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Kostenheranziehung für Hilfe zur Erziehung bei Behinderung des Kindes

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VG Würzburg, Urteil v. 17.01.2019 – W 3 K 18.646 Titel:

Kostenheranziehung für Hilfe zur Erziehung bei Behinderung des Kindes Normenketten:

SGB VIII § 32, § 35a, § 91 AGBGB Art. 71

BGB §§ 195 ff.

Leitsätze:

1. Wird für ein wegen eines frühkindlichen Autismus seelisch behindertes Kind Hilfe zur Erziehung für den Besuch der Heilpädagogischen Tagesstätte erbracht, so ist für diese Hilfe wie für die Eingliederungshilfeleistung Schulbegleitung der örtliche Träger der Jugendhilfe sachlich zuständig. (Rn. 21 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

2. Auch wenn die Kosten für den Besuch einer heilpädagogischen Tagesstätte eines seelisch behinderten Kindes im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII übernommen werden, müssen die Eltern gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII einen Kostenbeitrag leisten. Eine besondere Härte im Sinne des § 92 Abs. 5 SGB VIII ist nicht erkennbar, da eine vom Gesetzgeber gewollte Belastung, die aufgrund gesetzlicher Regelung eine Vielzahl von Einzelfällen betrifft, in der Regel keine besondere Härte im Einzelfall darstellt. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Hilfe zur Erziehung, Mehrfachbehinderung, Autismus, Kostenbeitrag, Erlöschen (verneint), Verwirkung (verneint), keine Verwirkung, kein Erlöschen, Behinderungsgrad 100, bestandskräftiger

Bewilligungsbescheid Fundstelle:

BeckRS 2019, 1510  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag.

2

Beim Sohn F … des Klägers wurde frühkindlicher Autismus und eine Hörschädigung diagnostiziert. Bei F … ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt, wobei der Autismus und die damit verbundenen Beeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 90 und die Hörschädigung mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet wurden. F … besucht die Dr.-Karl-Kroiß-Schule in Würzburg. Für diesen Schulbesuch wird vom Beklagten ambulante Eingliederungshilfe gemäß § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in Form eines Schulbegleiters gewährt. Außerdem besuchte F … die Tagesgruppe der Heilpädagogischen Tagesstätte der Dr.-Karl-Kroiß-Schule. Hierfür übernahm der Beklagte mit Bescheid vom 7. September 2011 die Kosten ab dem 13. September 2011 im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach § 32 SGB VIII. Die Hilfe wurde in dem Bescheid zunächst bis Ende des Schuljahres 2012/2013 befristet.

3

In der Folgezeit wurde zwischen dem Beklagten und dem Bezirk Unterfranken über die Zuständigkeit für die Kostenübernahme für die Schulbegleitung und für die Tagesstätte gestritten. Der Beklagte teilte dem Bezirk Unterfranken mit, dass er bis zur endgültigen Klärung die Leistungen nach Art. 53 des Gesetzes zur

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Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) weiter erbringe. Mit Bescheid vom 19. September 2013 wurde die Kostenübernahme für den Besuch der Heilpädagogischen Tagesstätte bis Schuljahresende 2013/2014 verlängert. Auch in der Folgezeit leistete der Beklagte auf jeweiligen Antrag der Eltern die Hilfe weiter, ohne einen förmlichen Bescheid zu erlassen. Mit Bescheid vom 15. Januar 2018 wurde schriftlich ab dem Schuljahr 2014/2015 Hilfe zur Erziehung durch Übernahme der anfallenden Kosten für die

Heilpädagogische Tagesstätte gewährt. Diese Hilfegewährung wurde bis zum Schuljahresende 2017/2018 befristet.

4

Mit Leistungsbescheid vom 7. Mai 2018 wurde der Kläger verpflichtet, für die gewährte Hilfe zur Erziehung gemäß § 32 SGB VIII (Erziehung in einer Tagesgruppe) für F … für die Zeit ab 13. September 2011 bis 31.

Dezember 2011 einen Kostenbeitrag in Höhe von 57,00 EUR monatlich zu leisten. Für die Zeit vom 13.

September 2011 bis 31. Dezember 2011 sei ein Rückstand in Höhe von 205,20 EUR entstanden. Dieser Betrag sei bis spätestens 10. Juni 2018 unter Angabe des Kassenzeichens auf eines der Konten des Landkreises Würzburg zu überweisen.

5

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zu den entstehenden Kosten der Hilfe zur Erziehung hätten die Eltern nach § 91 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII beizutragen. Aufgrund der persönlichen und

wirtschaftlichen Verhältnisse ergebe es sich ein Kostenbeitrag nach Maßgabe der beigefügten Berechnung.

6

Der Leistungsbescheid wurde dem Kläger am 9. Mai 2018 durch Postzustellungsurkunde zugestellt.

II.

7

Mit seiner am 16. Mai 2018 erhobenen Klage beantragte der Kläger sinngemäß den Leistungsbescheid des Landratsamtes Würzburg vom 7. Mai 2018 aufzuheben.

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Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus: F … sei ein Kind mit Mehrfachbehinderung, was zu Problemen bei den Zuständigkeiten führe. Der Erstantrag für Eingliederungshilfemaßnahmen für F … sei beim Bezirk Unterfranken gestellt worden, der dann zwei Jahre geleistet habe und während dessen mit dem Jugendamt gestritten habe, wer nun zuständig sei. Wegen des höheren Grades der Behinderung aufgrund des Autismus sei seit 2011 das Jugendamt zuständig gewesen. In der Heilpädagogischen Tagesstätte, die F … mit Klassenkameraden und anderen altersgemischten Kindern und Jugendlichen aus der Schule besuche, seien viele Kinder, für die der Bezirk Unterfranken der Kostenträger sei. Deren Eltern würden nicht zu Kostenbeiträgen herangezogen. Vielmehr übernehme der Bezirk Unterfranken die Kosten im Rahmen der Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Das Jugendamt berücksichtige nicht die besondere Situation, die sich aufgrund der Mehrfachbehinderung von F … ergebe und gewähre keine Hilfe zur angemessenen Schulbildung. F … sei schlechter gestellt als andere Kinder, die „nur körperbehindert“ seien, weil bei ihm neben der körperlichen Behinderung noch eine weitere Behinderung vorliege. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot. Die Bescheide enthielten Fehler;

insbesondere sei von vollstationärer Betreuung die Rede, obwohl F … nur teilstationäre Betreuung erhalte.

Leistungsbescheide, die sich auf Leistungen vor dem 7. Mai 2014 bezögen, sehe er als verjährt an. Eine Aufklärung über die finanziellen Folgen, die sich aus der Hilfe zur Erziehung ergeben würden, sei erst am 28. März 2018 erfolgt. Somit sei bis dahin kein Anspruch auf Zahlung eines elterlichen Kostenbeitrags entstanden. Ab 1. April 2018 erhalte F … keine Hilfe zur Erziehung, da der Kläger diese gegenüber dem Beklagten aufgekündigt habe.

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Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

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Die Erhebung des Kostenbeitrages stütze sich auf § 91 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII. F … lebe im Haushalt seiner Eltern. Der Kläger sei deshalb nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII aus seinem Einkommen zu den Kosten der Leistung heranzuziehen. Der Kläger könne keinen Verstoß gegen den

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Gleichbehandlungsgrundsatz geltend machen. Die Erhebung des Kostenbeitrages beruhe auf der

gesetzmäßigen Anwendung der §§ 91 ff. SGB VIII. Vielmehr würde der Beklagte gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, wenn er bezüglich der Kostenheranziehung Differenzierungsgründe anlegen würde, die vom Gesetzgeber nicht vorgesehen seien. Insbesondere sei dem Beklagten diesbezüglich kein Ermessensspielraum eingeräumt. Es sei zutreffend, dass im Rahmen der vom Kläger erwähnten

Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), die von Sozialhilfeträgern für Kinder und Jugendliche mit körperlicher oder geistiger Behinderung gewährt werde, keine

Kostenheranziehung erfolge, die im weiteren Sinne mit der Heranziehung nach dem Jugendhilferecht vergleichbar sei. Allerdings werde in diesen Fällen unabhängig vom Einkommen ein Pauschalbetrag für häusliche Ersparnisse erhoben. Es liege jedoch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor, da es sich um unterschiedliche Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten handele. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gingen Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen nach dem SGB XII den Leistungen nach dem SGB VIII vor. Ausweislich der ärztlichen Stellungnahmen vom 23. November 2010 und vom 19. August 2013 sei aber ein Eingliederungsbedarf aufgrund der bei F… vorliegenden körperlichen Behinderungen nicht erforderlich. Eine Differenzierung zwischen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und der Jugendhilfe (nach dem SGB VIII) sei im vorliegenden Fall aus sachlich vertretbaren Gründen, die sich insbesondere aus den ärztlichen Stellungnahmen, dem Hilfeplanverfahren und den Berichten der Tagesstätte ergäben, geboten. Eine vorrangige Leistung nach dem SGB XII im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sei auszuschließen. Nachdem die Notwendigkeit einer teilstationären Hilfe vorwiegend aus erzieherischen Gesichtspunkten begründet sei, habe Hilfe zur Erziehung und nicht Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII gewährt werden müssen.

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Eine Kostenheranziehung würde aber auch im Falle einer teilstationären Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII erfolgen müssen. Soweit die angefochtenen Bescheide in der Begründung die Worte

„vollstationäre Leistung“ enthielten, handele es sich um eine Formulierung, die im vorgegebenen Textbaustein versehentlich nicht berichtigt worden sei. Hierbei handele es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die weder zur Rechtwidrigkeit noch zur Nichtigkeit der Verwaltungsakte führe. Der Kläger habe die Hilfe zur Erziehung gemäß § 32 SGB VIII beendet. Eine Kostenbeitragsverpflichtung entfalle erst ab dem Zeitraum der Beendigung, nicht jedoch für zurückliegende Zeiträume.

12

Der Kläger sei auch bereits vor Beginn der Leistung nach erstmaliger Antragstellung auf eine

Kostenheranziehung hingewiesen worden. Der Kläger habe eine am 7. Juli 2011 datierte Erklärung über die Belehrung unterschrieben. Ebenso sei der Kläger im Bewilligungsbescheid vom 7. September 2011 auf die Kostenheranziehung hingewiesen worden. Der Kläger sei mit mehreren Schreiben (vom 29.9.2011, vom 23.12.2013 und vom 5.3.2018) aufgefordert worden, entsprechende Einkommensnachweise zur

Überprüfung und Berechnung einer Kostenbeitragsverpflichtung vorzulegen. Dieser Verpflichtung sei der Kläger nicht nachgekommen; vielmehr habe der Kläger seine aktive Verweigerung seiner Auskunftspflicht bestätigt. Letztendlich hätten die relevanten Auskünfte seitens des Beklagten ermittelt werden müssen. Der Kläger könne sich somit nicht auf fehlende Aufklärung bezüglich einer Kostenheranziehung berufen.

13

Nachdem entsprechende Anträge auf Fortführung der Hilfe zur Erziehung gestellt worden seien und die Notwendigkeit auch im Rahmen der Hilfeplanfortschreibungen unter Beteiligung des Klägers festgestellt worden sei und die angestrebte Übernahme des Falles durch den Bezirk Unterfranken im Ergebnis

gescheitert sei, sei die Hilfe nunmehr vom Beklagten in eigener Zuständigkeit mit Bescheid vom 15. Januar 2018 für die Schuljahre 2014 bis 2018 nachträglich bewilligt worden. Nachdem die Zuständigkeit bis dahin streitig gewesen sei und eine Hilfe seitens des Beklagten vorher nicht hätte bewilligt werden können, habe auch eine Kostenheranziehung gemäß §§ 91 ff. SGB VIII nicht erfolgen können. Gleichwohl sei dem Kläger die Kostenheranziehung bekannt gewesen. Er habe nicht darauf vertrauen können, dass als Ergebnis der Zuständigkeitsklärung letztendlich der Bezirk Unterfranken Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gewähren würde. Eine Verjährung sei daher nicht eingetreten.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2019 sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

(4)

Entscheidungsgründe 15

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 7. Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

Der Beklagte leistet für den Sohn F … des Klägers seit dem 13. Dezember 2011 Hilfe zur Erziehung nach

§ 32 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Hierfür wurden entsprechende

Bewilligungsbescheide (7.9.2011, 19.9.2013, 15.1.2018) erlassen und dem Kläger jeweils zugestellt. Die entsprechenden Bewilligungsbescheide sind bestandskräftig.

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Gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII werden zu teilstationären Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe nach § 32 SGB VIII Kostenbeiträge erhoben. Die Heranziehung erfolgt durch

Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird. Elternteile werden getrennt herangezogen (§ 92 Abs. 2 SGB VIII).

18

Ob im Rahmen der Erhebung eines Kostenbeitrags eine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Maßnahme zu erfolgen hat, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird vertreten, eine derartige Überprüfung der Rechtmäßigkeit müsse nie stattfinden (vgl. VG München, U.v.

12.11.2003 - M 18 K 02.3435 - juris). Im Gegensatz dazu gibt es Rechtsprechung, die in jedem Fall eine derartige Inzidentprüfung fordert (vgl. VG Ansbach, B.v. 27.6.2006 - AN 14 K 05.04505 - juris). Im Wege einer vermittelnden Ansicht wird argumentiert, eine Inzidentprüfung komme (nur) dann in Betracht, wenn der Verpflichtete am jugendhilferechtlichen Bewilligungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei. Denn in dieser Konstellation habe er nicht die Möglichkeit gehabt, gegen die zugrundeliegenden Entscheidungen Rechtsbehelfe einzulegen. Wenn er dennoch die Kosten rechtswidrigen Verwaltungshandelns tragen müsste, verstieße dies gegen Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. hierzu OVG Lüneburg, B.v. 27.8.2018 - 10 LA 7/18 -;

VG Hannover, U.v. 14.12.2017 - 3 A 5368/15 -; VGH BW, U.v. 17.3.2011 - 12 S 2823/08 - alle: juris).

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Grundsätzlich spricht aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und des effektiven Rechtsschutzes tatsächlich einiges dafür, dem Beitragspflichtigen die Möglichkeit einer Überprüfung der Maßnahme dann zu eröffnen, wenn er bei Gewährung der Hilfe rechtlich oder tatsächlich nicht in der Lage gewesen ist, Rechtsbehelfe hiergegen einzulegen. Nur so kann vermieden werden, dass es zur unverschuldeten Heranziehung von Kostenbeiträgen bei Erbringung einer rechtswidrigen Maßnahme kommt.

20

Vorliegend war der Kläger von Beginn an am Verfahren beteiligt. Er hat entsprechende Anträge auf Übernahme der Kosten für die Heilpädagogische Tagesstätte gestellt und letztlich gegen die

Bewilligungsbescheide über die Gewährung von Hilfe zur Erziehung keine Rechtsbehelfe ergriffen. Eine im Rahmen des Verfahrens W 3 K 11.76 erhobene Feststellungsklage wurde später wieder zurückgenommen.

21

Nach Aktenlage wird aber auch die „richtige Hilfe“ vom sachlich zuständigen Träger gewährt. Die

Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch hat grundsätzlich durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe zu erfolgen, dies ist der Beklagte.

22

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass anstelle der Hilfe zur Erziehung für den Besuch der

Heilpädagogischen Tagesstätte Eingliederungshilfe zu gewähren wäre, ergäbe sich für diese Hilfe ebenfalls - wie für die Eingliederungshilfeleistung Schulbegleitung - die Zuständigkeit des Beklagten. Nach den bei den Akten befindlichen ärztlichen Gutachten ist sowohl die Schulbegleitung als auch der Besuch der Heilpädagogischen Tagesstätte nicht wegen der beim dem Sohn des Klägers vorliegenden

Körperbehinderung (Hörbehinderung) erforderlich, sondern wegen des bei F … vorliegenden frühkindlichen Autismus und den damit verbundenen Beeinträchtigungen. F … ist nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten dem Personenkreis der seelisch behinderten oder von einer seelischen Behinderung bedrohten Personen zuzuordnen. Für diesen Personenkreis ist Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII und nicht

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nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren. Der sachlich hierfür zuständige Träger ist ebenfalls der Beklagte. Auch wenn die Kosten für die Heilpädagogische Tagesstätte im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII übernommen worden wären, müssten die Eltern gemäß § 91 Abs.

2 Nr. 3 SGB VIII einen Kostenbeitrag leisten.

23

Eine besondere Härte im Sinne des § 92 Abs. 5 SGB VIII ist nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift kann von der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag abgesehen werden, wenn sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergeben würde. Der Begriff der besonderen Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher einer vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt und setzt voraus, dass eine atypische Situation des Kostenschuldners nicht ausreichend im Rahmen der Ermittlung des Kostenbeitrags

berücksichtigt werden kann. Dabei ist davon auszugehen, dass eine vom Gesetzgeber gewollte Belastung, die aufgrund gesetzlicher Regelung eine Vielzahl von Einzelfällen betrifft, in der Regel keine besondere Härte im Einzelfall darstellt, weil sie schon nicht den Leitvorstellungen, die den § 91 ff. SGB VIII zugrunde liegen, widerspricht (BayVGH, U.v. 24.6.2010 - 12 BV 09.2527 - FamRZ 2011, 331). Die Heranziehung der Eltern zu einem Kostenbeitrag im Falle des Besuches einer teilstationären Einrichtung durch das Kind ist im Rahmen des SGB VIII aber der Regelfall.

24

Der Kläger wurde über die Kostenbeitragspflicht und die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt (§ 92 Abs. 3 SGB VIII).

25

Der Kostenbeitrag ist auch nicht verjährt bzw. erloschen.

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Hinsichtlich der Verjährung von Kostenbeitragsansprüchen nach §§ 91 ff. SGB VIII ist im Sozialgesetzbuch gesetzlich nichts geregelt. Somit ist auf den Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich § 195 BGB

entsprechend anwendbar (Kunkel/Kepert in LPK-SGB VIII, § 92 Rn. 14; Stähr in Hauck/Noftz § 92 SGB VIII Rn. 15). Für Bayern bestimmt die landesrechtliche Regelung des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB, dass die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche des Freistaates Bayern, einer

bayerischen Gemeinde oder eines bayerischen Gemeindeverbandes in drei Jahren erlöschen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Art. 71 AGBGB gilt für alle aus Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts

entstandenen Ansprüche, gleichgültig, ob sie auf Landesrecht, Reichsrecht oder Bundesrecht beruhen (BayVGH, B.v. 20.10.2003 - 12 B 02.2612 - juris Rn. 16 f. unter Verweis auf BayVGH, U.v. 29.9.2000 - 12 B 98.3649 - juris). Eine Regelung, die wie Art. 71 AGBGB die Auswirkungen des Zeitablaufs auf öffentlich- rechtliche Ansprüche betrifft, stellt regelmäßig nur einen Annex zu dem Sachgebiet dar, dem der jeweils betreffende Anspruch entspringt. Sie findet dann Anwendung, wenn der für den einschlägigen

Regelungsbereich zuständige Gesetzgeber diese Frage nicht abschließend geregelt hat. In Ermangelung spezieller Verjährungsvorschriften gilt üblicherweise die regelmäßige Verjährungsfrist des Bürgerlichen Gesetzbuches. Hier geht jedoch Art. 71 AGBGB als speziellere Vorschrift vor (BayVGH, U.v. 26.11.2008 - 3 BV 07.1268 - juris Rn. 18). Die Regelungen des Art. 71 AGBGB stimmen hinsichtlich Beginn und Dauer mit den Regelungen über die Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB überein (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.2009 - 2 B 24/09 - juris Rn. 6).

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Der Anspruch auf Leistung eines Kostenbeitrages durch den Kläger ist nicht nach Art. 71 AGBGB erloschen. Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB beginnt die Frist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Vorliegend hatte der Beklagte erst Anfang des Jahres 2018 Kenntnis von den

„den Anspruch begründenden Umständen“, sprich den Einkommensverhältnissen des Klägers, die der Kostenbeitragsberechnung zugrunde liegen. Die Kenntnis über die anspruchsbegründenden Tatsachen hat der Beklagte nicht infolge grober Fahrlässigkeit erst im Jahre 2018 erlangt. Vielmehr hat der Kläger auf entsprechende Aufforderungen des Beklagten (Schreiben vom 29.9.2011, 23.12.2013 und 5.3.2018) nicht reagiert, obwohl er die entsprechenden Schreiben nach eigenem Vorbringen erhalten hat. Vielmehr hat der Kläger eine Auskunftserteilung aktiv verweigert und die Einkommensverhältnisse mussten vom Beklagten (durch Anfragen beim Arbeitgeber und den Sozialbehörden) ermittelt werden. Somit beginnt die

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Erlöschensfrist erst mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen. Im Zeitpunkt der Geltendmachung des Kostenbeitrages (7.5.2018) war der Anspruch nicht erloschen. Gleiches würde sich ergeben, wenn man anstelle des Art. 71 AGBGB die Vorschriften der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB anwenden würde. Auch nach

§ 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

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Ebenso wenig kann von einer Verwirkung des Kostenbeitrags ausgegangen werden. Das im Bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist ebenso im Sozialrecht anerkannt. Eine Verwirkung eines Anspruchs tritt unter der Voraussetzung ein, dass der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 28.11.1990 - 3 CB 40/90 - juris) darf ein Recht nicht mehr ausgeübt werden, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist

(Zeitmoment) und wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). In der Rechtsprechung ist insbesondere anerkannt, dass sich aus der bloßen Untätigkeit einer Behörde keine Verwirkung eines Anspruchs ergeben kann. Vielmehr ist hierzu ein konkretes Verhalten des Gläubigers erforderlich, aus dem der Schluss

gezogen werden kann, dass dieser von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen werde (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2005 - 12 B 01.1042 - juris Rn. 11; OVG Hamburg, U.v. 3.12.2008 - 5 Bv 259/06 - juris Rn. 33; VG Ansbach, U.v. 14.7.2011 - AN 14 K 10.00614 - juris Rn. 40). Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte in den Jahren 2014 bis 2017 keine weiteren Schritte (z.B. zwangsweise Durchsetzung der Auskunftspflicht) unternommen hat, die Einkommensverhältnisse des Klägers zu ermitteln, fehlt jedenfalls das Umstandsmoment. Der Kläger war auf die Verpflichtung zur Leistung des Kostenbeitrags hingewiesen worden. Er hat eine entsprechende Bestätigung unterschrieben. Er hat die angeforderten Auskünfte nicht erteilt. Im Übrigen dürfte die „Untätigkeit“ des Beklagten nicht zuletzt auf diverse gerichtliche Verfahren zurück zu führen sein, die der Kläger in der Absicht angestrengt hatte, eine Kostentragungspflicht des überörtlichen Trägers (Bezirk Unterfranken) herbeizuführen.

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Nachdem sich der Bescheid vom 7. Mai 2018 als rechtmäßig erweist, konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO abzuweisen.

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