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Zeitschrift für Theorie, Praxis, Dokumentation

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Deutsche Sprache

Zeitschrift für Theorie, Praxis, Dokumentation

Im Auftrag des

Instituts für deutsche Sprache, Mannheim

herausgegeben von Siegfried Grosse (Geschäftsführung), Odo Leys, Gerhard Stickel und

Johannes Schwitalla

18. Jahrgang 1990

E R IC H S C H M ID T VERLAG

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Herausgeberbeirat: W erner Besch, Bonn; U lrich Engel, M annheim ; K arl H yld gaard - Jensen, K openhagen; Eijiro Iw asaki, T ok io; G ottfried K olde, G enf; Sigbert L atzei, M ünchen; H an s M oser, Innsbruck; Leslie Seiffert, O x fo rd ; H u g o Steger, Freiburg; Paul V alentin, Paris.

R edaktion: F ranz-Josef Berens, M annheim .

ISSN 0340-9341

© Eridi Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 1990 Satz: C. W. Niemeyer, Hameln

Druck: Poeschel & Schulz-Schomburgk, Esdiwege Nachdruck verboten • Alle Rechte V orbehalten

D ie Z eitschrift sow ie a lle in ih r e n th a lte n e n ein zeln en B eiträge u n d A b b ild u n ­ gen sind urh eb errech tlich geschützt. Je d e V e rw ertu n g , d ie nicht ausdrücklich v o m U rheberrechtsgesetz zugelassen ist, b e d a r f d e r v o rh e rig e n Z u stim m u n g des V erlages. D as g ilt insbesondere fü r V e rv ie lfä ltig u n g e n , B earb eitu n g en , Ü b e r­

setzu n g en , M ik ro v erfilm u n g en u n d d ie E inspeicherung u n d V e ra rb e itu n g in e lektronischen S ystem en.

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G. Harras, B. Strecker

/

Symposium ,.Biologische und soziale Grundlagen der Sprache'

Gisela Harras

/

Bruno Strecker

SYMPOSIUM „BIOLOGISCHE UND SOZIALE GRUNDLAGEN DER SPRACHE“

(Jena, 17.-19. Oktober 1989)

Peter Suchsland, O rdinarius für Sprachtheorie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hatte zu einem Symposium über das brisante Thema: „Biologische und soziale G ru n d ­ lagen der Sprache“ eingeladen in der Zeit vom 17. bis 19. O ktober, einer Zeit, die sich im nachhinein politisch als nicht weniger brisant erwies als das wissenschaftliche Thema.

An dem Symposium beteiligten sich neben Linguisten auch Psychologen, Verhaltensbio­

logen, A nthropologen und Philosophen. Im V ordergrund der Referate und Diskussionen standen sprachtheoretische Postulate und G rundannahm en, wie sie im L au f der letzten zwanzig Jahre im wesentlichen von Chom sky entwickelt wurden.

Die Beiträge und Diskussionen des ersten Symposiumstags konzentrierten sich im we­

sentlichen a u f ein G rundsatzreferat von M. Bierwisch, dessen H auptthesen im folgenden zusam m engefaßt sind:

(1) N atürliche Sprachen sind soziale Institutionen spezieller A rt, die von den Mitgliedern der entsprechenden G roßgruppen getragen und tradiert werden.

(2) Die Teilnahm e an solchen Institutionen wird durch die artspezifische Sprachfahigkeit ermöglicht, die den Individuen als biologische A usstattung angeboren ist; wesentliche Eigenschaften natürlicher Sprachen sind durch die S truktur der Sprachfahigkeit bedingt und erklärbar.

(3) Die Sprachfahigkeit als biologische A usstattung ist autonom , d. h. sie ist weder durch die S truktur noch die F unktion der durch sie ermöglichten Kenntnissysteme bzw. sozialen Institutionen bedingt und erklärbar.

(4) Die A nnahm e der Sprachfahigkeit als biologisch und autonom stellt eine spezifische und adäquate Lösung eines Problems dar, das Chom sky ‘P lato’s problem ’ genannt hat und in der Beantw ortung der Frage: „W ieso wissen wir soviel aufgrund von so unzuläng­

licher Evidenz“ besteht. In bezug au f Sprachkenntnis gefragt: wie ist es erklärbar, daß wir Sprache als komplexes Wissenssystem erwerben a u f der Basis von sehr lückenhafter Inform ation? Die Lückenhaftigkeit besteht vor allem in dreierlei: (1) einem fehlerhaften Sprachangebot, (2) einem fehlenden A ngebot systematischer K orrekturen, (3) einem unvollständigen und uneinheitlichen Angebot, was insgesamt bedeutet, daß der Lernende über keine negative Evidenz verfügen kann.

(5) Die Sprachfahigkeit als biologische A usstattung ist d a s spezifische M odul von Sprache, die insgesamt m odular aufgebaut ist bzw. als solche erklärbar wird.

(6) Die Sprachfähigkeit wird (in etwas eigentümlicher und irritierender Weise) charak­

terisiert als eine Menge universalgram m atischer Prinzipien, gemäß derer sich die kom ­ binatorische Strukturbildung natürlicher Sprachen ausprägt.

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Dokumentation

(7) Die Sprachfahigkeit als gattungsspezifisch ist eine erbfixierte Disposition, die zur Erbinform ation des M enschen gehört, d .h . auch seit mindestens 4 0 -5 0 Tausend Jahren ausgebildet sein m uß, also lange bevor es natürliche Sprachen gab. D am it stellt die Sprachfahigkeit als biologische Anlage keinen Selektionsvorteil dar.

A u f diese sieben K ernthesen des Bierwisch-Grundsatzpapiers wurde im V erlauf des Symposiums wiederholt Bezug genommen, sie zu bestätigen oder zu widerlegen versucht.

In K orreferaten problem atisierte zunächst L. Jäger die Thesen der A utonom ie und der organismischen A usstattung, d .h . der Lokalisierung der Sprachfähigkeit in einem be­

stimmten Organ, und W .U . Wurzel ging au f M öglichkeiten und Konsequenzen der Bierwisch-Thesen für die Erklärung des Sprachwandels im m orphologischen Bereich näher ein. Jäger verwies a u f Forschungen der Neurobiologie und auch a u f solche der Linguistik, wonach die Frage der sprachspezifischen Bestimmung der Sprachfahigkeit als U niversalgram m atik nicht eindeutig beantw ortbar sei. E r prägte in diesem Zusam m en­

hang das Schlagwort von der großen ‘Kernschmelze’. In der folgenden D iskussion blieb diese Frage offen, jedenfalls wurde es nicht als ausgeschlossen betrachtet, d aß syntaktische Strukturprinzipien (z. B. c-K om m ando und einige Prinzipien der Bindungstheorie) nicht vielleicht doch eher als form ale Prinzipien, die allgemein mentale R epräsentationen regieren, erklärbar seien. G. Fanselow kam am Ende des Symposiums nochm al a u f dieses Problem zurück (vgl. weiter unten).

Einig w ar m an sich darüber, daß m an syntaktische R egularitäten natürlicher Sprachen nicht (jedenfalls nicht restlos) funktionalistisch erklären könne. Dissens herrschte aller­

dings bezüglich der Frage, inwieweit m an - wie Bierwisch gefordert hatte - von einer getrennten und voneinander unabhängigen Entwicklung der Sprachfahigkeit einerseits und der sozialen Kom petenz bzw. K onventionalitäten und K ooperation andererseits auszugehen habe. G. Metzler plädierte für einen engeren Bezug der beiden sprachlichen K om ponenten, zumindest was den sprachtheoretischen und sprachevolutionären R ah ­ men für ihre E rklärbarkeit angeht.

In seinem K orreferat stellte B. Strecker die Frage nach der Inkom patibilität von funk- tionalistischem Ansatz mit dem biologistisch-universalgram m atischen A nsatz und beant­

wortete sie dahingehend, daß beide A nsätze bei grundsätzlich verschiedenem Forschungs­

interesse durchaus verträglich seien. In der D iskussion betonten einige Teilnehmer, daß es ein legitimes Anliegen sein könne, a u f der Basis einer angeborenen Sprachfähigkeit erklären zu wollen, in welcher Weise M enschen m it dieser umgehen und wie sie zur Sprache als sozialer Institution kom m en konnten. K ontrovers blieb nach wie vor die These von der A utonom ie der Sprachfahigkeit - wiederholt wurde die Frage aufgeworfen, ob m an nicht doch eher von einer generellen strukturell-form alen Fähigkeit ausgehen solle.

Von philosophischer Seite führte G. Eschke die marxistische Theorie zur Frage der Sprachentwicklung und ihrer Interpretation vor und erinnerte an die Engelssche Position 'das Bedürfnis schafft sich sein O rgan’. T enor der anschließenden Diskussion war, daß man die marxistischen Positionen, wenn m an sie sinnvoll berücksichtigen will, heute, d. h.

auch nach all dem, was neurophysiologische und -biologische, psychologische und lin­

guistische Forschungen ergeben haben, nicht m ehr unreflektiert in R einkultur überneh­

men könne. Zum Zeitpunkt dieses V ortrags w ar sich wohl keiner der Teilnehmer der Tatsache bewußt, d aß es sich dabei vielleicht um ein w ahrhaft historisches Ereignis

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G. Harras, B. Strecker / Symposium ,.Biologische und soziale Grundlagen der Sprache “

gehandelt haben könnte. In A nbetracht der politischen und kulturellen Entwicklung in der D D R ist wohl davon auszugehen, d aß Eschkes V ortrag zum indest einer der letzten seiner A rt gewesen sein dürfte.

A uf K onsequenzen und Problem e der Chomskyschen K onzeption der U niversalgram ­ m atik für die E rklärungsadäquatheit der gram m atischen A rbeiten der Linguisten ging G.

Harras ein und stellte W ittgenstein/K ripkes Regelkonzept dem Chomskys gegenüber zusam m en mit der daraus resultierenden Frage, wie sprachspezifisch die A rbeit des Linguisten denn nun sei, zumal das Ideal der exakten wissenschaftlichen Spracherklärung wohl eher durch biologische Beschreibungen erreicht werden könne.

D er diskussionsträchtige erste Sym posium stag endete eher einträchtig bei wohl­

schmeckendem A ltbier in einer typischen Jenenser Kneipe.

D er zweite Sym posium stag wurde eingeleitet von einem Referat des Verhaltensbiologen G. Tembrock, der in beeindruckender Weise die Ergebnisse der Verhaltensbiologie zu­

sam m enfaßte. Dabei stellte es sich allerdings in der Diskussion auch heraus, d aß bei aller notwendigen Interdisziplinarität gewisse V erständigungsproblem e z. B. bei der Interpre­

tation von K om m unikationsdefinitionen bzw. -modellen zu überw inden sind. Die Aus­

führungen Tem brocks ergänzten von psychologischer und linguistischer Seite Korreferate von W. Hartung, W. Bastian und T. Sassiaschwili durch Aspekte der Tierkom m unikation, des K om m unikationskonflikts sowie der gruppenspezifischen K ooperation.

Die K orrelierung des Spracherwerbs mit den Prinzipien der U niversalgram m atik zeigte S. Felix an einigen Beispielen, an denen er die fü n f universalgram m atischen H auptprin­

zipien: X -bar-Theorie, Theta-Theorie, K asus-Theorie, Bindungstheorie und Wh-Bewe- gungen dem onstrierte und verdeutlichte, daß ab einer bestim m ten Phase im Erw erbspro­

zeß, in der m an die Setzung von einzelsprachlichen Param etern annehm en müsse, be­

stimmte Fehler einfach nicht m ehr Vorkommen. Als Fazit plädierte er dann dafür, das

‘Lernen’ von Sprache eher als einen Reifungsprozeß denn als Sprach'erw erb’ zu bestim ­ men. Die K orreferate von W. Mötsch und D. Richter wiesen au f M öglichkeiten und Problem e hin, diesen Reifungsprozeß, der a u f gram m atische Strukturen bezogen ist, au f den Erw erb kom m unikativer und sozialer Fähigkeiten zu beziehen.

D er N achm ittag dieses zweiten Symposiumstags stand frei zur Besichtigung der reizvollen Jenenser A ltstadt oder der herbstlichen Um gebung. A bends gab es einen Empfang, au f dem die aktuellen Ereignisse dieses 18. O ktobers 1989 mindestens ebenso ausführlich beredet und diskutiert wurden wie die linguistischen Problem e am Vorm ittag.

D er letzte Sym posium stag stand zunächst ganz im Zeichen genuin linguistischer Fragen und Probleme. Z unächst referierte A. von Stechow über „K om positionsprinzipien und gram m atische S tru k tu r“ und stellte einige Detailproblem e und ihre Lösung für Spezia­

listen vor. Es schlossen sich m ehrere K orreferate zu speziellen Fragen an: Zur Syntax gesprochener Sprache (R. Rath), zur A rgum entstruktur von perzeptuellen Verben (I.

Rosengren), zur tem poralen Sem antik (A. Steube) sowie zur W ortbildung (C. Römer).

Den A bschluß des Symposiums bildeten das Referat von G. Fanselow und drei K orre­

ferate. Fanselow griff mit seinem R eferat Fragen wieder auf, die bereits am ersten Tag aufgetaucht waren, und plädierte zunächst für eine weichere Version der Bestimmung der angeborenen Fähigkeit als form ale Fähigkeit, ein kognitives System zu entwickeln, das

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Dokumentation

den Erwerb natürlichsprachlicher G ram m atiken erst ermöglicht. Er verdeutlichte den Vorteil einer solchen A nnahm e anhand einiger Prinzipien der Bindungstheorie, die innerhalb der Theorie selbst ziemlich uneinheitlich sind, als Konsequenzen allgemeiner Form prinzipien jedoch vereinheitlicht werden könnten. P. Eisenberg wiederholte in seinem K orreferat, was er bereits m ehrm als als Diskussionsbeitrag form uliert hatte: die ungenügende und theoretisch allzu sehr getrübte Interpretation der zugrunde gelegten Sprachdaten. B. Hafftka referierte über verschiedene R egularitäten vor Linksverschie­

bungen im Deutschen, und P. Suchsland, der Schlußredner, fragte sich und die anderen Teilnehmer, ob m an denn als G ram m atiker einer Einzelsprache, wie des D eutschen, gar keine Chance m ehr habe, wissenschaftlich ernst genommen zu werden. Diese Pointierung wurde natürlich einstimmig zurückgewiesen, gleichzeitig aber doch die polyglotte D aten­

basis verteidigt und das Idealziel vieler Linguisten in der Erforschung der U niversalgram ­ m atik gesehen, obwohl diese - nicht zuletzt durch die Diskussionen und Beiträge dieses Symposiums - etwas weiter in die N ähe einer bedrohlichen ‘Kernschmelze’ geraten war.

Es bleibt - und dies liegt uns wirklich am Herzen - zu betonen, daß das Symposium - trotz teils erbitterter Diskussionen und Standortbestim m ungen - in einer ausgesprochen freundlichen und kollegialen A tm osphäre stattfand, was auch in dem W unsch vieler Teilnehmer zum A usdruck kam , in zwei Jahren wieder an einem Jenenser Symposium mit ähnlich brisantem Them a teilnehmen zu können. W er es nachlesen will: 1990 werden die Beiträge in einem Band der Reihe „Syntax und Semantik - 3. Jenaer Sym posium “ veröffentlicht werden.

Prof. Dr. Gisela Harras PD Dr. Bruno Strecker

Institut für deutsche Sprache, Friedrich-Karl-Straße 12, D-6800 Mannheim

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