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Sprachhistorische Beziehungen

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(1)

unter besonderer Berücksichtigung des Ägyptisch-Koptischen:

Der semantische Bereich der Behältnisse 1

Von Reinhard Klein-Arendt, Köln, und Rafed El-Sayed, Tübingen 1. Einleitung

Großräumige sprachhistorische Beziehungen im Sudangürtel zwischen Ro¬

tem Meer und Tschadsee können teilweise durch die Etablierung der afro¬

asiatischen Sprachfamilie als gesichert gelten. Auch das Ägyptisch-Koptische ist ein Mitglied dieser Familie. Dabei ist aber die Substanz der familien¬

internen Beziehungen keineswegs klar: Die genetische Verwandtschaft der Mitglieder wird, wie in (2.) noch näher ausgeführt werden wird, aufgrund

einer relativ geringen Anzahl von morphologischen und lexikalischen Gemeinsamkeiten angenommen. Auf dieser Grundlage werden häufig weit¬

reichende kultur- und sprachhistorische Verbindungen konstruiert. Auch die sprachhistorischen Beziehungen zwischen dem Afroasiatischen und dem Nilosaharanischen, Omotischen und Kordofanischen sind keineswegs klar,

obwohl zumindest teilweise eine enge sprachgeographische Nachbarschaft gegeben ist.

In der folgenden Untersuchung wird nur ein einziger Aspekt möglicher sprachhistorischer Beziehungen im Großraum Ägypten, Sudan, Äthiopien und Tschad behandelt und zwar das semantische Feld „Behältnisse". Dies soll sowohl aus ägyptologischer als auch aus afrikanistischer Perspektive geschehen. Die Konzentration auf Wortmaterial dieses einen Bereichs er¬

laubt eine homogenere sprachhistorische Analyse als der Rückgriff auf ein¬

zelne Bestandteile mehrerer semantischer Bereiche. Dabei sollen nicht nur Phänomene der Sprachdivergenz zur Rekonstruktion eines gemeinsamen Ursprungs heute divergenter Sprachen, sondern auch der Sprachkonvergenz zur Feststellung arealer Sprachbeeinflussung abgedeckt werden.

1 Dieser Beitrag ist ein Ergebnis des Teilprojektes A.3 „Sprach- und Kulturkontakte im Großraum Ägypten/Sudan/Äthiopien" innerhalb des Sonderforschungsbereiches 389

„Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika" an der Universität zu Köln.

(2)

2. Forschungsstand

Schon seit längerem werden großräumige, teils sehr alte Beziehungen sprachlicher und kultureller Art im Sudangürtel angenommen. Diejenigen Historiker, die das alte Ägypten als Teil dieses Kommunikationsraumes ansahen, zogen zum Teil Schlüsse aus ihrem Material, für die O'Connor 2 nur das Etikett „romantisch" übrig hat. Diese Schlußfolgerungen gehen in zwei verschiedene Richtungen. Eine betont die maßgebliche Beeinflussung afrikanischer Kulturen durch das alte Ägypten und zwar meist auf der Grundlage recht abstrakter „gemeinsamer" kultureller Merkmale (religiöse Riten, Glaubensvorstellungen, politische Organisationsformen usw.). 3 Da¬

bei wurden die ethnographischen, archäologischen und linguistischen Da¬

ten zu den einzelnen kulturellen Bereichen häufig so lange abstrahiert, bis eine Ähnlichkeit zwischen den ägyptischen Vergleichsdaten einerseits und den afrikanischen andererseits gegeben war.

Die andere Richtung geht von einer engen kulturhistorischen Verwandt¬

schaft des alten Ägypten mit Afrika aus, wobei Afrika häufig als Ursprung des Alten Ägypten angesehen wurde. Dies wurde besonders mit Sprach¬

material illustriert, aus dem eine sprachgenetische Verbindung zwischen dem Ägyptisch-Koptischen, anderen afroasiatischen Sprachen und sogar westafrikanischen Sprachen abgeleitet wurde. 4 Zu den umfassenden Arbei¬

ten auf diesem Gebiet zählen insbesondere das Hamito-Semitic Etymologi¬

cal Dictionary von Orel und Stolbova und das Etymological Dictionary of Egyptian von Takács. Orel und Stolbova haben zumindest konkrete Rekonstruktionen sprachlicher Verbindungen innerhalb der afroasiatischen

Sprachen, einschließlich des Ägyptisch-Koptischen sowie der kuschitischen und tschadischen Sprachen versucht. 5 Die Autoren konnten so sprach¬

historische Verbindungen auf einer relativ breiten lexikalischen Vergleichs¬

grundlage beschreiben, auch wenn viele der Protolexeme und ihre Ent¬

sprechungen in den Vergleichssprachen von Kritikern angezweifelt werden. 6 Auch das etymologische Wörterbuch von Takács ist von einer genetisch

2 D.

O'Connor

1990, S.

247.

3

CG.

Seligman 1934; G. A. Wainwright 1949; G.R.H.

Wright 1987.

4 Vgl. beispielsweiseW.

Vycichl

1934; O.

Rössler

1959; W.

Vycichl

1960

und

1966; O.

Rössler

1969;

CA.

Diop 1974; A.M. Lam 1993; T. Obenga 1993;

V.E.

Orel/O. V. Stolbova 1994. G. Takács hat in jüngster Zeit zahlreiche

umfangreichere

Publikationen zu dieser Thematik beigesteuert, darunter die ersten beiden Bände

des

Etymological Dictionary of Egyptian (1999 bzw. 2001); G. Takács 1996 und 2004;

H.

JUNGRAITHMAYR 1994.

5 V.E. Orel/O. V. Stolbova

1994.

6 F. Kammerzell

1996.

(3)

orientierten Methode geprägt und sieht seine Bestimmung weitestgehend in einer Aufarbeitung des ägyptischen Materials für den Nachweis eines gemeinsamen genetischen Ursprungs der einzelsprachlichen Vertreter des Afroasiatischen. 7 Ehret glaubt, aufgrund recht weniger rekonstruierter Protolexeme einen kulturellen Einfluß von Sprechern nilosaharanischer

Sprachen auf das alte Ägypten nachweisen zu können, 8 die bis auf das 8.Jahrtausend v.Chr. zurückgehen. Schlüssige Hinweise auf eine solche kulturelle Verbindung sind aber bisher ausschließlich durch ägyptologische und archäologische Arbeiten erbracht worden. 9

Alle die vorgenannten Arbeiten verzeichnen eine teils große Anzahl von Wortentsprechungen zwischen afrikanischen Sprachen und dem Ägyptisch-

Koptischen. Im wesentlichen haben die Autoren den Wortvergleich auf der Grundlage ähnlicher phonologischer und morphologischer Merkmale von Wörtern sowie der Ähnlichkeit von semantischen Bedeutungen vorgenom¬

men. Diese Methode ist schlüssig, dennoch lassen sich gegen die Ergebnisse Einwände vorbringen. Zum ersten werden in diesen Arbeiten nicht selten

ägyptisch-koptische und afrikanische Wörter in einen genetischen Zu¬

sammenhang gebracht, deren lautliche Verwandtschaft nur sehr entfernt zu sein scheint. Zum zweiten ist keineswegs bewiesen, daß es sich hierbei um genetisch motivierte Beziehungen handelt: Dem Phänomen der arealen Sprachbeeinflussung wurde bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Zum dritten ist die Datenbasis semantisch meist unsystematisiert und will¬

kürlich: Aus vielen semantischen Bereichen wurden jeweils wenige Wörter untersucht. 10 Die Ergebnisse deuten zunächst einmal darauf hin, daß das Ägyptisch-Koptische in allen möglichen semantischen (und damit kultu¬

rellen) Bereichen Beziehungen zu afrikanischen Sprachen aufweist, was auf genetische Verwandtschaft bzw. auf intensive areale Kontakte hinweist. Bis jetzt aber ist die Gesamtzahl der durch dieses „Stichprobenprinzip" iden¬

tifizierten sprachlichen Beziehungen zwischen dem Ägyptisch-Koptischen und afrikanischen Sprachen, gemessen am Gesamtwortschatz der beteilig¬

ten Sprachen, sehr gering. Zum vierten besteht bei einer Abstützung der Vergleichspaare auf dem Sachverhalt ähnlicher oder paralleler semantischer Bedeutung die Gefahr, daß semantische Verschiebungen von einem seman¬

tischen Bereich in den anderen nicht adäquat erkannt werden können. Die Kritik gilt auch für eine ganze Reihe von Untersuchungen innerhalb des 7 Vgl. die Besprechungsartikel J. Osing 2001 und 2003; J.F. Quack 2002 und 2004; C.

Peust 2001 und 2004;T.Schneider 2003.

8 C. Ehret 1996, S. 26.

9 D. O'Connor 1990, S. 249.

10 Eine seltene Ausnahme bildet H. Mukarovsky 1994.

(4)

Afroasiatischen ohne das Ägyptisch-Koptische. In Kapitel 3 wird die hier geschilderte Problematik weiter diskutiert werden.

Was die sprachhistorischen Beziehungen zwischen dem Afroasiatischen und Sprachen anderer Familien in der Region angeht, existieren einige recht umfängliche Untersuchungen. So konnte im Bereich der Termini für Acker¬

bau und Speisepflanzen eine enge und sehr alte Kontaktbeziehung zwischen afroasiatischen und nilosaharanischen Sprachen nachgewiesen werden. 11

3.

Methode

In dieser Untersuchung sollen auf der Grundlage eines großräumig an¬

gelegten und systematisierten lexikalischen Vergleichs weitere konkrete Nachweise für solche sprachhistorischen Verbindungen erbracht werden.

Die Auswahl der Vergleichssprachen folgte sprachgeographisch-arealen und nicht genetischen Kriterien. So wurden neben den afroasiatischen auch die nilosaharanischen, omotischen und kordofanischen Sprachen berücksichtigt.

Bisher hat man häufig versucht, durch semantisch breit gestreutes lexika¬

lisches Material alle kulturellen Bereiche, in denen Kontakt bestanden haben könnte, gleichzeitig abzudecken. Die Berücksichtigung aller möglichen kul¬

turellen und damit semantischen Bereiche nimmt jedoch den Schluß vorweg, daß eine ganze Kultur- bzw. Sprachgemeinschaft eine andere Gemeinschaft auf allen Gebieten beeinflußt hat oder daß sogar die eine Gemeinschaft aus der anderen hervorgegangen ist. Dies erscheint unseres Erachtens jedoch vorläufig viel zu ambitioniert. Beispielsweise können Wörter in einer ge¬

gebenen Sprache, auch wenn sie zum selben semantischen Bereich gehören (zum Beispiel Zahlwörter, Termini für Ackerbaugeräte), vollkommen unterschiedliche historische Quellen haben, also beispielsweise zu unter¬

schiedlichen Zeiten aus Sprachen verschiedener Sprachfamilien entlehnt worden sein. Andererseits kann, wie aus Untersuchungen innerhalb der Bantu-Sprachfamilie hervorgeht, 12 für den historischen Verlauf einer sprach¬

lichen Entlehnung auch die Zugehörigkeit des jeweiligen Wortes zu einem semantischen Bereich eine Rolle spielen: Der Begriff „Eisen" und die ihn bezeichnenden Wörter können zu verschiedenen semantischen Bereichen wie „Handelswaren", „Bezahlmittel" und „rituelle Gegenstände" gehören.

Diese Bereiche bzw. deren Bestandteile können vollkommen unterschied¬

liche Diffusions- bzw. Lehnprozesse durchgemacht haben.

11M.L.Bender 1996; G.Sommer 2001.

12 Umfassende Ergebnisse dazu sind in R. Klein-Arendt 2004 zu finden.

(5)

Das bedeutet aber auch, daß intrafamiliäre oder phylumübergreifende sprachhistorische Kontakte sich in ganz bestimmten semantischen Be¬

reichen besonders intensiv ausdrücken, in anderen nur vereinzelt oder über¬

haupt nicht. Deshalb ist es für die sprachhistorische Untersuchung eines le¬

bendigen, vielfältigen und wechselseitig genutzten Kommunikationsraumes wesentlich sinnvoller, bestimmte semantische Bereiche auszuwählen und

diese gründlich zu untersuchen. Im folgenden wird klar werden, daß eine eingehende Untersuchung selbst eines so kleinen Bereichs wie desjenigen der Behältnisse weit über den Rahmen einer Studie wie der hier vorgelegten hinausgehen würde.

Wenn aber langfristig eine große Anzahl semantischer Bereiche unter¬

sucht werden würde und dadurch vielfältige sprachhistorische Kontakte sichtbar gemacht würden, würde die Annahme eines umfassenden sprach¬

historischen und damit kulturellen Kontaktes, familienintern oder phylum- übergreifend, möglicherweise viel eher zu belegen sein. 13

Um sprachhistorische Verbindungen zwischen dem Ägyptisch-Koptischen und afrikanischen Sprachen sowie afrikanischen Sprachen untereinander nachzuweisen, wurden systematisch Lexeme aus dem semantischen Bereich

„Behältnisse und ihre Produktion" gesammelt. Dieser umfaßt im wesent¬

lichen Wörter für Begriffe wie „Topf", „Schüssel", „Schale", „Kalebasse"

etc. einschließlich ihrer speziellen Funktionen („Kochtopf", „Wassertopf") sowie grundlegenden Wortschatz des Töpfereihandwerks wie „töpfern" und

„Töpfer". Dieser semantische Bereich wurde aus mehreren Gründen aus¬

gewählt. Zum ersten gehört die Produktion von Behältnissen, besonders die Töpferei, zu den ältesten kulturellen Verrichtungen im nordostafrikanischen Raum.

Zum zweiten sind Wörter und Begriffe dieses Bereiches nicht Bestandteil des Grundwortschatzes, sondern des Kulturwortschatzes und können daher letztendlich mehr über tatsächliche „sprachkulturelle" Verbindungen sagen als Grundwortschatzwörter. Erfahrungsgemäß ist der Kulturwort¬

schatz über einen gegebenen Zeitraum hinweg teilweise großen Veränderun¬

gen unterworfen, besonders durch Lehnprozesse. Kulturwortschatzwörter sind also viel eher als die des Grundwortschatzes dazu geeignet, Aussagen nicht nur zu sprachhistorischen Divergenz-, sondern auch zu Konvergenz¬

prozessen zu machen. Allerdings werden die entsprechenden sprachhistori¬

schen Analysen durch die geringere Beharrungsrate komplexer und

13 G. Sommer 2001 zeigt anhand der Geschichte desVokabulars für Feldbau und Speise¬

pflanzen in Nordostafrika die Vorteile dieser Strategie.

(6)

langwieriger. Im hier untersuchten Gebiet existieren hunderte, wenn nicht tausende von Wörtern für verschiedene Behältnisarten und jedes dieser Wörter hat seine eigene Geschichte. Diese große Anzahl von Wörtern ist ein weiteres Wesensmerkmal von Kultur wort schätz. Von da aus gesehen ist das Feld der Behältnisbezeichnungen komplexer als selbst das von Sommer untersuchte Feldbauvokabular, 14 in dem jede Art von Speisepflanze in einer gegebenen Sprache nur durch ein Wort bezeichnet wird.

Zum dritten bildet der Wortschatz der Behältnisse langfristig einen Anknüpfungspunkt zu weiteren historischen Disziplinen wie der Archäo¬

logie. Ein erheblicher Teil des archäologischen Fundmaterials besteht aus Keramikprodukten, also den Gegenständen, die von den hier untersuchten Wörtern bezeichnet werden. In den bisherigen Studien zu den ägyptischen

Gebrauchskeramiken stehen folglich die archäologischen und ikonographi- schen Aspekte der Untersuchungsgegenstände im Mittelpunkt des Interes¬

ses, weniger sprachwissenschaftliche Fragestellungen. 15

Es wurden jeweils eine Wortliste für das Ägyptisch-Koptische und eine für afrikanische Sprachen angelegt, letztere dient auch für den Vergleich zwischen afrikanischen Sprachen ohne die Beteiligung des Ägyptisch- Koptischen. Erstere umfaßt rund 90 Wörter, von denen 16 allerdings vom Vergleich ausgenommen wurden, da es sich bei ihnen offensichtlich oder

doch zumindest wahrscheinlich um semitischstämmige Entlehnungen handelt und sie somit für den Nachweis einer eindeutigen exklusiven Ver¬

bindung zwischen afrikanischen Sprachen und dem Ägyptisch-Koptischen nicht in Betracht kommen.

Die zweite Liste umfaßt sämtliche neben dem Ägyptisch-Koptischen bekannten Sprachen der afroasiatischen Sprachfamilie, also des Berber, Ku- schitischen, Semitischen und Tschadischen. Dazu traten Omotisch, Kordo- fanisch und Nilosaharanisch. Die Zahl der zu berücksichtigenden Sprachen betrug zunächst rund 300. Die Berücksichtigung aller Sprachen fußt auf der Erkenntnis, daß die willkürliche Auswahl einiger weniger Hauptsprachen

oder einiger gut belegter Sprachen zu einem ungleichgewichtigen sprach¬

historischen Resultat führen könnte. Stattdessen wurde das dialektologische Prinzip der räumlichen Geschlossenheit befolgt, welches davon ausgeht, daß

alle Sprachen im Untersuchungsraum gleiche historische Relevanz besitzen.

Dies gelang nicht in jedem Fall, da eine Reihe von Sprachen bisher kaum oder überhaupt nicht dokumentiert sind, was besonders für die omotischen

14 G.Sommer 2001.

15 Zum Beispiel D. Faltings 1998; H. Balcz 1932-1934. Siehe auch R. du Mesnil du Buisson 1935.

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und kordofanischen Sprachen gilt. Die Zahl der untersuchten Sprachen lag also deutlich unter 300.

Somit ist das Material trotz allem bis zu einem gewissen Grad ungleich¬

gewichtig; sprachgeographisch ist es jedoch dicht genug gestreut, um zu¬

sammenhängende Schlußfolgerungen in einem so großen Untersuchungs- raum zuzulassen.

In einem ersten analytischen Schritt wurde ein systematischer Vergleich zwischen ägyptischen und afrikanischen Sprachdaten durchgeführt. Dabei bot sich der Wort-für-Wort-Vergleich an, ausgehend vom Ägyptisch-Koptischen.

Um Willkür bei der Zusammenstellung der Wortvergleichsreihen mög¬

lichst auszuschließen, sind zwei Auswahlkriterien eingeführt worden. Das erste Kriterium ist die Feststellung einer möglichen genetischen Verwandt¬

schaft der Wörter durch lautliche und morphologische Ubereinstimmungen.

Die Beweisführung für eine genetische Verwandtschaft über die Grenze der Sprachunterfamilien hinweg gestaltet sich jedoch schwierig. Das Wort¬

material der afroasiatischen Sprachfamilie ist nämlich in vielen Fällen laut¬

lich derart zerklüftet, daß man Wörtern, die genetisch verwandt sind, sich aber in zeitlicher und räumlicher Distanz lautlich auseinanderentwickelt haben, die genetische Verwandtschaft kaum noch ansieht. Leider liegen aber bisher kaum zusammenhängende Lautverschiebungsregeln in großem Maßstab vor, die es erlauben würden, solche Fälle phonologisch und mor¬

phologisch quer durch diese Familien zu verfolgen und zu identifizieren. 16 Deshalb wurden nur diejenigen Formen berücksichtigt, die von Zima als

„very probable", das heißt als lautlich identisch oder fast identisch etikettiert wurden. 17 Dieses Verfahren ist selbstverständlich ein Hilfskonstrukt und kein Ersatz für einen systematischen intersprachlichen Vergleich zur Fest¬

stellung von genetischen Beziehungen. Deshalb sind die unter 4.2 und 4.3 aufgeführten Gruppierungen als vorläufig anzusehen.

Das zweite Kriterium ist die Beschränkung auf den semantischen Be¬

reich „Behältnisse". Diese Maßnahme hält die Auswahl an Möglichkeiten relativ gering und steigert die statistische Wahrscheinlichkeit, daß lautlich und morphologisch identische oder beinahe identische Wörter tatsächlich genetisch miteinander verwandt sind. Hierbei tritt allerdings ein weiteres Problem auf, denn semantische Verschiebungen können, analog zu den Lautverschiebungen, ebenfalls häufig nur schwer bestimmt werden. Solche Verschiebungen kommen bei Entlehnungsprozessen nicht selten vor. Bei der Beschränkung auf den semantischen Bereich „Behältnisse" fallen also

16 Vgl. aber die Arbeiten zum Afroasiatischen unter anderem von M. Cohen 1933,1.M.

Diakonoff 1965 sowie 1988.

17 P. Zima 1995, S. 76.

(8)

Wörter, die einem semantisch benachbarten Bereich entnommen wurden, um im Behältnisbereich einen neuen Begriff zu bezeichnen, heraus. Solche semantischen Erweiterungs- bzw. Verschiebungsprozesse können über Sprachgrenzen hinaus erfolgen. Ein Wort kann beispielsweise in der einen Sprache den Begriff „Vorratskammer" bezeichnen und in einer weiteren zu

„Topf zur Aufbewahrung von Getreide" mutiert sein. Es wird also langfristig nicht genügen, nur innerhalb eines semantischen Bereichs wie dem der Be¬

hältnisse zu vergleichen, sondern auch in semantisch benachbarten Gebieten zu suchen wie beispielsweise in „Wasser" („Wasserreservoir"), „Ackerbau"

(„Kornspeicher") usw. Mit einer Untersuchung der Lautverschiebungen und der semantischen Verschiebung würde ein wichtiges Vergleichskorpus erschlossen und die Dynamik von Sprache stärker zur Geltung kommen.

Ein zweites Problem besteht in der Konstruktion des „semantischen Be¬

reichs" oder „semantischen Feldes": Es ist generell problematisch, die Grenzen eines solchen Bereichs zu bestimmen, das heißt, den exklusiven Wortbestand des Bereichs zu definieren, abgesehen davon, daß ein solcher

immer das Konstrukt des analysierenden Betrachters ist.

Ein weiterer, methodologischer Schwachpunkt speziell beim Vergleich zwischen dem ägyptisch-koptischen und dem afrikanischen Material besteht in der unterschiedlichen chronologischen Einordnung der Korpora. Das ägyptisch-koptische Korpus besitzt eine chronologische Belegtiefe von meh¬

reren tausend Jahren, das afrikanische stammt meist aus Quellen des 19. und

20. Jahrhunderts. 18Schriftliche Quellen aus der Zeit davor fehlen. Es ist daher nicht klar, welchen chronologischen Tiefen diese afrikanischen Sprachen zu¬

zuordnen sind. Für das ägyptisch-koptische Sprachmaterial kommt hinzu, daß es sich einerseits bei der zugrundegelegten Lautgestalt der einzelnen Lexeme um Rekonstruktionen handelt, 19und daß auch hinsichtlich ihrer Se¬

mantik in einigen Fällen nicht von einem gesicherten detaillierten Wissens¬

stand ausgegangen werden kann. 20 Die afrikanischen Wörter geben dagegen den heutigen Sprachgebrauch und -zustand wieder. Diese chronologische

18 Auf diese Problematik hat unter anderem schon Vycichl 1966, S. 266, hingewiesen.

19 Zu den ägyptischen Lautverhältnissen und der Problematik um ihre Rekonstruk¬

tion vgl. die (in Teilen divergierenden) grundlegenden Darstellungen von W. Schen¬

kel 1990,F. Kammerzell 1994 und C. Peust 1999. Zu den im Rahmen dieser Studie zugrundegelegten ägyptischen Lautverhältnissenvgl. demnächstauch R. El-Sayed (in Vorbereitung).

20 Dies ist vornehmlichin dem beklagenswertenStand derägyptisch-koptischen Lexi¬

kologie und Lexikographie begründet(vgl. zum Beispieldie allgemeine Einschätzung von J. Osing 2003, S. 552). Die unseres Wissens jüngstenStudien zum Wortbereich „Behält¬

nisse" im Ägyptischensinddie von du Mesnil du Buisson und von Balcz, die beide aus der ersten Hälftedes 20. Jahrhunderts stammen.

(9)

Lücke sorgt natürlich für eine Verzerrung, da sich besonders hier die Wörter beider Korpora phonologisch auseinanderentwickelt haben dürften, was, wie schon erwähnt, die Identifizierung zumindest eines Teils der tatsächlichen Sprachverwandtschaft erschweren bzw. zum Teil unmöglich machen dürfte.

Auch Aussagen darüber, ob die Distribution eines Wortes über mehrere Sprachen hinweg genetisch bedingt oder Ergebnis einer großräumigen Ent¬

lehnung ist, dürften in Ermangelung adäquater Analysemethoden derzeit schwierig sein.

Der interdisziplinäre Aspekt des analytischen Teils besteht unter an¬

derem in der lautlichen Plausibilitätsprüfung der Vergleichspaare: Die ägyptisch-koptischen Lexeme bestehen bei vorkoptischen Belegen aus dem rekonstruierten Konsonantengerippe ohne Vokale. Wenn in afrikanischen Sprachen lautliche, morphologische und semantische Parallelen zu einem Wort im Ägyptisch-Koptischen gefunden wurden, wurden alle afrikani¬

schen Belege in der Vergleichsreihe aufgeführt.

4. Analyse 4.1 Vorbemerkung

Im folgenden werden die beiden Listen vorgestellt. Die erste (4.2) beinhaltet Vergleichsreihen mit Wörtern aus dem Ägyptisch-Koptischen und afrikani¬

schen Sprachen, die zweite Vergleichsreihen mit Wörtern aus afrikanischen Sprachen (4.3).

Viele der untersuchten afrikanischen Sprachen (zum Beispiel alle tschadi¬

schen Sprachen) setzen Tonhöhe als unterscheidendes Merkmal ein, sowohl lexikalisch als auch grammatisch. Die folgenden Wortbelege sind dennoch nicht mit tonalen Kennzeichnungen versehen. Zum einen haben einige Quellen auf diese Kennzeichnung verzichtet, zum anderen konnte für die hier verfolgten Untersuchungsziele kein Nutzen erkannt werden.

Sämtliche phonologischen Transkriptionen folgen den IPA-Standards.

Auf eine Wiedergabe der hieroglyphischen Schreibungen wurde verzichtet, stattdessen wird die graphische Form der ägyptischen Lexeme durch eine Transkription nach dem System des Wörterbuchs von Erman und Gra- po¥ vertreten. Ggfs. wird zusätzlich das koptische Lexem in koptischer

Schrift gegeben. Die afrikanischen Lexeme wurden Wörterbüchern und Grammatiken, auch kleineren Wortlisten und, seltener, unveröffentlichten Manuskripten entnommen. Bei nicht nachvollziehbaren Abweichungen von

den IPA-Standards wurden die Belege nach den Angaben des jeweiligen Wörterbucheintrages notiert.

(10)

4.2 Sprachhistorische Beziehungen zwischen dem Ägyptisch-Koptischen und nordostafrikanischen Sprachen

A lo K>1'ày"7'1'àyj etp yj • i\l/KIA>ï Z IA>i í^c 7 L.

Aäg Altägyptisch

ÄK Ägyptisch-Koptisch

BER Berber

EDE Takács: Etymological Dictionary of Egyptian 1999, 2001

KUSCH Kuschitisch

Mäg Mittelägyptisch

Näg Neuägyptisch

NIL Nilotisch

NISA Nilo-Saharanisch

OMO Omotisch

SEM Semitisch

TSCH Tschadisch

Wb Erman/Grapow: Wörterbuch der ägyptischen Sprache 1926-1953 1 <kd>, KOT

*/k ?_t ?/ ÄK Aäg. „Töpfe formen; bauen; bilden" WbV,72 8.

*/k ?_t ?/ ÄK Näg „Topf" Wb V, 72 7.

*/k ? ot ?/ ÄK Kopt. „Korb" Crum, S. 127a

'Vkwacf-/ < /kwad-/ Westtschadisch „Kalebasse"

kwaefo TSCH Kirfi

ko do TSCH Kirfi „Kalebasse" („modernes Wort")

JUNGRAITHMAYR

u. Ibr 21

kwaefa TSCH Gera

'VnV-kwad-/ Zentraltschadisch „Flasche"

rjkoda TSCH Logone

Präfix *nV-

kwaef- < kwad- Osttschadisch „Topf"

koefa TSCH Dangla

kót TSCH Sayanci/Barawa „Kalebasse" COSPER

*/kod-/ „Lowland East Cushitic" „Gefäß"

qoda: KUSCH Oromo

k'o:do KUSCH Dahalo „lange, enge

Kalebasse"

Die Abkürzung bezieht sich aufH. Jungraithmayr/D. Ibriszimow 1994.

(11)

Wenn nicht anders vermerkt, sind die Belege dieser Reihe ein Zitat aus Orel/

Stolbova 1994, S. 343. Die phonologischen Transkriptionen wurden allerdings den IPA-Standards angeglichen.

Es ist fraglich, ob kopt. kot mit Näg. */k ?_t ?/ zusammenzustellen ist. Crum 1962, S. 127a und Vycichl 1983, S. 89b ordnen das Lexem unter die Wurzel „wen¬

den, umherstreifen" ein. Dennoch erscheint es wahrscheinlich, daß in kopt. kot mehrere Lexeme zusammengefallen sind.

2 <inht>

*/?_nh_t/ ÄK Näg „großes Gefäß für Bier" Wb I, 99 15.

inshsnte KUSCH Yaaku „hölzernes Gefäß" Heine 1975

3 < cn>

*/d_n/ ÄK Aäg „Art Gefäß o.ä." Wb I, 187 12.

cfan burgi: TSCH Hausa „Kalebasse" Bross u.

Baba

dana KUSCH Bedja „Kalebasse" Almkvist

dan, esin dan NISA Dongolawi „Wasserflasche aus Glas" Massenbach oder in Verbindung mit:

4p:n KUSCH Somali „Wassergefäß" Luling

4 <b?w>

*/b_w/ <**/b_r_ _w/ ÄK Näg „Art Gefäß für Medikament" Wb I, 418 7.

birow KUSCH Somali „metallene Kanne" Luling oder in Verbindung mit:

bu:ru NISA Kanembu „hölzerne Schüssel" Sani

Bura TSCH Hona „Kochtopf" Kraft

Bura TSCH Gude „Topf für das Filtern von

Flüssigkeiten" Hoskinson

bu:r TSCH Gaam „großer irdener Topf" Bender u. Ayre Vgl. auch die Zusammenstellung bei Takács, EDE, S. 52-53.

(12)

5 <bh> und (?) <ph>, b<\c

*/b_rs/ ÄK Mäg „Art Salbgefäß" Wb I, 423 4.

;7p_rs/ ÄK Mäg „Wassernäpfchen des

Schreibers" Wb I, 499 5.

*/bas/ ÄK Kopt. (S) Crum, S. 44b; Vycichl, S. 31b

bsr-ss NISA Ik „töpfern" Heine 1999

Problematisch bei der Zusammenstellung bleibt allerdings die Tatsache, daß ägyp¬

tische Salbgefäße in der Regel aus Stein und nicht aus Ton gefertigt waren. Vgl. auch die Zusammenstellung bei Takács, EDE, S. 87-88 und 399.

6 <bc>

*/b_d/ ÄK Aäg „Gefäße für Öl" Wb I, 446 5.

bo:da TSCH Bidiya „Kürbisflasche für Ol" Alio u.

Jungraithmayr

bu:ti KUSCH Afar „Kochtopf" Parker u. Hayward

bude KUSCH Sidamo „kleiner Kochtopf" Gasparini bo:d'e KUSCH Burji „irdener Tragebehälter für

Glut" Hudson

Vgl. auch die Zusammenstellung bei Takács, EDE, 151.

7 <mn>

*/m_n/ ÄK Mäg „Art Krug für

Wein, Bier, Ölu.ä" Wb II, 66 5.-10.

mun- TSCH Tsagu „töpfern" Skinner

muni ze-tokena TSCH Musgu „Töpferin" Lukas 1941 minni tirga gidelang TSCH Musgu „Töpferin" Lukas 1941

mu:no TSCH Bidiya „verzierter

Topf" Alio u.

Jungraithmayr

8 <mr>

*/m_l/ ÄK Aäg „Topf für Milch" Wb 11,105 18.

mala TSCH Ron-DafFo-But „Tasche" Jungraithmayr 1970 mal skwalle TSCH Kotoko „Töpfer" Mouchet

(13)

9 <nm>

;7n_m/ ÄK Näg „großes Gefäß zum Aufbewahren von

Gerste und von Getränk" Wb II, 264 14.-15.

nama TSCH Ngizim „töpfern" Skinner

10 <rmnt>

*/r_mn_/ ÄK Näg „Art Topf" Wb II, 420 15.

burumne TSCH Bidiya „Becken aus Ton" Alio u.

Jungraithmayr

Diese Reihe ist eher fraglich. Wenn überhaupt eine Verbindung zwischen dem ägyptisch-koptischen und tschadischen Lexem besteht, wäre zumindest zu be¬

denken, ob das Bidiya-Lexem nicht aus einem (tatsächlich so nicht belegten) kopt.

'prumne o. ä. (möglicherweise indirekt) entlehnt sein könnte, wobei in '"prumne das p als Artikel m.g. des Koptischen zu verstehen wäre. Das ägyptische Lexem selbst stellt ein Derivat zur Wurzel rmni „tragen" dar.

11 <kby>, <kb>, KHBi

*/k ?_b_y/ ÄK Näg „Gefäß für Flüssigkeiten" WbV, 117 10.-14.

*/ku:bi/ AK Mäg „Krug aus Ton oder Metall" Wb V, 25, 2.-6.

*/ke:bi/ ÄK Kopt (B) „Topf" Crum S. 99b; Vycichl

S. 71b

kube: TSCH Hausa „Schwert-, Messerscheide" Bross u.

Baba

gubbai TSCH Musgu „Eimer, Lederflasche" Lukas 1941 kubaya KUSCH Bedja „Flasche, Trinkbecher" Reinisch 1895

ko:b KUSCH Somali „Tasse" Luling

kub(p)e NISA Nubisch „Wassergefäß, Faß,

Tonne" Khalil

kube NISA Dongolawi „großer Krug,

Wasserkrug" Massenbach

kop NISA Kanembu „Trinkschüssel" Sani köb-i NISA Bari „flacher Korb um Getreide

zu schwingen" Spagnolo

Vycichl, S. 71b, lehnt eine Zusammenstellung mit dem Hebräischen bzw. Grie¬

chischen wohl richtigerweise ab. Im Bedja könnte es sich auch um eine rezente Entlehnung aus dem Ägyptisch-Arabischen handeln (< kubba:yd), vgl. Badawi und Hinds 1986, S. 730a.

(14)

12 <gnt>, <gngnt>

*/g_n_e/ ÄK Näg „Gefäß für Wein" WbV, 173 2.

;7g_ng_ne)/ ÄK Näg „Gefäß für Milch" WbV, 177 11.

gan KUSCH Awngi „Krug" Hetzron

ga:ni: KUSCH Oromo „großer Krug zum

Bierbrauen" T^TTTA/T AJJ1 1 11V1J\

gana KUSCH Sidamo „Behälter für Flüssigkeiten"

C^rA CDA T?T1\TT VJAjrAJxllN 1

gan SEM Harari „großer Krug" Leslau 1963

gäna ?3 SEM Tigré „großes Faß" Littmann u. Höfner gän SEM Gurage (Endengenñ-Dial.)

„Bierkrug" leslau 1,1979

gan SEM Gurage (Gogot-Dial.) „großer

Bierkrug" LESLAU I, 1979

Die Form ist noch in einigen anderen Dialekten des Gurag e vorhanden.

13 <hnm>

*/x_n_m/ ÄK Aäg „Steingefäß (für Salböl)" Wb III, 377 2.

haname SEM Tigré „geflochtene Trinkschüssel" Littmann u. Höfner

14 <ßb>

*/c_b/ ÄK Näg „Art Gefäß aus Metall, Stein, Ton

für Flüssigkeiten, Fleisch u. a." WbV, 354 1.-9.

gabi TSCH Ngamo „Kochtopf" Kraft

gabi TSCH Karekare „Kochtopf" Kraft

qabay KUSCH Somali „Art Gefäß aus Faserstoff" Luling

Ja:nbi KUSCH Somali „Wasserkrug" Luling

xa:be: KUSCH Oromo „Schüssel" BlTIMA

15 <ds>

*/ t

_jv

ÄK Aäg „Krug" WbV, 485 3.-15.

tija SEM Tigré „große hölzerne Schüssel" Littmann u. Höfner

(15)

16 <dwîw>

;7c ?_wj_w/ ÄK Aäg „Krug, Topf aus Ton besonders für Bier" Wb V, 551 6.-7.

tjweyo NISA Acholi „Töpfe formen" Savage

17 <pg)>

;7p_g_r/ ÄK Mäg „Schale, Napf (für Fleisch, Süßigkeiten,

Honig, Gemüse u. ä.)" Wb I, 563 2., 3.

bukur KUSCH Somali „kleines Gefäß" LULING

poKur NISA „hölzerner Napf" Ehret

Ehret hat die Quellsprache für seinen Beleg nicht angegeben, nur die Sprachfami¬

lie. Auch der Status des /K/ ist nicht klar.

4.3 Sprachhistorische Beziehungen zwischen nordostafrikanischen Sprachen ohne das Ägyptisch-Koptische

1

ßalli TSCH Pero „Kalebasse" Kraft

bilu TSCH Seya „großer Wassertopf" Kraft

je belle TSCH Bata-Bachama „Kalebasse" JUNGRAITHMAYR U. IbR.

bile mal yuil skolle TSCH Logone „Töpfer" Lukas 1936

belem TSCH Ndam „Wassertopf" Lukas 1937

biri TSCH Gabri „Wassertopf" Lukas 1937

birim TSCH Mbara „Sack" Tourneux et al.

bire KUSCH Somali „Melkgefäß" Luling

balle KUSCH Hadiyya „Schöpfeimer"

(„Lehnwort") Plazikowsky

baldi SEM Amharisch „Eimer" Leslau 1976

bele NISA Kanembu „Wasserkrug" Sani

2

6a:Ja TSCH Buli-Barawa „Kürbisflasche" Cosper

ßasa TSCH Lele „Topf" Weibegué u.

Palayer

basa, basarjg TSCH Gabri „Topf" Lukas 1937

bej NISA Nubisch „eine Art Tasse" Khalil beje NISA Dongolawi „Sagje-Krug zum

Wasserschöpfen" Massenbach

(16)

3

bu:ta: HTC/^TU T T___" J____„ \V7\, „ „ „. J ^.___. "

1b^ti riausa „irdener Wasserkrug Bross u. Baba

mbo:ta TSCH Gera „Kürbisflasche" Schuh

bu:ta: TSCH Jimi „Kürbisflasche für Wasser" Cosper bu:ta TSCH Sayanci „Kürbisflasche für Wasser" Cosper bu:ta TSCH Zul „Kürbisflasche für Wasser" Cosper Buta TSCH Ga anda „kleiner Wassertopf,

Kochtopf"

Kraft bu: ti KUSCH Afar „irdener Kochtopf" Parker u.

Hayward bo:ta, bota KUSCH Burji „größter Krug" Hudson

4

cfa TSCH Sura „Kalebasse" Kraft

cfa TSCH Chip „Kalebasse" Kraft

cfa,cfa: TSCH Goemai „Kalebasse" JUNGRAITHMAYR

u. Ibr.

da KUSCH Beja „Gefäß" Almkvist

5

daga TSCH Jimbin „Topf" Skinner

danga, dangi TSCH Miya „großer Wassertopf" Kraft; Skinner

cfaga TSCH Mburku „Topf" Skinner

danga TSCH Kariya „Topf" Skinner

danga TSCH Polci „große Kalebasse" Cosper

d aga KUSCH Burji „Topfgriff" Hudson

6

cfan burgi: TSCH Hausa „Kalebasse" Bross u.

Baba

dana KUSCH Beja „Kalebasse" Almkvist

dan, esin dan NISA Dongolawi „Wasserflasche aus Glas" Massenbach

(17)

7

tude TSCH Tangale „Krug" JUNGRAITHMAYR

1991 tut TSCH Angas „bestimmte Sorte von Kalebasse" FOULKES tot TSCH Buli-Barawa „Kochtopf (allgemein)" COSPER dudi TSCH Musgu „kleine Kalebasse",

„Lederbüchse" Lukas 1941

dut a TSCH Masa „Kalebasse" Kraft

tut NISA Majang „Topf" Bender 1983

dute, dute,

dude NISA Fur „irdener Topf" Jakobi

8

ga:le TSCH Kirfi „Kalebasse (altes Wort)" Schuh

ga:la TSCH Galambu „Kalebasse" JUNGRAITHMAYR U. IbR

gale TSCH Pero „kleiner Topf" Kraft; Frajzyngier galiyai, galiye TSCH Warji „Kalebasse" JUNGRAITHMAYR U. IBR

gali TSCH Mburku „Kalebasse" JUNGRAITHMAYR U. IBR

gali TSCH Kariya „Kalebasse" JUNGRAITHMAYR U. IBR

gal TSCH Buli „Kalebasse" COSPER

gali, ka:li TSCH Geji „Kürbisflasche",

„Wasserflasche" COSPER

ga:li TSCH Zul „Kalebasse" COSPER

dibet gar SEM Harari „Tintenfaß" Leslau 1963 galo NISA Nubisch „Wasserkrug" Khalil

gale, gala, galu NISA Dongolawi „großer Krug" Khalil

9

han TSCH Hurza „töpfern" Skinner

han TSCH Bata-Bachama „töpfern" Skinner

ha:n KUSCH Somali „Krug" LULING

ha:n KUSCH Rendille „großer Behälter für Wasser" PlLLINGTONGalboran U.

(18)

10

kasko: TSCH Hausa „Tonscherbe", „Wasserbehälter" Bross u. Baba

kosko NISA Kanembu „Tonscherbe" Sani

koskor NISA Kanuri „irdene Waschschüssel" Cyffer

11

ko:ko: TSCH Hausa „Kalebasse" Bross u. Baba kokway TSCH Matakam „Kalebasse" Kraft

koko NISA Ik/Kuliak „große Kürbisflasche" Heine 1999

12

koriya TSCH Gwandara „Kalebasse" Skinner koro, ?oro TSCH Kwami „Wasserbehälter" Leger ko:li TSCH Kwami „Sorte Kalebasse" Leger

kori TSCH Lamé „Kalebasse" Sachnine

qori: KUSCH Oromo „hölzerne Schüssel" BlTIMA kure KUSCH Sidamo „großer irdener Krug" Gasparini k'ore: KUSCH Burji „hölzerner Topf mit Griff" Hudson k'ore KUSCH Dullay-Gedeo „Holzteller" Hudson

kore KUSCH Ma'a „Topf" Besha

kure-n saki NISA Nubisch „Krug für gepreßte Datteln" Khalil

kore NISA Daju „Schüssel" Thelwall

13

nams TSCH Ngizim „töpfern" Skinner

haname SEM Tigré „geflochtene Trinkschüssel" Littmann u. Höfner

14

mun- TSCH Tsagu „töpfern" Skinner

mu:no TSCH Bidiya „kleiner verzierter Topf" Alio u. Jungraithmayr

(19)

15 masaki:i • Mr~l{-^ T T T T T7~ 11 CC

1SCH Hausa „Kalebasse Bross u.

Baba

sakaina: hri T T T T ~p~i TT" 1 1 CC

1SCH Hausa „rragment einer Kalebasse Bross u.

Baba

saks TSCH Dghwede „Kochtopf" Kraft

sakena KUSCH Bilin „Wasserkrug" Reinisch 1887

sakki NISA Nubisch „Tonschale" Khalil

sakki NISA Dongolawi „kleine Tonschüssel" Massenbach sakana NISA Masalit „Vorratstopf für Nahrung" Edgar sakan NISA Kanembu „Topf für rituelle Waschung" Sani

16

Jaka TSCH Fali-Kiria „Kochtopf" Kraft

Jaka TSCH Fali-Gili „Kochtopf" Kraft

Jaku TSCH Fali-Jilbu „kleiner Topf" Kraft

Jag rakua KUSCH Bilin „Nachttopf" Reinisch 1887

17

Jäte KUSCH Sidamo „große irdene Schüssel" Gasparini Jate'e, Jäte KUSCH Hadiyya „spezieller Topf" Plazikowsky Jadd'e KUSCH Dullay- Golango

„Kalebassenhalbschale" Amborn et al.

Jadd'e KUSCH Dullay-Dobase

„Kalebassenhalbschale" Amborn et al.

Jato OMO Kefa „Gefäß" Reinisch 1888

Jatto OMO Mocha „irdener Korb als Eßgeschirr" Leslau 1959

18

si:ne KUSCH Sidamo „Tasse" Hudson

si:na KUSCH Hadiyya „Tasse" Hudson

si:ni-ta KUSCH Kambata „Tasse" Hudson

sini KUSCH Burji „Tasse" Hudson

si:ne KUSCH Dullay-Gedeo „Tasse" Hudson

sini, S3ni SEM Amharisch „Tasse" Leslau 1976

(20)

19

sintali: TSCH Hausa „Krug für Waschung" Bross u.

Baba

sendel NISA Kanembu „irdener Topf für rituelle Waschung" Sani santal NISA Kanuri „Krug für Waschung" Cyffer

20

takari TSCH Siri „großer Biertopf" Skinner

taker TSCH Mofu „großer Krug zur Wasseraufbewahrung" Barreteau

ateker NIL Turkana „Wassertrog" Barrett

21

tüm TSCH Angas „neue, ungebrauchte Kalebasse" Foulkes

ntim TSCH Margi „Kochtopf" Kraft

timu TSCH Hildi „Kochtopf" Kraft

tim TSCH Mesme „Kalebasse" Kraft

time NISA Nubisch „Flaschenkürbis" Khalil

22

torn TSCH Kilba „Kochtopf" Kraft

dom a NISA Ik/Kuliak „Topf" Lamberti

23

tuli TSCH Karekare „großer Wassertopf" Kraft tul TSCH Angas „kleiner Wassertopf" Kraft nduli TSCH Siri „großer Biertopf" Skinner ndul TSCH Kariya „großer Biertopf" Skinner dula TSCH Geji „großer Wassertopf" Kraft

to:lo TSCH Mokulu „Wassertopf" JUNGRAITHMAYR 1990

tulu TSCH Sokoro „Wassertopf" Lukas 1937

toi TSCH Masa „Wassertopf" Lukas 1937

tola KUSCH West-Agaw „kleine irdene Vase" Rossini

dulo: KUSCH Oromo „Flasche" Bitima

Mola NISA Gumuz „Eimer" Uzar

edula NIL Karimojong „Kornspeicher" COMBONI edula NIL Turkana „Kornspeicher" Barrett

(21)

5. Historische Interpretation der Daten

Zunächst einmal hat der Vergleich zwischen dem Altägyptisch-Koptischen und afrikanischen Sprachen, gemessen an dem gesamten Wortbestand die¬

ses semantischen Feldes, relativ wenige plausible Vergleichsreihen erbracht.

Dies kann eine sprachhistorische Tatsache sein, kann aber auch am Alter der Beziehungen liegen oder an den Lücken im Material. Die wenigen Hinweise

auf eine sprachhistorische Verbindung ergeben folgendes Bild: Plausible Beziehungen konnten besonders zwischen dem Ägyptisch-Koptischen und den afrikanischen Sprachen südlich davon ermittelt werden. Plausibel sind diese Verbindungen in zweierlei Hinsicht: Zum einen passen die Wör¬

ter lautlich zueinander und zum anderen sind hier häufiger Wortstämme zu finden, die aus mehr als zwei Silben bestehen. Diese Wortstämme sind beweiskräftiger als ein- oder zweisilbige, die wesentlich häufiger eine zu¬

fällige Ähnlichkeit aufweisen können. Obwohl davon ausgegangen werden kann, daß hier das Materialungleichgewicht das Ergebnis beeinflußt, sind relativ häufig lautliche Parallelen zwischen dem Ägyptisch-Koptischen und dem semitischen Tigré festzustellen (Vergleichsreihen 12, 13 und 15). Auch Verbindungen zu nilosaharanischen Sprachen sind vereinzelt zu beobachten,

genauso wie zum ostkuschitischen Somali (Vergleichsreihen 3, 4,11,14 und 17). Reihe 4 erscheint in diesem Zusammenhang besonders aussagekräftig.

Andere kuschitische Sprachen treten relativ selten in diesen Vergleichsreihen auf, obwohl diese Sprachen insgesamt gut belegt sind, mindestens so gut wie das Somali. Verbindungen deuten sich auch in Richtung der wesentlich weiter südlich gelegenen nilotischen Sprachen an. Dabei spielen sowohl die

ostnilotischen Sprachen Karimojong und Bari sowie das westnilotische Acholi eine Rolle (Reihen 5, 11 und 16). Diese Sprachen, obwohl zwei ver¬

schiedenen Zweigen zugehörig, liegen alle im selben geographischen Areal, welches vom Turkana-See im Osten und vom Weißen Nil bzw. Albert-Nil im Westen begrenzt wird. Allerdings ist auch hier wieder anzumerken, daß bei den nilotischen Sprachen eine ungleichgewichtige Belegdichte an¬

zutreffen ist und sich bei nachfolgenden Studien der sprachgeographische Schwerpunkt verlagern bzw. verbreitern kann.

Es existiert in den Vergleichsreihen eine relativ große Anzahl von Belegen, die das Ägyptisch-Koptische mit den tschadischen Sprachen verbinden kön¬

nen. Diese Belege sind jedoch weniger beweiskräftig als diejenigen der bisher diskutierten Sprachgruppen. Es handelt sich hierbei meist um zwei- oder gar einsilbige Wörter. Im Kontext des gesamten Behältnis-Wortschatzes ist der Anteil dieser Entsprechungen aber gering: Es überwiegen bei weitem die Ter¬

mini, die durch areale Sprachbeeinflussung nach der räumlichen Trennung

(22)

des Tschadischen und des Ägyptisch-Koptischen entstanden sein müssen.

Darüber hinaus existiert ein kleiner Grundstock, der durch genetische Be¬

ziehungen erklärbar wäre. Denkbar ist auch eine Lehnbeziehung der beiden sprachgeographischen Eckpunkte nach ihrer Trennung. Tschadische Spra¬

chen und das Ägyptisch-Koptische sind die afroasiatischen Unterfamilien, die geographisch am weitesten entfernt voneinander liegen. Es fehlt aber lei¬

der jeder durchgängige sprachgeographische Beleg eines Ausbreitungsweges zwischen Ost (Ägyptisch-Koptisch) und West (Tschadisch). Dies liegt ent¬

weder an der mangelnden Belegdichte im Bereich der nilosaharanischen und kordofanischen Sprachen oder am Alter der Lehnbeziehungen.

Hinweise auf eine sprachhistorische Verbindung aufgrund des Töpferei¬

wortschatzes fehlen vollständig im Hinblick auf die heutigen Berber¬

sprachen, sei es durch genetische oder durch Lehnbeziehungen. Dies kann aber durchaus an der zur Verfügung stehenden, relativ schwachen Datenlage zum semantischen Bereich der „Behältnisse" für die Berbersprachen liegen.

Vergleicht man die Bedeutungen der untersuchten Wörter, sind eine Reihe von Parallelen, aber auch Unterschiede registrierbar. Das tschadische Wort bo:da „Kürbisflasche für Ol" (Bidiya, Reihe 6) weist nicht nur pho-

nologische Parallelen zu ÄK ;7b_d/ auf; letzteres hat auch eine vergleich¬

bare Bedeutung, nämlich „Gefäße für Ol". Gleichermaßen verhält sich ÄK

;7m_l/ „Milchtopf mit Trageschlinge" zu mala „Tasche" im tschadischen Ron-Daffo-But (Reihe 8).

Die Belege der Vergleichsreihe 11 für ÄK ;Vku:bi/ „Gefäß für Flüssig¬

keiten" weisen semantisch große Parallelen auf. Die Bedeutung fast aller afrikanischen Belege läßt sich mit „Gefäß für Flüssigkeiten" paraphrasieren.

Allerdings kursieren in dieser Vergleichsreihe mit kube: „Schwert-, Messer¬

scheide" im Hausa und köb-i „flacher Korb, um Getreide zu schwingen"

im Bari Bedeutungen, die wenig miteinander zu tun haben und für die der semantische Oberbegriff „Behältnis" eindeutig zu schwammig ist. Hier könnte es sich also auch um eine zufällige phonologische Ähnlichkeit han¬

deln. Bemerkenswerte phonologische und semantische Parallelen existieren aber wieder in der Vergleichsreihe 12 für ÄK ;Vg_ne/ „Gefäß für Wein", was an Belegen wie gan „Krug" (Awngi), garni: „großer Krug zum Bier¬

brauen" (Oromo), gana „Behälter für Flüssigkeiten" (Sidamo), gan „großer Krug" (Harari) und besonders gänd ?d „großes Faß" (Tigré) zu sehen ist.

Hier lassen sich die semantischen Parallelen als „Gefäße für alkoholische Getränke" paraphrasieren. Gleiches ist bei der Vergleichsreihe 17 für ÄK

*/p_g_r/ „Schale" bzw. „Napf für Lebensmittel" zu beobachten, das seine afrikanische phonologische und semantische Entsprechung in bukur „klei¬

nes Gefäß" (Somali) und „poKur" „hölzerner Napf" 22 hat.

(23)

Von diesen Parallelen abgesehen ist für viele Vergleichsreihen die Fest¬

stellung semantischer Parallelen aus mehreren Gründen schwierig. Zum einen sind die semantischen Bedeutungen der Wörter zu unbestimmt. Ein Beispiel hierfür ist die Vergleichsreihe 14 für ÄK ;7ca:b/. Die Bedeutungs¬

angabe „Gefäß aus Metall, Stein, Ton" kann oder kann nicht mit ca:bi:

„irdenes Gefäß" (Oromo) übereinstimmen. Zum anderen liegen, wie schon gesehen, bestimmte Bedeutungen innerhalb der Reihen auseinander. In der Vergleichsreihe 13 für ÄK ;7x_n_m/ „Steingefäß für Salböl" ist die afrika¬

nische Entsprechung hdndme „geflochtene Trinkschüssel" (Tigré) phonolo- gisch sehr plausibel. Semantisch aber lassen sich beide nicht ohne weiteres aufeinander beziehen (obwohl eine semantische Verschiebung natürlich möglich ist). Die Gewichtung dieser Unterschiede im Verhältnis zu den phonologischen Parallelen ist bisher keineswegs klar.

Es gibt aber auch Fälle, in denen eine BedeutungsVerschiebung durchaus wahrscheinlich ist. Dies zeigt sich beispielsweise in der Vergleichsreihe 7 für

;7m_n/ „Krug für Flüssigkeit" und mun- „töpfern" (Tsagu) sowie muni ze- tokena „Töpferin" (Musgu). Nimmt man die Bedeutung „Topf" als die se¬

mantisch jüngere Form an, die sich aus „töpfern" entwickelte, repräsentiert das tschadische Wort den älteren Sprachzustand. Dieser Unterschied kann sowohl durch Entlehnung aus dem Tschadischen ins Ägyptisch-Koptische hervorgerufen worden sein, indem das Wort einen Bedeutungswandel entlang des geographischen Diffusionsweges durchmachte als auch durch die eigenständige semantische Weiterentwicklung eines durch genetische Beziehungen bedingten gemeinsamen Wortes. Beides geschah dann nach

einer räumlichen Trennung. Allerdings existiert im Tschadischen muino

„verzierter Topf" (Bidiya), so daß eine Bedeutungsverschiebung schon im tschadischen Sprachraum vorgegangen sein muß. Gleichartige semantische Verschiebungen zwischen Ägyptisch-Koptisch und Tschadisch könnten in

den Reihen 8 für ÄK ;7m_l/ „Milchtopf mit Trageschlinge" und mal skwalle

„Töpfer" (Kotoko) sowie 9 für ÄK ;7n_m/ „großes Gefäß für Gerste und Getränke" und ndmd „töpfern" (Ngizim) vorgegangen sein.

Auf der Grundlage des zweiten Korpus von Belegreihen lassen sich ein¬

deutige großräumige sprachhistorische Verbindungen zwischen den afrika¬

nischen Sprachen nachweisen.

Die phonologischen, morphologischen und semantischen Ubereinstim¬

mungen teils weit auseinanderliegender Sprachen sind dabei recht auffällig.

Dabei können häufig Verbindungen zwischen tschadischen und nilosahara- nischen (allerdings ohne nilotische Sprachen) sowie kuschitischen Sprachen

„Nilosaharanisch" (C. Ehret 1996, S. 26).

(24)

belegt werden. Hinweise auf eine Verbindung mit Berbersprachen sind (noch) nicht vorhanden; omotische und kordofanische Sprachen spielen ebenfalls keine Rolle. Es ist zu vermuten, daß auch bei diesem Befund feh¬

lendes Sprachmaterial eine Rolle gespielt hat.

Grundsätzlich wurde auch bei der Konstruktion dieser Vergleichsreihen außer der semantischen die jeweilige lautliche Ubereinstimmung zugrunde gelegt, weil regelmäßige Lautverschiebungsprozesse wegen der vergleichs¬

weise geringen Anzahl von Belegen nicht erfaßt werden konnten. Dies wirft bei der Bewertung der lautlichen Plausibilität Probleme auf. Beispielsweise ist nur schwer zu beurteilen, wie der recht häufige Wechsel zwischen Stimm- haftig- und Stimmlosigkeit zustandekommt, beispielsweise in Reihe 7 bei Belegen wie tude „Krug" (Tangale) und dudi „kleine Kalebasse" (Musgu), also tschadischen Sprachen, sowie tut „Topf" (Majang) und dute, dute, dude

„irdener Topf" (Fur) im Nilosaharanischen. Aber auch innerhalb der Sprach¬

familien ist das Prinzip der regelmäßigen Lautentsprechung nicht immer an¬

wendbar: Nach Jungraithmayr und Ibriszimow 23 sind die tschadischen Bestandteile in Reihe 5 im ersten Konsonanten unregelmäßig. Legt man ein

*d- zugrunde, müßte ein t- als erster Konsonant stehen, bei der Annahme von *cf überall cf- (bzw. d y- im Jimbin). Der häufig auftretende Velarnasal in Position C2 ist allerdings regelmäßig. Die Vergleichsreihe 23 bietet neben

der Pränasalierung und der Stimmhaftigkeit des nachfolgenden Konsonan¬

ten (nduli im Siri und ndul im Kariya) fréquente Wechsel des ersten Vokals (o oder u wie in tul, Angas und toi im Masa). Es ist nicht klar, ob letzteres Phänomen reine Vokalschattierungen sind. Eindeutig klar ist nur die Präfi-

gierung des Maskulin-Partikels e- vor edula in Karimojong und Turkana.

Trotz der ungelösten Fragen kann man auch aufgrund der zur Verfügung stehenden Materialien interessante historische Befunde herausarbeiten. Am markantesten sind die Beziehungen zwischen den afroasiatischen Unterfa¬

milien Kuschitisch und Tschadisch. Eine Reihe von sprachhistorischen Ver¬

bindungen sind schon für Termini des Feldbaus von Sommer 24 identifiziert worden. Beispiele im Hinblick auf „Behältnisse" sind in den Belegreihen 1 (ßalli und balle 25, biri und bire), 5 (daga und d'aga) und 9 (han und hairi) tax finden. Die beteiligten tschadischen Sprachen verteilen sich auf das gesamte tschadische Sprachgebiet, wobei ein eindeutiger Schwerpunkt auf Sprachen des Zweiges I26 liegt, weniger auf dem Zweig II, selten auf den Zweigen III und IV. Letzteres mag aber damit zusammenhängen, daß das lexikalische

23H. Jungraithmayr/D. Ibriszimow 1994, S. XXff.

24 G.Sommer 2001.

25 Zuerst wird das tschadische und dann das kuschitische Wort zitiert.

26 Diese Klassifikation wurde E. Wolff 1981, S.245f. entnommen.

(25)

Material für III und IV relativ mager ist. Auch die Sprachen des Zweiges II sind nur lückenhaft belegt. Dies bedeutet, daß die tschadischen Sprachen Nigerias besonders häufig an den Beziehungen beteiligt sind und daß diese Intensität nach Osten hin, also in Richtung der kuschitischen Sprachen, kon¬

tinuierlich abnimmt. Auf Seiten der kuschitischen Sprachen sind die Belege ebenfalls über das gesamte Sprachgebiet verstreut (Nord-, Zentral- und Ost- kuschitisch), sieht man einmal von den schlecht belegten südkuschitischen Sprachen und der ostkuschitischen Restsprache Yaaku ab.

Beziehungen zwischen Tschadisch, Kuschitisch und Nilosaharanisch sind interessanterweise belegt, wenn auch selten. Beispiele für die Beteili¬

gung letzterer Unterfamilie sind die Belegreihen 1 (bele - Kanembu), 6 (dan - Dongolawi), 12 (kure-n saki - Nubisch, kore - Daju), 15 (sakki - Dongolawi, sakana - Masalit, sakan - Kanembu) und 23 ( cdola - Gumuz). Exklusive historische Verbindungen zwischen den tschadischen und den nilosahara- nischen Sprachen sind dagegen recht häufig. Bei verbesserter Dokumen¬

tationslage mögen diese Beziehungen dann vielleicht noch andere Sprach¬

unterfamilien umfassen. Weniger interessant sind solche Beziehungen von tschadischen und nilosaharanischen Sprachen, die geographisch benachbart sind und bei denen rezente Lehnbeziehungen in Betracht gezogen werden müssen (wie in den Reihen 10 und 19 zwischen Hausa einerseits und Kanuri bzw. Kanembu andererseits). Allgemein weisen die Lehnbeziehungen zum Nilosaharanischen, vom Tschadischen aus gesehen, in zwei Richtungen.

Während beispielsweise die Vergleichsreihen 2, 8 und 21 alle das Nobiin und/oder das Dongolawi umfassen, also vom Tschadsee aus nach Nordosten reichen, weisen die Reihen 7 (zum Majang, wobei dieses nahe an die Sprach¬

gebiete des Kuschitischen heranreicht), 11 und 22 (beide zum Ik 27) sowie 20 (zum ostnilotischen Turkana) eine Richtung nach Südosten aus.

Beziehungen zwischen tschadischen Sprachen und semitischen Sprachen sind selten und nicht immer plausibel, omotische und kordofanische Spra¬

chen sind, wie schon erwähnt, nicht beteiligt, genausowenig Berbersprachen, obwohl einige von diesen gut dokumentiert sind.

Analysiert man die semantischen Aspekte des zur Verfügung stehenden Wortschatzes, lassen sich einige zusätzliche Erkenntnisse gewinnen: Die Wörter, die das Tschadische mit weiter östlich gelegenen nilosaharanischen

Sprachen sowie dem Kuschitischen gemein hat, bezeichnen meist „Behälter für Flüssigkeiten". Diese Flüssigkeit ist meist Wasser (ausgedrückt durch

„Kalebasse", „Wassertopf", „Schöpfeimer", „Vase", „Nachttopf" usw.). Be¬

hälter für andere Funktionen kommen erstaunlicherweise kaum vor, also

27 Hierbei sind beidesmal tschadische Sprachen aus dem ZweigII A beteiligt sowie das Hausa aus dem Zweig I A.

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