Jenseits von Hartree-Fock: Elektronenkorrelation
Martin Sch ¨utz
Institut f ¨ur theoretische Chemie, Universit ¨at Stuttgart Pfaffenwaldring 55, D-70569 Stuttgart
Probevorlesung Regensburg 30. Juni, 2003
Die Hartree-Fock Methode
• Slaterdeterminante Ψ(1,2, . . . N) = ˆAψ1(1)ψ2(2). . . ψN(N) (Pauli)
• Minimiere den Energieerwartungswert ¨uber den exakten Hamiltonoperator (d.h. inklusive g(i, jˆ ))
E = hΨ(1,2, . . . N)|Hˆ|Ψ(1,2, . . . N)i hΨ(1,2, . . . N)|Ψ(1,2, . . . N)i =
N
X
i
hii + 1 2
X
ij
(ii|jj) − (ij|ji),
variationell bez ¨uglich der Einelektronenfunktionen (Orbitalen) ψi
⇒ Hartree-Fock oder Self-consistent field (SCF) Methode.
• Variationsbedingungen ergeben effective 1-Electron Schr ¨odingergleichung f ¨ur jedes Orbital (Feld: Kerne plus gemitteltes Feld der anderen Elektronen).
fˆ(1)|ψi(1)i = i|ψi(1)i, fˆ(1) = h(1) +ˆ
N
X
k
Z
dx2ψk∗(2)r12−1(1 − Pˆ12)ψk(2)
= h(1) +ˆ vˆHF(1).
⇒ Reduktion des N-Teilchen Problems auf N 1-Teilchen Probleme.
Einf ¨ uhrung einer endlichen 1-Teilchen Basis (LCAO Ansatz)
• Die Molek ¨ulorbitale (MOs) werden (als Vektor) in einer finiten Basis ent- wickelt: die Basisfunktionen spannen einen Vektorraum auf
ψi(~r) =
M
X
µ
χµ(~r)Cµi
⇒ Differentialgleichungsproblem ⇒ Matrix-Eigenwertproblem !
M
X
ν
FµνCνi = i
M
X
ν
SµνCνi, or FC = SC, mit
Fµν = hχµ|fˆ(1)|χνi, und Sµν = hχµ|χνi,
L ¨osung des Eigenwertproblems: MO Koeffizientenmatrix C.
• Als Basisfunktionen χµ werden meist atomzentrierte Gaussfunktionen (und fixe Linearkombinationen davon) verwendet.
⇒ 2-Elektronenabstoßungsintegrale, die beim Aufbau der Fockmatrix F auftre- ten, k ¨onnen analytisch sehr effizient berechnet werden.
Intrinsische Fehler des Hartree-Fock Modells
”Mean Field” N ¨aherung
:• Jedes Elektron bewegt sich im Feld der Kerne und dem gemittelten Feld der restlichen Elektronen
⇒ Die Wahrscheinlichkeitsdichte eines gegebenen Elektrons ist unabh ¨angig von den aktuellen Positionen der restlichen Elektronen, d.h.,
P(r1, r2) = P(r1)P(r2).
In Wirklichkeit
:• Die Elektronen ”sp ¨uhren”, ob ein anderes Elektron nah oder fern ist, Die Bewegungen der Elektronen sind korreliert
⇒ Die Wahrscheinlichkeitsdichte P(r1, r2) wird in der N ¨ahe von r1 = r2 stark reduziert.
Intrinsische Fehler des Hartree-Fock Modells
0.0 1.0 2.0 3.0 4.0
R / Angstrom
−5.0 0.0 5.0
Energy / eV
RHF UHF Exact
1. Bei Gleichgewichtsabst ¨anden: Die gegenseitige Abstoßung der Elektronen wird ¨ubersch ¨atzt
2. Qualitativ falsche Beschreibung von Bindungsdissoziation
Langreichweitige Korrelation – Dissoziation
• RHF Wellenfunktion f ¨ur Grundzustand von H2:
ΨX = ˆAσgα(1)σgβ(2), mit σg = Zσg(χA + χB),
wobei χA ein auf Atom A zentriertes s Atomorbital ist.
• F ¨ur unendlichen Abstand R zwischen A und B, χA → sA, Zσg → 1/√
2 wird ΨX = 1
2
Aˆ
sαAsβB + sαBsβA + sαAsβA + sαBsβB
• Kovalente Terme OK, aber unphysikalische ionische Terme (H+· · ·F−) ver- ursachen unphysikalisches R−1 Abklingverhalten des Potentials.
⇒ Dissoziationsenergie wird ¨ubersch ¨atzt !
• Scheitern RHF wegen Vernachl ¨assigung von Korrelationseffekten:
Beide Elektronen haben dieselbe Wahrscheinlichkeitsdichte auf A und B, unabh ¨angig von der Position des anderen Elektrons ⇒ ionische Beitr ¨age.
• Teill ¨osung: ”spin-unrestricted” HF (UHF). Problem hier: Spinkontamination ! (UHF ist nicht mehr Eigenfunktion von Sˆ2)
Langreichweitige Korrelation – Dissoziation
• RHF Wellenfunktion f ¨ur doppelt angeregten Zustand 1Σ+g von H2: ΨE = ˆAσuα(1)σuβ(2), mit σu = Zσu(χA−χB),
• F ¨ur unendlichen Abstand R zwischen A und B wird
ΨX ∼ 1 2
Aˆ
sαAsβB + sαBsβA−sαAsβA−sαBsβB
, also wieder
eine unphysikalische Mischung von kovalenten und ionischen Anteilen, aber letztere diesmal mit entgegengesetztem Vorzeichen.
⇒ Linearkombination Ψ von ΨX und ΨE, d.h., Ψ = cXΨX + cEΨE ist flexibel genug f ¨ur korrekte Beschreibung des Potential bis zur Dissoziationsgrenze:
Bei Gleichgewichtsabst ¨anden: ionische und kovalente Terme ¨ahnlich groß An der Dissoziationsgrenze: ionische Terme heben sich gegenseitig auf
⇒ Einfaches Beispiel f ¨ur Konfigurationswechselwirkung (CI),
Wellenfunktion ist Mischung verschiedener Slaterdeterminanten. Die CI- Koeffizienten (hier cX und cE) werden gem ¨aß Variationsprinzip bestimmt.
Kurzreichweitige Korrelation – der interelektronische ”cusp”
• Korrelation sogar wichtig, wenn das HF-Modell eine vern ¨unftige N ¨aherung liefert (d.h. nahe Gleichgewichtsabst ¨anden). Da der Hamiltonoperator rij−1 enth ¨alt, hat das Verhalten der elektronischen Wellenfunktion nahe rij = 0 einen starken Einfluss auf die Energie.
• Betrachte Hamiltonoperator f ¨ur He Atom in internen Koordinaten r1, r2 (Kernabst ¨ande), und r12 (interelektronischer Abstand)
Hˆ = 1 2
2
X
i=1
∂2
∂ri2 + 2 ri
∂
∂ri + 2Z ri
−
∂2
∂r122 + 2 r12
∂
∂r12 − 1 r12
−
r~1
r1 · r~12 r12
∂
∂r1 + r~2
r2 · r~21 r21
∂
∂r2
∂
∂r12
• Keine Singularit ¨at in Energie ⇒ Coulomb Singularit ¨aten in Hˆ m ¨ussen sich gegenseitig aufheben, ⇒ Kern - und interelektronischer ”cusp”.
∂Ψ
∂ri
ri=0
= −ZΨ(ri = 0), and ∂Ψ
∂r12
r12=0
= 1
2Ψ(r12 = 0)
• interelektronischer ”cusp”: Ψ nimmt ∝ r12 (linear) zu nahe r12 = 0 !
Kurzreichweitige Korrelation – der interelektronische ”cusp”
• Die Hartree-Fock Wellenfunktion, andererseits, h ¨angt nicht von r12 na- he r12 = 0 ab. Die Wahrscheinlichkeit, zwei Elektronen nahe beieinan- der zu finden (und damit die Elektronenabstoßungsenergie) wird deshalb
¨ubersch ¨atzt.
• F ¨ur die Ableitung der Wellenfunktion nach dem Elektron- Elektron Abstand erh ¨alt man deshalb die Hartree-Fock und die exakte Wellenfunktion
∂ΨHF
∂r12
r12=0
= 0, und ∂Ψ
∂r12
r12=0
= 1
2Ψ(r12 = 0),
• Korrelationseffekte sind besonders wichtig f ¨ur Elektronen mit entgegenge- setztem Spin.
• F ¨ur Elektronenpaare mit gleichem Spin sorgt bereits das Pauliprinzip (fest eingebaut in die Slaterdeterminante), dass die Elektronen sich nicht zu nahe kommen (Pauli correlation).
⇒ (Coulomb) Korrelationseffekte sind deshalb deutlich schw ¨acher.
CI f ¨ ur kurzreichweitige Korrelationseffekte ?
• Die CI Wellenfunktion f ¨ur He atom in Basis von Slaterorbitalen (STOs)
χnlm(~r) = rn−1 exp(−ζr)Ylm(θ, φ), n > l ≥ |m| ≥ 0
kann auf folgende Form gebracht werden [Helgaker, Jørgensen, Ohlsen, Molecular Electronic Structure Theory (2000)]:
ΨCI = exp[−ζ(r1 + r2)]X
ijk
(r1ir2j + r1jr2i)r122k, i, j, k = 0,1, . . .
⇒ Good news: CI Wellenfunktion enth ¨alt r12 Abh ¨angigkeit
Bad news: . . . aber nur in geraden Potenzen von r12 (keine linearen Terme)
⇒ CI beschreibt das Coulomb Loch, aber nicht das korrekte Verhalten der WF am Cusp ((∂ΨCI/∂r12)|r12=0 = 0).
⇒ Langsame Konvergenz von CI (und verwandten Methoden) bez ¨uglich der finiten Einteilchenbasis (i, j, k in obigem Beispiel).
⇒ WF, die r12 explizit enthalten (z.B. r12-CI, r12-MP2), konvergieren viel besser bez ¨uglich Einteilchenbasis, sind aber rechnerisch viel aufwendiger.
CI und das Coulomb Loch
Coulomb Loch des He Grundzustands:
CI-Rechnungen mit zunehmend großen Einteilchenbasen
-3 -2 -1 1 2 3 4s3p2d1f
-3 -2 -1 1 2 3 5s4p3d2f1g -3 -2 -1 1 2 3
2s1p
-3 -2 -1 1 2 3 3s2p1d
• Sehr langsame Konvergenz bez ¨uglich Basissatzgr ¨oße, kein Cusp unten am Loch, da (∂ΨCI/∂r12)|r12=0 = 0.
• Intrinsisches Problem aller Wellenfunktionen, die (wie CI) auf einem Orbital- pruduktansatz beruhen !
Kurzreichweitige vs. langreichweitige Korrelationseffekte
• Kurzreichweitige (dynamische) Korrelation wird vom Coulomb Loch und dem Cusp (nahe r12 = 0) verursacht, die im Hartree-Fock Modell fehlen.
– Gr ¨oße ungef ¨ahr proportional zur Anzahl Elektronenpaare, nimmt somit ab bei Bruch einer kovalenten Bindung.
– Ohne dynamische Korrelation (auf SCF Niveau): zu große Bin- dungl ¨angen, zu niedrige Bindungsenergien.
– Dynamische Korrelation ⇒ Dispersionswechselwirkungen (Ar2 ist nicht gebunden auf SCF Niveau)
• Langreichweitige (statische) Korrelation behebt das drastische Fehlverhal- ten von SCF beim Bruch von kovalenten Bindungen.
– SCF ¨ubersch ¨atzt die Dissoziationsenergie kovalenter Bindungen grob.
– Bindungsl ¨angen sind zu kurz, vib. Frequenzen sind zu hoch
– In manchen F ¨allen kann UHF benutzt werden, aber die gebrochene Spin- symmetrie kann zu großen Ungenauigkeiten f ¨uhren (vor allem bei dyn.
Korrelationrechnungen auf UHF Referenz).
– Statische Korrelation: wird simultan zur Orbitaloptimierung in die Rech- nung miteinbezogen, w ¨ahrend die dyn. Korrelation nachtr ¨aglich behandelt wird. ⇒ Multireferenzmethoden, wie z.B. CASSCF/CASPT2
Form der exakten (korrelierten) N -Electron Wellenfunktion
• Betrachte eine komplette (unendliche) Einpartikelbasis ψp(~r), p = 1,2, . . .∞ (z.B. die Hartree-Fock Orbitale):
• Jede Funktion von ~r kann exakt geschrieben werden als f(~r) =
∞
X
p
cpψp(~r)
• Jede Funktion zweier Ortsvektoren r~1, ~r2 kann exakt geschrieben werden als f(r~1, ~r2) = X
p
cp(r~2)ψp(r~1) = X
p,q
Cpqψp(r~1)ψq(r~2).
⇒ Jede antisymmetrisierte N-Electron kann exakt geschrieben werden als Ψ(r~1, ~r2, . . . ~rN) = X
p1,p2,...pN
Cp1,p2,...pNAˆψp1(r~1)ψp2(r~2). . . ψpN(r~N),
d.h., alle m ¨oglichen Slaterdeterminanten gebildet von einem kompletten Satz von Hartree-Fock MOs (besetzte und virtuelle) MOs in |ΨHFi = |0i):
|Ψi = |0i + X
ia
Tai|Ψai i + X
ijab
Tabij|Ψabij i + X
ijkabc
Tabcijk|Ψabcijki + . . .
⇒ Variationelle Berechnung aller Koeffizienten Tab...ij... ⇒ (Full) CI.
In der Praxis: Endliche Ein- and N -Teilchenr ¨aume
1.
Limitierung des Einteilchenraums:
• Endliche AO-Basis f ¨ur die Hartree-Fock MOs: ψi(~r) =
NAOs
X
µ
χµ(~r)Cµi
⇒ Endliche Anzahl von Hartree-Fock MOs ψi(~r) (NMOs ≡ NAOs)
• Langsame Konvergenz bez ¨uglich S ¨attigung der Einteilchenbasis NAOs (Beschreibung des interelektr. Cusps beschr ¨ankt auf gerade Terme in r12)
⇒ F ¨ur genaue Rechnungen werden große Basiss ¨atze ben ¨otigt (Funktionen χµ(~r) mit hoher Drehimpulsquantenzahl, d.h.,
f, g f ¨ur Atome der 1. Periode):
cc-pVDZ: 3s2p1d, cc-pVTZ: 4s3p2d1f, cc-pVQZ: 5s4p3d2f1g
2.
Limitierung des N -Teilchenraums:
• Sogar f ¨ur kleine Einteilchenbasen ist FCI viel zu aufwendig (exp. Anstieg des Rechenaufwands mit der Anz. Elektronen) !
⇒ Abbruch der Reihenentwicklung bei bestimmter Anregungsklasse, z.b.
nach Zweifach- oder Dreifachanregungen ⇒ CISD, CISDT.
⇒ Bessere Methoden: St ¨orungstheorie, Coupled Cluster
Das Skalierungsproblem der Elektronenkorrelationsmethoden
Hierarchie der Elektronenkorrelationsmethoden:
Method Scaling CPU(2N)/CPU(N)
HF N − N2 2 − 4
MP2 N5 32
CCSD N6 64
CCSD(T)/CCSDT-1b N7 128
• Rechenaufwand (CPU, Speicher) steigt sehr schnell an mit der Gr ¨oße des zu behandelnden Molek ¨uls !
• Je genauer die Methode, desto h ¨oher die Skalierung.
• Sogar die gr ¨oßten Hochleistungsrechner bieten keine L ¨osung f ¨ur die- ses Skalierungsproblem:
512 Prozessoren ≡ Faktor von 2.45 in N 1024 Prozessoren ≡ Faktor von 2.69 in N
Zusammenfassung
• Die Hartree-Fock Methode mit ihren intrinischen Unzul ¨anglichkeiten
• Statische(langreichweitige) Korrelation
• Dynamische (kurzreichweitige) Korrelation, interelektr. cusp
• Struktur der exakten korrelierten N-Elektron Wellenfunktion (FCI)
• In der Praxis:
− Limitierung des Einteilchenraums ⇒ Basiss ¨atze wie cc-pVTZ etc.
− Limitierung des N-Teilchenraums ⇒ Methoden wie CISD, St ¨orungstheo- rie (MP2) oder Coupled Cluster
• Dilemma: das Skalierungsproblem ⇒ Lokale Korrelationsmethoden
Slaterdeterminanten
• Eine antisymmetrisierte Wellenfunktion kann als Determinante (Slaterdeter- minante) geschrieben werden:
Ψ0(1,2, . . . N) = Aˆψ1(x1)ψ2(x2). . . ψN(xN)
= (N!)12
ψ1(x1) ψ2(x1) ψ3(x1) . . . ψN(x1) ψ1(x2) ψ2(x2) ψ3(x2) . . . ψN(x2) ψ1(x3) ψ2(x3) ψ3(x3) . . . ψN(x3)
... ... ... ...
ψ1(xN) ψ2(xN) ψ3(xN) . . . ψN(xN)
• N Elektronen in N Spinorbitalen
• Vertauschung zweier Elektronen f ¨uhrt zu Vorzeichenwechsel in der Wellen- funktion: Aˆψ1(x2)ψ2(x1). . . ψN(xN) = −Aˆψ1(x1)ψ2(x2). . . ψN(xN)
• ⇒ F ¨ur 2 identische Elektronen (gleiches Spinorbital, gleiche Raum/ Spinko- ordinaten) gilt: Aˆψ1(x1)ψ1(x1). . . ψN(xN) = 0
⇒ Slaterdeterminanten erf ¨ullen automatisch das Pauliprinzip!