Herbert Wilhelm Duda 18. 1. 1900 — 16. 2. 1975
Herbert Wilhelm Duda (1900—1975)
Von Wilhelm Heinz, Würzburg
Am 16. Februar 1975 verschied in Wien der emeritierte Ordenthche
Professor der Turkologie und Islamwissenschaft, Hebbeet Wilhelm
Duda, nach schwerem, mit Geduld ertragenem Leiden. Mit ihm ver¬
liert sein Fach und das österreichische Hochschulleben einen seiner
markanten Vertreter.
Heebeet W.Duda wurde am 18. Januar 1900 in Linz an der Donau
geboren. In Prag, einem der Zentren deutschen Kulturlebens in der
alten Donau-Monarchie Österreich-Ungarn, erhielt er seine Schulaus¬
bildung, die er mit dem Abitur am humanistischen Deutschen Staats¬
gymnasium Prag-Kleinseite abschloß. Der Kriegsdienst brachte ihn
bereits in unmittelbare Berührung mit dem Land, das im folgenden der
Gegenstand seiner Interessen werden sollte, der verbündeten Türkei.
Nach Kriegsende begann er das Studium der Orientalistik an der
Deutschen Karls-Universität Prag bei Max Geüneet, setzte es in
Wien bei Fbiedeich Kbaelitz-Geeifenhoest fort, ging anschließend
nach Leipzig, wo Richaed Habtmann und August Fischee seine
Lehrer waren, und beendete hier auch seine die Jahre 1919 bis 1925
umfassenden Universitätsstudien mit der Promotion. Es folgte ein
Studienjahr in Paris, wo er von Jean Deny nachhaltige Impulse für
seine spätere Arbeit empfing und das er als Diplome de l'ficole Nationale
des Langues Orientales Vivantes im Jahre 1926 abschloß. Die Zeit von
1927 bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1932 verbrachte
er in Istanbul, zuerst als Lektor für türkische Presse und Theater¬
rezensent der Zeitung ,, Türkische Post", später als Privatgelehrter.
Nach seiner Habilitation in Leipzig im Jahre 1932 wirkte er dort als
Privatdozent bis zur Berufung als außerordentlicher Professor der
Turkologie und Islamischen Philologie an die Universität Breslau im
Jahre 1936. Nach einer Gastprofessur in Sofia erreichte ihn 1943 der
Ruf auf den Lehrstuhl der Universität Wien, den er als ordentlicher Pro¬
fessor für Turkologie und Islamwissenschaft bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1970 innehatte.
Den Schwerpunkt von Dudas wissenschaftlichem Lebenswerk bildet
innerhalb der Turkologie die Osmanistik, während er in der Islam¬
wissenschaft aus den Sprachen und Kulturen der sich von Marokko bis
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Indonesien erstreckenden islamischen Welt das Persische und seine
Literatur zum Gegenstand seiner Forschungen wählte. Aus seinen
Schriften, die mehr als 175 Veröffentlichungen umfassen^, können hier
nur einige als Beispiel für die Richtungen, in denen sich Dtjdas
Forschungsarbeit erstreckte, namenthch genannt werden. Auf sprach¬
wissenschaftlichem Gebiet galt sein Interesse der mittleren Entwick¬
lungsstufe des Osmanisch-Türkischen, der er eine Untersuchung über
Die Sprache der Qyrq Vezir-Erzählungen. Leipzig 1930 widmete. Mehr¬
fach behandelte er in Aufsätzen und Rezensionen Fragen des heutigen
Türkisch. Die oft problematischen Wege, welche die türkische Sprach¬
reform in der kemalistischen Türkei einschlug, verfolgte er Zeit seines
Lebens mit lebhafter Anteilnahme und ausgewogenem Urteil. Aus der
Verwurzelung im Sprachleben und seinem literarischen Niederschlag
im Laufe der Jahrhunderte hatte er das Gefühl für Echtes und Un¬
organisches, Bleibendes und Vorübergehendes in der Entwicklung.
Ein weiteres Interessengebiet Dudas war die Geschichte des Osma¬
nischen Reiches und seiner Vorgänger auf anatolischem Boden. Bei¬
träge zur Quellenkunde wie Aufnahme der osmanischen Staatsschrei¬
ben des königlichen Reichsarchivs in Kopenhagen, Fragen der Besied¬
lungsgeschichte am Balkan, lokalhistorische und soziologische Probleme
wie in Balkantürkische Studien. Wien 1949 charakterisieren seine
Tätigkeit auf diesem Gebiet. Spätestens seit den Vierziger]ahren datiert
die Arbeit an der maßgeblichen Quelle für die Geschichte der Rumselt-
schuken, der persisch abgefaßten Geschichte des Ibn Bibi. Er erschloß sie
in einer mustergültigen, kommentierten Übersetzung nicht nur der
weiteren Fachwelt, sondern auch der allgemeinen Geschichtswissen¬
schaft. {Die Seltschukengeschichte des Ibn Bibi. Kopenhagen 1959).
Wie sehr solche Übertragimgen ins Deutsche von den orientalischer
Sprachen meist unkundigen Historikern begrüßt werden, zeigt der
Widerhall, den die von Richaed P. Keeutel herausgegebene Reihe
osmanischer Geschichtsschreiber gefunden hat.
Früh trat die ausgeprägte Neigung Dudas zur Dichtung zutage.
Seine Arbeiten über den frühen Mystiker Yunus Emre {Junus Emre.
Istanbul 1929) und den modernen Symbolisten Ahmed Häschim
{Ahmed Häschim. Ein türkischer Dichter der Gegenwart. Berlin 1929)
gelten Perioden vor und nach der Blüte der klassischen türkischen
Dichtung, von der sich der Verstorbene zunehmend angezogen fühlte.
1 Ein Verzeichnis der Schriften bis 1959 erschien in WZKM 56 (1960),
S.XIII bis XVI. Die Fortsetzung bis 1973 bringt WZKM 67 (1975). Vgl.
auch das von Duda selbst zusammengesteUte Verzeichnis: Meine Schriften
1919—1969. Wien: Notring 1970.
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Wer aber, wie Duda es in eminentem Maße war, auf die Dichtung hin
orientiert ist, da ergibt sich zwangsläufig als Vorstufe eine zeitweilige
Verlagerung des Schwerpunktes auf die persische Dichtung hin. Sind
doch weite Strecken der türkischen Dichtung (nicht nur der Divan
§iiri, und nicht nur der osmanisch-türkischen, sondern auch der
usbekischen und der anderer Turkvölker) ohne intime Kenntnis ihres
Vorbildes, der persischen Dichtung, sehwer zu bewerten und in ihrer
— oft durchaus vorhandenen — Originalität zu würdigen.
Zeugte bereits seine 1933 erschienene Untersuchung der Geschichte
des Sagenstoffes von Farhäd und Sirln (Ferhäd und Schirin. Die
literarische Geschichte eines persischen Sagenstoffes. Prag-Paris-Leipzig
1933) von seinem Interesse an der persischen Literatur, so verstärkte
sich dieses in der Zeit nach 1945 immer mehr. Im Jahre 1947 erschien
die Übersetzung von 'Ubaid-i Zäkäni's satirischer Dichtung MüS u
gurha (Katze und Maus. Salzburg 1947), weitere kleinere Übertragungen
folgten. Plänen zu Ubersetzungen moderner persischer Prosa und der
Abfassung einer Grammatik setzten seine nachlassenden Kräfte, be¬
sonders ein Augenleiden, eine Grenze.
Duda hatte seit seiner frühen Tätigkeit in Istanbul eine enge Ver¬
bindung zur Öffentlichkeitsarbeit und fühlte sich zur Mitvertretung
der Belange nicht nur seines Fachgebietes, sondern des wissenschaft¬
lichen Lebens an der Universität im allgemeinen gegenüber der Öffent¬
lichkeit verpflichtet. Dies zeigte sich bei der Gründung der öster¬
reichischen Hochschulzcitung im Jahre 1949, deren Herausgeber und
Chefredakteur er bis 1971 war. In Presse und Rundfunk brachte er
Themen aus seinem Fach in anregender Form einem breiteren Publikum
nahe. Die Wandlung der osmanischen zur modernen Türkei schildert
in anschaulicher Weise sein Buch Fom Kalifat zur BepubliJc. Wien 1948.
Als Herausgeber machte er sich unter anderem um die Neuauflage von
Josep von Hammer-Pukgstall : Geschichte des Osmanischen Reiches.
Graz 1963 verdient.
In der akademischen Selbstverwaltung wirkte Duda mehrfach als
Dekan und Prodekan. In der schweren Nachkriegszeit war er an der
Gründung des Notrings (jetzt : Verbandes) der wissenschaftlichen Gesell¬
schaften Österreichs beteiligt, dessen Ehrenmitglied er ebenso wie das
der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft war. Düda war kor¬
respondierendes Mitglied der österreichischen Akademie der Wissen¬
sehaften und des Türk Dil Kurumu. Seine Verdienste wurden in seiner
Heimat und im Ausland durch zahlreiche Ehrungen gewürdigt, von
denen nur das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
I. Kl. und die Ernennung zum Komtur des Kaiserlich-Iranischen
Humayun-Ordens herausgegriffen seien.
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4 Wilhelm Heinz, Herbert Wilhebn Duda (1900—1975)
Dem Äußeren nach war Duda mittelgroß, mit lebhaftem Blick, und
erweckte auch im Gebaren den Eindruck von Energie und Aktivität,
die er auf seine Umgebimg ausstrahlte. Gelegentlich trug ihn sein
Temperament weiter, als er selbst es wollte. Seine Vorlesungen waren
klar, lebendig, oft zog er Parallelen zur Gegenwart, er formulierte
geistreich, und hatte bei aller Akribie den Blick für das Wesentliche.
Eine bleibende Erinnerung für seine Schüler sind die mit ilim gemein¬
sam verbrachten Stunden über den Originalen der türkischen Staats¬
schreiben. Auf solche Exkursionen, wobei das in der Vorlesung über
Diplomatik Gelernte praktisch am Objekt geübt wurde, folgte oft ein
gemütliches Beisammensein in einem Kaffeehaus, wie Duda überhaupt
die Geselligkeit liebte. Seinen Schülern stand er stets mit Rat und Tat
zur Seite.
Die letzten Lebensjahre verbrachte er, obgleich durch die ständig
nachlassende Sehkraft stark behindert, arbeitend in Wien, während
er Ruhe und Erholung auf seinem Landsitz in Pfaffetschlag fand. In
dessen Nähe fand er in der Ortschaft Klaffer auch die letzte Ruhestätte.
Seine Schüler und Kollegen werden ihm ein ehrendes und dankbares
Andenken bewahren.