Berlin, 14. Oktober 2021
Projektleiter Dr. A. Friedrich
Stellvertretender Projektleiter S. Annen
Autoren
S. Annen, R. Helmerich
Bestimmung realer NO x -Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen im
Fahrbetrieb auf europäischen Autobahnen
Untersuchungszeitraum: Januar 2020 – September 2021
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Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort... 3
2. Einleitung ... 4
3. Messverfahren ... 5
4. Datenerhebung ... 9
5. Ergebnisse... 11
6. Fazit ... 18
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 AirYX ICAD NO2/x Analyser ... 5Abbildung 2 Plume Chasing Verfahren ... 6
Abbildung 3 Reproduzierbarkeit der Messung... 8
Abbildung 4 Punktwolkenbildung der NOx-Konzentration ... 9
Abbildung 5 NOx-Emissionen gemessener HDV ... 11
Abbildung 6 Länderspezifische Verteilung der HDV ... 12
Abbildung 7 Übersicht NOx-Emissionen Euro V HDV ... 14
Abbildung 8 Übersicht NOx-Emissionen Euro VI HDV ... 15
Abbildung 9 Verteilung NOx-Gesamtemissionen ... 16
Abbildung 10 Verteilung NOx-Gesamtemissionen Euro V HDV ... 16
Abbildung 11 Verteilung NOx-Gesamtemissionen Euro VI HDV ... 17
Abbildung 12 NOx-Emissionen polnischer Euro VI HDV, In- und Ausland ... 18
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Herkunftsland der gemessenen HDV ... 13Tabelle 2 Verteilung der gemessenen HDV nach Abgasnorm ... 13
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1. Vorwort
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kämpft seit vielen Jahren für saubere Luft, die für unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität unverzichtbar ist. Zudem ist die Verringerung von Luftschadstoffen für den Klimaschutz unerlässlich. Der Straßenverkehr trägt wesentlich zur Luftverschmutzung bei. Vor diesem Hintergrund hat die DUH Anfang 2016 das Emissions- Kontroll-Institut (EKI) gegründet, um belastbare und transparente Informationen zum tat- sächlichen Schadstoffausstoß im Straßenverkehr zu ermitteln und bereitzustellen.
Bereits im November 2020 hatte die DUH erste eigene Messungen vorgestellt und auf das Problem hingewiesen, dass Emissionswerte von Lkw im realen Betrieb deutlich höher sein können als bei der Zulassungsmessung bzw. als es der Abgasstandard erlaubt. Dies wird nun mit weiteren Messungen im realen Betrieb bestätigt. Dies ist nicht nur aus Gründen der Luft- reinhaltung ein großes Problem, sondern untergräbt darüber hinaus die Zielsetzung der Lkw Maut, die in vielen europäischen Ländern nur auf Grundlage der offiziellen Zulassungswerte (bzw. Abgasstandards) erhoben wird.
Die Daten der in diesem Bericht vorgestellten Messungen auf europäischen Autobahnen an verschiedensten schweren Nutzfahrzeugen (HDV) aller relevanter Hersteller und Abgasnor- men erlauben einen umfassenden Überblick über die von ihnen tatsächlich verursachten Stickstoffoxid- (NOx-) Emissionen im realen Fahrbetrieb. Damit entsteht eine solide Datenba- sis auf der Grundlage von rund 700 Einzelmessungen. Der Bericht identifiziert eine Ursache hoher NOx-Immission und zeigt Wege auf, diese zu reduzieren.
Dieser Bericht wird zeigen, dass eine Minderheit an HDV für einen signifikanten Anteil der NOx-Emissionen des gesamten Güterverkehrs auf der Straße verantwortlich ist. Um dem ent- gegenzuwirken, bedarf es effektiver Kontrollen zu deren Identifizierung sowie wirksamer Sanktionen für technisch ungenügende oder manipulierte HDV.
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2. Einleitung
Die DUH misst seit mehr als fünf Jahren in ihrem Emissions-Kontroll-Institut Abgasemissio- nen von Fahrzeugen im realen Betrieb. Das in diesem Projekt angewandte Plume Chasing Verfahren ermöglicht, eine Vielzahl an HDV zu messen und Fahrzeuge mit unzureichender, defekter oder manipulierter Abgasnachbehandlung zuverlässig zu identifizieren. Hintergrund dieser Messungen sind insbesondere vorliegende Informationen über vorsätzlich manipu- lierte Abgasreinigungssysteme bei HDV, die den Speditionen einen ungerechtfertigten Wett- bewerbsvorteil ermöglichen. Hierbei wird durch Änderungen im Abgassystem, an der Fahr- zeugsoftware oder durch den Einbau eines sogenannten AdBlue Emulators der Harnstoffver- brauch reduziert oder bis auf null gesenkt. Die Kosteneinsparung hat dramatische Folgen:
Ohne den notwendigen Harnstoff für die Abgasnachbehandlung steigen die NOx-Emissionen drastisch an.
Bei unseren Messungen wurden die Emissionen mittels eines mobilen ICAD Distanzerfas- sungssystems der Firma AirYX ermittelt. Neben der Erfassung der Emissionswerte jedes ein- zelnen HDV wurden parallel die Euro Abgasnormen dokumentiert und die HDV im Anschluss in die entsprechenden Kategorien eingeordnet.
Die HDV Messungen wurden durch die Firma AirYX technisch unterstützt und haben zur Wei- terentwicklung und Optimierung des Plume Chasing Verfahrens beigetragen.
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3. Messverfahren
Die Messungen der NOx-Emissionen der HDV erfolgt nach dem „Plume Chasing“ Verfahren1 mittels eines ICAD NOx und CO2 Analysators der AirYX GmbH.
Abbildung 1 AirYX ICAD NO2/x Analyser
Das Basisprinzip der Plume Chasing Messung besteht darin, einem HDV in moderatem Ab- stand einige Minuten mit dem Messfahrzeug zu folgen und einen Teil des Abgas-Luft Ge- mischs aus der Abgasfahne des vorausfahrenden HDV in das Messgerät zu leiten. Hierfür kann ein beliebiges Fahrzeug mit dem mobilen Messgerät ausgerüstet werden. Zur Ent- nahme des Abgas-Luft Gemischs aus der Abgasfahne des vorausfahrenden HDV wird ein als Messsonde dienender dünner NOx-resistenter PTFE Schlauch an der Frontstoßstange des Messfahrzeugs angebracht und durch ein Seitenfenster in das Messgerät im Wageninneren geführt, siehe Abbildung 2.
1 Pöhler et al. 2019, NOx RDE measurements with Plume Chasing - Validation, detection of high emitters and manipulated SCR systems, Proceedings of the Transport an Air Pollution Conference, https://www.tapconfer- ence.org/assets/files/previous-conferences/proceedings/2019_Proceedings.zip, 2019.
6 Abbildung 2 Plume Chasing Verfahren
Das mobile ICAD-NOx-200DM (Iterative Cavity Enhanced Differential Optical Absorption Spectroscopy) Messgerät ist nach wenigen Minuten Aufwärmphase und ohne aufwendige Kalibrierung direkt einsatzbereit. Als User Interface dient ein handelsüblicher Tablet Compu- ter oder auch ein Notebook, welches über LAN oder WLAN mit dem Messgerät verbunden werden kann. Die Messdaten werden in Echtzeit angezeigt, die Aufzeichnung dieser sowohl kontinuierlich als auch manuell gestartet und gestoppt und für jedes einzelne HDV segmen- tiert.
Durch das Messsystem wird kontinuierlich die aktuelle lokale CO2-Hintergrundimmission be- stimmt. Um sicherzustellen, dass sich die Messsonde in der Abgasfahne des vorausfahren- den Fahrzeugs befindet, werden Messpunkte erst als valide erfasst, sobald die gemessene CO2-Konzentration mindestens 30 parts per million (ppm) über der lokalen CO2-Hinter- grundimmission liegt. Die Bestimmung der NOx-Emissionen erfolgt über das Konzentrations- verhältnis der Gase CO2 und NOx im entnommenen Teil der Abgasfahne. Dieses Verhältnis bleibt bei verschiedenen Verdünnungsgraden der Abgasfahne mit der Umgebungsluft weit- gehend stabil. Über dieses Konzentrationsverhältnis kann sehr genau Rückschluss auf die NOx-Gesamtemissionen des vorausfahrenden HDV während der Messung gezogen werden.
Für die Ausgabe der Messwerte in mg/kWh wird eine Effizienz des HDV Antriebs von 40 Pro- zent angenommen, welche dem üblichen Betrieb von HDV im optimalen Betriebsbereich entspricht. Das bietet den Vorteil, dass auch bei Schwankungen im Betriebsbereich, wie
7 leichten Bergauf- oder Bergabfahrten, valide Werte erfasst werden können. Volllastfahrt, bspw. auf Autobahnauffahrten, oder vollständige Schubabschaltung beim Ausrollen bleiben bei den Messungen jedoch unberücksichtigt.
Abhängig von den Umgebungsbedingungen ist die Messung eines HDV nach zwei bis zehn Minuten vollständig und valide, was bedeutet, dass mindesten 45 valide Einzelmesspunkte über die Messdauer erfasst wurden. Anschließend wird mit der Messung des nächsten HDV fortgefahren. Zeiten zwischen Messungen, also außerhalb der Abgasfahne eines vorausfah- renden Fahrzeugs, werden vom Messgerät genutzt, um erneut die lokale CO2-Hinter- grundimmission zu bestimmen.
Es wurde stets darauf geachtet, dass eine Verfälschung durch dritte Verkehrsteilnehmer möglichst ausgeschlossen wird. Hierfür wurde bei Kolonnenfahrten stets nur das vorderste Fahrzeug gemessen und die gesamte Messfahrt per Video dokumentiert, um dies bei Auffäl- ligkeiten in der späteren Datenauswertung erneut überprüfen zu können. Die Videoaufnah- men haben sich auch als hilfreich zur nachträglichen Identifizierung von Hersteller, Her- kunftsland, Kennzeichen oder Abgasnorm erwiesen, sofern dies nicht schon während der Messung erfolgt ist.
Vergleichsmessungen mit den Sensors PEMS Geräten des EKI der DUH in vergangenen Jah- ren, haben gezeigt, dass dieses Verfahren realistische und vergleichbare Daten erhebt (DUH, 2019).
Umfangreiche Messungen mit diesem System wurden in Dänemark, im Auftrag der däni- schen Straßenverkehrsbehörde, durchgeführt. Gemeinsam mit der dänischen Polizei wurden 480 HDV gemessen, von denen 30 HDV wegen verdächtig hohen NOx-Emissionswerten an- schließend von der Polizei aus dem Verkehr gezogen und überprüft wurden. Bei allen raus- gezogen HDV konnte in der weiteren Überprüfung ein Defekt oder eine Manipulation des Abgasreinigungssystems festgestellt werden.2
Darüber hinaus verdeutlichen die in der Vergangenheit durchgeführten Messungen des EKI, ebenfalls per Plume Chasing Verfahren, dass sich die Emissionswerte bei wiederholter Mes- sung reproduzieren lassen. So wurden im Rahmen von Messungen an Stadtbussen drei der untersuchten Busse ein zweites Mal auf einem weiteren Streckenabschnitt gemessen, um sicherzustellen, dass die Messergebnisse reproduzierbar sind. Die folgende Abbildung veran- schaulicht dies (s. Abb. 3).
2https://fstyr.dk/da/-/media/FSTYR-lister/Publikationer/ReportDenmark2020v101.pdf
8 Abbildung 3 Reproduzierbarkeit der Messung
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000
1 2
NOx[mg/kWh]
Mehrfachmessungen NOx-Emissionen
Bus 3473 Bus 1043 Bus 3305
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4. Datenerhebung
Die Messungen wurden auf deutschen und innereuropäischen Autobahnen und Fernstraßen zwischen Januar 2020 und September 2021 durchgeführt. Aus rund 800 Einzelverfolgungs- fahrten konnten 700 Datensätze erstellt werden, aus denen 545 als valide hervorgingen.
Die Auswahl der gemessenen HDV erfolgte entsprechend der vorliegenden Verkehrslage.
Das Messfahrzeug schert dabei hinter dem zur Messung ausgewählten HDV ein und die Messaufzeichnung wird gestartet. Sobald die Abgasfahne des vorausfahrenden HDV erkannt wird, die Messsonde sich weiterhin in der Abgasfahne befindet und der CO2-Schwellwert von 30 ppm über der Hintergrundimmission überschritten wird, werden die Datenpunkte für das jeweilige individuelle HDV einem Datensatz zugeordnet. In der Regel bildet sich nun eine Punktwolke der NOx-Konzentration aus, aus der die NOx-Emissionen für das jeweilige Fahr- zeug bestimmt wird. Die folgende Abbildung veranschaulicht, wie sich Punktwolken aus den einzelnen Messpunkten der NOx-Konzentrationen zweier LKW bilden.
Abbildung 4 Punktwolkenbildung der NOx-Konzentration
Der Verlauf wird durch einen Graphen und eine Messpunktwolke mit variabel einstellbarem Zeitintervall auf der Benutzeroberfläche des Messsystems visualisiert. Sobald die für eine va- lide Messung nötigen 45 Datenpunkte gesammelt wurden kann die Messung beendet und damit das individuelle Datensegment abgeschlossen werden. Bei Bedarf, bspw. wenn eine hohe Volatilität der gesammelten Daten beobachtet wird, kann die Messung für das Sam- meln weiterer Messpunkte im Segment fortgesetzt werden. Anschließend werden alle rele-
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
0 10 20 30 40 50 60 70
NOx-Konzentration [ppb]
Zeit [s]
Punktwolkenbildung der NOx-Konzentration
LKW 1 LKW 2
10 vanten Daten wie Zeit, Hersteller, Modell, Abgasnorm, Herkunftsland des gemessenen Fahr- zeugs dokumentiert und zusätzlich, für eine spätere Überprüfung dieser, der Überholvor- gang des HDV von einer Dashcam, für eine weitere Überprüfung der dokumentierten Daten, aufgezeichnet. Speziell die Dokumentation und Bestimmung der Abgasnorm sind hier beson- ders relevant, um im post processing eine tatsächliche Grenzwertüberschreitung festzustel- len.
Für die hier untersuchten HDV gelten die NOx-Grenzwerte für Euro V von 2.000 mg NOx/kWh nach dem European Transient Cycle (ETC), beziehungsweise für Euro VI von 460 mg
NOx/kWh nach dem Worldwide Harmonized Transient Cycle (WHTC). Da die Motoren auf dem Prüfstand vermessen werden, hat der Gesetzgeber für die Überprüfung der Euro VI Fahrzeuge auf der Straße auf den NOx-Grenzwert einen „Konformitätsfaktor“ von 1,5 aufge- schlagen, so dass sie auf der Straße 690 mg NOx/kWh emittieren dürfen.3 Zusätzlich wurde bei der Bewertung der hier erhobenen Daten ein Fehlerfaktor von 1,4 auf die jeweiligen NOx- Grenzwerte aufgeschlagen. Dieser ergibt sich aus einer Messungenauigkeit und weiteren Einflüssen, die bei Wiederholungsmessungen maximal festgestellt werden konnten. Daraus ergibt sich für die Euro V LKW ein NOx-Schwellenwert von 2.800 mg/kWh und für die Euro VI aufgerundet ein NOx-Schwellenwert von 1.000 mg/kWh ab dem die Lkw als verdächtig einge- stuft werden.
3 https://dieselnet.com/standards/eu/hd.php
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5. Ergebnisse
Insgesamt konnten über den Untersuchungszeitraum Datensätze von 545 HDV-Messungen erfolgreich ausgewertet werden. Diese Messungen erfolgten auf Autobahnen in Deutsch- land, Frankreich, Österreich, Polen und der Slowakei. Es wurde vermehrt auf Transitstrecken für internationale HDV gemessen.
Abbildung 5NOx-Emissionen gemessener HDV
187 der untersuchten HDV sind in Polen und 95 in Deutschland zugelassen. Die restlichen 263 LKW erhielten ihre Zulassung in weiteren EU-Staaten, Belarus, Bosnien-Herzegowina, Ka- sachstan, Iran, Mazedonien, Russland, Serbien und Ukraine.
0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000
1 21 41 61 81 101 121 141 161 181 201 221 241 261 281 301 321 341 361 381 401 421 441 461 481 501 521 541
NOx[mg/kWh]
NOx-Emissionen aller gemessenen HDV
NOx-Mittelwert Euro VI NOx-Grenzwert Euro V NOx-Grenzwert
12 Abbildung 6 Länderspezifische Verteilung der HDV
Polen; 187
Deutschland; 95 Frankreich; 31
Rumanien; 29 Niederlande; 22 Österreich; 21
Tschechien; 20 Litauen; 20
Slowakei; 17 Ungarn; 15
Belarus; 14 Russland; 12
Ukraine; 11 Spanien; 8
Italien; 8
Länderspezifische Verteilung der HDV
Polen Deutschland Frankreich
Rumanien Niederlande Österreich
Tschechien Litauen Slowakei
Ungarn Belarus Russland
Ukraine Spanien Italien
Belgien Bulgarien Slowenien
Kroatien Lettland Portugal
Großbritannien Bosnien und Herzegowina Iran
Kasachstan Luxemburg Mazedonien
Serbien
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Herkunftsland Anzahl Prozent
Polen 187 34,3%
Deutschland 95 17,4%
Frankreich 31 5,7%
Rumänien 29 5,3%
Niederlande 22 4,0%
Österreich 21 3,9%
Tschechien 20 3,7%
Litauen 20 3,7%
Slowakei 17 3,1%
Ungarn 15 2,8%
Belarus 14 2,6%
Russland 12 2,2%
Ukraine 11 2,0%
Spanien 8 1,5%
Italien 8 1,5%
Belgien 7 1,3%
Bulgarien 6 1,1%
Slowenien 5 0,9%
Kroatien 3 0,6%
Lettland 3 0,6%
Portugal 3 0,6%
Großbritannien 2 0,4%
Bosnien und Herzegowina 1 0,2%
Iran 1 0,2%
Kasachstan 1 0,2%
Luxemburg 1 0,2%
Mazedonien 1 0,2%
Serbien 1 0,2%
Gesamt 545
Tabelle 1 Herkunftsland der gemessenen HDV
Von den 545 HDV konnten 158 HDV der Euro V, 368 HDV der Euro VI und jeweils ein HDV der Euro III und Euro IV Abgasnorm zugeordnet werden. Die restlichen 17 HDV konnten keiner Abgasnorm zugeordnet werden und fließen, wie auch der Euro III und Euro IV HDV, nicht in die folgenden Berechnungen mit ein.
Abgasnorm Anzahl Prozent
Euro V 158 30,0%
Euro VI 368 70,0%
Tabelle 2 Verteilung der gemessenen HDV nach Abgasnorm
14 Über alle Euro V HDV gemittelt lagen die NOx-Emissionen bei 3.338 mg NOx/kWh. Nur
37 Prozent hielten den NOx-Grenzwert von 2.000 mg/kWh und nur 56 Prozent der Fahrzeuge hielten den NOx-Schwellenwert von 2.800 mg/kWh ein.
Abbildung 7 Übersicht NOx-Emissionen Euro V HDV
Bei den untersuchten Euro VI HDV lagen die NOx-Emissionen im Durchschnitt bei
1.067 mg/kWh. Nur 46 Prozent der Fahrzeuge hielten den NOx-Grenzwert auf der Straße von 690 mg/kWh (inklusive Konformitätsfaktor von 1,5) ein. Den NOx-Schwellenwert von 1.000 mg/kWh hielten 66 Prozent der Fahrzeuge ein. Für eine bessere Übersichtlichkeit der Emissi- onswerte der Euro VI HDV wurde die NOx-Skala des Diagramms auf 10.000 mg/kWh be- grenzt, siehe Abbildung 8.
0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000
1 6 11 16 21 26 31 36 41 46 51 56 61 66 71 76 81 86 91 96 101 106 111 116 121 126 131 136 141 146 151 156
NOx[mg/kWh]
NOx-Emissionen Euro V HDV
NOx-Mittelwert Euro V NOx-Grenzwert Euro V NOx-Schwellenwert
15 Abbildung 8 Übersicht NOx-Emissionen Euro VI HDV
In den weiteren Untersuchungen ist aufgefallen, dass es immer wieder auffällige Fahrzeuge mit sehr hohen Emissionen (High Emitter) gab, welche extreme NOx-Emissionen bis durch- schnittlich 14.000 mg NOx/kWh, in einem Fall sogar über 18.000 mg NOx/kWh und kurzzei- tige Spitzenwerte (innerhalb des Datensegments) noch weit darüber hinaus aufwiesen.
Für eine genauere Betrachtung wurde nun der Median der Gesamtemissionen der gemesse- nen HDV Flotte ermittelt. Dieser liegt bei 3.065 mg NOx/kWh und teilt die Flotte in zwei Gruppen, die jeweils die gleiche Menge an Stickoxiden emittieren. Es liegen 447 HDV unter- halb des Medians und 79 HDV oberhalb. Das bedeutet, dass 15 Prozent der HDV für die Hälfte der Gesamtemissionen verantwortlich sind.
Die obersten 5 Prozent emittieren ein Viertel der Gesamtemissionen und 1,1 Prozent, die Spitzenemittenten, also die problematischsten Fahrzeuge innerhalb der Messungen, verursa- chen rund ein Zwölftel, also rund 8 Prozent, aller NOx-Emissionen.
0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000
1 12 23 34 45 56 67 78 89 100 111 122 133 144 155 166 177 188 199 210 221 232 243 254 265 276 287 298 309 320 331 342 353 364
NOx[mg/kWh]
NOx-Emissionsn Euro VI HDV
Mittelwert Euro VI NOx-Grenzwert Straße Euro VI NOx-Schwellenwert
16 Abbildung 9 Verteilung NOx-Gesamtemissionen
Werden die Euro V und Euro VI HDV separat betrachtet, zeigt sich ein ähnliches Bild.
Der Median liegt bei den Euro V HDV bei 4.771 mg NOx/kWh. Von den 158 Fahrzeugen liegen 120 (76 Prozent) unter und 38 (24 Prozent) oberhalb des Medians und verursachen jeweils die Hälfte der Gesamtemissionen.
Abbildung 10 Verteilung NOx-Gesamtemissionen Euro V HDV Top 15% der
HDV 85% der HDV
NOx-Gesamtemissionen
Top 24% der Euro V HDV 76% der Euro V
HDV
NOx-Gesamtemissionen der Euro V HDV
17 Bei den Euro VI HDV liegt der Median bei 1.529 mg NOx/kWh. Von den 368 Fahrzeugen lie- gen 303 (82 Prozent) unter und 65 (18 Prozent) oberhalb des Medians und verursachen je- weils die Hälfte der Gesamtemissionen. Die oberen 5 Prozent der Euro VI HDV verursachen mehr als ein Viertel der gesamten NOx-Emissionen der Euro VI HDV.
Abbildung 11 Verteilung NOx-Gesamtemissionen Euro VI HDV
Aufgrund von Hinweisen über intensivere Kontrollen und entsprechende Sanktionierungen durch die polnischen Behörden bezüglich illegal genutzter AdBlue Emulatoren, erfolgten ge- trennt betrachtete Messungen an HDV sowohl auf polnischen als auf europäischen Autobah- nen. Bei einem Vergleich der durchschnittlichen NOx-Emissionen der polnischen HDV auf pol- nischen und europäischen Autobahnen wird deutlich, was die stichprobenartigen Kontrollen für Auswirkungen haben. Die durchschnittlichen NOx-Emissionen der polnischen HDV liegen in Polen 38Prozent unter dem Niveau der polnischen HDV auf europäischen Autobahnen.
Top 18% der Euro VI HDV 82% der Euro VI
HDV
NOx-Gesamtemissionen der Euro VI HDV
18 Abbildung 12 NOx-Emissionen polnischer Euro VI HDV, In- und Ausland
6. Fazit
Die in dieser Untersuchung gemessenen NOx-Emissionen der HDV zeigen, dass die Grenz- wertvorgaben im realen Straßenbetrieb in vielen Fällen weit verfehlt werden.
Trotz Aufschlag eines „Konformitätsfaktors“ und eines großzügigen Fehlerfaktors zum Aus- gleich von Messungenauigkeit und weiterer Einflüsse lagen nur gut die Hälfte der Euro V HDV und rund zwei Drittel der Euro VI HDV unter dem jeweiligen NOx-Schwellenwert. Bei der genaueren Betrachtung wird deutlich, dass nur ein kleiner Teil der HDV die Gesamtemissio- nen der Flotte verdoppelt. Bei den Euro V HDV sind 24 Prozent, bei den Euro VI sogar nur 18 Prozent der HDV für die Verdopplung der NOx-Emissionen verantwortlich.
Aufgrund unserer Messungen an baugleichen HDV mit moderaten Emissionswerten ist zu folgern, dass die verdächtigen High Emitter fahrlässige oder vorsätzliche technische Mängel oder Manipulationen, speziell in der Abgasnachbehandlung, aufweisen. Vergangene Veröf- fentlichungen legen nahe, dass es einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an Fahrzeugen gibt, deren Abgasnachbehandlung oder auch Motorsteuerung vorsätzlich manipuliert wird, um der Spedition einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu erschleichen. Hierbei wird durch Änderungen im Abgassystem, an der Fahrzeugsoftware oder durch den Einbau eines sogenannten AdBlue Emulators der Harnstoffverbrauch reduziert oder bis auf null gesenkt.
893
1.237
0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400
Durchschnittliche NOx-Emissionen Inland Durchschnittliche NOx-Emissionen Ausland
NOx[mg/kWh]
NOx-Emissionen polnischer Euro VI HDV, In- und Ausland
NOx-Grenzwert Euro VI Straße
19 Diese Kosteneinsparung hat dramatische Folgen: Ohne den notwendigen Harnstoff für die Abgasnachbehandlung steigen die NOx-Emissionen, wie eindrücklich dargestellt, drastisch an.
Bei Kontrollen durch zuständige Behörden mit dem hier angewandten Verfahren könnte mit überschaubarem Aufwand effektiv eine NOx-Emissionsreduzierung erreicht werden, indem diese HDV identifiziert und einer technischen Überprüfung zugeführt und gegebenenfalls sanktioniert und stillgelegt werden. Die zuverlässige Identifizierung defekter oder manipu- lierter Abgassysteme anhand des Plume Chasing Verfahrens bestätigen auch die Messungen auf den dänischen Autobahnen.4
Die extrem hohen NOx-Emissionen einzelner HDV führen nicht nur zu einer deutlich höheren Luftbelastung, sondern auch zu einem Mautbetrug, da mit defekten und manipulierten Ab- gassystemen die angegebenen Abgasnormen nicht eingehalten werden, nach denen die LKW-Maut berechnet wird.
Der vorliegende Bericht zeigt eindrücklich, dass bisherige eventuelle Untersuchungen der entsprechenden Behörden, zumindest in Deutschland, bei Weitem nicht ausreichen, um die häufigen Grenzwertüberschreitungen festzustellen, zu ahnden und genügend Druck auf die Speditionen auszuüben, dieses Fehlverhalten abzustellen.
4 https://fstyr.dk/da/-/media/FSTYR-lister/Publikationer/ReportDenmark2020v101.pdf
Deutsche Umwelthilfe e.V.
Bundesgeschäftsstelle Berlin Hackescher Markt 4 10178 Berlin Tel.: 030 2400867-0
Projekt Emissions-Kontroll-Institut Deutsche Umwelthilfe e.V.
Simon Annen
Projektmanager Verkehr &
Luftreinhaltung Hackescher Markt 4 10178 Berlin
Projektleiter Dr. Axel Friedrich Telefon: +49 152 29483857 E-Mail:
axel.friedrich.berlin@gmail.com
Ansprechpartnerin Dorothee Saar
Leiterin Verkehr & Luftreinhaltung Hackescher Markt 4
10178 Berlin
Telefon: +49 30 2400867-72 E-Mail: saar@duh.de
Datum und Ort der Messung: 2020 bis 2021, internationale Autobahnen Titelfoto: DUH