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Ablehnung einer Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege

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VG München, Urteil v. 06.09.2017 – M 18 K 16.5286 Titel:

Ablehnung einer Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege Normenkette:

SGB VIII § 27, § 33, § 36a Abs. 3, § 39 Leitsatz:

Ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege besteht nicht, wenn die

Vollzeitpflege allein unter finanziellen Aspekten beantragt wird, die Pflegepersonen aber nicht zu der nach §§ 27, 33 SGB VIII erforderlichen Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bereit sind.

(redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege, Vorliegen eines erzieherischen Bedarfs, Geeignetheit der Großeltern als Pflegepersonen, Mangelnde Mitwirkungsbereitschaft, Rein finanzielle Motivation

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Tatbestand 1

Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten, Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bei den Klägern ab dem 2. Februar 2016 unter Aufhebung des Bescheids vom 26. September 2016 zu gewähren.

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Am ... Oktober 1999 ist D. von der Tochter der Kläger geboren worden. Die Tochter der Kläger verstarb am ... April 2007 nach langwieriger Erkrankung. D., der wegen der Erkrankung der Mutter schon häufig von den Klägern betreut worden ist, lebt seit diesem Tag bei den Klägern. In einer letztwilligen Verfügung der Tochter der Kläger vom 14. Februar 2006 wünschte sich die Tochter der Kläger, dass im Falle ihres Todes ihre Eltern (die Kläger) und ihre Schwester das Sorgerecht für ihren Sohn D. erhalten sollten. Sie erklärte weiter, dass sie nicht einverstanden sei, dass der Vater des Kindes das Sorgerecht erhalte.

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Mit Beschluss des Amtsgerichts München – Vormundschaftsgericht – vom 8. Mai 2007 wurden die Kläger als Vormund des Kindes nach §§ 1773, 1774 BGB eingesetzt.

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Am 8. Dezember 2014 und 12. Dezember 2014 suchte der Kindsvater von D. bei der Beklagten Kontakt. Er gab dabei an, dass er möchte, dass D. in ein Internat komme und am Wochenende bei ihnen lebe. Der Großvater (hier: Kläger) sei Alkoholiker und die Großmutter (hier: Klägerin) sei zu wenig streng, um den Sohn zu erziehen. Nach einem Telefonat vom 15. Januar 2015 mit der Klägerin besuchte die Beklagte am 21. Januar 2015 die Kläger und D. in ihrem Haus. Aus der vorliegenden Aktennotiz ergebe sich, dass der Kindsvater regelmäßig telefonischen Kontakt mit D. habe und alle zwei bis drei Monate Umgänge (z.B.

Urlaube) mit D. wahrnehme. D. sei intelligent und höflich, habe einen großen Freundeskreis und vielseitige Interessen. Er gehe zwar gerne in die Schule und möchte Informatik studieren, zurzeit sei es aber in der Schule etwas problematisch. Die Klägerin habe angegeben, dass dies an der Pubertät liege. Sowohl die Kläger, als auch D. gaben an, keine Hilfen der Beklagten zu benötigen, da es ihnen gut gehe.

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Die Klägerin meldete sich am 2. Februar 2016, 25. Februar 2016 und 26. Februar 2016 bei der Beklagten.

Auf Wunsch der Kläger und des Kindsvaters wechsele D. in ein Privatgymnasium. Der Kindsvater, der

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bisher Unterhalt geleistet hätte, könne die zusätzlichen Schulkosten nicht zahlen. Er begleiche daher nach Absprache mit den Klägern in Zukunft die Privatschulkosten. Für den Unterhalt von D. könne er jedoch den Klägern nichts mehr überweisen. Die Klägerin bittet um finanzielle Hilfe in Form von Pflegegeld. Auf Beratung der Beklagten hin erklärte die Großmutter, dass Grundsicherung oder Wohngeld für sie nicht in Frage käme.

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Am 9. März 2016 stellten die Kläger daher einen förmlichen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld beim Landkreis E., da die Beklagte den Klägern erklärte, dass der Landkreis zuständig sei. Der Landkreis E.

leitete den Antrag am 14. März 2016 (Eingang bei der Beklagten) an die Beklagte weiter.

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Mit Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 10. Mai 2016 wurde die Weiterleitung des Antrags an die Beklagte mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass Hilfe zur Erziehung primär eine fachliche, pädagogische Beratung beinhalte. Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 schlug die Beklagte den Klägern einen

Gesprächstermin vor. Auf dieses Schreiben antwortete der Bevollmächtigte der Kläger der Beklagten am 30. Mai 2016, dass ein persönliches Gespräch für die Prüfung des Antrages nicht notwendig sei. Alle Unterlagen, die für die Gewährung von Pflegegeld relevant seien, lägen bereits seit Antragstellung vor. Mit Schreiben vom 1. Juni 2016 erklärte die Beklagte die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege und bestand auf einen Gesprächstermin, um die Geeignetheit der Kläger als Pflegepersonen feststellen zu können. Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 erklärte der Klägerbevollmächtigte weiter, dass ein Gesprächstermin nicht nötig sei. Die Familie sei im Rahmen der Vormundschaft bekannt. Eine Eignungsprüfung oder Expertenrunde sei nicht notwendig. Alle Unterlagen lägen vor und es gehe den Klägern alleine um die finanzielle Unterstützung für die Pflege von D.

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Am 22. Juli 2016 fand ein Gespräch der Kläger, D. und dem Bevollmächtigten bei der Beklagten statt. D.

gehe es auf dem Privatgymnasium gut. Er schreibe gute Noten, habe gute Sozialkontakte. Nach dem Eindruck der Mitarbeiterin werde er von der Großmutter sehr verwöhnt. Die Kläger seien fit. D. habe als Kleinkind öfter Umgang mit dem Kindsvater gehabt, dann mehrere Jahre nicht mehr. Seit einigen Jahren habe er regelmäßig Umgang in den Ferien und telefoniere oft mit dem Kindsvater. Das Verhältnis zu ihm sei sehr gut. Der Kindsvater sei selbständig und wohne in E. bzw. S. Er habe immer angeboten, bei Bedarf zu helfen.

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Mit Bescheid vom 26. September 2016 wurde der Antrag auf Gewährung von Hilfe von Erziehung in Form von Vollzeitpflege bei den Klägern abgelehnt. Es bestehe kein erzieherischer Bedarf bei D. Er sei gut integriert und habe keine Probleme. Der Kindsvater stehe zur Verfügung und es herrsche ein gutes Verhältnis zum Kindsvater. D. habe bereits das … Lebensjahr vollendet und befinde sich in der

Verselbständigungsphase. Daher sei Hilfe zur Erziehung nicht notwendig und geeignet. Am 20. Oktober 2016 wurde der Bescheid beim Bevollmächtigten der Kläger zugestellt.

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Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 21. November 2016 erhob dieser Klage und beantragte, 1. Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Jugendhilfemaßnahme gem. § 33 SGB VIII zu gewähren.

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Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2027 begründete der Klägerbevollmächtige die Klage wie folgt: Die Kläger versorgen und betreuen D. seit dem Tod der alleinerziehenden Kindsmutter in ihrem eigenen Haushalt.

Weiter wurde vom Amtsgericht M. den Klägern die Vormundschaft übertragen. Der Kläger beziehe Altersrente und Betriebsrente, die Klägerin habe jedoch keinerlei Alterseinkünfte. Nachdem durch das Heranwachsen des Kindes die monatlichen Aufwendungen stetig größer geworden seien, haben sich die Kläger an die Sozialbehörde der Beklagten gewandt. Es handele sich um einen Antrag auf Gewährung von Erziehungs- und Pflegegeld nach § 39 SGB VIII. Die Beklagte habe von Anfang an die Antragstellung in die (unrichtige) Richtung gelenkt, als die Kläger angeblich Hilfe zur Erziehung gem. § 27 SGB VIII beantragt

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hätten. Die Kläger haben jedoch stets bei ihrer Antragstellung und Begründung herausgestellt, dass sie alleine eine finanzielle Unterstützung begehren. Hilfe zur Erziehung, selbst in Form von Dienstleistungen oder in Form anderweitiger Unterstützung bedarf es nicht. Seit 2007 erfolgt die Erziehung vollumfänglich und ordnungsgemäß durch die Kläger als Großeltern. Hier bedürfe es keiner weiteren Hilfe. Die Form des Verwaltungsaktes (Adressat) sowie die Begründung werden gerügt. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, warum das angeblich gute persönliche Verhältnis des Kindes zu seinem leiblichem Vater entscheidend dafür sein solle, ob und inwieweit und in welcher Höhe die Großeltern Geldleistungen erhalten können. Ein erzieherischer Bedarf sei von den Klägern gar nicht beantragt worden, sondern finanzielle Unterstützung im Rahmen der Verwandtenpflege. Ein Antrag auf Grundsicherungen, Alter oder Wohngeld sei nicht im Sinne der Antragsteller.

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Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2017 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen.

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Seit dem familiengerichtlichen Verfahren im Jahre 2007 habe bis auf die kurze Kontaktaufnahme im Dezember 2014 kein Kontakt mit den Klägern stattgefunden. Mit Anruf vom 2. Februar 2016 äußerte die Klägerin erstmals den Wunsch des Bezugs von Pflegegeld für D. Sie habe dies damit begründet, dass der Kindsvater aufgrund des Wechsels von D. auf ein privates Gymnasium keinerlei über das Schulgeld hinausgehenden Unterhalt mehr leisten würde. Trotz erfolgter Beratung stellten die Kläger einen Antrag auf Pflegegeld. In dem ausführlichen Gespräch vom 12. Juli 2016 und am 22. Juli 2016 entstand der Eindruck einer eher begrenzten Mitwirkungsbereitschaft der Großmutter, zumindest aber wenig Einsichtsvermögen in die Notwendigkeit von Datenerhebungen zur Einleitung einer Hilfe zur Erziehung. Der Kläger persönlich nahm an keinem der Gespräche trotz Hinweises auf die Notwendigkeit teil. In einer Fachteambesprechung wurde festgestellt, dass mit den vorhandenen Informationen kein über den von den Großeltern geäußerter finanzieller Bedarf hinausgehender erzieherischer Bedarf ersichtlich sei. Es haben intensive

Beratungsbemühungen gegenüber der Klägerin dahingehend stattgefunden, dass Pflegegeld in erster Linie ein erzieherischer Bedarf und eine dahingehende Mitwirkungsbereitschaft voraus setzte. Im Laufe der Beratungen sei deutlich geworden, dass es den Klägern lediglich um eine finanzielle Unterstützung gehe und pädagogische bzw. erzieherische Hilfemaßnahmen nicht erwünscht seien und abgelehnt werden.

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Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2017 bekräftigte der Klägerbevollmächtigte, dass es den Klägern seit dem Privatschulbesuch des D. um Erhalt von Pflegegeld als finanzielle Unterstützung gehe. Der Kläger zu 2) sei zu einem Beratungstermin nicht erschienen, weil er schon aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage gewesen sei, an dem Gespräch teilzunehmen. Die Beratung habe lediglich der Abschreckung der Kläger vor einer Fortsetzung des Antragsverfahrens gedient. Die Klägerin habe stets herausgestellt, dass sie zu einer Mitarbeit bereit sei. Sie habe alle gestellten Auflagen zur Beibringung von Unterlagen usw.

erfüllt. Es sei daher nicht ersichtlich, dass die Klägerin angeblich nicht mitwirkungsbereit gewesen sein solle. Ein Wechsel von D. in den Haushalt seines Vaters sei auch vor dem Hintergrund, vor der unmittelbar bevorstehenden Beendigung der schulischen Laufbahn eher unwahrscheinlich. Mit Urteil des

Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2014 (Az: 5 C 32.13) sei entschieden, dass Großeltern bei Aufnahme eines Enkelkindes in ihren Haushalt selbstverständlich einen Anspruch auf Pflegegeld hätten.

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Die Verwaltungsstreitsache wurde am … … … mündlich verhandelt. Der Klägerbevollmächtigte stellte dort zuletzt die Anträge aus der Klageschrift vom 21. November 2016; den Antrag 2 mit der Maßgabe, dass die Jugendhilfemaßnahme ab dem 2. Februar 2016 zu gewähren ist.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 17

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Die zulässige Klage ist nicht erfolgreich.

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Nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde auszusprechen, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, soweit die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

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Ein Anspruch der Kläger auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für D. im Sinne der §§ 27, 33 SGB VIII liegt nicht vor.

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Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten kann ein Anspruch auf Pflegegeld nach § 39 SGB VIII nicht isoliert gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden. Ein Anspruch nach § 39 SGB VIII setzt schon nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Gewährung einer Hilfe nach den §§ 32 bis 35 bzw. § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB VIII voraus. Das sogenannte „Pflegegeld“ nach § 39 SGB VIII stellt mithin lediglich einen Annex-Anspruch aus den vorgenannten Hilfegewährungen dar (BVerwG, U.v. 1.3.2012 - 5 C 12.11 -, juris Rn. 19).

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Da das Kind bereits seit 2007 im Haushalt der Kläger wohnt, ist maßgebliche Anspruchsgrundlage für den Zeitpunkt bis zur mündlichen Verhandlung nicht § 27 Abs. 1, 33 SGB VIII, sondern § 36a Abs. 3 SGB VIII.

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Nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sind Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme von

erforderlichen Aufwendungen bei von den Leistungsberechtigten selbst beschafften Hilfen nur verpflichtet, wenn

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Nr. 1 der Leistungsberechtigte den Träger vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,

Nr. 2 die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und Nr. 3 die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.

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Vorliegend ist § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII dahingehend auszulegen, dass ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege erst ab der Beantragung beim Jugendhilfeträger rückwirkend gewährt werden soll. Dies gilt auch für den Annex-Anspruch des § 39 SGB VIII. Vorliegend haben die

personensorgeberechtigten Kläger (siehe Vormundseinsetzung vom 8. Mai 2007) mit Anruf vom 2. Februar 2016 einen Bedarf bei der Beklagten geltend gemacht. Da pädagogische und erzieherische Hilfen nicht rückwirkend erstattet werden können, kommt für den Zeitraum vom 2. Februar 2016 bis 6. September 2017 lediglich eine Erstattung von Pflegegeld in Betracht.

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Nach § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII müssten hierfür jedoch die Voraussetzungen für die Hilfegewährung vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

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Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

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Vorliegend bezweifelt das Gericht bereits das Vorliegen eines erzieherischen Bedarfs beim Enkelkind der Kläger für den maßgeblichen Zeitpunkt vom 2. Februar 2016 bis zur Urteilsfällung. Aus dem Tod der Kindsmutter im Jahr 2007 ergibt sich kein erzieherischer Bedarf (mehr). Nicht jeder Ausfall der Erziehungsleistung (hier durch den Tod der Kindsmutter im April 2007) führt automatisch zu einem erzieherischen Bedarf des Kindes. Anders als im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 30. Juni 2016 (12 C 16.1162 -, juris Rn. 24), der bei einem alleinerziehenden, vollzeittätigen Vater mit Säugling/Kleinkind nach plötzlich unfallbedingtem Tod der Kindsmutter einen erzieherischen Bedarf allein

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durch den Wegfall der Kindsmutter annahm, ist vorliegend allein schon aufgrund des Alters des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum eine Erziehung durch den Kindsvater unter Inanspruchnahme von Möglichkeiten nach § 24 Abs. 4 SGB VIII oder einer Internatserziehung möglich.

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Der Vater des Enkelkindes der Kläger stand im maßgeblichen Zeitraum auch bereit, um die Pflege des Kindes zu übernehmen. Dass die Tochter der Kläger in ihrer letztwilligen Verfügung die Kläger als

Vormünder vorgeschlagen hat und nicht den leiblichen Kindsvater, ist unerheblich. Aus den Protokollen der Verhandlung vor dem Amtsgericht M. anlässlich der Vormundschaftsübertragung lässt sich nicht

entnehmen, dass der Kindsvater nicht bereit gewesen wäre, sich um D. zu kümmern. Lediglich die

letztwillige Verfügung und das bereits bestehende enge Verhältnis von D. zu den Klägern führte dazu, dass der Kindsvater das Kind nicht tatsächlich übernahm. Jedenfalls ist aus der Aktenlage ersichtlich, dass der Kindsvater inzwischen ein sehr gutes Verhältnis zum Sohn pflegt und, wie sich aus den Aktenvermerken der Beklagten vom 8. Dezember 2014 und 12. Dezember 2014 ergibt, sich auch für den Sohn verantwortlich fühlt und zu einer Übernahme der Pflege und Erziehungsleistung bereit gewesen wäre. Angesichts des im streitgegenständlichen Zeitraum bereits fortgeschrittenen Jugendalters von D. ist daher auch dem

Klägerbevollmächtigten dahingehend zu widersprechen, dass ein Umzug zum Kindsvater wohl möglich gewesen wäre.

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Selbst bei Bejahung eines erzieherischen Bedarfs allein auf Grundlage des Ausfalls eines

personensorgeberechtigten Elternteils, ist ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege durch die Kläger nicht gegeben.

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Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Kläger nicht als geeignete Pflegepersonen angesehen werden können.

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Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die Klägerin zu 1) sich schwer dabei tut, konsequent mit ihrem Mündel umzugehen sowie Regeln durchzusetzen. D. spiele viel mit dem PC und sei auch oft nachts teilweise bis 1.00 Uhr online. Zudem ergibt sich aus der Akte, dass die Kläger ihrem Enkel möglicherweise zu wenig Unterstützung bei der notwendigen Verselbständigung bieten können, da sie ihn zu sehr

verwöhnen („Er könne sich nicht einmal ein Brot für sich schmieren“, wenig Mitarbeit im Haushalt bzw.

Alltag, verwöhnende Haltung der Großmutter).

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Ob die vorgenannten Punkte tatsächlich vorliegen, kann jedoch dahinstehen. Die Geeignetheit der Kläger als Pflegepersonen ist schon deshalb zu verneinen, weil nicht davon auszugehen ist, dass die Kläger bei der zwingend im Rahmen der §§ 27, 33 SGB VIII erforderlichen Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bereit sind. Im Rahmen eines Pflegeverhältnisses wird von den Pflegeeltern erwartet, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Jugendamtes zum Wohl des Pflegekindes zu Stande kommt. Dies beinhaltet neben der Teilnahme an regelmäßigen Hilfeplangesprächen auch die Bereitschaft der Pflegeeltern, die Verantwortung für die Gestaltung der Erziehung unter die Kontrolle des Jugendamtes zu stellen und ggf. ihr Erziehungsverhalten gegenüber dem Pflegekind unter Einbeziehung der Ratschläge des Jugendamtes zu (umzu-)gestalten. Sowohl beim Hausbesuch am 21. Januar 2015, aus den Schreiben des Klägervertreters vom 30. Mai und 10. Juni 2016 als auch aus den Klagebegründungsschriftsätzen vom 21. Februar und 7. Juli 2017 ergibt sich, dass die Kläger möglichst wenig Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt anstreben.

Sie lehnten sogar ein einmaliges Erscheinen beim Jugendamt zur Klärung ihres Antrags auf „Pflegegeld“

hin mangels Bedarfs/Interesses mehrfach konkret ab.

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Aus den vorgenannten Unterlagen sowie den Anrufen der Klägerin persönlich beim Beklagten ergibt sich zudem eindeutig, dass der finanzielle Aspekt der Hilfe, also der eigentliche Annexanspruch, im Vordergrund des Klägerbegehrens steht. Ausdrücklich weist der Klägerbevollmächtigte in seinen vorgenannten

Schreiben darauf hin, dass es lediglich um das Pflegegeld gehe und weitere Hilfen bzw. Kontakte durch die Beklagte von den Klägern nicht erwünscht seien. Soweit bei der Verwandtenpflege bei Großeltern jedoch lediglich ein finanzieller Zuschuss zur Unterbringung des Kindes nach dem Willen der Kläger gedeckt werden soll, kommt eine Hilfe zur Erziehung mit der Annex-Leistung des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII

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jedoch nicht in Betracht (Münder, Meysen, Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Auflage, § 27 Rn.

24; sowie ausdrücklich Bundestags-Drucksache 15/3676, Seite 36). Nach der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die Kläger die Kontrollfunktion des Jugendamtes für das Wohl des Kindes für den streitgegenständlichen Zeitraum akzeptiert hätten, sondern das Jugendamt lediglich als Zahlstelle für die Unterbringung des Kindes ansehen. Den Klägern sowie D. stehen zur Deckung einer rein finanziellen Notlage jedoch Unterhaltsansprüche gegen den Kindsvater sowie ggf. Ansprüche aus den

Sozialgesetzbüchern II und XII sowie nach dem Wohngeldgesetz zu.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei nach

§ 188 Satz 2 VwGO.

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