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Mediale Ärzteschelte – ist doch schnuppe!

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Bayerisches Är zteblatt 5/2011

Varia

höheren Chargen der Ärzteschaft ist an einer Hand abzuzählen. Und wenn pfiffige Medizi- ner einmal wirklich versuchen, wohlmeinenden Journalisten die Spezifitäten der ärztlichen Ho- norierung (egal wo) zu erklären, kommt nach einiger Zeit sicherlich die scheue Rückfrage, wie das denn derzeit mit dem persönlichen Promille-Spiegel aussähe.

Die tendenziell permanente mediale Ärzte- schelte ist für Kliniker und Niedergelassene natürlich ärgerlich. Denn manchmal täte es einfach gut, wenn man auch von „Edelfedern“

aus den Großredaktionen mal Lob und Aner- kennung einheimsen könnte. Aber notwendig ist das wirklich nicht. Und das kommt so.

Anno dunnemals ist man wirklich davon aus- gegangen, dass Massenmedien ihre Benutzer sehr stark beeinflussen können. Von diesem profanen Durchgriff auf Leser, Zuhörer und Zuschauer hat man sich schon vor Jahrzehnten wissenschaftlich verabschiedet. Ein Einfluss ist da – aber nur ein ganz klitzekleiner. Die Be- weisführung ist hier unheimlich simpel: Wäre der direkte Mediendurchgriff real, würde die dargestellte Diskrepanz zwischen individuell erfahrenem und kollektiv vermittelten Arztbild nicht möglich sein.

Wenn es also beispielsweise beim journalis- tischen TV-Leuchtturm „Hart aber fair“ nach Arztempfinden für die Doktors unfair zugeht, sollte das dem Clan der Mediziner relativ schnuppe sein. Denn wenn auf die Heerschar der individuell überzeugten Arzt-Fans das me- dial-kollektive Kontrastprogramm niederpras- selt, entsteht eine Situation, die die Experten

„kognitive Dissonanz“ nennen. Die Mediziner- Fans suchen dann nach Möglichkeiten, den Dissonanzfaktor zu verringern. Dies geschieht in aller Regel durch Kommunikation im per- Das ist mehr als erstaunlich. Wer sich aufmacht,

das Arztbild in der politischen Publizistik der Republik zu analysieren, findet fast immer ein negatives Rollenklischee vor: Raffke, unsoziale Großverdiener, kaltlächelnde Menschenfeinde.

Dies wird elektronisch verbreitet, in Gazetten publiziert und in Magazinen genussvoll ausge- leuchtet.

Eine völlig andere Welt herrscht in einschlägi- gen TV-Soaps, generell als „Arztserien“ tituliert.

Hier sind Herr und Frau Doktor edel, hilfreich und gut. Und wenn es sein muss, behandeln sie auch nachts um drei Gott und die Welt – und ziehen noch nicht einmal einen Flunsch.

Wenn dann auch noch die Demoskopen auf die Bundesbürger losgelassen werden, um zu eru- ieren, wer denn nun das höchste Prestige im Staate aufzuweisen habe, ist das Resultat seit Jahrzehnten gleich: Natürlich die Mediziner.

Und sollten es nach einer Fußball-WM doch die Balltreter um Schweinsteiger & Co sein – bei der nächsten Umfrage kehren die Doktors als strahlende Sieger zurück.

Ärztin oder Arzt vor Ort haben bei Herrn und Frau Jedermann offenbar ununterbrochen ei- nen Stein im Brett. Von diesem permanenten demoskopischen Höhenflug können Politiker (und Journalisten) nur träumen. An sich ist das eine Machtstellung, die Ihresgleichen sucht.

Dennoch gibt es eine individuell erfahrene po- sitive Grundstimmung für „meinen Doktor“ in einem medialen Umfeld, das vorschlägt, dem Ärzte-Kollektiv nicht allzu heftig über den Weg zu trauen.

Mit dieser vordergründigen Schizophrenie wer- den die Ärzte leben müssen. Einige Gründe: Für Medienmacher sind „bad news good news“. Die Anzahl der tatsächlichen Medienprofis in den

Mediale Ärzteschelte – ist doch schnuppe!

sönlichen Umfeld. Und da sind die vielzitierten

„opinion-leader“ für gesundheitliche Probleme wer? Die Ärzte vor Ort, denen man vertraut.

Den Rest braucht man nicht zu erklären.

Umgekehrt wird eine Strategie daraus. Wenn sich die Ärzte im persönlichen Umfeld, ob sie nun in der Klinik oder als Niedergelassene ar- beiten, in das lokale Meinungsbild einschalten, haben überregionale Tartarenmeldungen über ihre Berufsgruppe weiter brutale Akzeptanz- probleme beim Endverbraucher. Die Strategie heißt nicht allein Kontakt zu lokalen Medien suchen. Enorm wichtig ist dezente Präsenz in Vereinen, Bürgerinitiativen, Kirchen und El- ternbeiräten. Wenn dort die Frau Dr. Müller oder der Mediziner Herr Huber als patente Mit- bürger ausgewiesen sind, hat die beschriebene mediale Ärzteschelte weiterhin nicht die Spur einer Chance.

Autor

Jost Küpper, Journalist, München

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