 250 Familien der Fall.

Dänische Kinder besuchen in der Regel die Schu- le bis zur 9. Klasse mit der Möglichkeit, ein zehntes Jahr anzuhängen. Bis dahin erfolgt keine Diff eren- zierung. Alle Schüler lernen gemeinsam. Zensuren kennen dänische Schüler bis zur 7. Klasse nicht.

Aber die Eltern müssen über den Wissensstand ihrer Kinder informiert werden. Ein anschließendes zwei- jähriges „Grundstudium“ führt zur Hochschulreife.

Oder der Aufnahmetest wird in Verbindung mit praktischen Arbeitserfahrungen abgelegt. Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, müssen dafür sorgen, dass das so erlernte Wissen den An- forderungen der allgemeinen Schulen entspricht.

Der Däne Jens Petersen Bruun erzählt: „Ich bin die ersten dreieinhalb Jahre von meinem Vater un- terrichtet worden.“ In seiner Familie nichts Neues.

„Mein Vater war auch zu Hause beschult worden, ich glaube fünf Jahre lang – von meinem Opa, der war Landwirt und wohnte ziemlich entlegen von der nächsten Ortschaft .“ Früher habe man die Kin- der eben nicht extra zur Schule gefahren. „Mein Opa hatte auch gar kein Auto, nur einen Trecker“, erzählt Bruun. Dass sein Vater dann auch sein Leh- rer wurde, hatte ebenfalls praktische Gründe.

„Auch wir wohnten einsam.“ Irgendwann sei es dem Vater aber zuviel geworden mit dem Heimun- terricht. „Er war auch Landwirt und hatte immer viel Arbeit. Außerdem sollte ich Agrarwissenschaf- ten studieren. So entschied mein Vater, ich sollte in eine Art Internat gehen; das wäre besser für mich.“

Dort sei es aber auch freundlich und locker zuge- gangen. „Wir spielten viel Theater, machten Sport und Ausfl üge. Schließlich habe ich studiert.“

Christiane Ebelt war als Schülerin aus Deutsch- land in das dänische Tinglev gewechselt. Dort hat sie ihre Mittlere Reife abgelegt, die auch in

Deutschland anerkannt ist. „Es war alles viel lockerer“, sagt sie. „Ich lernte mit Freude. Fotografi eren, Handwerk, Gar-

tenarbeit... Alles gehörte dazu.“ Die Lehrer hätten sich viel Zeit genom- men für sie. „Um schnell Dänisch zu lernen, gingen sie mit mir einkaufen.

Ich musste dann dänisch sprechen.“

Den Schülern oblagen aber auch Pfl ichten, die man an deutschen Schulen nicht kennt. „Wir deck- ten für alle den Frühstücks- tisch, abwechselnd war

man mit der Toiletten- reinigung dran.“

Fazit: In Däne- mark lernt man fürs Leben, nicht für die Schule. Die liberale Atmosphäre fördert den Lerner- folg. Der Heimunter- richt ist aber selten.

Ein Blick in die Welt

Heimschule ist in Dänemark und anderen Ländern erlaubt

Mit diesem lustigen, comicartigen Buch hat Christiane Ebelt als Schülerin in Dänemark das dänische Alphabet gelernt.

Foto: Bernd Honig

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6 KIRCHEN IN DEUTSCHLAND

Sonntag, 6. September 2015 | Nr. 35 MV

In einem Gottesdienst erhielt Carsten Rentzing das Bischofs- kreuz. Die nächsten zwölf Jahre steht der Theologe an der Spitze der evangelischen Kirche in Sach- sen. Wegen seiner Haltung zur Homosexualität gibt es allerdings auch Gegenwind.

Dresden. Sachsens neuer Landes- bischof Carsten Rentzing (47) hat offiziell sein Amt angetreten. In einem Festgottesdienst wurde der promovierte Theologe am vergangenen Sonnabend in der Dresdner Kreuzkirche einge- führt. Leitende Geistliche, unter ihnen der Berliner Bischof Mar- kus Dröge, erteilten dem langjäh- rigen Pfarrer von Markneukir- chen (Vogtland) den Segen. An dem Gottesdienst nahm auch der katholische Erzbischof von Dres- den, Heiner Koch, teil.

Rentzing, der Ende Mai von der Synode zum Bischof gewählt wurde, leitet die Evangelisch-Lu- therische Landeskirche Sachsens in den nächsten zwölf Jahren. Ihr gehören rund 740 000 Mitglieder an. Amtsvorgänger Jochen Bohl geht mit 65 Jahren in den Ruhe-

stand. Der leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutheri- schen Kirche Deutschlands (VELKD), Gerhard Ulrich, verab- schiedete und entpflichtete ihn.

Bohl stand der sächsischen Lan- deskirche seit 2004 vor.

Rentzing erhielt das Bischofs- kreuz, das sein Amtsvorgänger zuvor ablegte. In seiner An- trittspredigt als Landesbischof ver- urteilte er Gewalt gegen Flücht- linge und kritisierte eine „Taub- heit“ gegenüber Bedürftigen.

„Notleidenden Menschen mit Hass und Ablehnung zu begeg- nen, entspricht niemals dem Geis- te Christi. Und so können Men- schenhass und Gewalt nur unse- ren entschiedenen Widerspruch hervorrufen“, sagte Rentzing.

Auf das Thema homosexuelle Partnerschaften in Pfarrhäusern und seine eigene umstrittene Haltung dazu ging Rentzing nicht ein. Allerdings sprach er von der „ganzen Vielfalt unserer Landeskirche, die es weiter geben muss“. Nur wenige Tage vor der Amtseinführung hatte er in ei- nem Zeitungsinterview geäußert, dass Homosexualität laut Bibel

„nicht dem Willen Gottes ent- spricht“. Dafür erhielt er Kritik innerhalb der Kirche und aus der Politik. Auch das Fernbleiben der sächsischen Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) vom Festgottes- dienst am Sonnabend wurde als Protest gegen die konservative Haltung Rentzings gewertet.

Nach der Bischofseinführung protestierten einige Demonst- ranten vor der Kreuzkirche gegen Homophobie.

„Begnadeter Prediger“

denkt differenziert

Unter großer Anteilnahme wurde der bisherige Landesbischof Bohl aus seinem Amt verabschiedet.

Landesbischof Ulrich würdigte ihn im Gottesdienst als „begnade- ten Prediger“ und „einen differen- ziert denkenden Theologen mit großer geistlicher Kraft“. Mit ihm werde ein leitender Geistlicher verabschiedet, „der mit Lust und Verlässlichkeit an vielen Stellen Verantwortung getragen hat“.

Der Berliner Landesbischof Dröge erinnerte an Bohls Wirken auch auf internationaler und öku- menischer Ebene. Ebenso sei er maßgeblich am Reformprozess der EKD beteiligt gewesen. Noch bis November ist Bohl stellvertre- tender EKD-Ratsvorsitzender.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nannte Bohl einen „politischen Bischof, der klare und deutliche Worte zu aktuellen Themen fand und der für viele Menschen auch au- ßerhalb der Kirche im wahrsten Sinne ein Seelsorger ist“. Immer habe Bohl Hass und Gewalt ge- gen Flüchtlinge verurteilt und zu Integration und Nächstenlie- be aufgerufen.

Bereits am Tag zuvor hatte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm dem neuen sächsischen Landesbischof zur Amtseinführung gratuliert. „Wir sind gemeinsam auf dem Weg“, schrieb er. Bedford-Strohm wur- de bei der Amtseinführung von Bischof Dröge vertreten. Auch der frühere EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider nahm am Festgottesdienst teil. epd

Einführung des neuen sächsischen Bischofs Rentzing und Verabschiedung von Bohl

Demonstranten vor der Kirche

MELDUNGEN

„Hexenprozesse verurteilen“

Unna. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) soll zum 500. Jahrestag der Reformation die im Mit- telalter als Hexen verfolgten Menschen rehabilitie- ren. Die EKD müsse 2017 in einem Gedenkgottes- dienst „die geistliche Verdammung der Opfer wider- rufen und ihre Christenehre“ wiederherstellen, for- derte der Sprecher des Arbeitskreises Hexenprozesse, der pensionierte evangelische Pfarrer Hartmut He- geler, in Unna. Einen entsprechenden Aufruf hätten bereits mehr als 1000 Menschen unterzeichnet.

Hegeler appellierte an den EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, und an die EKD- Botschafterin zum Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, die „dunklen Seiten von Martin Luther“

nicht zu verschweigen. KNA

Kirchenasyl nur „ultima ratio“

Bonn. Die katholischen Bischöfe werben für einen sorgfältigen Umgang mit dem Kirchenasyl. Das Kirchenasyl könne „immer nur ‚ultima ratio‘ zur Verhinderung drohender Menschenrechtsverlet- zungen sein“, sagte der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle bei der Vorstellung einer Handrei- chung zum Thema in Bonn. Das Kirchenasyl bean- spruche kein Sonderrecht gegenüber dem Staat, sondern biete die Gelegenheit, die rechtliche La- ge noch einmal genau zu prüfen und neue Aspek-

te vorzutragen. epd

Erstmals Rabbinerin in NRW

Bielefeld. Fünf jüdische Geistliche und ein Kantor sind mit einer Ordinationsfeier am Montag in der Bielefelder Synagoge in ihren Dienst eingeführt worden. Die fünf Rabbiner, darunter zwei Frauen, sind Absolventen des liberalen Abraham-Geiger- Kollegs an der Universität Potsdam. Mit Natalia Verzhbovska aus der Ukraine wird erstmals eine Frau als Rabbinerin in Nordrhein-Westfalen tätig.

Sie ist für die liberalen jüdischen Gemeinden in Köln, Oberhausen und Unna zuständig. Zu Rabbi- nern ordiniert wurden zudem Eli Reich, Sonja Ke- ren Pilz und Alexander Grodensky sowie der Kantor

Annon Selig. epd

„Einzigartiges Jubiläum“

Wittenberg. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat den christlich-jüdischen Dialog als Beitrag zum vertrauensvollen Verhält- nis zwischen Israel und Deutschland gewürdigt.

„Der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland ist in jeder Beziehung ein einzigartiges Jubiläum“, sagte Haseloff am Sonntag auf der Tagung „Refor- mation und Israel gestern, heute, morgen“ in Wit- tenberg. Dass es nach der Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch im selben Jahr- hundert gelang, zum jüdischen Staat nicht nur diplomatische Beziehungen aufzunehmen, son- dern stabile und inzwischen von Vertrauen und sogar von Freundschaft geprägte Beziehungen zu gestalten, sei „eine Leistung, die uns staunen las-

sen kann“, sagte er. epd

Keine Bundeswehr in Kirchen

Damme. Evangelische Friedensverbände fordern, Konzerte von Musikformationen der Bundeswehr in Kirchen zu untersagen. „Wir wenden uns dage- gen, dass die Kirchen eine Plattform bieten für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr“, heißt es in einer Stellungnahme der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden und der Evangelischen Ar- beitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden. In einem Schreiben anlässlich des Anti-Kriegstages am 1. September riefen die Orga- nisationen die Kirchengemeinden dazu auf, ihre Räume nicht für solche Konzerte zur Verfügung zu stellen. Wenn die Bundeswehr Konzerte in Kirchen veranstalte, werbe sie damit zugleich auch für ihr

„militärgestütztes Sicherheitskonzept“. epd

Erstmals „Schöpfungstag“

Bremen. Die katholische Kirche beging am ver- gangenen Dienstag erstmals einen weltweiten Gebetstag für die Bewahrung der Schöpfung.

Knapp zwei Monate nach der Veröffentlichung der Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ (Gelobt seist Du) hatte Papst Franziskus im August den „Weltgebet- stag zur Bewahrung der Schöpfung“ auf den 1.

September festgelegt. Christen seien an diesem Tag zu einer „ökologischen Bekehrung“ aufgeru- fen, schrieb er. In Deutschland findet die zentrale Feier zum Ökumenischen Schöpfungstag in die- sem Jahr unter dem Motto „Zurück ins Paradies?“

am Freitag, 4. September, in Borna bei Leipzig statt. Veranstalter des Schöpfungstages, der beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in Mün- chen ausgerufen wurde, ist die Arbeitsgemein- schaft Christlicher Kirchen. epd

Das Kohlekraftwerk Trianel in Lü- nen bei Dortmund erzeugt Energie mithilfe fossiler Brennstoffe. Das rund 80 Kilometer entfernte Saer- beck im Münsterland dagegen ge- winnt seinen Strom aus Wind, Sonne und Biomasse. Die beiden gegensätzlichen Orte sind Etap- pen des europaweiten Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit, der vom 13. September bis zum 12. Novem- ber durch Deutschlands Norden und Westen führt.

Von Julia Bömer

Dortmund. Am 28. November wol- len die Pilger in Paris ankommen, wo vom 30. November bis 11. De- zember die 21. Weltklimakonfe- renz tagen will. Dort wird ein neues internationales Klima- abkommen diskutiert. Wer einen oder mehrere Tage mitlaufen möchte, kann sich noch anmelden.

Unter dem Motto „Geht doch!“

hat in Deutschland ein ökumeni- sches Bündnis aus Kirchen und

Hilfswerken zum Klimapilgern zwischen Flensburg und Paris auf- gerufen. Eine weitere Route führt von Ludwigshafen nach Metz und trifft dort auf den Pilgerweg aus dem Norden. Gestartet wurde die Aktion im Juni am Nordkap.

Staffelstab kommt aus Skandinavien

Vertreter der skandinavischen Kir- chen wollen am 13. September in Flensburg den Staffelstab an die deutschen Klimapilger übergeben.

Vom 13. Oktober an führt der Weg knapp drei Wochen durch Westfa- len und das Rheinland, am 12. No- vember wollen die Pilger am Drei- ländereck an der Mosel die französische Grenze überqueren.

Die Aktion solle deutlich ma- chen, dass weiterhin intensive Be- mühungen zum Klimaschutz nö- tig seien, erklärt das Bündnis. Der

Lebensstil der reichen Industrie- länder trage erheblich dazu bei, dass Treibhausgase die Atmosphä- re immer weiter belasteten. „Wir brauchen ein langfristiges Abkom- men, das einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger und eine Zukunft mit 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2050 vorsieht.“ Dem Bündnis gehören unter anderem evangelische Lan- deskirchen in Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen, die ka- tholischen Bistümer Münster und Speyer sowie die Hilfswerke „Brot für die Welt“ und „Misereor“ an.

Allein in Nordrhein-Westfalen sind 20 Zwischenstopps mit Got- tesdiensten und Workshops zur Bewahrung der Schöpfung ge- plant. „Wir schauen uns ‚Klima- Baustellen‘, aber auch Vorzeigepro- jekte im Umweltschutz an“, kün- digt Eva-Maria Reinwald an, die als Energie-Expertin der Evangeli- schen Kirche von Westfalen die Routenplanung mitgestaltet. „Wer

mitpilgert, setzt ein Zeichen“, er- mutigt Reinwald zur Teilnahme.

Im Internet können sich Grup- pen und Einzelpersonen unter www.klimapilgern.de anmelden.

Sie können wählen, ob sie eine der 20 bis 25 Kilometer langen Tages- etappen mitwandern oder für mehrere Tage teilnehmen. Anmel- deschluss ist vier Wochen vor Be- ginn der jeweiligen Etappen. Wer nur eine kürzere Strecke ohne Übernachtung mitgehen möchte, muss sich nicht anmelden. Rein- wald erwartet für die Route durch Nordrhein-Westfalen 50 bis mehr als 100 Teilnehmer.

Für die deutsche Hauptroute von Flensburg bis Perl im Saarland haben sich bereits 300 Langzeitpil- ger angemeldet, wie Stefanie Maur- Weiss von der Nordkirche mitteilt.

Diese nehmen gleich mehrere Etappen auf sich. „Einige gehen so- gar die über 1400 Kilometer lange Gesamtstrecke von Norddeutsch- land bis nach Paris“, sagt sie. epd

Europäischer Klimapilgerweg führt durch Deutschlands Norden und Westen nach Paris

„Geht doch!“

Der Braunkohle- Tagebau Garzweiler gilt als besonders umweltbelastend.

Solche Ziele nimmt der Klimapilgerweg in den Blick auf dem Weg nach Paris, wo im Dezember über ein neues weltweites Klima- Abkommen diskutiert wird.

Foto: epd

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