e R D K U N D G
ARCHIV FÜR W I S S € N S C H A F T L I C H € C e O C R A P H i e
B 6 C R Ü N D 6 T VON CARL TROLL
Sonderdruck
F6RD. p Ü M M L S R S V6RLA0 • BONN
E R D K U N D E
FERD. DUMMLERS VERLAG/BONN
D A S M Ü N D U N G S G E B I E T D E R A H R I M S P Ä T - W Ü R M U N D H O L O Z Ä N M i t 8 A b b i l d u n g e n
K L A U S H E I N E
Summary: T h e area o f the A h r ri ver m o u t h d u r i n g the late W ü r m and H o l o c e n e .
Proceeding f r o m the recent m o r p h o d y n a m i c s i n the area o f the A h r river m o u t h a n d the geomorphological-sedimentological investigation o f the older l o w e r terrace a n d the y o u n g e r l o w e r terrace o f the R h i n e a n d A h r rivers it can be established that the transition f r o m periglacial t o H o l o c e n e processes o f river d y n a m i c s and the change i n the rivers' outlines already o c c u r r e d i n the early Bölling p e r i o d . Lesser " p e r i g l a c i a l " c o n d i t i o n s returned b r i e f l y d u r i n g the Y o u n g e r D r y a s p e r i o d . T h e most recent development o f the m o u t h o f the A h r d u r i n g the H o l o c e n e shows i n m o d e l fashion the changes f r o m a straight-flowing t o a braided river.
In jüngster Zeit ist das Interesse an der paläogeographi- schen R e k o n s t r u k t i o n der spätwürmzeitlichen und holozä- nen Flußniederungen sehr gewachsen ( B R U N N A C K E R 1978, K O Z A R S K I et al. 1977, M Ä C K E L 1969, R O S E et al. 1980). D a b e i standen verschiedene Probleme i m Vordergrund der Unter- suchungen, nämlich einerseits stratigraphische Gliederun- gen der Sedimente und andererseits paläogeographische Re- konstruktionen, die die Erscheinungsformen der Gerinne und deren Veränderungen, den Zeitpunkt dieser Verände- rungen und die Frage nach dem „wann" und „warum" v o n Erosion und A k k u m u l a t i o n i m Spät-Würm und Holozän betreffen.
Beobachtungen z u r spätwürmzeitlichen und holozänen E n t w i c k l u n g des Ahr-Mündungsgebietes ergeben einige i n - teressante Aspekte, die i m folgenden mitgeteilt werden. Aus- gehend v o n dem Flußgeschehen der beiden letzten Jahrhun- derte i m Ahrmündungsgebiet, das 1977 als Naturschutzge- biet ausgewiesen wurde, w i r d die spätwürmzeitliche Ent- w i c k l u n g skizziert; schließlich werden ein paar Gedanken angeführt, die das P r o b l e m der spätwürmzeitlichen K l i m a - schwankungen betreffen.
1. Die Ahrmündung seit 1800. AD
Es hat sich eingebürgert, Flüsse i n gestreckte, verzweigte und gewundene Läufe einzuteilen, ohne mit dieser Gliede- rung über das visuelle Bild hinaus bestimmte physikalische Prozesse gedanklich z u verbinden ( M A N G E L S D O R F & S C H E U - M A N N 1980).
Im R a h m e n der Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und v. Müffling wurde das Ahrmündungsgebiet von Ing. Geograph Boutinot i n den Jahren 1808/10 aufge- n o m m e n . A u s der Karte geht hervor, daß u m ca. 1800 die A h r ein verzweigtes (verwildertes) Rinnensystem besaß, daß
geringfügig i n die Sedimente der Jüngeren Niederterrasse (jNT) eingeschnitten war und durch Terrassenkanten gegen die Reste der Niederterrassen abgegrenzt wurde ( A b b . 1 u.2).
Im Ahrmündungsbereich waren größere Sand- und Kiesflä- chen ausgebildet. D i e A h r zeigte 1808/10 i m Unterlauf A b - schnitte mit verzweigten, gestreckten und verzweigt-gewun- denen Flußläufen. Mäanderbögen, die ein jungholozänes Alter haben, lassen erkennen, daß i m Ahrmündungsgebiet zeitweise auch ein stark gewundener Lauf vor 1800 A D exi- stierte.
Seit der A u f n a h m e durch Boutinot in den Jahren 1808/10 konnte die A h r i h r trichterförmiges Mündungsgebiet bis heute nicht mehr auf Kosten der älteren holozänen Ablage- rungen erweitern; Vergleiche v o n Karten und Luftbildern aus den Jahren 1932, 1954, 1967, 1972 und 1975 mit der Auf- nahme durch Boutinot zeigen einerseits, daß der Mündungs- bereich der A h r keine wesentlichen Veränderungen mehr i n dieser Zeit aufwies, und z u m anderen, daß der Fluß i m Mün- dungsbereich bestrebt war, trotz der wasserbaulichen Maß- nahmen die Verhältnisse wieder herzustellen, wie sie durch die A u f n a h m e v o n Boutinot dokumentiert sind.
Das Mündungsgebiet der A h r ist die einzige v o n insgesamt 42 deutschen Nebenflußmündungen des Rheins, die bislang von tiefgreifenden wasserbaulichen Veränderungen ver- schont geblieben ist (vgl. K R A U S E 1979).
Die geomorphologischen Veränderungen der Ahfmün- dung seit 1954 sind i n A b b i l d u n g 2 dargestellt. D i e topogra- phische A u f n a h m e v o n 1953/54 (Deutsche G r u n d k a r t e 1:5000, Blatt Dattenberg) zeigt einen teilweise korrigierten Fluß, der i m Mündungsbereich verschiedene Sand- und Kies- bänke abgelagert hatte u n d somit das Initialstadium eines ge- wundenen wie auch eines verzweigten Flusses verkörperte.
D a i n den folgenden Jahren keine bedeutenden wasserbau- lichen Maßnahmen vorgenommen wurden, konnte sich die E n t w i c k l u n g z u einem verzweigten (verwilderten) Flußsy- stem ungehindert fortsetzen (1967 i n A b b . 2). In den darauf folgenden Jahren streckte sich der Ahrmündungslauf wieder (1975). Das führte bei Hochwässern z u einem verstärkten Unterschneiden der U f e r (1975, Pfeil) und zur Bildung eines kleines Flußmäanders (1977). Ende 1977 wurde durch was- serbauliche Eingriffe eine weitere Ausweitung des kleinen Flußmäanders verhindert; durch einen D a m m b a u wurden annähernd die Verhältnisse v o n 1953/54 wieder hergestellt.
Diese Flußkorrekturen (Kiesdamm, errichtet am 05. 12.
1977) blieben jedoch wirkungslos, denn die nachfolgenden Hochwässer führten z u einer erneuten Anlage des Mäander-
bogens; daher wurde später in A n l e h n u n g an den Flußmäan- der eine Uferbefestigung aus Steinblöcken errichtet ( 2 5 . 0 2 . 1 9 8 1 in A b b . 2 ) .
Die E n t w i c k l u n g der Ahrmündung seit 1 9 5 4 i m Vergleich mit der Situation u m 1 8 0 8 / 1 0 ( A b b . 2) zeigt das Bestreben des Flusses, i m Mündungsbereich ein verzweigtes Gerinne zu bilden mit vielen Wasserläufen, die auseinanderstreben und wieder zusammenlaufen, die in Abhängigkeit v o n der Wasserführung ihre Gestalt ändern und die durch Kies- und Sandbänke getrennt werden, welche in dauerndem U m b a u begriffen sind. D i e Entstehung der verzweigten Gerinne i m Ahrmündungsgebiet ist auf die Erweiterung des Flußbettes zurückzuführen, w o d u r c h die Fließgeschwindigkeit des Wassers abnimmt; das wiederum führt zur A k k u m u l a t i o n mitgeführter Kiese und Sande. Es entstehen Flußverzwei- gungen in der A r t , wie sie v o n L E O P O L D & L A N G B E I N ( 1 9 6 6 ) beschrieben werden.
A m 0 5 . 10. 1 9 7 7 wurde das Ahrmündungsgebiet geomor- phologisch kartiert. D i e Situation ( A b b . 3) ist für den Fluß- lauf charakteristisch, wenn der Mensch nicht eingreift. Das belegt auch die Kartierung v o n Boutinot. W i r müssen davon ausgehen, daß die Ahrmündung während der letzten Jahr- hunderte ein ähnliches Aussehen gehabt hat, denn die Mün-
dungsarme sind ausschließlich i m relativ engen Gebiet z w i - schen den Niederterrassenkanten „gependelt". W e n n für das junge Naturschutzgebiet „Mündungsgebiet der A h r " die Verordnung lautet: „Schutzzweck ist die Erhaltung des Mündungsgebietes der A h r mit seinen Wasser-, Sand- und Schlammflächen einschließlich seiner artenreichen und be- sonderen Pflanzen- und Tiergesellschaften" ( K R A U S E 1979), so muß aus geomorphologischer Sicht betont werden, daß die E n t w i c k l u n g des Mündungsgebietes während der letzten Jahrhunderte gezeigt hat, daß man der Verordnung nur ge- recht werden kann - und damit auch der N a t u r - , wenn der Mensch jegliche wasserbaulichen Veränderungen unterläßt.
Damit würde sich ein Mündungsgebiet ausbilden, wie es u m 1 8 0 8 / 1 0 ( A b b . 2 ) b z w . am 0 5 . 10. 1 9 7 7 ( A b b . 3 ) bestanden hat. Geringe Uferunterschneidungen durch gewundene Ge- rinne müssen dabei akzeptiert werden. Es ist nicht möglich, natürliche oder naturnahe Verhältnisse der Gerinnebetten im Ahrmündungsgebiet durch begrenzte wasserbauliche Maßnahmen zu erreichen. Werden die Uferböschungen nicht befestigt, so w i r d i m m e r ein verzweigter und gewunde- ner Fluß entstehen, d. h . angrenzende Wiesen werden zeit- weise in das Flußbett mit einbezogen. Werden die Ufer- böschungen befestigt, so w i r d durch die künstliche E i n -
Abb. 2: D i e g e o m o r p h o l o g i s c h e E n t w i c k l u n g der A h r m ü n d u n g seit 1808/10 T h e g e o m o r p h o l o g i c a l development o f the A h r m o u t h since 1808/10
engung des Flußlaufes ein gestreckter Flußlauf entstehen, der seiner Natürlichkeit beraubt worden ist.
D i e Kies- u n d Sandbänke der Ahrmündung weisen eine verhältnismäßig regelmäßige Schrägschichtung auf ( A b b . 4).
Hochwässer können z u einer Reaktivierung der obersten Teile der schräggeschichteten Sedimentkörper führen. D e r Sedimentationstyp der holozänen Ahrmündungsablagerun- gen unterscheidet sich v o n den spätwürmzeitlichen Sedi- menten der Jüngeren Niederterrasse ( j N T ) u n d der Alteren Niederterrasse (äNT).
2. Die Ahrmündung im Spät-Würm
Während der letzten Eiszeit erfolgte die Aufschotterung der Alteren Niederterrasse (äNT). Zwischen Sinzig, K r i p p und Remagen verzahnen sich die Ahrschotter mit den Rhein- sedimenten. T H O S T E (1974) beschreibt die Sedimente u n d stratigraphische Stellung der ä N T . D i e Schotter der ä N T des Rheins u n d der A h r sind ± horizontal geschichtet ( A b b . 5).
A u s der Lagerung der Sedimente geht hervor, daß die han- genden Schichten der ä N T v o n schießendem Wasser eines periglazialen Flusses auf der gesamten Talbreite transportiert und akkumuliert wurden ( A b b . 4 u . 6a). Dies ist n u r mög- lich, wenn z u bestimmten Zeiten gewaltige Wassermassen
zur Verfügung stehen; i m ausklingenden Würm-Hochglazial darf aufgrund der sedimentologischen Befunde der obersten Schichten der ä N T mit einem starken frühsommerlichen Schmelzwasserangebot gerechnet werden.
Während am unteren Mittelrhein i m Bereich der A h r - mündung unter extrem-kaltzeitlichen Bedingungen die gro- ben Schotter- u n d Kiesbänke durch frühsommerliche Schmelzwasserfluten bewegt wurden, k a m es in der süd- lichen Niederrheinischen Bucht (nördlich v o n Bonn) infolge der Ausweitung der Talung zur Bildung v o n verwilderten Flußbetten, in denen Kies- und Sandbänke ausgebildet wa- ren, die nur selten ganz v o m Wasser überschwemmt wurden.
Daher ist flußabwärts eine Z u n a h m e der Schräg- und Kreuz- schichtung in den Ablagerungen der ä N T z u beobachten.
M i t Beginn der Böllingzeit (-13 000 B. P.) wurde die Auf- schotterung der äNT-Sedimente plötzlich durch eine Aue- lehmakkumulation abgelöst ( A b b . 5). Dieser Wechsel v o n Schottertransport zur Auelehmablagerung muß sehr schnell erfolgt sein. M i t der Auelehmbildung ist eine Erosion des Rheins und der A h r einhergegangen. D e r R h e i n befand sich zu dieser Zeit als gewundener, nicht mehr verzweigter Strom dort, w o er auch noch heute fließt. D i e A h r konnte - wie dies auch i m Holozän geschah - geringe Schotter- u n d Sandmen- gen z u m R h e i n transportieren; i h r Lauf war i m Mündungs- bereich verzweigt.
Kante bis 0,5m
Kante 0,5 -1,0m c Kante 1,0 - 2,0 m
Kante 1,0 - 2,0m, aktiv
Kante 1,0 - 2,0m,aktiv im Hochflutbett Kante >2,0m, aktiv im Hochflutbett Hochwasserrinne
H a u p t s t r ö m u n g
^Millili
Damm,anthropogen N e b e n s t r ö m u n g « c g ^ ^ U f e r b e^e s t" ' g u n g Geringe Wasserbewegung aus Steinen— B ä u m e im Wasser
Abb. 3: G e o m o r p h o l o g i s c h e D e t a i l k a r t i e r u n g der A h r m ü n d u n g am 5. O k t o b e r 1977
Detailed cartographic presentation o f the g e o m o r p h o l o g y o f the A h r m o u t h o n O c t o b e r 5th, 1977
Während dieser Erosionsphase, die mit dem Übergang von der Altesten Dryaszeit zur Böllingzeit begann und bis zur Wende Alleröd/Jüngere Dryaszeit andauerte, wurde i m Bereich des äNT-Restes südlich der Ahrmündung A u e l e h m v o m R h e i n akkumuliert. Nördlich der Ahrmündung fand keine Auelehmablagerung statt, da dort auf der ä N T die ver- zweigten Ahrmündungsgerinne dem R h e i n entgegenstreb- ten. Dabei hatte die A h r ihr Mündungsgebiet zeitweise bis nach Remagen ausgedehnt ( A b b . 6 b ) . Im gesamten Bereich
zwischen Sinzig, K r i p p u n d Remagen vermochte die A h r eine prä-Allerödzeitliche Auelehmablagerung z u verhin- dern. M i t der weiteren Tieferlegung des Rheinstromes wurde der äNT-Rest südlich der Ahrmündung i m m e r seltener v o m Hochwasser überflutet; eine Bodenbildung setzte dort auf den spätwürmzeitlichen A u e l e h m e n ein ( A b b . 5, Profil 1 ) , die bis zur Förderung der Meerboden- und Laacher See-Tuffe andauerte. Bis z u dieser Zeit, d . h . bis etwa 11 000 B . P . , wurde die ä N T nördlich der heutigen Ahrmündung v o n den ver-
zweigten Ahrläufen beherrscht, die teilweise die hangenden äNT-Sedimente erodierten.
U m 11 000 B . P. wurden die Laacher See-Tuffe gefördert.
A u f dem Rest der ä N T südlich der Ahrmündung wurde eine Abfolge v o n vulkanischen Aschen, Meerboden-Tuff, Haupt- britzbank, Laacher See-Tuffen u n d vulkanischen Aschen ausgebildet; die vulkanischen Ablagerungen wurden v o n Rheinhochwässern sedimentiert. Ihre Ablagerung erfolgte während einer kurzen Zeitspanne, denn zwischen den vulka- nischen Sedimenten befinden sich keine Auelehme. Im H a n - genden werden Tuffite mehr und mehr von A u e l e h m e n ab- gelöst.
Nördlich der heutigen Ahrmündung fehlen diese vulkani- schen Ablagerungen über den Schottern der ä N T ( A b b . 5, Profil 2); nur vereinzelt sind Linsen umgelagerter vulkani- scher Aschen unmittelbar den äNT-Schottern aufgelagert.
Bis zumindest k u r z nach der Laacher See-Eruption haben die Bedingungen i m Ahrmündungsgebiet geherrscht, wie sie i n A b b . 6b dargestellt sind. A u c h der Ubergang v o n der Tuffit- Ablagerung z u r Auelehmsedimentation über den Laacher See-Tuffen auf der ä N T südlich der Ahrmündung deutet dar- auf h i n , daß nach der Laacher See-Eruption nicht sofort der Ubergang zur Bildung der Jüngeren Niederterrasse erfolgte.
Die Aufschotterung der Jüngeren Niederterrasse ( j N T ) er- eignete sich i n der Jüngeren Dryaszeit (oder i n einem A b - schnitt der Jüngeren Dryaszeit). M i t der Ablagerung der jNT-Sedimente war die Phase der gewundenen Rheinläufe beendet. D i e j N T wurde v o n verzweigten (verwilderten) Ge- rinnen i m Rhein- und A h r t a l gebildet ( A b b . 4 und 6c). D i e Aufschotterung der j N T reichte bis z u m N i v e a u der ä N T - Oberfläche. Nördlich der heutigen Ahrmündung wurde die ä N T v o n der verwilderten A h r zur Zeit der A k k u m u l a t i o n der j N T zeitweise überströmt.
D i e Sedimente der j N T sind in der Regel hinsichtlich ihrer Korngröße feiner; sie sind meistens schräg- u n d kreuzge- schichtet ( A b b . 5, Profil 3); eine Parallelschichtung ist n u r südöstlich v o n Sinzig beobachtet worden ( A b b . 5, Profil 1), w o der Rheinlauf zur Zeit der A k k u m u l a t i o n der j N T recht eng war ( A b b . 6c) u n d daher eine höhere Strömungsge- schwindigkeit hatte. D i e Sedimentstrukturen der j N T bele- gen ( A b b . 4), daß die extrem-kaltzeitlichen Abflußverhält- nisse der Altesten Dryaszeit (Bildung der ä N T ) bei der Auf- schotterung der j N T während der Jüngeren Dryaszeit nicht mehr eintraten, sondern daß mit gemäßigt kaltzeitlichen A b - flußvorgängen gerechnet werden m u ß (vgl. M I A L L 1977).
Hervorzuheben ist, daß der R h e i n nicht mehr die gesamte Talsohle mit seinen verzweigten G e r i n n e n bedeckte, son- dern teilweise ein recht schmales Bett hatte. D i e A h r war da- gegen relativ wasser- und schuttreich, so daß sie den R h e i n gegen die östliche Talflanke drängen konnte. Dies mag ein G r u n d dafür gewesen sein, daß der äNT-Rest südlich v o n Sinzig nicht v o m verzweigten und während der Aufschotte- rung der j N T seitlich erodierenden R h e i n entfernt werden konnte. D i e hangenden Partien der j N T des Rheins bestehen aus wechsellagernden Sanden und Schluffen mit Bimslinsen (vgl. auch T H Ü S T E 1974). Vermutlich erodierte der R h e i n be- reits i n der Jüngeren Dryaszeit wieder geringfügig, so daß durch Hochwässer diese Wechsellagerung aus Sanden u n d
0 05 1 m
S c h r ä g s c h i c h t u n g : Rezente Sandbank der A h r m ü n d u n g
S c h r ä g s c h i c h t u n g : J ü n g e r e Niederterrasse des Rheins
O l m * Parallelschichtung: Ä l t e r e Niederterrasse des Rheins
S t r ö m u n g s r i c h t u n g
V"«!".*'
K i e s . - S a n d Abb. 4: S c h i c h t u n g s m e r k m a l e verschiedener Flußsedimente i mAhrmündungsgebiet. Oben: Schrägschichtung v o n Sanden, A h r - mündung am 5 . 1 0 . 1 9 7 7 . Mitte: Schrägschichtung der j N T - S e d i - mente des Rheins südlich v o n Remagen: die Sande u n d F e i n - bis M i t t e l k i e s e w u r d e n v o n einem verzweigten R h e i n l a u f transpor- tiert u n d sedimentiert. Unten: Parallelschichtung der äNT-Sedi- mente des R h e i n s südlich v o n S i n z i g ; die G r o b k i e s e u n d Sande w u r d e n v o n einem schießend a b k o m m e n d e n R h e i n transportiert u n d sedimentiert
Bedding features o f different river Sediments i n the area o f the A h r m o u t h . Above: cross-bedding o f sands at the A h r m o u t h , O c t o b e r 5th, 1977. Centre: cross-bedding of y o u n g e r l o w e r R h i n e terrace Sediments south o f Remagen; the sands, together w i t h small t o m e d i u m - s i z e d gravel, were transported and deposited b y a braided R h i n e river. Below: parallel stratification o f the older l o w e r terrace Sediments o f the R h i n e south o f S i n z i g ; the coarse gravels and sands were transported and deposited b y the unidirec- tional r a p i d f l o w o f the R h i n e
Schluffen außerhalb des verzweigten Gerinnebettes sedi- mentiert wurden. M i t dieser sich hier andeutenden Erosion in der Jüngeren Dryaszeit läßt sich auch die „Unterstufe der
Profil 1
W 66,6m ü b . N N
60 m
Auelehm Tu f fit und
-Vulkanische Aschen, fluviat geschichtet
-Laacher See - Tuff - Hauptbritzbank, umgelagert
Meerboden - Tuff Vulkanische Aschen -Bimslapilli
Vulkanische Aschen Allerödzeitlicher Boden Auelehm
Ältere Niederterrasse
Au e I e hm
iillllilll!li!!lll|llllllll!|l! toniger Schluff
°° Sand/Schluff
Jüngere Niederterrasse
w o i-
2
Profil 2
66,2 m üb.NN
Ahr-Schal '^^^^^'•Si^^^k^^ der äHT
•vulkanische Asche (Laacher See-Tuff)
N
Profil 3
62,0m üb.NN
i I I i 1 1 i ] 1 i I i M i i i i i 11 r Auelehm (sandig)
2J
Ah r sch otter ' j NT, schräggeschichtet
Erosionsdiskordanz
> Sand, schräggeschichtet äHT des Rheins '—Fe - Schwarten
Abb. 5: Ausgewählte P r o f i l e der Niederterrassen (zur Lage siehe A b b . 1). P r o f i l 1: ä N T u n d j N T südlich v o n Sinzig. P r o f i l 2: Bis z u m j N T - N i v e a u erodierte u n d v o n holozänen A u e l e h m e n bedeckte ä N T - S e d i m e n t e der A h r nördlich Sinzig. P r o f i l 3: äNT-Sedimente des R h e i n s (Liegendes) w u r d e n teilweise v o n der A h r erodiert u n d v o n j N T - A h r s e d i m e n t e n bedeckt; holozäne sandige H o c h f l u t b i l d u n g e n bedek- ken das P r o f i l südlich S i n z i g
Selected sections o f the l o w e r terraces (see F i g . 1 f o r site). Section 1: older and y o u n g e r l o w e r terrace south o f Sinzig; Section 2: older l o w e r terrace Sediments o f the A h r n o r t h o f S i n z i g , eroded d o w n t o the y o u n g e r l o w e r terrace level and covered b y f l o o d piain deposits.
Section 3: older l o w e r terrace Sediments o f the R h i n e ( u n d e r l y i n g Stratum), i n part eroded b y the A h r and subsequently covered b y y o u n g e r A h r Sediments; H o l o c e n e sandy, f l o o d piain deposits cover the section south o f S i n z i g
j N T " v o n T H Ü S T E (1974) in V e r b i n d u n g bringen, die zwar in der südlichen Niederrheinischen Bucht, nicht aber am unte- ren N i e d e r r h e i n v o n T H O S T E (1974) erkannt wurde.
Im Holozän hatte der Rhein einen gewundenen, nicht verzweigten Lauf, der i m Untersuchungsgebiet keine Fluß- verlagerungen zeigte. Es erfolgte eine geringe Erosion u n d A k k u m u l a t i o n der Hochflutbildungen auf der j N T , dem
N i v e a u der j N T und der „Unterstufe der j N T " . D i e A u e - lehme über dem j N T - N i v e a u außerhalb des Hochwasserbe- reichs ( A b b . 1) u n d über der teilweise erodierten ä N T west- lich v o n K r i p p sind z u m größten Teil erst während der letz- ten zwei Jahrtausende abgelagert worden; davon zeugen römische u n d poströmische Ziegel u n d H o l z k o h l e f u n d e in den Hochflutbildungen.
Abb. 6: D i e spätglaziale E n t w i c k l u n g der Niederterrassen i m Gebiet der A h r m ü n d u n g , a: Älteste Dryaszeit, A b l a g e r u n g der hangenden Schichten der ä N T d u r c h schießendes Wasser (Parallelschichtung), b : Bölling/Allerödzeit, E r o s i o n u n d A u e l e h m a b l a g e r u n g , c: Jüngere D r y a s z e i t , A b l a g e r u n g der j N T - S e d i m e n t e d u r c h verwilderte Flußläufe (Schrägschichtung)
T h e late glacial development of the l o w e r terraces in the area of the m o u t h of the A h r . a: the Oldest D r y a s p e r i o d , deposition of o v e r l y i n g strata o f the older l o w e r terrace b y rushing waters (parallel stratification). b : Bölling/Alleröd p e r i o d , erosion and deposition o f f l o o d piain deposits. c: Y o u n g e r D r y a s p e r i o d , deposits o f younger l o w e r terrace Sediments b y a braided river (cross-bedding)
In A b b i l d u n g 7 w i r d die Veränderung der Erscheinungs- formen des Flußgrundrisses schematisch für den R h e i n und die A h r i m Bereich der Ahrmündung dargestellt. D e r Uber- gang v o n dem verwilderten Flußsystem des späten Hochgla- zials z u einem gewundenen, nicht verzweigten Rheinlauf mit A u e l e h m a k k u m u l a t i o n bei gleichzeitiger geringer Ero- sion erfolgte bereits vor dem Alleröd, mindestens seit der Bölling-Klimaverbesserung. A b w e i c h e n d v o m R h e i n ver- hielt sich die Ahrmündung. - A u f g r u n d der sedimentologi- schen und geomorphologischen Befunde läßt sich die Altere Dryaszeit (ca. 12000 bis 11 800 B. P.) nicht nachweisen. D i e Jüngere Dryaszeit weist noch einmal für kurze Zeit perigla-
ziale Erscheinungsformen in der Flußmorphologie auf; ver- wilderte Gerinne und Schottertransport und -akkumulation sind charakteristisch. Indizien für einen Permafrost konnten in den jNT-Sedimenten des unteren Mittelrheins nicht ge- funden werden. - F ü r das Holozän ist ein gewundener Rheinlauf mit geringer Erosion bei gleichzeitiger H o c h f l u t - lehmbildung auf Terrassenresten typisch. D i e Hauptaue- lehmsedimentation i m Holozän scheint poströmisch z u sein.
3. Diskussion der Befunde
Aus der unterschiedlichen geomorphologischen und sedi- mentologischen Ausbildung der ä N T und der j N T i m Be- reich der Ahrmündung ( A b b . 4) muß gefolgert werden, daß die Faktoren, die zur Ausbildung v o n Flußterrassen führten, während der ausgehenden Hochglazialzeit (= A k k u m u l a t i o n der hangenden äNT-Sedimente) und der Jüngeren Dryaszeit
(= A k k u m u l a t i o n b z w . Bildung der j N T ) nicht gleich waren.
D a w i r davon ausgehen müssen, daß T e k t o n i k , Gesteine und Relief i m Stromgebiet des Rheins und seiner Nebenflüsse i m ausgehenden Hochglazial und in der Jüngeren Dryaszeit ver- gleichbar waren, kann die unterschiedliche Flußdynamik nur auf klimatische Faktoren und deren Einflüsse (z. B. auf die Vegetation) zurückgeführt werden. A u c h ist hervorzu- heben, daß die j N T des Rheins, die während der Jüngeren Dryaszeit entstand, keine analogen Bildungen an der Mittel- lahn ( H E I N E 1970, M Ä C K E L 1969), der M i t t e l m o s e l ( K R E M E R 1954) und dem unteren M a i n (SEMMEL 1972) hat.
Die Frage, w a r u m i m unteren Mittel- und südlichen N i e - derrheingebiet in der Jüngeren Dryaszeit ein eigenständiger Schotterkörper sedimentiert wurde, i n vielen anderen Tä- lern aber nicht, ist schon früher aufgeworfen worden (z. B.
S E M M E L 1972).
Eine Besonderheit der spätglazialen Flußmorphologie des unteren Mittelrheins und des Niederrheins ist die Bildung der j N T während der Jüngeren Dryaszeit. A u f g r u n d der Laa- cher See-Trachyttuffe, die in den Sedimenten der j N T einge- schlossen sind, kann die j N T in der Regel leicht v o n der ä N T unterschieden werden. D i e Laacher See-Tuffe erlauben dar- über hinaus in benachbarten Gebieten Aussagen über das M i - nimalalter der Aufschotterung der jüngsten Flußterrassen, die i m Mittellahntal ( H E I N E 1970) u n d i m unteren Mainge- biet (SEMMEL 1972) ein prä-Allerödzeitliches Alter haben.
Während an der Mittellahn und am unteren M a i n in der Jün- geren Dryaszeit keine eigenständigen Schotterkörper mehr abgelagert wurden, läßt sich für die untere A h r Schotter- transport in der Jüngeren Dryaszeit nachweisen.
Die ä N T des Rheins kann mit der Niederterrasse der M i t - tellahn und z. T . mit der Niederterrasse des unteren Mains
korreliert werden; i n allen Fällen handelt es sich u m A k k u - mulationskörper, die unter periglazialen Klimabedingungen sedimentiert wurden. Diese kaltzeitliche A k k u m u l a t i o n ist vor dem Alleröd bereits beendet. N u r am Mittel- und N i e - derrhein k a m es zur j N T - B i l d u n g . In verwilderten (ver- zweigten) Flüssen ist der Sedimenttransport größer als in mä- andrierenden Flüssen (vgl. S C H Ü M M 1979). In der Jüngeren Dryaszeit ist i m Rheinstromgebiet unterhalb des Mittelrhei- nischen Beckens genügend Material vorhanden (vor allem Laacher See-Tuffe, Kiese und Sande der ä N T etc.), so daß un- ter den Klimaverhältnissen der Jüngeren Tundrenzeit gerade
noch ein verwilderter Fluß entstehen konnte; in den N e b e n - flußtälern (Mosel, L a h n , Main) u n d am O b e r r h e i n war das nicht mehr möglich. D a m i t ist die Entstehung der j N T des Mittelrheins auf das Zusammentreffen v o n zwei Faktoren zurückzuführen: (1) Das große Angebot an Bimslapilli, Sand und Kies und (2) die Klimabedingungen der Jüngeren Dryas- zeit, die am Niederrhein zur Bildung der j N T führten, am Mittelrhein i n Verbindung mit dem Materialangebot die j N T - B i l d u n g ermöglichten, weiter südlich (d. h . stromauf) jedoch i n ihrer geomorphologischen Bedeutung für die Fluß- terrassenbildung keinen Einfluß mehr hatten.
Jahre x 1 0 ° 16 15 13 12 4 3
verzweigter Flußlauf gewundener <o j e w u n d e n e r F l u ß l
Schotter, parallel geschichtet
i I Schotter,
Kreuz - Schichtung
A u e I e h m A u e I e h m
llllllllllllllilllllllllllllllllllllllllll
A k k u m u l a t i o n
Erosion im Bereich des Flußbettes
IIIIIIM-
Akkumu • E r o s i o n im B e r e i c h d e s F l u ß b e t t e s
extrem- kaltzeitliche Bedingungen:
Schießendes Wasser besorgt Schottertransport und -akkumulation (während frühsommerlicher
Schneeschmelze) auf der gesamten
Talbreite
Interstadiale Bedingungen:
Auelehm- akkumulation
bei gelegentlichen
Hochwässern g e m ä ß i g t kaltzeit- liche B e - dingungen:
s t r ö m e n d e s Wasser be sorgt Schottel transport und -akkL mulation nur auf östlicher Talseite
Interglaziale Bedingungen:
Auelehmakkumulation bei gelegentlichen H o c h w ä s s e r n
verzweigter Flußlauf verzweigter z. T. gewundener!
gewundener bis gewunden- verzweigter F l u ß l a u f
Schotter, ± parallel geschichtet
Durchtransport von Schottern |
_!_
Auelehm- und Schotterakkumulation und Durchtransport
iimmmiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimi
A k k u m u l a t i o n
Erosion auf fast ganzer
Talbreite
geringe
Akkumu • Erosion in der Talmitte
extrem- kaltzeitliche Bedingungen:
Schießendes Wasser besorgt Schottertransport und -akkumulation auf der gesamten Talbreite
Interstadiale Bedingungen:
Durchtransport von Sedimenten
und Erosion (infolge Eintiefung
des Rheins) g e m ä ß i g t kaltzeitlich
starker Durch - transport
von Schottern
Interglaziale Bedingungen:
Durchtransport von Schottern,
geringe Auelehm-und Schotterakkumulation
Ä l t e s t e D r y a s z e i t (Hochglazial)
CD O: Q.
O c_
N
to
to 2 CD
H o l o z ä n (Post-glazial)
Abb. 7: Schema der g e o m o r p h o l o g i s c h - s e d i m e n t o l o g i s c h e n Veränderungen v o n R h e i n u n d A h r i m Ahrmündungsgebiet während des Ubergangs v o m ausgehenden H o c h g l a z i a l z u m H o l o z ä n
Schemata o f g e o m o r p h o l o g i c a l - s e d i m e n t o l o g i c a l changes o f the rivers R h i n e and A h r i n the confluence area d u r i n g the transition f r o m the close o f the high-glacial t o the H o l o c e n e p e r i o d
+ + +
Eisrand nach Andersen in:
Denton & Hughes 1981 Eisrand vermutet Eisstausee (im Winter und Frühjahr eisbedeckt) Küstenlinie
Markanter Eisvorstoß Eisbergbildung (z.T.nach Fillon et al. 1981 warme Meeresströme kalte Meeresströme Eisberg-Drift ohne wesentliches Abschmelzen
. — A — A — A -
- o — o — o ~ Auflösung der Eisberge
x
L
verzweigte Fluflläufe mit Sedimentkörper der Jüngeren Oryaszeit mäandrierende
Flußläufe Dünenbildung Lößakkumulation Palsa/ Thufur
Botanische Belege f ü r : nach
Fillon et al.
1981
• sehr markante Q markante O wenig markante o fehlende
Abb. 8: Paläogeographische Skizze für die Jüngere Dryaszeit mit A n g a b e einiger Paläoklimaindikatoren Palaeogeographical sketch o f the Y o u n g e r D r y a s p e r i o d w i t h data o n some palaeoclimatic indicators
Jüngere Dryas- zeitliche Temperatur- erniedrigung
Offene Tundra
J Juniperus E/A Empetrum-
Artemisia
A
;} (Wald-) Tundra
?
-* mit
B Betula PB Pinus-Betula BP Betula-Pinus
/ A A A A \ / ' A A A A A :
•'A A A A A ' "
Wald (in größeren
Höhen der Mittel-
gebirge :Tundra)
Die Tatsache, daß die j N T nicht an anderen Mittelgebirgs- flüssen vertreten ist, belegt eine regionale Differenzierung der A u s w i r k u n g e n der Jüngeren Dryaszeitlichen K l i m a - schwankung. Dafür sprechen auch andere Befunde: A m G i p - ping River in S u f f o l k / E n g l a n d sind während der Jüngeren Dryaszeit i m Oberlauf Erosion und i m Unterlauf A k k u m u - lation nachgewiesen; ein eigenständiger Schotterkörper aus der Jüngeren Dryaszeit existiert dort ( R O S E et al. 1980). In Polen wirkte sich die Jüngere Dryaszeit geomorphologisch- sedimentologisch (eigener Schotterkörper) in den Flußtälern nicht mehr aus ( K O Z A R S K I et al. 1977). A u f diese regionalen Unterschiede der Indizien für die Jüngere Dryaszeit deuten auch viele andere Beobachtungen ( M O O R E 1979). A m deut- lichsten ist die Jüngere Dryaszeit i m U m k r e i s der skandina- visch-schottischen Inlandeise durch sedimentologische und biologische Indikatoren z u erkennen und zu rekonstruieren.
M i t zunehmender Entfernung von Inlandeis-Resten werden die Indizien für die Jüngere Dryaszeit i m m e r schwächer; in den A l p e n gibt es nur noch geringe quantitative Änderungen der Flora während der Jüngeren Dryaszeit in Verbindung mit einigen Hinweisen auf vermehrte Erosion, während süd- lich der A l p e n i m Po-Tal keine Sedimentationsänderungen zu erkennen sind und die Jüngere Dryaszeit aufgrund v o n Pollenuntersuchungen kaum auszumachen ist ( M O O R E
1979). A u c h mit zunehmender Entfernung v o m Atlantik nach Osten verwischen sich die Belege für die Jüngere Dryas- zeit mehr und mehr, wobei in den Mittelgebirgen die perigla- zialen Zeugen der Jüngeren Dryaszeit weiter nach Süden und Osten reichen als in den Flußtälern und Niederungen. D e r lokale Charakter der Klimaschwankungen der Jüngeren Dryaszeit geht aus diesen geographischen Veränderungen der geomorphologischen, sedimentologischen und paläo- ökologischen Belege klar hervor. Darauf haben in anderem Zusammenhang bereits M E R C E R (1969) und H E I N E (1977) hingewiesen.
A b b i l d u n g 8 stellt einige ausgewählte Paläoklimaindikato- ren für die Jüngere Dryaszeit in E u r o p a dar. D e r untere M i t - telrhein und die A h r scheinen i m Ubergangsbereich v o m stärker periglazial beeinflußten Nordwest- und N o r d e u r o p a und dem weniger periglazial geprägten Mitteleuropa z u lie- gen. Während in den deutschen Mittelgebirgen - mit Aus- nahme der größeren Erhebungen - eine Waldvegetation auf- trat, war das nordwest- und nordosteuropäische Tiefland durch tundrenähnliche Vegetation charakterisiert. In diesem Zusammenhang w i r d deutlich, daß am G i p p i n g River in England und am unteren Mittelrhein eine „periglaziale" flu- viale Schotterakkumulation möglich waren, nicht jedoch an den anderen deutschen Mittelgebirgsflüssen und auch nicht in Polen (wegen der zunehmenden Kontinentalität).
4. Schlußbetrachtung
Ausgehend v o n der rezenten M o r p h o d y n a m i k i m Bereich der Ahrmündung und der geomorphologisch-sedimentolo- gischen Untersuchung der ä N T und der j N T i m Gebiet der Ahrmündung können folgende Ergebnisse herausgestellt werden:
(1) R h e i n und A h r zeigen verschiedene Erscheinungsfor- men des Flußgrundrisses. Diese Flußbett-Muster ändern sich in Abhängigkeit v o n den (klimatisch-gebundenen) U m w e l t - faktoren. Dabei fällt auf, daß sich R h e i n und A h r nicht iden- tisch verhalten.
(2) D i e ä N T tritt uns als charakteristische periglaziale Auf- schotterung sowohl am R h e i n als auch an der A h r entgegen.
(3) D i e geomorphologisch-sedimentologischen Befunde belegen einen Ubergang v o n periglazialen zu holozänen Pro- zessen bereits zu Beginn der Böllingzeit.
(4) D i e j N T ist als klimatisch bedingte Aufschotterung der Jüngeren Dryaszeit nur am unteren Mittelrhein und N i e - derrhein ausgebildet. D i e geomorphologisch-sedimentolo- gischen Befunde weisen auf einen kurzen „Rückfall" in peri- glaziale Verhältnisse, die jedoch nur das Niederrheingebiet und die Höhen der Mittelgebirge erfassen.
(5) D i e Arbeitsweise geomorphologischer Prozesse kann als eine Serie episodischer Materialverlagerungen angesehen werden, wobei Verzögerungen v o n der Materialaufberei- tung über den Materialtransport bis z u m Materialexport aus einem betreffenden Gebiet in R a u m und Zeit auftreten kön- nen ( D O U G L A S 1980), z. B. (a) Sandbänke der Ahrmündung, (b) A k k u m u l a t i o n der j N T i m unteren Mittelrheintal, (c) Bildung der ä N T b z w . der letzteiszeitlichen Niederterrassen europäischer Flüsse.
(6) A u s dem Vergleich der Rhein- und Ahrsedimente ( ä N T , j N T , holozäne Ablagerungen) ergibt sich die Sonder- stellung der jNT-Ablagerungen. Vergleichende Literaturaus- wertungen bestätigen den speziellen Klimacharakter der Jüngeren Dryaszeit sowie seine regionalen Veränderungen.
Nachtrag: N a c h Drucklegung des Aufsatzes wurde ich erst auf die Arbeit v o n E . BIBUS: „Zur Relief-, Boden- und Sedi- mententwicklung am unteren M i t t e l r h e i n " - Frankfurter G e o w . A r b . , S e r . D , B d . 1,1980 aufmerksam. B I B U S behandelt auf den Seiten 152-157 die Verhältnisse an der Ahrmündung.
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M i t 4 A b b i l d u n g e n u n d 1 Tabelle K L A U S R I C H T E R
Summary: O n the long-term r u n o f f b e h a v i o u r a n d its Con- t r o l l i n g mechanisms i n the periglacial region of C e n t r a l Iceland.
T h e existence of long-term h y d r o l o g i c a l r a w data material f o r Icelandic rivers offers the rare o p p o r t u n i t y o f i d e n t i f y i n g the h y d r o l o g i c a l c o n d i t i o n s o f glacial-periglacial river basins quanti- tatively a n d o f analysing t h e m as t o the v a r i a b i l i t y o f these c o n d i - tions. T h e present paper deals w i t h the long-term r u n o f f b e h a v i o u r (1940-1979) o f the Jökulsa a Fjöllum river basin (7180 k m2) i n the north-eastern part o f the Icelandic highlands. 2 2 % of the area w h i c h reeeive 4 7 % of the area preeipitation are glaciated b y a part of the Vatnajökull ice-cap. 7 9 % of the long-term water i n p u t s u p p l y the runoff, 2 1 % evaporate.
A seasonal and regional s u b d i v i s i o n o f the river basin reveals that the r u n o f f is c o m p o s e d of, first, a relatively h i g h base f l o w as a result o f the permeable volcanic rocks and the unconsolidated Sediments i n the research area, of, secondly, s n o w meltwater f r o m the unglaciated area as a result o f increasing energy i n p u t i n spring, and of, t h i r d l y , glacial meltwater f r o m the glaciated area as a result of relatively high s u m m e r energy i n p u t . F o r the river basin taken as a h y d r o l o g i c a l u n i t , direct glacial ablation r u n o f f and the long- t e r m i n f i l t r a t i o n of rain, of s n o w meltwater, and, most i m p o r t a n t , of glacial ablation water i n t o the g r o u n d are, i n c o n n e c t i o n w i t h a n o r t h b o u n d g r o u n d w a t e r f l o w , the d e t e r m i n i n g factors of the a m o u n t o f the annual r u n o f f . C o r r e l a t i o n and regression analyses support these findings. A c c o r d i n g l y , the t h e r m i c - c l i m a t i c devel- o p m e n t o f the past f o r t y years is reflected i n the long-term r u n o f f b e h a v i o u r a n d results i n considerable variations o f the mean discharge d u r i n g this p e r i o d .
A u s geographischer Sicht machen hauptsächlich drei Gründe eine Beschäftigung mit der Wasserführung v o n Flüs- sen i m arktischen u n d subarktischen Periglazialraum erfor- derlich. Erstens w i r d die M o r p h o d y n a m i k i m periglazialen M i l i e u weitgehend durch fluvialen Sedimenttranspart u n d fluviale E r o s i o n bestimmt. Zweitens stellen die abfließenden Wassermengen ein beachtliches hydroenergetisches Poten- tial dar, das in weitesten T e i l e n der A r k t i s u n d Subarktis n o c h ungenutzt ist. D r i t t e n s spiegeln sich speziell i n der Was- serführung v o n periglazialen Fließgewässern mit Anschluß an vergletscherte Einzugsgebietsteile deutlich die Wetter-, Witterungs- u n d K l i m a b e d i n g u n g e n wider, die den Wasser- haushalt als wichtiges Teilsystem des Naturhaushaltes steu- ern. D a m i t besitzt das Abflußverhalten periglazialer E i n - zugsgebiete mit Gletscheranschluß eine I n d i k a t o r f u n k t i o n bezüglich der Persistenz b z w . Labilität periglazialer Ö k o - systeme. U n t e r diesem Aspekt erscheinen gerade mit B l i c k auf die markante Temperaturdepression i n der atlantischen A r k t i s u n d ihren Randgebieten während der sechziger u n d siebziger Jahre unseres Jahrhunderts (vgl. v. a. S C H U N K E 1979a) einerseits u n d auf die befürchteten globalen A u s w i r - kungen der steigenden Freisetzung v o n CO2 in die A t m o - sphäre (vgl. F L O H N 1977) andererseits U n t e r s u c h u n g e n des glazial-periglazialen Abflußverhaltens als v o n besonders aktueller P r o b l e m a t i k .
Bisherige hydrologische Untersuchungen i m arktischen und subarktischen R a u m konnten sich nur auf relativ kurz- zeitige oder saisonal lückenhafte Messungen des Abflusses stützen (vgl. SEIFRIED 1971, 1972, M C C A N N & C O G L E Y 1972).
Für den teilweise vergletscherten Periglazialbereich Islands indes steht ein langfristigeres Datenmaterial der isländischen Energiebehörde „Orkustofnun" z u r Verfügung (vgl. R I S T 1956,1969). Hierauf gegründete neuere Untersuchungen gal- ten bislang i n erster Linie der E i n b i n d u n g des Abflusses i n das Wasserhaushaltsgefüge (vgl. R I C H T E R 1981, R I C H T E R &
S C H U N K E 1981).
Im folgenden sollen am Beispiel der Jökulsa a Fjöllum an- hand v o n täglichen Abflußmessungen, die die hydrologi- schen Jahre 1940-1979, d. h . die Zeit v o n O k t o b e r 1939 bis September 1979, umfassen, das langfristige Abflußverhalten und seine Steuerungsmechanismen analysiert werden. Dabei w i r d zunächst der jährliche Wasserumsatz des Einzugsgebie- tes i m langjährigen M i t t e l untersucht. Danach soll eine saiso- nale u n d regionale Aufteilung der Abflußsteuerung vorge- n o m m e n werden, bevor dann die langfristigen E n t w i c k - lungstendenzen des Abflusses u n d ihre Determinanten i m Einzugsgebiet der Jökulsa a Fjöllum analysiert werden. D a - bei gründet sich die Untersuchung außer auf eigene Feldar- beiten i m Jahre 1979 vor allem auf die statistisch-quantitative Auswertung des v o n „Orkustofnun" zur Verfügung gestell- ten hydrologischen Datenmaterials.
1. Der mittlere jährliche Wasserumsatz im Un tersuchungsgebiet
D i e Jökulsa a Fjöllum fließt i m nordöstlichen Zentral- island v o m Rande der Vatnajökull-Eiskappe nach N o r d e n i n den Axarfjördur (vgl. A b b . 1). V o n rechts empfängt sie meh- rere Nebenflüsse, deren bedeutendster der Gletscherfluß Kreppa ist. D i e Jökulsa a Fjöllum ist mit einer Länge v o n 206 k m nach der Thjorsa (230 k m ) der zweitlängste Fluß Islands. In der mittleren Wasserführung steht sie hinter O l f u - sa. Thjorsa u n d Kudafljot/Skafta an vierter Stelle. Das E i n - zugsgebiet umfaßt 7750 k m2. Es handelt sich damit u m das größte isländische Flußgebiet, v o n dem 7180 k m2 das durch den Pegel v h m 20 (Axarfjördur) bei Laufkilometer 187 defi- nierte Untersuchungsgebiet ausmachen.
D e r Höhenunterschied v o n 694 m , den die Jökulsa a Fjöl- lum v o n ihrem Austritt am Gletscherrand des Vatnajökull i n 720 m ü. M . bis z u m Pegel i n 26 m ü. M . überwindet, ent- spricht einem mittleren Gefälle v o n 3,7%c, das jedoch auf- grund mehrerer Gefällsstufen sehr ungleich verteilt ist u n d i m 30 k m langen Jökulsa-Canyon i m N o r d t e i l des Laufes 10%c überschreitet, wobei mehrere Wasserfälle, darunter der Dettifoss mit einer Fallhöhe v o n 44 m , zwischengeschaltet sind (vgl. T H O R A R I N S S O N 1959,1960, S I G U R D S S O N et al. 1975).
Das Einzugsgebiet der Jökulsa a Fjöllum liegt i n der neovul- kanischen Z o n e Zentral-Islands u n d weist insgesamt hoch-
66°
65°
64°
fö^fFagurhö/sm yri
0 25 50 75 100 km
24° 22°
66°
65c
64c
20° 18° 16°
Abb. 1: O r i e n t i e r u n g s k a r t e / O r i e n t a t i o n m a p