Der Gottesname Jahwe Von Arnold Schleiff-Halle
Jedes Wort ist ein Signum für ein vorhandenes; auch
Namen sind so Signa. Namen haben es, zumal in der antiken
israelitischen Welt, an sich, das, was sie bezeichnen, nämlich
den Träger des Namens, zugleich schon zu charakterisieren.
Der Gemahl der Ruth heißt Boaz, wohl weil er ein Mann von
scharfem Geiste war*). Abigail sagt von ihrem Manne: "'S
TOS» nba?^ -iw^ bnj sin 1? -iia^isz). Daher ist es verständlich,
daß mit der Bekanntschaft mit dem Namen auch sofort ein
genaues Wissen um seinen Träger und damit auch ein beson¬
deres Verhältnis zu ihm gegeben ist. Vornehmlich der Besitz
des Gottesnamens gewährleistet ein besonderes Verhältnis
zu Gott. Das Stirnblatt Aarons trägt die Aufschrift: EHlp
mn""^*). Damit ist Aarons außerordentliche Stellung zu Gott
ausgesagt. Ein solches durch Verknüpfung mit dem Namen
besonders gestaltetes Verhältnis kann zur Hörigkeit werden.
Der Formel . . . b» "i^aiü N"l|p:<) liegt die Bedeutung zugrunde:
er ist Herr des Volkes. Und ganz deutlich ist das, wenn der
Gott am Jabbok, der mit Jakob ringt, dessen Frage MTTTan
;]Tp'Oi*) zurückweist; er tut das, um sich nicht in Jakobs
Gewalt zu begeben.
Der Name tritt so fast selbständig für den Träger des
Namens ein, wird wie der Träger des Namens als Subjekt
betrachtet. Damit ist der Übergang vom Jahwe-Begriff zum
1) Noth, Die isr. Personennamen. BWANT III 10 S. 228 Anm. 6
(dort mehrere Beispiele).
2) 1. Sam. 25, ti.
3) Ex. 28, M cf. Sach. 14, w (in der Endzeit wird auf den Schellen der Rosse stehen: mn"'b Öinp).
4) Vgl. Am. 9,11; Jer. 7, i» u. ö.
5) Gen. 32, m; cf. Jud. 13, nf.
680 A. ScHLBiPF, Der Gottesname Jahwe
Schern-Begriff gegeben. In Ps. 122, 4b haben wir ein Beispiel
von der Tatsache, daß der Jahwe-Begriff einfach durch den
Schern-Begriff ersetzt wird^). Diese Arbeit aber soll es mit
dem zweiten nicht zu tun haben; darum muß hier eine
historische Abgrenzung aufgezeigt werden. Es handelt sich
allein um die Zeit, in der für die Israeliten mit dem Namen
„Jahwe" ein ganz bestimmter Namensträger gekennzeichnet
ist. Denn es soll — in Umkehrung des Prozesses der Namen¬
gebung — von der Wortbedeutung her auf den Charakter
und den Wert des Namensträgers geschlossen werden.
Eine geschichtliche Abgrenzung nach oben ist kaum ein¬
deutig zu geben. Die Nachforschung beginnt dort, wo sich
die ersten Merkmale des Vorhandenseins des Namens Jahwe,
mit dem der Gott bezeichnet wird, feststellen lassen. Und die
Grenze nach unten ist dort anzulegen, wo der Schem-Begriff
den des Gottes Jahwe verdrängt; damit wird sie auf das be¬
ginnende dritte Jahrhundert angesetzt. In dieser Zeit wurden
zwar die Buchstaben des Gottesnamens Jahwe nicht aus¬
gemerzt, aber sie wurden zum K'tib, dem ein anderes Q're
zugrunde lag. Ungefähr läßt sich ein genauer Zeitpunkt da¬
durch angeben, daß in den sog. Elohim-Psalmen im 2. und
3. Buch unseres Psalters offensichtlich nachträglich für Jahwe
fast jedesmal Elohim eingesetzt wurde; das läßt sich deutlich
erkennen an der mehrmals vorkommenden Formel Elohim
Elohaj''). Die LXX fand bereits das für Jahwe eingefügte
Elohim vor.
Nun ist freilich mit dieser Zeit das Wort Jahwe nicht
verschwunden. Im Tempel wurde der Name immer aus¬
gesprochen; das bezeugt uns Philo und die jüdische Tradi¬
tion'). Freihch sind da Widersprüche vorhanden. Von Rabbi
1) Hans Schmidt, Psalmen (1934) z. d. St. Der Schem-Begrilf
findet sich z. B. Jes. 18,7; Ps. 74,7; Ps. 44, »; Ps. 20, 2; vgl. dazu die
treffliche Arbeit von Gkbther : Name und Wort Gottes im A. T. ZAW.
Beih. 64 (1934). 2) Ps. 43,4; 45,»; 48, is; 50,7.
3) Philo, de vit. Mos. III 11 Xqveeov dt nctaXov aeavst azetpavog iirip,iovQYiiTO rttzagas i%ov yXvtpag &vo\ittXOS, dfiovots roig oita xai ylmtzav eo<pia xtKazagiitvoig ^tjiis &xovtiv xai Xeytiv iv äytoig. Ebenso Bab.
Talm. Erubin 18b; Sota 38a.
A. ScHLEiFP, Der Gottesname Jahwe 681
Tarphon, der zur Zeit der Zerstörung des zweiten Tempels
lebte, haben wir die Überlieferung, daß der Name im Tempel
mit leiser Stimme ausgesprochen wird; dagegensteht, daß
schon seit dem Tode Simeons des Gerechten (um 270 a. Chr. n.)
es unterlassen sein soll, im Tempel den Gottesnamen aus¬
zusprechen^).
Es genügt für diese Arbeit indessen, so die Grenze ohne
weitere Untersuchungen ungefähr anzugeben, da es auf den
sachlichen Tatbestand der Verdrängung des Namens Jahwe
zugunsten des Namensbegrifles Schem und nicht auf eine
bestimmte Jahreszahl ankommt. Jene spätere Zeit freilich,
in der der Name Jahwe nur bei bestimmt gegebenen Voraus¬
setzungen gebraucht werden durfte, kommt für das Anliegen
dieser Untersuchung nur bedingt in Betracht; denn der
eigentliche Inhalt des Wortes Jahwe wurde mit den Jahren
mehr und mehr zurückgedrängt.
In jener früheren Zeit fmden wir den Namen noch un¬
befangen gebraucht. Unser Einblick in die Bedeutung des
Wortes selbst ist freilich erheblich erschwert, weil durch die
Unterstellung eines anderen Q're die eigentliche Aussprache
in Vergessenheit geraten ist. Die Punktation der M ist falsch.
Das ist aus drei Gründen ganz klar: in Verbindung mit den
Präfixen h, D, 2 heißt es mrfb usw. Diese Präfixe haben aber
vor Gutturalen mit Hateph stets den Vokal des Gutturalen;
das b läßt also unter dem Jod ein Patah erwarten. Dazu
steht in Worten nach dem Gottesnamen, die mit nD3132
b^innen, ein Dagesch lene, als ob er auf eine geschlossene
Silbe ausginge. Und dann wird, wenn Jahwe neben Adonaj
steht, nicht wie sonst nirr; punktiert, sondern m.n;.2). Damit
ist schon ein Hinweis auf das Q're gegeben. Es wurde für das
Tetragramm Adonaj gesprochen; dieses Wort hat unter dem
ersten Konsonanten ein Patah, endet mit einer geschlossenen
Silbe und entspricht der Übersetzung der LXX: Kvßiog.
1) Jer. Talm. Joma 3,? (ed. Bombebo, Venedig, S. art unten)
gegen Bab. Talm. Joma 39 b; Menach. 109 b.
2) Z. B. Jes. 3, w; Gen. 15, t u. ö.
682 A. ScHLBiPF, Der Gottesname Jahwe
Außerdem weist die jüdische Überheferung auch auf dieses
Wort als Q're hin: t^'bH2 Nnpji v'n rr2 aroj nin nViyn
n"bi^).
Der Tatbestand zeigt, daß das Tetragramm also nicht
einmal seiner eigentlichen Aussprache nach bekannt ist. Erst
aber wenn wir das wissen, kann über den Wortinhalt des
Namens Jahwe etwas ausgesagt werden. Nun wäre freilich
diese Frage nach dem Wortinhalt des Namens sofort beant¬
wortet oder doch umgangen, abseits der Frage nach Aus¬
sprache und Bedeutung des Tetragramms, wenn den Buch¬
staben JHWH gerade nicht die Intention, einen Namen aus¬
zudrücken, zugrunde läge. Philo ist der Ansicht, daß das
Tetragramm, das er gemäß Ex. 3,14 mit o &v wiedergibt,
keinen Namen, sondern die Umgehung eines solchen .dar¬
stellt*). Diese Anschauung, von Ex. 3,14 herkommend, findet
sich oft wieder: Gunkel sagt: „als Jahwe nach seinem Namen
gefragt wird, weicht er aus und nennt ihn nur, indem er ihn
umschreibt : ich bin, der ich bin, d. h. ich heiße, wie ich
heiße"'). Und ebenso meint Kittel: „als weiteres Mittel
seiner Beglaubigung bei den Söhnen Israels wünscht Mose
den Namen Gottes zu erfahren; er erhält die ausweichende
Antwort: ich bin — der ich bin"*). Nun läßt sich aber eine
solche umgehende Antwort, auch wenn sie tatsächlich für den
Einzelfall des Verses Ex. 3,14 recht haben sollte, keineswegs
als allgemein gültig hinstellen. Denn sie gründet sich aus¬
schließlich auf Ex. 3,14 und man würde die Unzahl von Be¬
weisen, daß hinter dem Tetragramm doch ein Name be¬
stimmter Art steht, einfach übersehen.
1) Bab. Talm. Pes. 50a (Äußerung von Rabbi Nachman bar Jiz^ak,
gest. 356. Nach Stback, Einleitung ... [5. Aufl.] S. 146). Mischna, Schebu'ot 4, u; Sota 7,«; Tamid 7,i.
- 2) PhUo, de vit. Mos. 1 14. Baddissim, Kyrios II 177, meint, daß
PhUo sich nicht darüber klar sei, daß das, was er auf Grund von Ex.
3,14 mit & äv wiedergibt, das Tetragramm ist. Aber Vit. Mos. III 14
sagt er ja gerade, daß durch das Tetragramm der Name des 6 &v ge¬
geben sei.
3) RGG III 10 (2. Aufl.).
4) KiTTSL, Gesch. d. Volkes Israel (6. Aufi.) S. 323.
A. ScHLBiFF, Der Gottesname Jahwe 683
Anders sind die Versuche, Jhwh als Nebenform oder als
(sprachlich oder inhaltlich) Verwandten zu einem anderen
bekannten Gott zu stellen. Auch diese Versuche wollen der
Frage nach der Bedeutung und Aussprache des Tetragramms,
geradeaus an das Wort allein gerichtet, ausweichen. Nahe¬
gelegt werden solche Versuche dadurch, daß die Israeliten
auf ihren frühen Wanderungen mit den verschiedensten Völ¬
kern und Kulturen in Berührung kamen^).
a) Es gibt verschiedene assyrische Namen, in denen Ai
oder Ä als Bestandteil erscheint, die solchen israelitischen
Namen entsprechen, die mit ja- zusammengesetzt sind 2).
Driver sagt dazu: ,,... if Ya does represent a divine name,
it may as weh be a variant form of or J {A-a), a well-
known Babylonian god who occurs in such a name as
Ai-abbd as the Hebrew Yahweh."' Aber Driver lehnt doch
eine Identifizierung ab in der richtigen Erkenntnis, daß keine
zwingenden Beweise vorliegen').
b) Die Annahme, daß dem Namen Jhwh (besser Jhw) der
babyl. Gott Ea zugrunde liege, ist ebenso wegen mangelnder
Beweise zurückzuweisen. Die Gründe, die hierfür angeführt
werden, treffen keineswegs den Kern des israelitischen Gottes¬
begriffes und die Gegengründe sind bei weitem stärker*).
Wenn diese beiden Thesen ihre Stütze in der Überlieferung
von Gen. 11, 28 und verwandten Stellen finden, so gibt es
zwei andere ähnliche Ansichten, die auf der Joseph-Mose-
Tradition ruhen.
c) Von den verschiedensten Seiten drängt sich eine Zu¬
sammenstellung von Jahwe mit dem ägyptischen Mondgott
Jo auf. Zuerst ist ein Zusammenhang, soweit ich sehe, von
TwESTEK^) behauptet. Auffällig ist ja auch das Zusammen-
1) Gen. 11,n, si; Dt. 26,» u. ö. Ex.: die Mosetradition.
2) Dbiveb, ZAW 1928 S. 11 (cf. Deimel, Panth. Bab. S. 41f.).
3) Mit Noth a. a. O. S. 108 gegen: Hommel, Altisr. Überlieferung S. 112 und Pinches, Proc. of the Soc. of Bibl. Arch. 8 S. 27 u. 15 S. 13.
4) Lehmann-Haüpt, Babyl. Kulturmission (1903) S. 32 f., genau unter¬
sucht von : R. P. Doughbbtt : The Sealand of ancient Arabia (Yale oriental
Series, Researches, Vol. XIX, 1932) S. 174ff.; cf. AJSL XVIII S. 16.
5) TwBSTBN, Asiat. Kulturvölker (1872) S. 576.
684 A. ScHLEiPF, Der Gottesname Jahwe
treffen Jhwhs mit dem Esel. Von Josephus, Diodor, TertuUian
und Tacitus wissen wir, daß man den Juden vorwarf, sie
beteten einen Esel an*). Nun heißt koptisch der Esel io (eo)
und wird in Beziehung zum Mondgott gebracht. Andererseits
liegt es nahe, auf Grund des Festes des Neumondes und der
Verbindung des Sabbat mit dem Mond unter dem Jahwismus
einen Mondkultus zu vermuten; hierher gehört auch, daß
man kleine Möndchen als Amulette trug 2). Aber erstens
ist die Verbindung der Zeiteinteilung mit dem Mondlauf
(Sabbat, Monat) durchaus nicht typisch israelitisch, und
zweitens
trägt Jahwe sonst keineswegs den Charakter einer Mondgott¬
heit. Daß freilich der Esel in den Jhwh-Kult eingedrungen
ist, mag — im Zeitalter des Religionssynkretismus im Helle¬
nismus — auf Einflüsse des im Wortlaut ähnlichen ägypti¬
schen Mondgottes zurückgehen.
d) Sehr unwahrscheinlich und fernliegend ist die These
Spikgelberq's. Er findet in dem Namen Jhwh das ägyptische
Wort iSwt = Vieh und will so den Jahwismus auf einen Stier¬
kult zurückführen'). Aber abgesehen davon, daß wir heute
wissen, daß die Form Ja oder Ja-u älter ist als Mose, ist auch
Jhwh selbst nicht ein tiergestaltiger Gott. Daß der Ausdruck
aip3?^ T^SN auf einen Stiergott hinweise, ist durchaus zweifel¬
haft*); es ist wohl nur eine Bezeichnung für Jahwes Mächtig¬
keit.
e) Nur der Vollständigkeit halber soll Hitzig's Ansicht
hier angeführt werden. Auf die Verwandtschaft der Begriffe
achtend, stellt er eine Beziehung des persischen astwat ( ~- das
Seiende) mit Jahwe fest, so daß das eine eine Art Übersetzung
des anderen sei^). Ganz abgesehen von der Unbeweisbarkeit
und Unwahrscheinlichkeit einer Verwandtschaft der älteren
israelitischen Religion mit der persischen, ist es auch eine
1) Josephus, c. Apion II 2; Diodor XXIV; Tertullian, Apol. XVI
ad. nat. I II; Tacitus, Annal. V 3.
2) Jes. 3,18. 3) ZDMG 53 S. 633 ft.
4) Torczyner, ZAW 1921 S. 296ff.
5) Hitzig, Gesch. d. Volk. Isr. (1869) S. 81.
A. ScHLEiPF, Der Gottesname Jahwe 685
kaum glaubliche Annahme, daß ein Gottesname von einem
fremden Volk übernommen und übersetzt sein soll.
f) Die folgenden beiden Thesen sind nicht ohne interes¬
sante Eigenart. Da ist einmal der Versuch von Movers, eine
Linie Dionysos — ^Adonis — Jao aufzustellen, was zu einer
Gleichung (Bakchos =) Jakchos = Jahwe führt*). Dabei
wäre auf das altgriechische Wort iaxxeiv = ja-ja-schreien als
Begründung zu verweisen. Der Vergleich zwischen dem Laub¬
hüttenfest und den Dionysien, den Plutarch zieht*) wird
auch als Beweis angeführt. Nun ist es aber so, daß, sofern
den Dionysien ähnliche Feste innerhalb des Jahwe-Kultes
gefeiert werden, diese wohl auf kana'anäischen Einfluß zurück¬
zuführen sind').
g) Durchaus ernst zu nehmen ist die These, die schon von
der Antike her überliefert wird, daß Jhwh irgendwie zu
Ju-piter zu stellen sei. Valerius Maximus sagt einmal, daß die
Juden den Jupiter Sabazius verehren*). Deutlich ist das eine
„Latinisierung" des Jhwh Seba'öt. Ebenso wird im Aristeas¬
brief der Ilavxcav inomrjg xai xriarrji; ^eog, den die Juden ver¬
ehren, mit Zeus gleichgesetzt^). Makrobius bringt in dem
vielbesprochenen Orakel des Apollo Clarius*) eine Zusammen¬
stellung von Zeus, Hades, Helios, Dionysos und Jao. Nach
einer Mitteilung Augustins hat Varro den Gott der Juden
mit Jupiter identifiziert'). Nun brauchen freilich alle diese
1) MovBBS, Die Phönizier I (1841) S. 542.
2) Plutarch, Sympos. IV 6; cf. Tacitus, Annal. V 5.
3) Cf. Kittel, Gesch. d. Volk. Isr. II (1917) S. 127f.
4) Valerius Maximus, Dictorum factorumque memorabilium Li¬
bri IX. Lib. I. Cap. 3 § 2 (Kkmpp S. 17, 9). Jupiter Sabazius ist sonst eine phrygische Gottheit, cf. Lenobmant in der Revue archeologique,
Nouv. S6rie t. XXVIII (1874) S. 300ff., 380ff. XXIX (1875) S. 43ff.
Hier ist jedoch deutlich der Judengott gemeint, da kurz vorher die
Judaei genannt werden. Sabazius geht dabei auf ^aßaa>& zurück;
die LXX und die Gnostiker (cf. Baudissin, Stud. z. semit. Rel.-Gesch. I
[1877] S. 187 ff.) übersetzen msas als Eigenmamen mit Saßaa».
5) Arist. 16.
6) Makrobius, Saturn. I 18ff.
7) Augustinus, De cons. ev. I 22, 30. Civ. Dei IV 9, 3. Varro lebte
von 116—26 a. Chr. n.i
ZeltacbrUt d. DMQ. Bd. 90 (Neue Folge Bd. 19) iä
686 A. ScHLEiFP, Der Gottesname Jahwe
Identifizierungen nicht auf Grund einer etymologischen
Gleichstellung von Jhwh und Jupiter erfolgt zu sein. Es
scheint vielmehr so, als ob diese antiken Schriftsteller einfach
ihren höchsten Gott mit dem höchsten Gott der anderen
Völker gleichstellten. Das ist zumal anzunehmen, da alle
diese Schriftsteller mehr oder minder unter dem Eindruck
jenes hellenistischen, nivellierenden Religionssynkretismus
standen. Aber die Nebeneinanderstellung der Namen liegt
dabei nahe. Petrus Galatinus berichtet, daß quidam ex
nostris aiant, hoc nomen in nostris Uteris sonare Jova. A quo
dicunt forte apud antiques nomen Jovis irrepsisse. Er weiß
freilich ganz genau: maxime profecto errant*). Die Ver¬
bindung des ersten Bestandteiles des Namens Ju-piter mit
Jhw(h), die schon von Vatke und wieder J. G. Mxjller zur
Diskussion gestellt ist, wird heute von Littmann vertreten*).
Alle diese Versuche leiden durchweg daran, daß eine Ver¬
bindung zwischen zwei Namen hergestellt wird, ohne daß ein
Bindeglied bzw. Zwischenglieder da sind. Der Weg, den
schon für Jupiter die antiken Autoren beschritten, aus dem
Wesen heraus eine Verwandtschaft mit Jhwh zu fordern, ist
eher gangbar. Es ist aber weiter nichts als eine Spekulation,
der als Voraussetzung schon ein bestimmtes Wissen von Jhwh
zugrunde liegt; er setzt also eine bestimmte Lösung des
Problems dieser Untersuchung schon voraus; darum sind
solche Versuche unfruchtbar. Auf keinen Fall kann mit
Sicherheit gesagt werden, daß Name und Begriff Jhwh auf
einem anderen Gottesnamen und Begriff ruht.
Es ist demnach nicht möglich, durch Umgehung von
außen her zu einer schnellen Lösung des Jhwb-Problems zu
gelangen. Es bedarf vielmehr des Versuches, in die Grund-
1) Petrus Galatinus, opus de arcanis catholicae veritatis, Basel
1561. Lib. II Cap. X S. 54 (hoc nomen = Jhwh).
2) Vatke, D. bibl. Theologie, wissenschaftl. dargestellt, (1835) S. 672;
J. G. Müller, Die Semiten in ihrem Verhältnis zu den Chamiten und
Japhetiten (1872) S. 163. Littmann: nach einer Mitteilung Kdhn's in
„Über die Entstehung des Namens Jahwe" (Orientalistische Studien,
Enno Littmann zum 60. Geburtstage; Leiden 1935) S. 42.
A. ScHLBiPF, Der Gottesname Jahwe 687
bedeutung des Wortes Jhwh einzudringen; dem steht not¬
wendigerweise der Versuch, sich über die vermuthche Aus¬
sprache Klarheit zu verschaffen, voran. Dieses Bemühen
ist alt.
An außerjüdischen oder außerchristlichen Überlieferungen
haben wir leider nur wenige und vor allem nur bei relativ
jungen Autoren. Der älteste, der hier in Frage kommt, ist
meines Wissens Varro; nach ihm ist die Aussprache 'law,
laut Joh. Lydus' Bericht*). Diodorus Sikulus, ein Zeitgenosse
des Augustus, nennt den Gott des Mose den 7ao) snixalcm-
fievov ■deov; Diodor war in Ägypten gereist und hat wahr¬
scheinlich dort von den Juden sich über ihren Gott unter¬
richten lassen*). Insofern ist er besonders glaubwürdig. Bei
Makrobius finden wir ebenftdls die Form '/aco. Ebenso findet
sich bei den Kirchenvätern die Form 7aw. So bei Irenäus*),
der daneben noch die eigenartige Form 'laxo^ hat*). Mignb
(z. d. St.) erklärt diese Form: cum graeci aspirationes non
habent, quas in fine vocum opponere possint, si aspiratione
notanda fuit ultima syllaba vocis Jao, scribenda fuit per ■&.
Besser ist aber doch wohl die Auskunft Ganschiniktz's:
„das th, das auch sonst oft sich angehängt findet, ist wahr¬
scheinlich nichts weiter, als das Produkt einer Analogie¬
bildung zu dem sehr häufig mit Jhwh zusammen genannten
Sabaoth"^). Clemens Äl. hat die Form 7aou*); das ov braucht
nicht in Erstaunen zu setzen; to und ov schwankte in der
Transkription vielfach hin und her: der Fürst "^pa (1. Chron.
5, 3i) heißt bei den LXX ßcuxet; andererseits ist pil2 im
Griechischen Zaddovx geworden. Einige Codices haben für
7aov die längere Form 'laove; mit Dkissmann und Blau')
1) Varro, bei Joh. Laur. Lydus, de mens. IV 53 (Wünsch, 1908
S. 110, 25.
2) Diodorus Siculus 194,«; I 44, i (Schilderung Ägyptens).
3) Irenaeus, c. Haeres. Lib. I Cap. IV 1.
4) Irenaus, c. Haereses II 171/72; andere Nachweise des Vorkom¬
mens dieser Form bei Deisshann, Bibelstud. S. 9 f.
5) Über Jaoth: Pacly-Wissowa Bd. 17 Sp. 701 f. (Art.'laio).
6) Clemens AI., Stromateis V. VI 34.
7) Deissmann Bibelstud. S. 3; Blad, Altjüd. Zauberwesen, 130.
45»
688 A. ScHLBiPF, Der Gottesname Jahwe
7ao« in 'laove zu verbessern, da dieses das ursprüngliche
sein soll, halte ich für unnötig*). Bei Origenes findet sich das
zuerst verwunderliche Wort 'Iaa)ia\ das ist höchstwahrschein¬
lich in 'Iaa> tj 'Ia zu verbessern"). Die Form Ja liegt also hier
vor. Hieronymus sagt einmal: prius nomen domini apud
Hebraeos quattuor literarum est Jod He Waw He; quod
proprie Dei vocabulum sonat et legere potest Jaho et He¬
bräei oQQTjTov id est ineffabile oppinantur'). Jaho ist also
nicht die Aussprache des Tetragramms, sondern nur eine
Ersatzmöglichkeit, ihn zu sagen. Ein anderes Mal sagt Hiero¬
nymus, in seinem Verzeichnis der zehn Gottesnamen : octavum
Ja, quod in Deum tantum ponitur et in alleluja extrema quo¬
que syllaba sonat*). Dann berichtet er noch an dieser Stelle:
nonum nomen Tetragrammon, quod ävBxcpomjrov, id est
ineffabile putaverunt, quod his Uteris scribitur Jod He Waw
He. Quod quidem non intelligentes propter elementorum
similitudinem, cum in graecis libris reperint, 77/77/ (Pipi)
legere consueverunt^). Epiphanius hat die beiden Überliefe¬
rungen 'lao) und 7a'). Dabei ist Ja einfach als xvgiog erklärt.
Außerdem bringt er noch die Form 'laße, die er als 6g riv xai eari
xai det cor erklärt; hier ist ein Anklang an Ex. 3, i4 LXX iyco
el/ii 6 cor unverkennbar, vielleicht auf Grund der Interpreta¬
tion von Ex. 3, 14 in Apok. 1, 4 als Verbindungsstück. Epi¬
phanius scheint ein Wissen zu haben, daß 'laße den Wort¬
inhalt, der nach Ex. 3, i4 dem Namen Jhwh zugrunde liegt,
1) So auch Pauly-Wissowa Bd. 17 Sp. 700. (Art. 'laa).
2) Origenes, c. Gels. VI 32. Übrigens scheint Origenes über das
Wort 'laa eigentümliche Vorstellungen gehabt zu haben ; c. Gels. VI 31 zählt er 'laa unter den ophitischen Planetengeistern auf, ohne beson¬
deren Einspruch zu erheben.
3) Hieron. Breviar. in Psalm., in Ps. VIII.
4) Hieron. Epist. XXV (de decem nominibus).
5) Dalman: Der Gottesname Adonai und seine Geschichte, S. 37
Anm. 1 sagt: „daß jenes mißverstandene IIITII in der Schwurformel bn-na'' ■'Q1D1N (jer. Talm. Ned. 9, Anf.) sich wiederfinde, vermutet Musa-
phia in seinen Zusätzen zum Aruch und billigt Perles in seinen ety¬
mologischen Studien, Grätz, Monatsschrift XIX S. 425 wohl mit
Recht."
6) Epiphanius, adv. Haereses I, III (MPG 41 S. 624 und 686).
A. ScECLBiFP, Der Gottesname Jahwe 689
richtig wiedergibt. Falls die Codices des Clemens AI., die
'laove bringen, recht haben sollten, gilt dazu auch das gleiche.
Von dem Syrer Theodoret wird noch Näheres berichtet; er
spricht von dem Tetragramm und sagt: KaXovaiv de avro
ZafiaQEixai /lev 'laße, 'lovöaioi de 'Aia^). 'Aia ist das bekannte
Ja; durch das vorgesetzte Aleph wird das Jod für den
Sjrrer gestützt*). Die Samaritaner, die das nomen ineffabile
unbekümmert aussprechen durften, hatten die Form 'laße.
Dem muß eine so punktierte Form zugrunde gelegen haben
rrini. Ähnliche Formen finden sich zuweilen; Dkissmann
zitiert: oQXi^ayae xara rov ■&eov rwv 'Eßqaioyv 'Irjaov 'laßa').
Um 700 n. Chr. findet sich bei den babylonischen Juden der
Personenname n''3n'»~3'<'l3*). Eissfeldt will den zweiten Teil
als Jahwe aussprechen. Es läge dann hier das bewußte Be¬
streben vor, unter Aufgabe der alten Schreibung (miT') die
Aussprache des nomen ineffabile auszudrücken. Itzetzes*)
sagt: o 'Adwvig Favag naqa Kvngiois xaXetrai. Wenn Movers'
Korrektur Favag in 'lavag richtig ist*), liegt auch hier die
richtige Aussprache des Namens vor. Isidor von Sevilla hat
die Überlieferung Jaja'). Ungefähr zur gleichen Zeit schreibt
Jakob von Edessa, daß «h* O).. die richtige Form sei; auch das
wird jaja zu lesen sein*). Beides scheint mir auf die Form Ja
zurückzugehen. Nach Überlieferung der Kabbala sind drei
Namen Gottes in einen Namen Jhwh enthalten; der erste
davon ist Ja. Petrus Galatinus berichtet: in antiquis he-
braeorum codicibus hoc nomen tetragrammaton per tres jod
literas scriptum reperitur, quae et circulo clauduntur et eis
1) Theodoret, Quaestiones in Exodum, Interrogatio XV.
2) Daß 'Aia zu riTlN gestellt werden müßte (Hitzig, Zeitschr. f.
wissenschaftl. Theologie 1875) ist ganz unglaubhaft; denn der Gott
heißt niemals ahjah oder auch ähjäh.
3) DaissMAim, Bibelstud. 1895 S. 16 Pap. par. 13 bl. nat. 3019 ff.
4) Eissfeldt, ZAW 1935 S. 63 ff.
5) JoH. Tzbtzbs, Commentar zu Lycophron 83.
6) MovBES, Phönizier I (1841) S. 545.
7) ZAW 1883 S. 298.
8) ZDMG 32 S. 491.
4
690 A. ScHLsiFF, Der Gottesname Jahwe
kamez punctis opponitur, hoc modo O^"))*). Nach den Speku¬
lationen des Sepher Bähir*) besteht der „ zwölfbuchstabige
Name" aus einem dreimaligen Jhwh: Jahawa — Jahwe —•
Jihwo. Interessant ist die Form, die der Codex Parisinus (B)
von Justins Schrift Cohortatio ad gentiles bringt; Justin
zitiert einen Satz des Diodor . . . rov xalov/xevov &eov . . .
Zwischen tov und xalovfievov steht über der Zeile '/oeo, eds
Scholien am Rande lEVE ädovei^). Bei Joachim, de trinitate,
kommt ebenfalls die Form Jeve vor*). Auch diese Form soll
das Tetragramm Buchstabe für Buchstabe wiedergeben. Und
sie kommt der möglichen richtigen Aussprache, wenn wir
'laße als solche unterstellen, ja auch sehr nahe. Eine spätere
Hand hat aber das Jeve in jener Schrift Joachims durch
Jehova verbessernd glossiert. Petrus Galatinus hält diese
Aussprache für die wissenschaftlich richtige^). Er sagt: non
enim quatuor literae Jhwh, si ut punctatae sunt, legantur,
jova redunt, sed — ipse optime nosti — Jehova efficiunt«).
Es kommen also für den Gottesnamen die Formen
Jahwe — Jaho — Ja in Frage.
1) Petrus Galatinus a. a. O. II, X S. 57. Diese drei Jod sind aus der Kabbala in den deutschen Spiritualismus gekommen. Bei Paracelsus, den Rosenkreutzern, Jalcob Böhme, Angelus Silesius finden sie sich in der Gestalt i""! ohne oder mit Kreis. Auf dem Grabstein des Betichius (gest. 1722) in der St. Trinitatis-Kirche in Zerbst ist es der Kabbala noch ganz ähnlich: "ijl''; nur das S'wa fehlt. Dann wurden die drei Jod durch
ein Dreieck umschlossen (zur Darstellung der Dreieinigkeit). Auf dem
Titelblatt der Gottfried Arnold'schen Ausgabe des Cherubin. Wanders-
mann von Angelus Silesius ist es so /v\ ; dieses Zeichen findet sich
dann zuweilen in Barockkirchen im Kanzelschmuck ; zum Beispiel in Alt-
friedland (Kirchenkreis Wriezen/Oder), wo der Aufbau der Kanzel dem
erwähnten Titelblatt des Cherub. Wandersmannes fast in allem ent¬
spricht. Die Kanzel ist 1733 gebaut — wie mir Herr P. Schliephake
dort mitteUte.
2) Hrsg. G. ScHOLBM (Leipzig 1923) § 80, cf. § 75 f.
3) Justin, Cohortatio ad gentiles IX.
4) Aus dem Jahre 1254, ZAW 1882 S. 137.
5) Jehova findet sich zum ersten Male 1381 in einer Abschrift der
pugio fidei des Raymundus Martini. Cf. Zeitschr. f. Missionskunde u.
Religionswissensch. 1927 S. 128. Cf. Baudissin, Kyrios II 190 Anm. 1.
6) Petrus Galatinus a. a. O. II, X S. 54.
A. ScHLEDT, Der Gottesname Jahwe 691
Wenn wir nun in Überlieferungen aus der Antike, außer¬
halb des AT., nach dem Namen Jhwh suchen, finden wir das
gleiche Ergebnis. Dabei ist einmal auf die Eigennamen zu
achten, in denen Jhwh oder Jhw als Bestandteil auftritt, und
zum anderen (das sind ungleich wichtigere Zeugen) auf selb¬
ständige Bezeichnungen eines Gottes Jhwh oder Jhw. In
assyrisch-babylonischen Texten begegnet ein solcher Name
nicht. Innerhalb theophorer Personennamen, findet er sich
indessen öfter. Ob freilich in dem Namen der Enkelin Naram-
sins, Li-pu-uä-ia-a-um, ein Gottesname in dem zweiten Be¬
standteil enthalten ist, ist sehr fraglich*). Ebenso kann nur
geistreiche Interpretation Ja-wi-ilu und Ja-u-um-ilu mit
einem Gottesnamen zusammengesetzt sein lassen").
Dmvkr, der sehr sorgsam alle in Frage kommenden Namen
gesammelt hat, bringt aus assyrischen Königslisten von rund
850 an Namen, in denen Ja- oder Ja-u hebräischem !T' oder in""
entspricht. Freilich fehlt durchweg das Gottheitsdeterminativ.
Die richtige Erklärung, die Driver hier gibt (the reason is
clear: it was omitted before foreign names because the scribe
was more often than not unaware of the fact that any given
element expressed the name of a god)') besagt gleichzeitig,
daß den Akkadern jener Zeit ein Gott Ja-u (Ja) unbekannt
war.
Das Gottheitsdeterminativ steht jedoch bei dem Namen
des Usurpators von Hamath, Ja-u-bidi, der an anderer Stelle
als Ilubidi erscheint. Daß dieser Hamathenser ein Jude ge¬
wesen sei*), braucht nicht angenommen zu werden; schon
aus der Zeit Davids kennen wir eiaen Prinzen von Hamath
namens Joram. Die Verbesserung der hebräischen Gelehrten
in 1. Chron. 18, lo zu Dinn (vielleicht besser omn) ist aus
1) Cf. Hbhk, Bibl. u. babyl. Gottesidee S. 232.
2) Zu interpretieren: mein ist Gott. Tu. Baubb, Ostkanaanäer S. 56.
Landsbbbobb, ZA NF. 1924 S. 24 Anm. 1 gegen Landbbsdorfbb, Bibl.
Zeitschr. 1912 S. 26ff. Dblitzsch, Babel und Bibel (Leipzig 1903) S. 47.
3) ZAW 1928 S. 12.
4) So Dbivbb, ZAW 1928 S. 9 nach dem Vorgang von Hbhk, Bibl.
u. babyl. Gottesidee S. 245: die Verehrung Jahwes ist von Israel nach Hamath verpflanzt worden.
692 A. ScHLEiPF, Der Gottesname Jahwe
der verständlichen Erwägung entstanden, daß ein außer¬
israelitisches Volk ja keineswegs den Namen des israelitischen
Gottes in seinen Eigennamen gebrauchen kann und darf.
Mit Bedenken sind solche Namen, in denen am Ende
-jama vorkommt, hier anzuschließen; vielleicht liegt diesen
Namen ein Gott Jam, den H. Bauer als Mitghed des safoni-
schen Pantheons feststellt und mit DT* = Tag gleichsetzt, zu¬
grunde*).
In den Elephantine-Papyri findet sich die Gottesbezeich¬
nung in'', außerdem in Eigennamen niT' und T*. Ungefähr aus
der gleichen Zeit finden sich in Jericho und Jerusalem aus¬
gegrabene Krughenkel, auf denen in'' oder IT' steht. Außerdem
gibt es eine aus der Zeit um 400 stammende Münze, auf der
ebenfalls die Form liTi steht").
In den Texten von Ras Schamra findet sich die Gottes¬
bezeichnung T*, die aus Eigennamen als theophorer Bestand¬
teil ersichtlich ist').
Einzig der Meäa'-Stein — aus der Zeit um 850 — bringt
die Form mn''. Luckenbill's These, dieser Form die Aus¬
sprache Jahn oder Jaho zugrunde zu legen, ist durchaus nicht
von der Hand zu weisen. Die Autorität der Kirchenväter
(Epiphanius, Theodoret) hier dagegen für eine Aussprache
Jahwe anzuführen, ist keinesfalls möglich, da diesen ja schon
eine jüdisch-dogmatisch entstellte Überlieferung überkommen
war*). Vielleicht ist es aber einfach so, daß König Meäa' die
feierliche, von den Priestern gebrauchte Form Jhwh an¬
wendet, weil es sich um eine feierliche Inschrift handelt*).
1) ZAW 1933 S. 92. Hebräische Namen, die solchen Namen ent¬
sprechen, wie ri'iaN und Abijama oder n''W und Azzijama, können auch
ursprünglich mit -jam zusammengesetzt sein. Später hat die israelitische
Überlieferung -jam ausgemerzt und zu -jah umgestaltet. In 1. Reg.
14, »1 haben wir noch die alte Form D''nN, die in 1. Chron. 3, lo (u. ö.) durch die neue (religiös unanstößigere I) Form n'^ns ersetzt ist.
2) Abgebildet bei Hebipel: Althebräische Literatur (in: Walzbl,
Handbuch . .) S. III u. A. B. Cook, Zeus I (1914) Taf. XXI; cf. Bad-
mssiN, Kyrios II 198 (Anm. 3)f.
3) H. Baüeb, ZAW 1933 S. 92 ff.
4) AJSL 40 S. 28ff. gegen Baudissin, Kyrios II S. 195.
5) Nach Hehn a. a. O. S. 224.
A. ScHLBiPP, Der Gottesname Jahwe 693
Durch Ermittlung der drei Möghchkeiten Jahwe, Jahn
und Jah ist nun freihch der Wortinhalt des Gottesnamens
keineswegs erhellt. Es setzt hier vielmehr das Bemühen ein,
auf Grund sprachlicher Forschung dem Wortsinn des Namens
auf die Spur zu kommen. Dabei soll auch hier, wie das gemein¬
hin geschieht, der Name Jediwe {'laße) als Objekt der Unter¬
suchung genommen werden, ohne daß vorerst das Verhältnis
der drei Möglichkeiten besprochen wird. Der erste und grund¬
legende Versuch dieser Art ist als locus classicus Ex. 3, 14:
es wird nur das reine Sein ausgesagt. Diese Erklärung hat
immer wieder Vertreter gefunden. So sagt Luthbr: ,, dieser
Name Jehova, nach der Grammatica, kompt her von dem
Wort Haio oder Havo, das heißt latinisch fuit, in praeterito
esse, deudsch: wesen oder sein. Und das J kann sein nota
nominis verbalis, wie Josaphat, Jesaias, Jeremias und viele
andere Namen und ist soviel als im latinischen ens, im grie¬
chischen ön. Wir Deutschen müssen sprechen: er ist's"*).
Ebenso Johann Gerhard: Jehova proprium Dei nomen de-
ducitur ab JlTI fuit, existit, quam derivationem ostendit Deus
ipse Ex. 3, 14, ubi rogatus a Moyse de suo nomine").
An dieser Erklärung haben die Neueren nun Anstoß ge¬
nommen. Oesterley-Robinson begründen: The ancient He¬
brew derivation suggested by Ex. 3,14 'I am that 1 am'
has been suspected as implying too advanced a metaphysical
conception of God for an early nomad people').
Eine Deutung, die auch das Verbum iTn zugrunde legt
und auf Ex. 3, 14 fußt, aber jeden spekulativen Zug ver-
1) Lüthbb: Vom Schem Hammephorasch und vom Geschlecht
Christi, 1534, WA LIII S. 607. Ähnlich sagt schon Moses Maimonides
(der freilich ein mehr theologisch-spekulatives als sachlich-wissenschaft¬
liches Interesse hat). C'est lä un nom deriv6 de n''n, qui d6signe „l'exi- stence", car haya signifie „il fut", et dans la langue hebraique on ne distingue pas entre 6tre et exister. Mos. Maimon ^j>\i-\ iJ^J Hrsg.
S. Münk: Le guide des 6gar6s, Bd. I, Paris 1856, Cap. LXIII S. 282.
2) Johann Gebhard, Loci Theologici, Tom. I Loc. II Cap. 2 (7).
3) Oesteblby and Robinson: Hebrew Religion, its Origin and
Development (London 1931) S. 136.
694 A. ScHLBiFP, Der Gottesname Jahwe
meidet, ist die Spokr's*). Dem Namen Jakub-El (zu Jisma'-
El, Jerachm-El zu setzen)*) stellt er die Form Jahwe-El,
Gott wird mit uns sein zur Seite. Die Sätze aus dem AT.,
die er als Stütze für diesen Namen anführt, sind aber alles
unzulängliche Beweise. Immer handelt es sich um das Wort
.. Dp iTiT). Das Wort Jahwe-El würde höchstens die Existenz
des El aussagen und in Formulierungen wie Jes. 41,4 Nin ^iH*)
wiederzufinden sein. Das .. OJJ, das in Spokr's Deutung die
Hauptsache ist und das ^^^ zum Hilfsverbum herabdrückt,
ist aber im Gottesnamen nicht zu finden. Und auch Hos. 1, 9,
eine Art Kommentar zu Ex. 3, 14, hat genau besehen nicht
diesen Wert, denn der Ton liegt dabei nicht auf dem iTHN,
sondern auf dem D3^. Spokr's These bleibt, ehe nicht das
Wort Jahwe-El selbst gefunden wird, unglaubhaft und ohne
zwingende Beweise.
Sehr zahlreich sind die Versuche, eine einfache Etymologie
des Wortes Jhwh zu geben. Schradkr und Haupt wollen
nach dem Vorgang von Lagarde (Übers. 137) eine Hiphil-
bildung von n\~ in dem Namen finden: der Macher, der
Schöpfer, der Erfüller der Verheißungen^). H. Bauer sagt
richtig dagegen: „ausgeschlossen ist jedoch die immer wieder
vorgeschlagene Erklärung von mn^ und daher auch Yahwi
als Kausativ: der ins Dasein ruft, da ein Kausativ von n\T
nirgends vorkommt, und wenn es vorkäme, in dieser Zeit mit
dem Präfix H gebildet würde*)." Die Erklärung, die Stade
nach dem Vorgang von Lagarde (Orientalia II 27 ff.) gibt:
der Fäller, der Blitzeschleuderer'), ist mehr oder minder, wie
Hommel (altisr. Überlieferung 101) sagt, ,,eine Phantasie der
modernen Kritik". Anders sagt Wellhausen: „Die Etymologie
1) AJSL 18 S. 32f. ; cf. Hommbl, The Expository Times X 48 und
HBHif a. a. O. S. 136.
2) Cf. KiTTBL, Gesch. d. Volk. Isr. I (1916 3. Aufl.) S. 440 Anm. 2.
3) Num. 14, 4s;23, n; Dt. 31, »; 31, n. Jos. 3, j. Gen. 28,«)f.u. ö.
4) Cf. Jes. 43, is; 46,4; vgl. das johanneische ly(a eliu Joh. 8,14;
Joh. 13, so; 18, f.
5) Haupt, OLZ XII 163, 211ff. Schbadeb, KAT (2. Aufl.) 25.
6) H. Baubb, ZAW 1933 S. 93 Anm. 7.
7) Stade, Gesch. d. Volk. Isr. I S. 429.
A. ScHLBiPF, Der Gottesname Jahwe 695
ist ganz durchsiclitig; er fährt durch die Luft, er weht; Jahwe
hat auch sonst Ähnlichkeit mit Wodan*)." Ähnlich äußert
sich Kittel: ,,Da Jahwe am Sinai sich im Wetter, unter Blitz
und Donnererscheinungen offenbart, so schiene mir am ent¬
sprechendsten die Zusammenstellung mit arabisch hawa, was
als Verbum wehen, als Substantiv geradezu das Wetter be¬
deutet")." Ebenso ist Hölscher's Ansicht'). Torczyner er¬
klärt den Namen als ,,Der Brüllende"*). Ein wenig anders ist
der Vorschlag Holzinger's, der von dem Nomen nin aus¬
gehend die Deutung „Der Zerstörer" gibt^).
Schon die Unzahl dieser Versuche, der beliebig viel andere
beigefügt werden können, zeigt, daß keine eindeutige Lösung
gefunden ist. Diese Etymologie versuche sind zum größten
Teil sprachlich zu rechtfertigen; der Fehler liegt jedoch darin,
daß stets unbesehen die Form miT' als Grundform genommen
wurde.
Vor jeder Untersuchung des Wortinhaltes des israelitischen
Gottesnamens muß jedoch über das Verhältnis der drei Mög¬
lichkeiten mn'', Jahn und Ja Klarheit geschaffen werden.
Früheren Zeiten war es einwandfrei gesichert, daß die Be¬
ziehungen dieser drei Weisen des Namens in der Verkürzung
von mn'' zu irr* und dann zu iT zu finden sei*). Hehn findet
einen anderen Weg: ,,Jahu ist gar keine Verkürzung, sondern
es ist eine Variante zu Jahwe')." Aber auch der Versuch,
gerade den umgekehrten Weg, entgegen der früheren Zeit, zu
gehen, ist sprachlich möglich*). Das Wort Jah, das wie 3N
und ähnliche Worte an die ersten Anfänge der menschlichen
Sprache führt, ist durch die Nominalendung -u(m) zu Jahu(m)
1) Wellhausen, Israel.-jüdische Geschichte, S. 17 Anm. 1.
2) Kittel, Gesch. d. Volk. Isr. (3. Aufl.) S. 587 Anm. 1.
3) HöLSCHEB, Gesch. d. isr.-jüd. Relig., § 27 u. 27, 7.
4) ToEczYNEB, Die Bundeslade und die Anfänge der Religion Israels (Berlin 1922) S. 76 f.
5) HoLziNGEB, Einleitung in den Hexateuch, S. 204.
6) Cf. H. Baueb, Z.\W 1933 S. 93 ,, sprachlich vollkommen ein¬
wandfrei".
7) Hehn a. a. O. S. 228.
8) Gegen Baudissin, Kyrios IIS. 195 Anm. 5.
696 A. ScHLBiPF, Der Gottesname Jahwe
geworden. Jahwe ist aus Jahn künstUch gebildet. Daß es sich
um eine alte Zeit handelt, spricht keineswegs gegen eine
solche theologische Wortbildung. Der Name Jahn, der von
Mose vorgefunden wurde, wurde durch ihn so umgestaltet,
daß für Israel ein Sinn und eine verständliche Interpretation
gegeben war. Eine solche Umgestaltung ist im AT. nicht er¬
staunlich: Abram wurde, um dem Namen einen für Israel
bedeutungsvollen Sinn zu geben, in Abraham ü*'^3 |10n~2K
(Gen. 17, 5) umbenannt; auch das Wortspiel W^yp^rt inb.^b3
n"'b''^s (Ps. 96, 5) ist eine Volksetymologie dieser Art. Schon
die Tatsache, daß für die alte Erklärung der Name Jhwh
noch gar nicht stetig ist, sondern, wenn Gott selber spricht,
zu iTnS wird, zeigt, daß jene alte Zeit von der Prägung dieses
Namens noch eine Ahnung hatte. Die Erklärung Ex. 3, 14 ist
schon richtig*).
Kuhn") schlägt nun vor, mn"' als eine Pluralform von irf
anzusehen; es liegt aber doch viel näher anzunehmen, daß
Mose den vorliegenden Gottesnamen im Interesse einer ver¬
ständlichen Interpretation umgestaltete ; diese Annahme liegt
deshalb näher, weil die alte Tradition, Jahwe fuße auf dem
Satz n\nN Itfi'N iTns, nicht einfach als spätere Erfindung ab¬
getan werden kann. Wir können eine so durchgehende Re¬
form, wie die, die unter dem Namen des Mose geht, nur ver¬
stehen, wenn wir einen überragenden Reformator als Urheber
und Träger anerkennen. Große Umgestaltungen, zumal auf
dem Gebiete des religiösen Lebens, gehen immer auf den
Willen und das besondere Wissen eines erstaunlichen Men¬
schen zurück. So kann angenommen werden, daß in der
Form miT" keine natürlich gewachsene Bildung, sondern eine
von einem religiösen Genie bewußt geschaffene Bezeichnung
Gottes vorliegt. Der Inhalt dieser Interpretation gilt dem
,,Sein Gottes", gegenüber den nichtseienden Götzen; auf den
1) Noth a. a. 0. S. III sagt ähnlich: „somit könnte die Tradition
im Buche Exod. recht haben, daß der Gottesname mn'' erst in Israel
entstand und dann irgendwie auf das Wirken Moses zurückgeht".
2) Kuhn, Über die Entstehung des Namens Jahwe (in „Orientali¬
stische Studien", Enno Littmann zum 60. Geburtstage; Leiden 1935).
A. ScHLEipp, Der Gottesname Jahwe 697
Gott, der tatsächlich da ist, kann man sich verlassen ; auf die,
die eigentlich nicht sind, nicht. Dabei ist dieser Gott durchaus
nicht neu, sondern ist der ,,Gott der Väter"*).
Es ist damit also nahegelegt, Jahn als Gott der israeliti¬
schen Urstämme anzunehmen. Es ist ja häufig so bei religiösen
Reformationen, daß sie auf die Vergangenheit sich stützen;
Mohammed knüpft an die ,, Rehgion Abrahams", Luther an
die Zeit des Urchristentums an.
Wenn nun ein Rückblick über die oben zusammengestell¬
ten Überlieferungen des Vorkommens des israelitischen
Gottesnamens angestellt wird, so fällt auf, daß außerhalb
des AT. nur liT» oder gefunden wird, abgesehen vom Meäa'-
Stein. Vergleicht man die Grundhaltung dieser Zeugnisträger
mit dem Me§a'-Stein und dem AT., so erkennt man, daß auf
der einen Seite — bei Mesa' und dem AT. — das feierliche
religiöse Pathos steht, und auf der anderen Seite ganz profane
Äußerungen des täglichen Lebens. Wenn dieser vergleichende
Überblick auf die späteren Zeugnisse erweitert wird, so findet
man das gleiche Bild. Die Autoren, die gänzlich ohne das
Grundinteresse einer religiösen Betrachtung des AT. schrei¬
ben, kennen nur die Form Jao; bei den rein theologisch
orientierten Autoren tritt zu dieser Form dann die Form Jah
oder 'laße. Diese letzte stammt bei ihnen deutlich aus der
religiösen Überlieferung des AT. Anders ist es mit der Form
Jah. Diese steht immer im Zusammenhang mit besonders
feierlichen oder spekulativen theologischen Gedanken. Im
1) Hier die Keniter-Hypothese dazwischen zu schieben, entbehrt
jeglicher Notwendigkeit (gegen Stade, Geschichte . . [1883] S. 1301.;
Budde, Rel. of Isr. to the Exil [1898] S. 35ff.). Diese Hypothese ruht
auf ganz vagen Beweisen. Oesterley-Robinson schließen in Num. X 29:
the father-in-law (or perhaps the brother-in-law) of Moses is called
Hobab, and in Judges IV. 11 this Hobab is stated to have been a Kenite (S. 138). Die Vermutung, Jahwe für einen Kenitergott zu halten, liegt also nahe, denn 'it is clear, that Yahweh had been recognized and had
been worshipped before Israel came into contact with him' (S. 136),
Aber auch OESTEBLEY-RoBinsoif geben zu: But, probable as this
suggestion may be, it still remains a conjecture (S. 139). Diese Hypo¬
these kann aufgegeben werden; es ist durchaus möglich, daß Jahu der
„Gott der Väter" war.
698 A. SoHLEiFF, Der Gottesname Jahwe
AT. steht n'' an der sehr markanten Stelle Ex. 15, 2. Der
Satz stammt aus dem Loblied des Mose und will nach dem
Durchzug durch das Rote Meer gedichtet sein*). Der gleiche
Satz kommt in Jes. 12, 2 vor; es ist dies ein fremder Schluß
zu den vorangehenden Kapiteln, der aus allerhand damals
bekannten Liedern zusammengedichtet worden weu- und
jünger als Ex. 15, 2 ist. Außerdem ist der Satz noch in
Ps. 118, 14 zitiert. Der Name Jah kommt in diesem Psalm
noch öfter vor; das ist nicht erstaunlich, da ja klar ist, daß
dem Dichter jenes Loblied des Mose bekannt war. Auch für
Ps. 89, wo es heißt -ypu rp-a^-^r: nisnii in'bs nin-; (V. 9)
liegt deutlich Abhängigkeit von Ex. 15 vor; TjiTOD-^'M als Frage
ist wohl aus Ex. 15, 11 übernommen. In Ex. 17, le wird ein
ni~DJ erwähnt*); hier ist es wahrscheinlich so, daß der von
alters vorhandene heilige Ort iT^'DJ später volksetymologisch
und religiös aus einem bekannten Ereignis heraus erklärt wird :
''DJ mn'' IDtfi^ Nlpil. Die Erklärung trifft ja auch, wenigstens in
der Gleichstellung von Jah und Jhwh, das Richtige. Der Vers 12
des Ps. 77, in dem die nj'~'bbP^ genannt werden, ist sehr wenig
in Ordnung; offensichtlich hat der Verfasser ganz alte Stücke
mit hineingedichtet ; wahrscheinlich gehören die nj""'b^?')a da¬
zu. Wenn im prophetischen Schrifttum Jah gebraucht wird, so
ist das immer an Stellen, in denen besondere Höhepunkte, dich¬
terische Glanzpunkte liegen. So in dem Satz Jes. 26, 4 n^,a "'S
a"'7abiy 1121 nin-;. Jah ist zur Betonung und Ausmalung des
Jhwh füllend dazwischen gesetzt. Genau so ist es in Jes. 38,11,
wo das zweimalige Jah ungeheuer den Schmerz und die
1) Das Alter dieses Liedes ist schwer festzustellen. Die Verse 13,
16 und 17 setzen doch wohl voraus, daß das Volk Israel in Kanaan
wohnt und daß der Tempel schon besteht. Somit kommt als früheste
Zeit die Regierung des Salomo in Frage. Dagegen weisen die Verse 1—5
deutlich auf ein hohes Alter hin, ja es ist durchaus möglich, daß sie unmittelbar nach dem großen Ereignis entstanden sind. Wahrscheinlich
ist es so, daß das Lied vom Volke zurechtgesungen und je und je er¬
weitert ist und später, vielleicht zum Zwecke einer Passahfeier, in seiner jetzigen Gestalt aufgezeichnet wurde.
2) Corr. aus n"'"DD, im Hinblick auf V. 15 ; cf. Baentsch im Hand¬
kommentar z. St.
A. ScHLEiFF, Der Gottesname Jahwe 699
Gottesferne des todkranken Hiskia zeigt; dieses nTT' darf, aus
künstlerisclien Rücksicliten allein schon, keinesfalls zu miT'
korrigiert werden, so nahe eine solche Verbesserung liegen
mag. Einer der Wege der hebräischen Sprache, eine Sache
superlativisch auszudrücken, ihr ein besonderes Gewicht zu
geben, ist, ein Wort zweimal zu setzen*). In einem späteren
Psalm, wie 94, ist dann der Name Jah nicht verwunderlich.
Ebenso fmden wir in jüngeren Psalmen oftmals die Form
Hallelujah, das zuweilen n^^"^b4)n geschrieben wird") und zu¬
weilen in ein Wort zusammengezogen ist'). Auch im Talmud
wird darüber berichtet: in3 3^131 i3"«3n ''3T ''h'^n nJVn 3n "IDN
ND''J in3 mi ND''J in3 ^bbn*). Das Jah ist, soviel kann wohl
gesagt werden, keine erst durch die Zusammenziehung be¬
wirkte Abkürzung von mm, sondern ein selbständiges Wort.
In früheren Zeiten haben wir Jah für oder neben Jahwe,
immer zur Betonung oder Unterstreichung eines besonders
wichtigen Gedankens innerhalb des Kultusgesanges. Wenn
wir später Jah treffen, ist es durchweg in speziell von älteren
Stellen deutlich abhängigen Sätzen oder in so jungen Stücken,
daß sie allgemein von der älteren Literatur beeinflußt sind.
So ist Jah eine sehr alte Bezeichnung Gottes, die man stets,
wohl auch ihres Alters wegen, aber doch vornehmlich ihrer
Bedeutung halber, mehr oder minder deutlich kannte, be¬
sonders ausgezeichnet hat. Wenn man im Kultus in beson¬
derer Feierlichkeit das Wesen Gottes nennen wollte, dann
gebrauchte man den Namen Jah. Die Juden pflegten dieses
Jah als außerordentlich vorzuziehen. Im Talmud wird Jah
als tshnp bezeichnet"). Epiphanius hat vielleicht noch irgend¬
wie eine Ahnung davon, wenn er kurzweg Jah als xvQiog
erklärt. Und Petrus Galatinus (der ein guter Kenner der
jüdischen Tradition war) hat recht, wenn er von Jah sagt:
quod idem est quod Dens*). Denn dieses Jah war die erste
1) Cf. 1. Sam. 2, t z. B. Ich denke auch an die Konstruktion des
Verbums mit dem eigenen Infinitiv, um die Intensität auszudrücken.
2) Ps. 135,»; 105, a; lll.i u. ö.
3) Ps. 113, t u. ö. 4) Bab. Talm. Pes. 117 a.
5) Petr. Galatinus a. a. O. XI. X S. 58.
700 A. ScHLEiPF, Der Gottesname Jahwe
Bezeichnung Gottes; daß im AT Jah als eine sehr alte und
vor allem bedeutsame Bezeichnung Gottes zu fmden ist,
erhärtet diese Vermutung. Es ist dieses Jah das Stammeln
des Menschen, der Gott zum erstenmal ganz bewußt gro߬
artig erlebt.
Nun ist es keine genügende Auskunft, Jah einfach als
,,a universal Semitic exclamation" zu erklären*). Vielmehr ist
es viel näherliegend, darin einen Wortsinn zu suchen.
Vielleicht kann dieses Jah als ein Wortstamm genommen
werden mit der allgemeinen Bedeutung des Pronomens:
„Etwas" oder hinweisend: ,,Der"").
Dieses ,,Der", das vielleicht als der ursprüngliche Name
Gottes angenommen werden kann, zielt also ab auf das
Interesse an dem Sein Gottes. Dieses Sein ist nicht der Be¬
griff der Aseität, sondern der Begriff des Lebens gegenüber
den Elilim. Das was Mose ausdrücklich in seiner Reformation
der israelitischen Religion in den neugeprägten Gottesnamen
hineinlegt — nämlich das ,,Sein" — liegt dem Urnamen
eigentlich schon zugrunde, nur wurde es zu seiner Zeit nicht
mehr verstanden. Dieser unabstrakte (unphilosophische) Be¬
griff des Lebens als des Vermögens zu wirken, liegt deutlich
im ersten Gebot, der Forderung der unbedingten Anerken¬
nung, das das Grundprinzip der ganzen israelitischen Religion
ist. Daß dieses Grundprinzip sowohl in der Urkonzeption des
Gottes als auch in der Reformation des Mose zu fmden ist,
ist eigentlich selbstverständlich. Denn eine gewisse Konti¬
nuität läßt sich im Denken eines jeden Volkes feststellen.
Die Art der Frömmigkeit eines Volkes wird im Verlaufe der
Geschichte immer irgendwie gleichbleiben. Gemeinhin ist es
so, daß die Art des religiösen Denkens von der Gotteskonzep¬
tion abhängt. Und umgekehrt: von der Art der Frömmigkeit
kann man ein Verständnis der Gotteskonzeption gewinnen.
1) DBr^ER, ZAW 1928 S. 24 Anm. 2.
2) H. Bauer schlägt vor, in dem Ja vielleicht ein altes Demonstrativ¬
pronomen zu finden; ZAW 1933 S. 94 Anm. 1. Cf. Gbsbnius-Kautzsch, Hebr. Grammatik, § 117 Anm. 1. Vielleicht ist auch in der Akkusativ¬
partikel dieser Wortstamm noch zu finden.
A. ScHLBipp, Der Gottesname Jahwe 701
In der israelitischen Frömmigkeit fällt das Interesse am Da¬
sein auf*). Es gibt keine Jahwe-Bilder"), Gottes Herrlichkeit
kann niemand schauen*). Ähnliches zeigt sich in der Gleich¬
stellung von Gott und n^n«). Immer wird ersichtlich, daß der
Israeht es möglichst vermeidet, den Gott näher zu umschrei¬
ben, ihn nach seinen Eigenschaften oder seinem Aussehen zu
spezifizieren. Daß Amos die konsequente Folgerung zieht und
sagt, daß Jahwe an Israel keineswegs besonders gebunden
sei, sondern schlechthin da ist, ganz allgemein, als der Herr
der Welt, ist von hier aus vielleicht verständlich. Die Formel
mS3S mn'' kann man vielleicht auch so erklären: Jahwe ist
der Herr der Welt, ähnlich wie bei kiääeti, der Herr der Ge¬
samtheit. Und andererseits: $eba'öt als eine bestimmt be¬
grenzte Gruppe aufzufassen, verbietet der Inhalt des Wortes
Jahwe. Es kann ganz allgemein aufgefaßt werden: Herr der
Allheit. Diese Allgemeinheit des Gottesbegriffes, dem jegliche
spezielle Intention mangelt, zeigt sich in der Auffassung von
der Unerforschlicbkeit von Gottes Ratschluß. Hiskia beugt
sich in frommer Ergebenheit oder trüber Resignation dem
unverständlichen Willen Gottes*). Mose erfährt, daß Gottes
Willen dem menschlichen Einfluß entzogen ist'). Der Grund
zu den Wegen, die Gott in seinem Wirken geht, liegt immer
nicht außer ihm, sondern allein in ihm selbst. Von hier aus
1) Dieses Da-Sein ist nicht mit Aseität zu verwechseln! Dieser Cha¬
rakterzug der isr. Frömmigkeit fiel übrigens schon den Römern auf.
Spottend sagt Petronius:
Judaeus licet et porcinum numen adoret
et caeli summas advocet auriculas
(Poetae latinae minores, ed. Babhrbns, Leipz. 1882 Bd. 4 S. 98).
2) Micha (Jud. 17) verehrt nach V. 2 u. 3 Jahwe. Und er macht
seinem Gott ein bos, eine nsoa. Einmal ist klar, daß diese Geschichte auf sehr alten, vielleicht kanaanäischen Grund zurückgeht. Zum anderen hat auch die isr. Geschichtsschreibung das Ärgernis des Jahwe-Bildes zu beseitigen versucht. Die südpaläst. Münze (Hbmpel a. a. O. III) mit
dem Jahwe-Bild zeusähnlichen Charakters trägt deutlich den Stempel
des hellenistischen, alles nivellierenden Religionssynkretismus an sich.
3) Ex. 33, wff. 1. Reg. 19, uff.
4) Z. B. Jes. 31, s.
5) 1. Reg. 20,1». 6) Ex. 33, i».
ZeltacbrUt d. DUO. Bd. 90 (Neue Folge Bd. U) 46
702 A. ScHUiFF, Der Gottesname Jahwe
ergibt sich das Verständnis des israehtischen Ethos. pITS oder
njSTS ist nicht (wie die Gerechtigkeit im römischen Denken)
eine justitia judicialis, sondern stets justitia divina. Denn
Gott ist schlechthin da, ohne daß menschliche Maßstäbe ihn
in Attribute aufteilen können, ohne daß eine bestimmte
Richtimg seines Wirkens durch einen jeweils entsprechenden
Begriff gekennzeichnet werden kann. Im Denken des zweiten
Jesaia findet dies seine schärfste Ausprägimg. Für ihn ist p15f
mit Vl^l identisch*), den menschlichen Rechtmaßstäben völlig
entzogen. Und für ihn ist Gott der alles Umspannende, Un-
beschreibbare, der der Erste und Letzte ist*).
Wie das Ethos, das einen Kernpunkt der israelitischen
Religion bildet, ist auch ein anderer Kernpunkt, die Eschato-
logie, von hier aus zu verstehen. Der Gott, der da ist, den
man schlechthin als den "»rr^N umschrieb, war der Gott, der
hilfreich und siegreich dem Volk Israel stets geholfen hatte;
diesem Gott, der einfach unwidersprechlich da ist, fühlte sich
Israel eng verbunden. Blekkkr sagt ganz richtig: Israel kan
dien naam niet noemen, of et hoort daarin een onbegrensde
volheid van heil zieh toegezegd. Mit dem Namen war 'altijd
op nieuw de heenwijzing naar de toekomst gegeven"). Der
Gedanke der Eschatologie wächst aus dem besonderen
israelitischen Gottesgedanken, verbunden mit dem Bewußt¬
sein des einzigartigen Verhältnisses Israels zu diesem Gott.
Damit zeigt sich, daß die — in jüngster Zeit übrigens
oftmals vorgeschlagene — Gottesnamensurform Jah, der der
Inhalt „Der" zugrunde liegt, nicht nur trefflich in die Struktur
der israelitischen Religion sich einfügt, sondern zugleich für
die Erhellung der Kernfragen wichtige Hinweise geben kann.
Das ist deshalb so verlockend, weil einmed dadurch die alte
israelitische Religion und ihre Geschichte aus sich verständ¬
lich wird und weil dazu der Ideengehalt des ganzen israeliti¬
schen Denkens in die gleiche Richtung weist.
1) Jes. 45, a; 51, i u. ö.
2) Jes. 41, «; 44, « u. ö.
3) Blsükeb, Over inhoud en oorsprong van Israels heilsverwachting S. 26.
Die alphabetische Akrostichie in der jüdischen Psalmendichtung
Von P. A. Munch-Oslo
Eine stilistische Eigentümlichkeit, die wir in mehreren
Psalmen der jüdischen Zeit antreffen, die aber noch keiae
befriedigende Erklärung gefunden hat, ist die alphabetische
Akrostichie. Es scheint im Judentum eine recht hoch¬
geschätzte Kunstform gewesen zu sein, daß man Lieder
dichtete, in denen die aufeinanderfolgenden Buchstaben des
hebräischen Alphabets je am Anfange einer rhythmischen
Einheit stehen. So wird in Ps. III und 112 jede Halbzeile,
in Ps. 25, 34 und 145, Prov. 31, loff., Sk. 51, isff. jede Zeile
mit einem neuen Buchstaben begonnen. In Ps. 37 und Thr. 4
stebt ein neuer Buchstabe je am Anfang zweier Zeilen, in
Thr. 1 und 2 je am Anfang dreier Zeilen. Noch kunstvoller
ist Thr. 3, das denselben Buchstaben am Anfang dreier
Zeilen hat. Aber sie alle überbietet Ps. 119, wo der Dichter
sich der schweren Aufgabe angenommen hat, acht Zeilen mit
demselben Buchstaben anzufangen, dann die nächsten acht
mit dem nächsten Buchstaben usw. Eine ähnliche schwere
Form scheiat der Dichter von Ps. 9—10 beabsichtigt zu
haben, indem er je vier Halbzeilen mit demselben Buch¬
staben anfangen wollte. Diese Form ist aber nur in der
N-Strophe durchgeführt worden. Schon beim 3 hat er sie
aufgegeben. Von nun an folgt eine leichtere Form: einen
neuen Buchstaben des Alphabets je am Anfang einer Strophe
zweier Zeilen.
Diese Stilform ist späten Ursprungs. Die oben genannten
Dichtungen stammen sämtliche aus nachexilischer Zeit. Vor
dem Exil ist die alphabetische Akrostichie nicht bezeugt. An
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