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Von der afrikanischen Ostliüste.

MitlheiluDgeo des Missionar Mrapf

— In Ihren Aursätzen in der Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft (Bd. 1.) haben mich zwei Gegenstände vorzüglich angezogen und mich zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Zuvörderst haben Sie mit wenigen Worten dem Reisewerke des Major Harris seine richtige Stelle angewiesen, und mit Recht das poetische Gewand desselben getadelt. Sie haben, ohne dass Sie mein persönliches Verhältniss zu Harris kannten, richtig gesehen, wenn Sie es aussprachen , dass in den Tagebüchern der Glanbensboten eigent¬

lich die Hauptsache von dem Werke des Major Harris schon enthalten sei.

Harris konnte bei der Abfassung seines Buches kanm mein gedrucktes Journal in den Händen baben , aber mein secbsmonatlieher Aufenthalt mit ihm in An- köber in Shoa brachte ihn in den Besitz beinahe von allem, was ich in Abes- sinien gesehen, beobachtet und aucb wohl aus Ludolf und neueren Reise- besehreibungen zusammengetragen batte. Er durfte in der That nur' meinen ibm mitgetheilten Thatsachen eine gerälligere Form geben, — und sein Buch war fertig. Wohl wissend, dass es Harris um litterarischen Ruhm zu thnn war, dazu stets von ibm und seiner ganzen Gesellschaft auf die freundlichste Weise behandelt, bot icb ihm alles dar, wiks ich wusste, und wo ich etwas nicht wusste , bedurfte es nur einer Frage bei den Eingebornen. Eine Dank¬

note von der Regierung zu Bombay war aucb Folge der Anerkennung, welche Harris meinen ihm geleisteten Diensten widmete. Während des Majors An¬

wesenheit in Shoa schrieb ich kein Journal nach London. Sie finden daher in meinem gedruckten Tagebuch auch nichts ans jener Zeit. Ich brauchte nicbt wegen Informationen zu geizen, und überliess sie daher lieber einem andern, der sie im Grunde doch besser verwenden konnte als ich. Merk¬

würdig aber ist, dass der englische Reisende Dr. Behe das Geheimniss offen¬

barte und in England erklärte , Harris habe seine Informationen hauptsächlich von mir. Es war freilich wahr, aber es that mir sebr leid, dass die Sache so plump der Oeffentlichkeit Bbergeben wurde. Beke und der französische Glücksritter Hocket thaten freilich dauelhe (alieno vitulo arare) auch, aber sie wussten die Sache besser zu verdecken.

Noch mehr aber wurde ich mit Freude errdllt, als ich wahrnahm, wie Sie Sich nicht scbenten, den Schmatz abessinischer Legenden u. s. w. zu durchwühlen. Ich gestehe , ieh habe es anch mehrere Male versucht , habe aber immer wieder den Math verloren, namentlich in dem Buche Henoch.

Sie verdienten es daher, Ihre Ausdauer und Mühe durcb einige Goldkörner

1) Diese inhaltreichen Mittheilungen sind einem Briefe unseres corre- spondireoden Mitgliedes, Herrn Missionars Kropf (Rabbai Empia, Wanika- Land, Ost-Afrika, v. 20. September 1846.) an Herrn Prof. Dr. v. Ewald entnommen. Wir geben den Brief, abgesehen von einigen Aoalassongen , voll¬

ständig, da es von Interesse ist, eine so gewichtige Stimme über den bier

behandelten Stoff zu hören. D. Red.

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Krapfs Mülheilungen von der afrikanischen Oslküsle, 311 beluhiil zu seheo. Endlich freule es mich nichl minder, zu sehen, wie Sie meine Millheilungen über die SunAtJi-Sprache so zu sagen unter Dach und Fach zu bringen wussten. Ihre Bemerkungen bestärklen mich aufs neue in der Ansicht , dass Missionare , wenn sie einmal auf das Feld der Wissen¬

schaft sieb einlassen, nichts besseres thun können, als wahre und klare That¬

sachen den Gelehrten in der Heimath zu übersenden und diesen die Verarbei¬

tung der rohen Stoffe zu überlassen. So sollen Wissenschaft und Mission sieb gegenseitig fördern. Man lasse die .Missionare getrost das Ziel ver¬

folgen , das sie zur Heidenbekehrung ans der Heimath in die Ferne getrieben hat ; man erwarte von ibnen keine besondern Leistungen der Wissenschaft — das können und dürfen sie nicht liefern, auch wenn sie das Talent und die Gabe hinlänglich hätten* —: aber man erwarte von ihnen, dass sie alles ge¬

wissenhaft mittbeilen, was um sie her vorgeht, was sie beobachten auf dem Boden , auf dem sie stehen , und was sie wahrnebmen in der Geschichte des

Volkes, unter dem sie wohnen. Aber man verlange nicht, dass sie ihre

werthvulle Zeit dazu anwenden , um eigentlich wissenschaftliche Forschungen anzustellen. Dies ist Sache der Gelehrten in der Heimath , deren Scbarfsinn nichts weiter braucht, als epirische Thatsachen vor sich zu haben. Auf der andern Seite ist es eben so wenig in der Ordnung, wenn der Missionar sieh über die Wissenschaft nicht freuen oder sich den Genuss versagen wollte zu sehen , wie der von ibm gelieferte Stoff ans den Händen des heimatblicfaen Gelehrten geordneter und in veredelter Gestalt zu ihm zurückkehrt. Kurz Wissenschaft und Mission sollen sich aufs innigste mit einander befreunden.

Es wird dies auch immer mehr nnd mehr geschehen. iXur muss die Wis^on- schafl eine christliche sein, wie aucb die Mission eine christliche sein soll. Kein Theil darf ferner den andern unbeachtet lassen oder ihm seine Dienste ent¬

ziehen , ohne mehr oder weniger sieb selbst zu schaden. Dasselbe gilt aucb vom Handel, nicht minder von der Politik. Selbstsucht nnd Vereinzelung müssen aus den menschlichen Bestrebungen schwinden , wenn sie gedeihen sollen. Freilich mnss die Mission zaerst anf ewige Dinge gerichtet sein und

dem Mensehen den Weg zu seiuem verlornen höchsten Gute zeigen , aber

sie muss dann auch in zweiter Linie die zeitliche oder sociale Seite des Mensehen ins Auge fassen , und da kann und soll sie dem christlichen Ge¬

lehrten, wie dem christlichen Kaufmanne u. s. w. dienen. Mit der Weckung ewiger Bedürfnisse erwachen auch erst die christlichen Bedürfnisse des mensch¬

lichen Leibes. .Diese hat der Handelsmann , der Civilisations-Mann vorzüglich zu befriedigen , und die christliche Politik ( denn nur vom Standpunkt des Cbristenthums aus kann es eine wahre Politik geben) soll alle jene Thätigkeiten gegen Gewaltlbat sehätzen. Darin liegt die Bedeutong des grossen Einflusses, welchen die Vorsehung den christlichen flächten gegeben hat. Nicht sollen sie zn selbstsüchtigen Eroberungen ihre Macht benutzen, sondern dazu, dass die Wahrheit in Religion, Kunst, Wissenschaft und Handel sich über die Welt ergiessen könne. Wie traurig, wenn der Missionar ein rohes Barbaren - volk aus seinem Schlummer erhoben hat und dann sehen mass, wie der sit¬

tenlose Handelsmann oder selbstsüchtige Politiker das scböne Werk wieder ins Stocken bringt! Ist dies nieht ein Verlust für die Religion, und gewiss auch für die Wissenschaft, für Handel nnd Politik selbst?

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312 Krapf s Millheilungen von der afrikanischen Oslküsle.

Wie sich die Mission von anderen Beslrebungen zeitlicher Art nicht trennen lasse , sehen wir besonders in Ostafrilia , wo wir einmal über dus andere um geschickte , fleissige und christlich gesinnte Handwerker und Acker¬

bauer geschrieben baben. Wir sehen es klar, dass wir neben und mit der Predigt unter diesen Völkern noch etwas anderes brauchen , um sie aus ihrem Todesschlaf aufzuwecken ; wir sehen ein , dass kleine christliche Kolonien im Verbände mit dem Missionar höchst nöthig wären, damit die Heiden nicbt nur die Macht der christlichen Gemeinschaft (die der einzelne Missionar auch Tdr sich so schmerzlich entbehrt) sehen , sondern damit sie auch die Segnungen erkennen , welche das Christenlhum nach seiner socialen Seite in seiner Be¬

gleitung hat. Und da wäre dann die Basis Tür Handel , Tür wissenschaftliche Forscher und selbst fur christliche Politiker gegeben. Es will mir nie recht gefallen , wenn man soviel von deutschem Handel nach aussen redet. Er kann sich oie aasdehnen , so lange er nichl von einer sichern Basis ausgehl und die Sachen nicht im Kleinen getrieben werden. Wie viele deutsche Missionare sind über alle Well hin verbreitet! Wie? wenn diese durch kleine christliche Kolonien unterstützt wnrden? Diese Kolonien würden Einfluss auf die Staaten der Eingebornen gewinnen , sie würden sich durch christliches Leben und christliche Sitten verschmelzen und ao von selbst alles das hervorrufen und rördern , was man so stürmisch und in der Eile sucht. So würde die christ¬

liche Mis^on zur christlichen Kolonie, und diese zum christlichen Handel, und dieser znr christliehen Politik Tubren — und wenn sich unser deutsches Volk zur natürHchen Ordnung der Dinge verstehen und nicbt zu hastig sein will, so wird es auch dazu gelangen, aber es muss dann ohne Selbstsucht erst das wahre Heil der Menschheit suchen. Denn nur wo die Selbstsucht aus allen Kreisen eines Volks verbannt ist, wo die Ehre Gottes, das wahre geistliche nnd ewige Wohl des Mensehen aufrichtig und fest in das Auge gefasst werden, kann ein Volk seiner kosmopolitischen Aufgabe genügen. Und wie viele wür¬

den schon jetzt in dieser trüben Zeil, wäre nur mehr vorgearbeitet, in der Heidenwelt eine sichere ZulluchtsslUltc linden > sclion jetzt Früchte zeitlicher Art crndten, hätte man früher in rechter Weise säen wollen?

Nun lassen Sie mich aber auf andere Gegenstände kommen, die für den Mann der W issenschaft von grösserem Interesse sein können.

1. Ich stimme ganz überein mit Herrn v. d. Gahelentz , welcher Bd. 1.

S. 2,38 IT. dieser Zeilschrift glaubt, dass ein Sprachstamm sich über Südafrika ausbreite. leb habe die Grammatiken nnd Wörterbücher einiger südafrikani¬

schen Sprachen durchgesehen (z. B. die Kaffir - Grammatik von Boyce, und ArchhelW Bechnana-Grammatik) und eine merkwürdige Uebereinstimmung ge¬

funden mit der Spraehfamilie der ostafrikanischen Stämme, so sehr, dass ich bei einer Revision meiner Suaheli-Grammatik viel Rücksieht auf jene Werke über das Südafrikanische nahm, um dadurcb von vorn herein mehr Harmonie in die Bearbeitung dieses Sprachstammes zu bringen. Ueber die Angola- oder Bunda-Sprache im Westen weiss ich noch wenig, aber es befremdet mich stets, wenn ich die Namen der Karle sehe, dass fast alle Wörter einen Suahili - Klang haben, ja selbst die Bedeutung derselben ganz Suahili ist.

Dies ist nicht der Fall mit dem Ländernamen Nigritien's, wo oifenhar ein anderer Sprachstamm vorherrscht.

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Kropfs MiUhoiluvficv nm der afrikanischen Oslküsle. 313

2. Ich wage noch nichts zu beslimraen über den Ursprung der Stämme, welche das Suahili-Idiom reden. So viel ist gewiss, dass ihre Sprache acht arrikanisrh , oder wenn man will, bamitisch ist, obwohl das semitische Ele¬

ment sieb an das hnmitisehe herangemacht hat. Mir scheint, wir müssen noch warten , bis einigen Rijisenden gelungen ist , Afrika zu durchkreuzen. Alles, was wir an den Küsten erfahren und beobachten , ist noch nicbt hinreichend, um wissenschaftliche Resultate zu gewinnen. Wir müssen besonders erst w issen , welche Spraehfamilie zwischen Nigritien nnd Abessinien vorherrschend ist , kurz die Sprachen von Ceniral-Afrika müssen erst bekannt geworden sein.

Ich hoffe, diese Kenntniss werde bald aus ihrem Dunkel hervortreten. Wir haben jetzt, wie Sie sogleich sehen werden, Oslafrika näher kennen gelernt, nnd wenigstens einen Flacbenraum von .600 englischen Meilen bereist. Der Schlüssel zum Innern i^t in unserer Hand , und es ist nur nocb Sache eines tinanciellen Bedenkens, ob unsere Gesellschaft 7 — 800 Thaler ausgeben und mir oder meinem tbeuern Freunde, Herrn Rebmnnn, gestatten will, eine Reise nach Uniamesi und von dort weiter nach den We"stküslcn zu machen, und so auf einmal alle Fragen des geheimnissvollen Innern zu lösen, soviel es auf einer Durchreise geschehen kann. Ich habe einen Suaheli gefunden, der behauptet, nur noeh 4 Tageroisen von der Westküste entfernt gewesen zu sein. Gewiss ist, dass er in Uniamesi war, wo gleichsam die Wasser¬

scheide der osl- und weslafrikanisriien Karawanen und ihrer Wege sich bildet.

Er behauptet, von Uniamesi aus in 50 Tagen nach dem Fluss Udshambarra gekommen zn sein, von wo ans man zu Wasser nn die wcslafrikanische Küste gehl. Dies ist offenbar der Kongo oder (weil die Reise zu Lande nördlich geht von Uniamesi aus) ein Theil des Niger. Wüsste ich gewiss, dass, wie ich in Sansibar hörte , ein guter Preis ausgesetzt worden sei fiir denjenigen , der Afrika zuerst durchkreuzt, so würde ieh meine Gesellschaft nicht in Anspruch nehmen. Ich verlange keinen Heller für mich selbst , wohl aber wünschte ich der Gesellschaft die grosse Ausgabe zu ersparen oder wenigstens zu ver¬

mindern, obwohl die Missionssachc wesentlich durch eine solche Reise ge- rördcrl würde, weil man nie eine Kette von Missionen über den Continent bin ziehen kann, so lange man seine Geographie nichl kennt. Ich bin eben desswegen in grossem Kampf mit mir selbst, ob ich vorher nach Europa gehen und diese Sache dort besprechen , oder ob ich ungefragt meinen Weg gehen soll. Das Letztere wäre wohl das Beslc , weil icb in Abessinien erfuhr, wie bei einer zweiten Reise naeh dem Lande, in dem man war, die Sachen gewöhnlich anders gehen. So balle ich im Sinne , von Ankober aus über Gurague nach Malinde hinabzusteigen, wollte aber warten, bis ich aus Egypten zurückkäme. Aber als icb zurückkam, war die Thüre nach Shoa verschlossen. Es gilt also auch hier: „was du thust, das thue hald". Ebe Sie diesen Brief erhalten , wird mein Entschluss gefasst sein. Aucb Tür den Fall, dass icb im nächsten Jabre , wie ich im Sinne habe, nach Europa gebe, wünschte ich wenigstens die Nachbarländer von Uniamesi kennen zu lernen.

3. Ich rüge einiges über die Länder hinzu , die wir im Laufe dieses Jahres besucht baben. Ueber die Wanika-StUmme , unler denen w ir an der Küste wohnen, habe ich Echon früher berichtet. Wir h.iben im Stamme Rabbai eine Hülle mit eigener Hand und grosser Mühe gebaut . haben eine Schule

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314 Ki apra Miuheilungen von dei afrikanischen Osikiisie,

angefaDgen, melirere Theile der lieil. Schrifl in die Waoika-Sprache über¬

setzt, und bereils das Evaiig. Lukas und den Heidelberger Katechismus, den ich übersetzte, aus der amerikanischeu Missionspresse in Bombay erbalten.

Ich habe Herrn Isenberg beauftragt, Ihnen ein E.xcinplar von letzterem Werke zu senden. Es gehl freilich alles sebr langsam und durcb Seh« ierigkeileu, .iber CS gebt doch mit Golles Hülfe immer etwas vorwärts. leb habe Ihnen früher bemerkt, dass die Waiiika sich iu il Stämme gclbcilt an der Küsk hinziehen von 3^ bis 4' oder 5° südlieh vom Erdgleieher. Die G südlichen Stämme heissen Badigo, die nürdlicben und nordö.slliehen heissen Wa Lupangu.

Ich habe erwähnt, dass die Waiiika (eigenllieh W üsteubewohner) kaum eiiu- rechte Vorstellung von einem bocbslen Wesen haben , und dass ihnen der Mulungu der siclitbare Himmel und zugleich (iiill isl. Natürlich bal ihr Umgang mit den Muhanimedanern ihneii das Dasein (iollcs etwas zum Bcwusst sein gebracht, aber solche Wanika, welche wonig mil jenen verkehren scheinen doeh zunächst un den sichtbaren .Mulungu zu denken. Dies isl ju aber üben das Eigculhüiuliche des Ileidenthuiiis , dass es theoretisch seinen Gott in die Well hereiiizicbl und das Sichtbare mil dem Unsichtbaren ver¬

wechselt, und dann praktisch ganz nur dem Sichibaren und Vergänglichen dient, wie dies bei den Wanika der Fall ist. Sie wollen nichts weiter von ihrem Mulungu als Hegen und Gesundheit. Sie beten zu ihm , nur um diese Dinge zu erhallen. Desto stärker tritt bei den Wanika die Furcht vor Gei Stern hervor. Die bösen Pejio und Sheitani spielen eine grosse Rolle. Sie zu versöhnen und zu verlreiben, werden Hühner, Scbaafe u. a. in. darge¬

bracht. Der Koma isl der Geist eines abgeschiedenen Menschen , welchen sie sich in der Nähe des Grabes oder in'der Luft denken. Es giebl gewisse Weiber (hysterische, wie ieb denke), welche bei iVachl plötzlich ein Geschrei

erheben und ausrufen, der Koma von diesem oder jenem Manne sei ihnen

erschienen und befehle seinen Verwandten auf Erden , sogleich ein Huhn oder .^chaaf am Grabe zu schlachten , was natürlich alsbald befolgt wird, km meisten greift aber der Miiniis« in ihr Leben ein. Dies ist ein hohles Stück Holz, das von einigen Männern getragen wird. Einer zieht an einem Seile hinten, worauf ein furchtbares Brummen onlsteht, von dein die Leute, die es nicht sehen dürfen, glauben, es sei ein wildes Thier im Walde, wo auch das Instrument aufgehoben wird. Nur die Häuptlinge wissen um das Geheim¬

niss desselben, und wer es sonst wagen würde, den Brummer anzusehen, wenn er in Procession durch die Strassen zieht, der würde hart gestraft.

Weiber, Kinder und Jünglinge müssen sich sogleich in ihre Häuser begeben und die Tbüren fest zuschliessen, wenn sie nicht zur Bezahlung einer Knh (6 — 7 Thaler) verurlbeilt werden wollen. ^Icin Freund und ieh haben uns aher diesen Aberglauben nichl gefallen lassen , sondern haben unser Haus geölfncl und die Procession angeschaut , und als die Häuptlinge Einsprache thaten, baben wir ihnen bezeugt, dass wir gekommen seien, die Finslerniss zu bestrafen und nicht noch zu bezahlen. Sie Wessen uns seitdem iu Frieden, and manche sehen es bereits ein, dass ihr Treiben ein Gott missrdlliges sein müsse, schon darum, weil während der Procession aller Verkehr unmöglich ist , und weil durch das Brummen des .Muansa Gott nichl bestimmt werden kann , ihnen Regen zu geben oder Krankheiten .ibzuw enden . sondern dass, da

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Krapf s Miuheilungen von der afrikanischen Oslküsle, 315

Gott ein Geist ist, er aucli innerlich im Geiste angerufen werden müsse.

Manche wären geneigt, die .Sache abzuschairen , aber es hängt, wie es seheint, der ganze Einiluss der Häuptlinge über das \'oIk an dem Muansa. Zudem giebt es aber immer eine tüchtige Schmauscrei , so oft der Muunsu aus dem Walde geholt wird. Es scheint auch, als ob sie damit die Pepo oder Dshinni der Araber verlreiben wollten. Inwendig haben wir d.is etwa 3 — 4 Fuss lange Stück Holz nicht sehen dürfen, Herr Relrnann glaubt aber, es sei hier der rohe Anfange zur Orgel wahrzunehmen. In der That wird es gezogen wie unsere Orgel. Es ist nichl glaubhaft, dass wir hinter das Geheimniss

völlig kommen können, bis die Wanika das Evangelium annehmen. Dann

werden sie das Instrument willig ausliefern und nach Europa in unsere Mis- sions-Musccn senden. In Gross-Rabbai (zu unterscheiden von Klein-Rabbai, wo wir wohnen) haben sie ein Kisnka (cmsukn beisst der Satan , Teufel, also Kisuka, mit dem Dcininutiva bildenden ki-, kleiner Teufel), d. h. Tcu- felsbild. Der Name wurde wohl von den Muliammedancrn gegeben. Dieses Bild haben die Rabbai erobert, als sie in Verbindung mit den Mombassia- nern die Portugisen von der Insel .Mombas verlrieben. Es war wahrschein¬

lich ein Heiligenbild. Die Wanika haben ihm ein Häuschen gebaut nnd

slellen es in besondern Nötben zur Schau aus. Sonst lindel sich kein Idol bei den Wanika oder anderen Stämmen, die wir kennen. So zeigt sieh also noch nach zwei Jahrhunderten , wie leicht und fest zugleich der Aberglaube in einer christlichen Kirche mit dem heidnischen sich verbindet.

Verbunden mit der abergläubischen Geislerfurcht ist die arge Sitte der W'anika, Kinder, welche mit Deformitäten des Leibes geboren werden, im W'alde zu erdrosseln, während der Muansa dazu spielt oder brummt. Dies geschah vor einigen Monaten. Wir haben ,iber den Häuptlingen das Sünd¬

liche dieser Cereinonic so stark ans Herz gelegt, dass sie versprachen, es solle künftig kein Kind dieser Art erdrosselt, sondern uns zur Erziehung übergeben werden. Doch ich wollte ja eigentlicb diesmal nicht von den Wanika reden, sondern von den neuen Ländern, dio wir im Laufe dieses Jahres besucht haben.

Sobald wir hier ein wenig ansässig und eingerichtet waren, auch unser Charakter und Bcrnfszwcck etwas besser verslanden wurde von den Einge¬

bornen , die anfangs viel V erdacht halten : so schien es uns Pflicht zu sein, unsern Blick auch auf andere Stämme zu richten , um so allmälig den Weg zu Missions-Niederlassiingen anzubahnen. Wir wagten es zuerst nur im Klei¬

nen. Herr Hchmann , mein Ihcurcr Milarbciler, machte im October 1847 eine Reise nacb Knilinro , clwa 30 Stunden von hier. Kadiaro isl ein einzeln stehender, etwa 5000 Fuss hoher Berg, der sich Ihurniarlig über die grosse Wildniss erhebt, die früher von den wilden Wakuafi-Släinmen bewohnt war.

Diese Wildniss \oll Waldung und hohem Grase beginnt an der .Meeresküste von etwa 44" südlich vom Erdgleicher, und zieht sich dann lief ins Innere von Afrika hinein. Da ist ebener Raum genug für Anlegung von Eisenbahnen, wenn einmal Afrika civilisiil sein wird. Auch das leisen findet sich in dieser Wildniss , wie ieb selbst gesehen habe auf meiner Reise natb l'samb.ira.

Diese Eisenbahnen werden dann den .Mangel eines grossen Flusses ersetzen, den Oslafrika in dieser llidilung haben sollte. Bebmami fand die Leute anf

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;}16 Krapfi MiUhiiluiKjen von der afrikanischen Oslküsle.

dem Kadiuro sehr gut gesinnt gegen ibn. Sie scheinen einen stillern und ruhigem Charakter zu haben , als die lärmenden Wanika. Auch widmen sie in grössern Dörfern zusammen, baben aber eben auch nur eine sehr lose Form von Rcpublicanismus , der es den Missionaren so schwer macht, sich anzusiedeln , weil man zu 6ebr den Betteleien der Einzelnen ausgesetzt ist und überhaupt wenig Schutz zu erwarten hat , während dies ganz anders ist in monarchischen Ländern, wo man nur der Freundschaft des Königs ver¬

sichert zu sein braucht. Die Sprache der Kadiaro-Leute hat grosse Verwandt¬

schaft mit der der Wanika. Doch scheiol es mir, ihre Väter müssen in ziemlicher Entfernung von denen der Wanika gelebt haben. Sie behaupten,

von Mnngea , einer Gegend im Norden, hergekommen zu sein. Rehmnnn

fand sie etwas stumpf, was icb aueh bemerkte an denen, welche ich hier sah. Die Kadiaro-Leule bringen nämlicb manche Handelsartikel an die Küste wie Elfenbein, ungeheuer grosse Kalabassen (aus grossen Kürbissen, die auf ihrem Berge wachsen), aromatische Sachen u. s. w. Sie scheinen noch aber¬

gläubischer zu sein als die Wanika, doch baben sie keinen Muansa and tödten die missgestalteten Kinder nicbt. Aucb sind sie nicht so dem Tranke ergeben wie die Wanika, weil sie keinen Palmwein haben, sondern nur ein Getränk aus Zuckerrohr bereiten, das sehr fade schmeckt. Das Zuckerrohr selbst ist von vorzüglicher Güte. Sonst leben sie von .Mais, WeUchkorn u. s. w. lleis pflanzen sie nicht. Sie haben die Sitte, die Eingeweide einer Ziege zu be¬

schauen, um zu erfahren, ob der Fremde Heil oder l'nbeil bringe. Auch sind sie sehr indifferent gegen die Todten, deren Schädel sie in einer Grube nahe beim Dorfe aufhäufen. Die Kadiaro-Leute werden oft überfallen von den Galla , sobald sie sich in die Niederungen herab wagen. Rehmann fand das Klima vortrefflich und die Aussiebt majestätisch.

Nachdem nun durch diese Reise so zu sagen unser Feldzag nach dem loncrn eröffnet war, namentlich nachdem wir gesehen halten, dass der Weg dnrch die Wüste (obwohl versperrt von tausend Dornen, denen man stets mit zerrissenen Kleidern Respect erweisen muss) praclicabel und ziemlich sicher sei , »0 entschlossen wir uns , die Stämme von Teita und Dshagga zum Ziel¬

punkt einer zweiten Reise zu machen.

Anfangs wollten wir mit einander gehen, aber es schien doch besser, dass einer von uns an der Küste auf unserer Station bleibe, zumal da die Suahili allerlei Kunstgriffe anwandten, die Reise zu hintreiben. So wurden wir einig, dass Rehmunn allein nach Dshagga gehen sollte, während ich zu Hause blieb. Es freute mich innig, einen solchen Mitarbeiter zu erhalten, der aucb afrikanischen Anstrengungen nicht auswich , und sich durch meine abessinischen Erfahrungen ermuntern liess.

So reiste er am 27. April dieses Jahres a1> , begleitet von 10 Mann, die seinen Reisebedarf tragen, da es bier keine Lastthiere giebt. Er machte den

Weg ganz zu Fuss. Sein Weg war west- und nordwestlich von Mombas.

Zaerst kam er an Kadiäro vorbei, ging dann nach Bora, wo er wieder ein hohes Gebirgsland fand, bewohnt von demselben Stamme, Teita genannt, den er anf Kadiaro traf. Von Burn batte er noch 3 starke Tagereisen bis Kilema, einer der vielen Dsbagga-Stämme , die früher von Einem Könige beherrscht wurden. So belaufen sich die effectiven Reisetage auf 9, was eine Entfernung

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Krapf s MiUhi'ilungen von der afrikanischen Oslküsle. 317

gifbt von clwa 90 SlanJen voa der Küsle landeiawarls. \'om Herzog in Kilema

wurde Rcbinnnn gut aulgcnommru. Der Häuptling Jedes Stammes heisst

Mnngi, was unserem Herzog entspricht. Sein Gebiet ist sehr klein, etw4 wie ein grosses würtembergisches Uberamt. Jeder Maogi hat sein Gebiet mit zwei Gräben umzogen, etwa tO Fuss tief und 8 Fuss breit. Es geschieht dies zum Schulze des Landes. Der Mnngi bat unumschränkte Macht und alle seine Leute Sind eigentlich seine Sklaven. Sie müssen ihn sogar fragen, wenn sie sich verheicathen wollen , was erst spät und bei völliger Reife des Jünglings und der Jungfrau geschieht, nicbt wie bei d^n Wanika, wo sie schon im 12. Jahre sich ein eben so junges Mädchen suchen oder eigentlich mit 4 Thälern von den Eltcru kaufen, welche Summe Geldes aber zurück¬

gegeben werden muss, wenn der Mann die Frau verlässt.* Die Dshagga- Leute sind sehr munter und verständig und würden Künste sebr sebnell ein¬

rühren , wenn man sie etwas lehren würde. Die Weiber sticken die kleinsten beads so niedlich in die Kleider, dass gelbst in Europa eine solche Stickerei ihnen Ehre macbeo würde. Da die Leute wenig Kleider von der Küste be¬

kommen können, so tragen sie bier Haute, lassen aber in Beziehung auf Anstand noch vieles zu wünschen übrig. Ihr Schaamgerühl ist sehr gering.

Ihre Sprache ist mit dem Suahili sehr nahe verwandt, und Rebmann fand die Wurzel von manchen Suahili - Wörtern , die ich noch uicht kannte. Es ist wirklich merkwürdig und bereitet dem Sprachforscher grosse Freude nnd Ge¬

nuss, wenn er die Bedeutungen der verschiedenen Dialekte vergleicht. So z. B. heissl ku tela in der Kaffir-Sprache „zu reden", im Suahili „zu strei- teti", weil das heftige uud laute Heden dieser Afrikaner dem Streiten gleicht und meist damit endet.

In Dshagga is.l viel Elfenbein , weil es in der grossen Wildniss, welche diese Länder umgiebt , sehr viele Elephanten und andere wilde Thiere (Rhi¬

noceros , Büffel u. s. w.) giebt , denen aueh Rebmann mehrfach begegnete.

Doch das Wichtigste was Rebmann in Dshagga sah, war der himmelhohe Berg Killt mandsharo , der mit ewigem Schnee bedeckt ist. Sollten Sie dies auch gUnben? Und doch ist es so. Die Suahili, welche den Schnee nicbt kennen, erzählten nns früher viel von diesem Berge und sagten , es sei lauter Silber auf dessen Gipfel, aber die Pepo oder üblen Geister wollten die Leute nieht hinaufsteigen lassen. Wir hielten natürlich dies Tür Aberglauben , dachten aber doch, es möchte irgend ein physisches Verhältniss demselben zu Grande liegen. Ich dachte an den sebr palpablen Sand in Arabien, wo man unter¬

sinken soll Allein das Geheimniss ist jetzt gelöst. Das Silber ist der Schnee, der in den Händen eines Suahili, der sieh „das weisse Ding" bringen Hess, zerschmolz, und die Pepo sind die Kälte, welche allerdings diese halb nackten Afrikaner tödten oder lähmen kann , wie sie denn sagen , dass der frühere König Rongau viele Leute auf den Berg geschickt habe , von denen nur einer zurückkam mit krummen Händen, die unbrauchbar wurden.

Rebmann konnte den Berg nicht besteigen, weil das Misstrauen des Her¬

zogs erweckt worden wäre. Man müsste nothwendig einige Zeit bei dem

1) S. V. Wrede im Journal of the Royal Geographical Society. \'ol. 14.

D. Red.

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318 Krapf s Millheilungen von der afrikanischen Oslküsle.

Mnngi wolinen, um seinen Verdacht binwegzurUumen. Dieser Schneeberg giebl denn auch das Wasser zu mehreren Flüssen, welche hier entspringen, z. B.

die Flüsse Gona und Lomi , welcher lelzlere unter den IVamen Pangani Sansibar gegenüber in die See gehl. Im Südosten vun Dshagga ist ein grosser See , der Ärinro heisst. Dort sind hauplsiichlich die Elephanten.

Einzelne huhe Berge erheben sieh noch über die grosse Wüste. Keh- mnnn erhielt den Orden des Mangi. Dieser schlacblele eine Ruh und wand ein Stückchen von der Haut um den Mittelfinger des Keisenden. Dadurch wurde dieser in dcji besonderen Schulz des Mangi aufgenommen , gleichsam zu seinem Sohn erkliirl, was sehr wichtig ist, weil man ohne den Mangi nicht ein und ausgehen kann.

Nachdem nTin Rebmann seine Reise glücklich vollendet hatte , so schien es uns wichtig auch den Südwesten (wenigstens wie ein Johannes vorberei¬

tend) mit der Botschaft des Evangeliums bekannt zu machen. So kam die Reihe nun an mich. Ich sehlug vor, von hier aus zu Lande zu gehen, weil ieh wusste, dass die listigen Suahili mir an der Küsle von Tanga nieht er¬

lauben würden , ins Innere vorzudringen. Ich wollte sie also in ihrer eigenen List fangen und von Innen heraus an ihre Küsle kommen. Diese stolzen Muhammedaner sind bisher unser llauplhinderniss gewesen, und hätte ich meine abessinischen Erfahrungen nichl gehabt, wäre ieh vielleicht muthlos geworden im ersten Jahre. Sic sind es, die für ihren Handel fürchten, wenn die Europäer ins Iniiere vordringen, wo die Eingebornen den Handel mit den Weissen gern sehen würden. Sie sind zugleich auch die grossen Sklaven¬

händler an der ostafrikanischen Küsle, und ihrem Treiben isl es beizumessen, dass sich zum Hohn europäischer Beslrebnngen der Menschenhandel , mit em¬

pörender Grausamkeit geübt, immer weiter unler den anwohnenden Stämmen, wie die Wanika und Wakamba , welche bisher Sklaven nichl hielten, ver¬

breitet.

Doch lussen Sie mich meine Reise nach Usambara ohne Verzug antreten.

Mein Weg führte mich zuerst 6 Tage lang nacb vielen l'inwegen und Ver¬

irrungen meines des Weges in dem dichten Walde unkundigen Führers durch die oben erwähnte menschenleere Wildniss, die ich glücklich überwand, ausser dass mein Esel verloren ging in Folge des Erschreckens vor einem Nashorn, dem wir im unwegsamen Dickicht unerwartet begegneten. Unser Weg war stets eben, aber sehr oft von Dornen versperrt und beschwerlich.

Auch fanden wir oft kein Wasser. Erst am Flusse Vmba kamen wir wieder zu Menschenhütten im Lande des Mongo-Stamines , der zu den Wadigo-Wa- nika gehört. Der Fluss Umba kommt von den nordöstlichen Gebirgen von Usambara. Aus demselben Lande kommen die Flüsse Emgambo and Emhtlu- musi, welche aUe ins Meer gehen. Nachdem w ir das Wadigo - Gebiet ver¬

lassen halten, kamen wir zum Stamm der Washinsi, welche dem König

Kmcri von Usambara unterworfen sind. An der .Grenze musste ich (wie in Shoa) warten , bis die königl. Erlaubniss kam , dass ich Sr. Miyestät Land betreten dürfe. Ich fand bald , dass ich in einein monarchischen Lude war, wo viel Ordnung und Ruhe herrscht. Ich wurde nicht, wie bei des Wanika, von Bettlern geplagt. Die Tocbter des Königs , welche an der Grenze einen Distrikt beherrscht, bewirthelc mich gut. Sic ist verheirathet , hal aber das

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Kropfs nJiUheiluvgen von der afrikanischen Oslküsle. 319

Kegimcnl in iliron Ilünden. In ihrem Aeussern unlerscheidel sie sich wenig von den nndern Franen. Sie arbeitet eigenhändig in Gemeinschaft mit ihren

Sklavinnen. Nach langem Warten kam die ersehnte Erlaubniss und der

Tochlermann des Königs war beauftragt, den Emsunyu , d. h. Europäer, zu bringen. Er hatte noch keinen vorher gesehen, l'nser Weg wurde bald sehr steil und beschwerlich , nachdem wir das Niederland übersehritten hatten. E.«

ging nun Berg auf und ab, über .Stock «nd Stein. Zuerst stiegen wir etwa .1000 Fuss, WQ der Unterschied der Temperatur schon empfindlich rühlbar wurde, hinauf, dann sogleich eben so tief wieder hinab. Kurz ich fand, dass etwas Wahres an dem Namen von Vsamharn (in Kinika) oder Usambnla (in Kisambara) , oder Vsmnha (in Kisuahili) ist, wenn es nämlich Kriecherei heis.<>£n soll, vom Verbum tnmbn, oder in Kinika hambaJa , d. h. kriechen.

In der Thal kann man aucb nicht 10 .Minuten auf der Spitze eines Berges oder einem Bergrücken fortgeben, ohne schon wieder hinab zn müssen, und oft so steil , dass man genöthigt ist , an Gras und Gesträuch sich anzuhalten, auch wohl die Höhe, hinabzugleiten. Weder in Europa noch in Afrika habe icb ein solches Bergland gesehen. Das Hinabsteigen ist meist nur, um unten in der Tiefe über einen liach oder eine Ravine zu setzen. Wasser giebt es hier im Ueberfluss. Wasserfallc, Bäche, Sümpfe (wo namentlich Reis gut gedeiht), Wälder, kurz ulles verleiht dem Lande ein schweizerisches Aus¬

sehen. Oft war es empfindlich kalt, namentlich da, wo der Wind durch enge Thäler strich, und manchmal fand icb, dass das November-Wetter mich trübe stimmte, und ich wieder froh war, wenn die Sonne hinter den Wolken her¬

vortrat. Auf dem Wege labten wir uns oft am Zuckerrohr und l'isang. Von

beiden gieht es ganze Wälder, von denen der Reisende nehmen kann, so

viel ihm belieht. Einmal kamen wir durch einen Wald , der Millionen Thaler Werth wäre wegen des vielen Scbilfsbauholzes. Gerade, dicke Segelbäume vun 100 Fuss Höbe gab es in Menge in diesem Walde , der sich 4 Stunden weit erstreckte. Zehn Tage nacb unserer Abreise von der Grenze kamen wir in das schöne Kerengu - Thal , welehes die Provinzen Bondei nnd Usambara trennt. Dieses Thal ist olfen ge^n Süden nnd Norden, nnd da ist es allein, wo das Königreich Kmeri's angreifbar wäre. Ein Fluss strömt bindurch dem Pangani zu, der hier Luffu heisst, aber bei Dshagga Lomi genannt wird.

Endlieh erreichte icb die erste .Residenz , welche Fuga heisst, in welche ich aber nicbt hineingehen durfte, weil die Leute rürehteten, der Koma oder Pepo werde dnreh einen Fremden beunruhigt. Auch die Muhammedaner dürfen nur am Fusse des Berges sich aufhalten. Von Fuga kam ich nach Salla, der zweiten Residenz, wo ich dem Könige vorgestellt wurde. Er ist ein grosser, schöner Mann mit einem Löwenbliek. Seine Adresse ist : .Simba tea lHuene, d. h. der hötce ist Er selbst, im Gegensatz zu den Gouverneuren, den klei¬

nen Löwen auf ihren Löwenbergen. Die muhammedanische Partei sachte ihn gegen mich einzunehmen, aber er erklärte, dass ich sein Gast sei, den er schützen werde. Wäre das nicht gewesen, so wäre ich wohl schwerlich mit

dem Leben davon gekommen. Denu sein Wort ist: Leben oder Tod. Er

war geneigt , einen Missionar aufzunehnren , wollte aber Mechaniker oder Handwerker dabei haben, die ihn Misungu (Sing, msungu; d. h. Weisheit, Kunst, wovon wohl richtiger Emsungu, Plur. wasungu, d. h. dtr SiHropäer,

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320 Krapf's Millheilungen von der afrikanischen Oslküsle.

eigentlich der Weise, Kunstversliindiije abzuleiten ist, und nicht von Sunguka

— der Verkehrer, Ilerumstreifer , was auch grammatisch nicht wohl angebt) lehrten, was ich auch zusagte, im Fall meine Freunde in Europa damit ein¬

verstanden wären. Er wollte mir zum Abschied etwas Eirenbein und Sklaven geben , was ich «her ablehnte , weil ich nicht des Handels wegen za ibm ge¬

kommen sei, und Sklaven überhaupt nicht nehmen könnte. König Kmeri ist in der That ein König, und ist in vieler Hinsicht dem bigotten und bettel- baften König vun Shoa überlegen , mit dem er sonst manches gemein hat.

Verbrecher verkauft er mit Weib und Kind. Sehr grosse Verbrecher sollen über Felsen gestürzt werden, was icb aber nicht verbürgen kann. Seine Ab¬

gaben erhält er wie folgt : wer einen Elephanten tödtet , moss einen Zahn dem Könige geben; jede Familie giebt 10 .Mässchcn von Welscbkom , Mais, Reis u. s. w. ; eben so müssen Kühe, Scbaafe, Ziegen geliefert werden.

Sonst nimmt er, was ihm gefällt. Die Küsten - Gouv'erneure und Unterthanen liefern Kleider und überseeische Waaren , wie Flinten, Pulver a. s. w.

Flinten sind erst hn Lande eingerührt , seitdem der europäische Handel in Sansibar besteht. Doch tragen die meisten Wasambara-Leute noch Bogen.

Seine 500 Weiber, die alle einen hesondern Berg bewohnen, wo sie ihre Hütten und Plantagen haben, verzehren viel von seinen Einkünften durch Kleidung, Schmuck u. s. w. , obwohl sie wenig besonderes baben. Kmeri soll über zweihundert Kinder gezeugt haben. Gegen 50 derselben haben Dislricts-RegieruDgen. Er schliesst seine Kinder nicht ein , wie der Monarch von Shoa. Aber wenn er stirbt, müssen sie alle abtreten nnd den Kindern des neuen Kmeri Platz machen. Die Herrscherwürde ist erblich. Der Kron¬

prinz oder älteste Sohn heisst Sebuke, so lange er Kronprinz ist. Wenn der Vater stirbt, so wird der Scbuke ein Kmeri, d. b. .wohl überhaupt Gebieter, wenn das Wort nicht von ku inera =z wachsen abzuleiten ist. Kmeri herrscht weithin , und batte früher noch mehr Land , aber die WasegOa-SliiniiDe im Süden, welche von Sansibar aus Flinten sieb kaufen konnten, fielen ab, auch ein Theil von Upari im Westen hat sich getrennt. Der König fragte des¬

halb, ob icb keine Arznei w üssle gegen seine Feinde , gerade wie der Herzog von Kilema Herrn iteimnnn fri^gte, ob er nicht bewirken könnte, dass Löwen über seine Feinde, die Leute vom Dshagga-Stummc Murango , kämen.

Ich reifte nun auf einem andern Wege zurück und erreichte in 7 Tagen die Mündung des Pangani-Flusses , wo eine Stadt oder grosses Dorf gleiches Namens ist. Dia Soabili waren ganz verwirrt und konnten nicbt begreifen,

auf welchem Wege ich ins Innere gekommen sei. Sie hätten mich gern

verbindert, aber es war zn spät. Das Land war nun wenigstens Einem Euro¬

päer bekannt. Lasse man es ein Reiseaxiom in Afrika sein, immer von innen heraus nach aussen, d. h. nach einem gewissen Theile der Küste hin zu gelangen , wo listige .Muhammedaner den Reisenden verhindern könnten. Man umgehe sie, und stehe vor ihren Küstenthoren, ebe sie es gewahr werden.

Man bewege sie nicht durch Geld, sondern gehe lieber dureh Wüsten und auf grossen Umwegen. Vom Pangani-Flusse ging ich zur See nach Sansibar, um meine Freunde zu sehen. Von dort kam ich auf dem Boote eines Sohnes des Imäm schnell nach Mombas.

Ich habe meine und Herrn Rebmann s Reise nur sehr flüchtig beschrieben.

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Krapf s Miuheilungen von der afrikanischen Ostküste. 321 da ich hoffe, die vollständige Beschreibung (mein Reise - Journal allein um¬

fasst 90 Folio-Seiten) werde von unserer Gesellschaft in London veröffent¬

licht werden. Mein Angesicht steht nun stracks nach Uniamesi und dem west¬

lichen Afrika. Ob es Gottes Wille ist, diese lange, gefährliche und be¬

schwerliche Reise zu wagen, muss sich erst unter den Umständen herausstellen.

Ich denke aher, die Sache sei klar und ein Missionar habe sogar die Ver¬

pflichtung, diesen Weg zu machen, da die Suahili - Sprach'e ihn berähigt.

beinahe bis in den Westen ohne Dolmetscher von den grossen Thaten Gottes zu reden, die in Christo an der Menschheit und für sie geschehen sind. Das Kvangelium muss gepredigt werden in aller Welt. Da haben w'ii*.. ja elnen- Befchl Christi selbst und brauchen nicht erst auf einen besonderen zu warteo- Jetzt, da es selbst in Knropa schwierig werden könnte, zn reisen; gehen vielleicht die Pforten in Afrika auf.

Ueber die Zigeuner.

An die Gesellschaft hatte Hr. Dr. Mordtmann die Gefälligkeit von Cou- .stantinopel (den 18. Juli 1848) folgende .Mittbeilungeu gelangen zu lassen:

,,Die Zigeuner (türk. nSIX**. tschingane neugr. fii^roi , d. h.

Aeggpter) bilden, gleich allen andern religiösen Gemeinschaften, ein be¬

sonderes Jtf/7/cl (ki^X«), jedoch mit dem Unterschiede, dais sie bei der Pforte keinen Kiahja (Repräsentanten) haben, sondern lediglieh als esnaf

l'lor. von Zunft, welches jedoch im Türkischen, gleich

O^jl u. s. w., nur Singularbedeutung hat) angesehen werden, und als solche einen Kiahja haben. Dieser Kiahja heisst Londscha Baschi und wohnt im Quartier Aiwan Sarai, in der Nähe des ehemali|ten Blachernenpalastes.

Die Zahl der Zigeuner ist nicht einmal annähernd anzugeben , da ihre nomadischen Gewohnheiten jeder Statistik unUberwindbare Hindernisse ent¬

gegen setzen. Die hiesigen Zigeuner sind theils Mohammedaner, theils

Griechen, werden jedoch weder von den Mohammedanern noch von den

Griechen .ils volle Glaubensgenossen angesehen ; aucb würde kein Türke ein Zigeunermädcben heirathen oder vollends seine Tochter einem Zigeuner zur Frau geben ; die Griechen thuen es eben so wenig. Im hiesigen Sprach gebrauch haben die Zigeuner nur eine halbe Religion, welebe nicbt zu den spriehwörllieben 72 Religionen gehört. Aus derselben Ursache sind die Zigeuner, mohammedanische sowohl als griechische, der Kopfsteuer (^1^>^

unterworfen. Ihrer Beschäftigung nach zerfallen die Zigeuner' in folgende Zünfte: 1) Schmiede (^)La2»jXä,> dcmirdschiler). Diese sind nomadisirende Mohammedaner, und kommen nur zuweilen nach Konstantinopel; sie wohnen

1) Ein Wort, welehes hier Jedermann kennt, und in dem über alle Voi- stellung schlechten und mangelhaften Wörterbuche von BinncAi fehlt.

III. Bd. 21

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