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Arsenicum: Schöne Schattenseiten

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Academic year: 2022

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Manchmal sind es ja ganz einfache, uralte Dinge, mit moderner Technik aufgepeppt, die grosse Freude berei- ten. Zum Beispiel Schattenspiele. Gra- fikdesigner Michael Flückiger hat uns das wieder auf liebenswerte Art mit seinem Schattenelefanten vorgeführt.

Einfach clever: Beamer auf den Velo- gepäckträger montieren, iPad starten und der Elefant ist los in Bern. An Por- zellanläden läuft er ohne zu trampeln vorbei, mal gemütlich, mal im Galopp.

So mancher Heimkehrer, voll des süs- sen Weins, hat sich vermutlich gefragt, ob er jetzt einen nachtschwarzen élé- phant rose halluzinierte. Oder sinniert, ob der Zirkus Knie doch nicht in seiner Show auf Elefanten verzichten will und statt des traditionellen Elefantenspa- ziergangs zum Apéro nun zumindest einen zweidimensionalen Dickhäuter durch die Stadt schlendern lässt. Ist ja risikoloser – da besteht keine Gefahr, dass die Projektion provoziert wie sei- nerzeit die Elefantendame Sabu, die ein ausserplanmässiges Bad im Zü- richsee nahm. Schattenspiele sind faszinierend, wie schon die Nachtclub- gänger auf dem Montmartre dank

«Chat Noir» wussten. Langweilige Dia- und Filmabende standen wir als Kinder nur durch, weil wir nach der fast nicht endenden Show von ver - wackelten Ferienbildern endlich vor dem Projektor Häschen und Hunde machen durften, die auf der Leinwand riesig erschienen. Prasanna Rao, der 2003 verstorbene indische «Shadow- graphist», konnte mit seinen Händen nicht nur die Silhouetten von Nehru, Kissinger, Nixon, Hitchcock und Castro kreieren, sondern er bat auch Men- schen aus dem Zuschauerraum auf die Bühne, schaute ihr Profil an und produzierte es dann als Schatten- karikatur mit seinen Händen.

Das Schattentheater diente in Indo - nesien (Wayang Kulit) und Thailand

(Nang Yai) nicht nur der Unterhaltung, sondern hatte auch spirituellen Cha- rakter, denn die Schattenwelt war fast wichtiger als die reale Welt. Dass der Schatten sein eigenes Leben hat, er- lebte Peter Schlemihl, der in Chamis- sos Erzählung seinen Schatten an den Teufel verkaufte. Selbst gestandene Männer erschrecken schon mal, wenn sie abends in einer unheim lichen Gegend sind und ihr riesiger Schatten sie überholt. Lucky Luke aber zeigt seinem Schatten, wer der Meister ist:

Er schiesst schneller! Erfunden wurde der Schattenriss dort, wo sie alles ein paar hundert Jahr eher machen als wir, in China im 12. Jahrhundert. Be- nannt wurde die Silhouette nach dem französischen Finanzminister Étienne de Silhouette (1709–1767), der so gei- zig gewesenn sein soll, dass er seine Villa statt mit standesgemässen Ölbil- dern mit selbstgebastelten Scheren- schnitten geschmückt haben soll. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- derts war das Silhouettieren ein weit verbreitetes Vergnügen in besseren Kreisen. Man zeichnete die Konturen nach, füllte sie mit Chinatusche aus oder machte einen Scherenschnitt davon. Für «höhere Töchter» war diese Fertigkeit ein Muss, genau wie das Schnippeln von «Weisschnitten», den Vorläufern der heutigen Torten-Spit- zendeckchen aus Papier. Johann Cas- par Lavater hatte eine Sammlung von Silhouetten bedeutender Persönlich- keiten seiner Zeit und postulierte mit seiner Lehre von der Physiognomik, dass menschliche Charaktere anhand der Gesichtszüge und Körperformen zu erkennen seien. Pech nur, dass er selbst eine fliehende Stirn hatte, was sein Schüler Cesare Lombroso als typisch für die «Verbrechervisage» be - zeichnete … Viel Spott hatte der Phy si- ker Georg Christoph Lichtenberg, der an einer rachitischen Kyphoskoliose

litt, für die Annahme der Physiogno- men übrig, dass eine schöne Seele mit einem schönen Körper einhergehe.

Über den Lebensstil verrät eine Kon- tur jedoch schon etwas: Die Schatten- risse von Goethe zeigen, dass der Dichterfürst schon als Kind einen Doppelkinnansatz hatte und gerne seine Frisur änderte. Die Kunst des Scherenschnitts wurde Ende des 19. Jahrhunderts von ärmeren Gesell- schaftsklassen entdeckt und weiter perfektioniert. So sind die filigranen Alpaufzüge des Johann Jakob Haus- wirth (1809–1871) derartig detailgetreu, dass man das Kuhglockengeläute zu hören meint. Wie fesselnd der Kontrast zwischen Kontur und Hintergrund ist, zeigen die gouaches découpées des Spätwerks von Henri Matisse sowie die Werke von Georg Hempel, Paul Friedrichsen und Walter Draesner.

Jetzt huschen schon wieder Schatten nachts durch Bern und werden von Licht verdrängt. In leuchtenden Far- ben: Das fünfte Licht- und Ton-Spek- takel von Starlight Events, «Das Juwel der Berge», verleiht unserem altehr- würdigen Bundeshaus mal Pop-Art, mal Magie, mal realistischen Berg- zauber. Es ist eine Illusion, aber sie bezaubert und macht Freude. Das war schon das Ziel des berühmten Illu sio - nisten Jean-Eugène Robert-Houdin (1805–1871) und dessen Enkel Paul Robert-Houdin, des kreativen Kura- tors von Schloss Chambord, der 1952 das «Son et lumière» erfand. Da trifft das berühmte Götz-Zitat von Goethe mal nicht zu, dass dort, wo viel Licht ist, starker Schatten ist.

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Arsenicum: Schöne Schattenseiten

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