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V « r l a g « p O S t a m t L e e r ( O s t f r i e s l . ) t> Einzelpreis 35 Pf 9 Im Abonnement 01 Pf einschließlich Zustellgebühr

Organ der Landsmannschaft Ostpreußen e V.

Folge 4 Hamburg, 22. Mal 1950/ Verlagsort Leer (Ostfrletl.) Jahrgang 1

Di« Klänge des großen Halali grüßten am ersten Sonntag der Ostpreußischen Heimatwoche in Hamburg die ostpreußischen Reiter und Jäger. Einst wird kommen der Tag, da wird das Horn zum Sammeln blasen: Au t b t u c h zur Heimatl

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22. M a l 1950 / Seite 114 .Das Ostpreußenblatt' Folge 4 / Jahrgang f

Anerkennung unserer Gleichberechtigung

,Das Vertriebenenproblem eine Angelegenheit von größter internationaler Bedeutung" / Dr.Schreiber in London Jahrelang geht der Kampf der Heimat-

vertriebenen u m die Gleichberechtigung.

Ueber fünf Jahre sind es her, seitdem die Waffen ruhen. In diesen fünf Jahren ist v o n Einzelpersonen i n Presse und Wort, v o n O r - ganisationen, wie den Kirchen i m Inland und A u s l a n d , für die Gleichberechtigung ge- stritten worden. Oft schien es, als sei dieser Kampf hoffnungslos und als sei e i n Erfolg auch i m bescheidensten Rahmen nicht mehr zu erwarten.

Zu hoch schien die M a u e r des Schweigens, zu starr die Abwehrfront v o n bösem W i l l e n , schlechtem Gewissen u n d Gleichgültigkeit, v o n der w i r umgeben waren. U n d man ver- gesse nicht: die Räteunion und ihre Satel- litenstaaten taten alles, u m eine A u f r o l l u n g des Vertriebenenproblems i n internationa- lem Maßstab z u verhindern. W i r haben um unsere Gleichberechtigung gleichzeitig a n rwei Fronten kämpfen müssen: i m Bundes- gebiet u n d im Ausland. Seien w i r uns k l a r darüber, daß dieser Kampf auch i m Inland noch lange nicht beendet ist Es sind erst Monate her, daß die politische Koalitions- freiheit auch uns Vertriebenen zugebilligt worden ist. U n d noch gibt es viele Gebiete der Gesetzgebung, auf der die Gleichberech- tigung der Vertriebenen noch nicht aner- kannt worden ist. Ganz zu schweigen v o n der Lage in der W i r k l i c h k e i t selbst, das heißt der Erkämpfung der praktischen Gleichberechtigung, der wirklich gleichen Behandlung durch Aemter. Behörden, durch Wirtschaftsunternehmen usw. i m H i n b l i c k auf uns Heimatvertriebene.

D i « Londoner Konferenz bedeutet einen Marksrtein in der Erkämpfung der Gleichbe- rechtigung auf der zwischenstaatlichen Eben«. In einem Schlußkommunique haben die Außenminister der U S A , Englands und Frankreichs erklärt, das deutsche Vertriebe- nenproblem sei e i n e A n g e l e g e n h e i t v o n g r ö ß t e r i n t e r n a t i o n a l e r B e - d e u t u n g . In dieser Erklärung w i r d weiter auf eine Reihe v o n geplanten Hilfsmaß- nahmen hingewiesen und schließlich zu verstehen gegeben, daß i n absehbarer Zeit e i n e i n t e r n a t i o n a l e K o n f e r e n z zur Behandlung des deutschen Vertriebenen- problems einberufen werden würde. Eine der Folgen des Londoner Beschlusses w i r d die rechtliche Gleichstellung der deutschen Heimatvertriebenen mit den sogenannten DP's, den v o n den internationalen Behörden betreuten Flüchtlingen, sein. Dieser Tatsache kommt eine ganz besondere Bedeutung zu, denn sie schließt d i e internationale rechtliche Gleichstellung der deutschen Heimatvertrie- benen mit den international als solchen a n - erkannten und betreuten Flüchtlingen i n sich.

Die rechtliche Gleichstellung v o n uns ist also, international gesehen, n u r noch eine Frage der Zeit!

Wer die Entwicklung seit 1945 auf diesem Gebiet verfolgt hat, der konnte erkennen, wie Stein auf Stein gelegt worden ist, um eine Tribüne z u errichten, v o n der aus unsere Stimme vernommen werden konnte u n d wie der Ruf nach Gleichberechtigung und A n - erkennung unserer Forderungen immer lau- ter wurde. Menschen guten W i l l e n s haben uns i n diesem Kampf mit Rat und Tat bei Seite gestanden und geholfen. W i r erinnern hier n u r an Father Reichenberger, an Prof.

Rothfels aus Königsberg, an den früheren Senatsp-räsidenten Rauschnirg, Prof. A r p u n d viel« Männer, deren Namen w i r hier nicht Bennau können. Erinnert sei aber noch an

Senator Langer aus den U S A u n d andere einflußreiche Freunde, die w i r dort haben.

E i n großes Verdienst u m d i e Intemationa- lisierung des Vertriebenenproblems haben sich die Kirchen erworben. Die erste inter- nationale Organisation, auf deren Tagung laut u n d vernehmlich v o m Vertriebenen- problem gesprochen wurde, w a r die ökume- nische Konferenz i n Amsterdam i m Herbst

1948. Ihr folgte die erste internationale K o n - ferenz, die speziell d e m deutschen Vertrie- benenproblem gewidmet war, die Kirchen- konferenz i n H a m b u r g i m ersten H a l b j a h r 1949, die d e n evangelischen Sektor der K i r - chen repräsentierte. Es k a m dann die kirch- liche Konferenz i n Salzburg. N e b e n den Kirchen haben sich eine Reihe v o n freien Organisationen freiwillig i n die Reihe der mannhaften Kämpfer u m unser Recht einge- reiht. Es sei hier an das Komitee gegen die Massenaustreibungen i n den U S A erinnert.

So haben v i e l e Kräfte, v i e l e Menschen guten W i l l e n s u n d viele Organisationen, d i e von diesen gebildet worden sind, dazu bei- getragen, u m z u dem n u n endlich erreich- ten Erfolg beizutragen.

Daß v o n Seiten des Bundes u n d der Länder diese Entwicklung mit größter Aufmerksam- keit verfolgt u n d die Bedeutung der Frage k l a r erkannt worden ist, geht daraus hervor, daß während der Verhandlungen i n der eng- lischen Hauptstadt u . a. S t a a t s s e k r e - t ä r D r . S c h r e i b er und M i n i s t e r A l b e r t z aus Niedersachsen weilten. W e n n die M a u e r des Schweigens u m unser Schicksal und die Forderungen, die sich aus i h m erge- ben, durchbrochen worden ist, und wenn sich nun aus dieser Tatsache eine weitreichende internationale Behandlung des Problems ergibt, dann ist das z u einem überaus wesent- lichen T e i l das Verdienst v o n D r Schreiber, des Sprechers unserer Landsmannschaft.

Bei aller Freude u n d Genugtuung über d i e W e n d u n g , die unsere Angelegenheit auf zwischenstaatlichem Gebiet genommen hat, darf nicht verkannt werden, daß fürs erste

nur der Grundsatz der Gleichberechtigung a n - erkannt worden ist. Es ist dieses gewiß die Grundlage, v o n der w i r aus weiter bauen können. A b e r das ganz schwierige Gebiet der praktischen Durchführung, die Hilfsmaß- nahmen, der internationalen V e r e i n b a r u n - gen, die durchgeführt werden müssen, ist ja noch k a u m berührt worden. U n d vergessen w i r nicht: ob m a n w i l l oder nicht, — die für uns wichtigste Frage, d i e der Grenzen im Osten w i r d so oder anders i m Zusammenhang mit der Internationalisier ung des deutschen Vertriebenenproblem zur Sprache ge- langen.

W i r müssen heute daher auch a n uns selbst denken. W i r müssen uns klar darüber werden, w i e weit w i r schon imstande sind, den großen Anforderungen gerecht zu wer- den, die a n unsere Spitzenorganisationen und Abgeordneten i m Zusammenhang mit der Internationalisierung des Vertriebenen- problems gestellt werden müssen. Eine T e i l - nahme a n internationalen Besprechungen und Beschlußfassungen ist nur denkbar nach gründlichster Vorbereitung v o n sachlichen Materialien, Vorschlägen usw. Dazu ist es unerläßlich, daß d i e heimatvertriebenen A b - geordneten i m Bundestag, die bisher nur i n einer losen Zusammenarbeit gestanden haben, sich eine feste organisatorische Stütze geben. Es ist weiter notwendig, daß der Zen- tralverband der vertriebenen Deutschen u n d mit i h m — i n engster Arbeitsverbindung — die Landsmannschaften (und besonders diese!) sich i n d i e kommende Arbeit ein- reihen. H i e r darf nicht mehr gezögert wer- den! A l l e organisatorischen Schwierigkeiten müssen überwunden u n d i n kurzer Zeit müssen d i e Voraussetzungen zu einer erfolg- reichen A r b e i t auf diesem Gebiet geschaffen werden. Es beginnt eine Zeit ernstester u n d verantwortungsvollster Arbeit, die z u m großen T e i l v o n uns Heimatvertriebenen ge- tragen werden muß. Sie dient uns, unsere Schicksalsgefährten, d e m deutschen Osten und Deutschland selbst!

V e r s a m m ' u n g d e r K r e i s v e r t r e t e r Eine umfangreiche Tagesordnung versam-

melte am 15. u n d 16. M a i i n H a m b u r g die Kreisvertreter der Landsmannschaft Ost- preußen zu eingehender Beratung u n d Be- schlußfassung über wichtige Fragen. Neben den geschäftlichen Angelegenheiten u n d der organisatorischen Weiterentwicklung nahm die Aussprache über heimatpolitische Fragen, die Aufstellung einer Heimatortskartei u n d die Verfahrensordnung bei der Schadensfest- stellung ein enbreiten R a u m ein. Der Kreis- vertretertag beschloß einstimmig, einen A u s - schuß für heimatpolitische Fragen z u schaf- fen. Die Federführung übernahm auf W u n s c h der V e r s a m m l u n g Schulrat a. D. M e y e r , frü- her M e m e l , Jetzt Oldenburg.

Di« kreisweise Aufstelhmq einer Heimat- ortskartei hat sich, soweit sie nicht schon i n Angriff genommen worden ist, als unbedingt erforderlich erwiesen. Die ostdeutschen Landsmannschaften sind dabei, eine einheit- liche Karteikarte auszuarbeiten, die dann für alle Landsmannschaften verwandt wer- den soll. Die Feststellung der Kriegsschäden ist eine der Aufgaben der Lendsmannschaf- ten. Uber die Durchführung des Verfahrens

wurde vollständige Übereinstimmung er- zielt. Voraussichtlich w i r d e i n Schadensfest- stellungsgesetz noch i m Laufe dieses Jahres verabschiedet werden.

V o n allen Seiten wurde die Behandlung der Ostfragen u n d der Ostgebiete i m Schul- unterricht bemängelt. Der Vertretertag faßte zu dieser Frage daher folgende Ent- schließung:

Der Vorstand der Landsmannschaft Ost- pieußen wird beauftragt, i n Gemeinschaft mit den übrigen Landsmannschaften bei allen In Frage kommenden Stellen dahin zu wir- ken, daß in sämtlichen Schulen des Bundes- gebiets «in obligatorischer Unterricht über die deutschen Ostgebiete behördlich einge- führt wird. Zu dieses« Zwecke sind die Lehr- pläne entsprechend zu gestalten u n d ge- eignete Lehr- und Lernmittel für Lehrer u n d Schüler z u schaffen. Zudem sind i n allen Verlautbarungen, Karten u n d Atlanten die deutschen Ostgebiete als Okkupationsge- biete w i e Reichsgebiete zu behandeln.

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Folge 4 / Jahrgang 1 „Das Ostpreußenblatt" 22. M a i 1950 / Seile 115

Die Rede von Dr. Gille:

Ein Ruf aus Noi und Verzweiflung

Im Mittelpunkt der Großkundgebung, die Im Kähmen der Ostdeutschen Woche in Ham- burg am 14. Mai in Planten un Blomen in Anwesenheit von etwa 80 000 Heimatver- triebenen vor sich ging — der weitaus größte Teil waren Ostpreußen —, stand die Rede den »teilvertretenden Sprechers der Lands- mannschaft Ostpreußen, Dr. Gille. Sie hat den folgenden Wortlaut:

M e i n e lieben Landsleute!

W e n n es der Sinn dieser Großkundgebung war, den offenen u n d freimütigen W i l l e n u n d die M e i n u n g der Heimatvertriebenen z u m Ausdruck z u bringen, dann können w i r , 60 meine ich, mit dieser Kundgebung zufrie- den sein. Es hat Beifall, es hat auch W i d e r - spruch gegeben. W e r also meinte, daß die Z e h n tau sende hier zusammengekommen w a r e n , u m sich hier v o n der Rednertribüne irgendeine M e i n u n g aufreden zu lassen, der ist w o h l eines anderen u n d besseren belehrt worden. W e m das äußere Bild — diese paar zehntausend Menschen hier — imponieren tollte, dem möchten w i r sagen: man gebe uns einen Plate i n Deutschland, man gebe uns rollendes M a t e r i a l der Eisenbahn, man gebe uns die Freifahrt für unsere Heimat- vertriebenen, u n d man nehme uns nicht 30 Pfennig i n Planten u n Blomen ab — dann schaffen w i r eine M i l l i o n ! (Stürmischer Bei- fall.) W i r Heimatvertriebenen lassen uns durch diese paar Zehntausend nicht impo- nieren. W i r wissen, daß w i r hier stehen für Zwölf M i l l i o n e n (stürmischer Beifall), u n d daß nur die technischen Unvollkommenheiten es uns nicht möglich machen, diese zwölf M i l l i o n e n ostdeutscher Menschen auf einem Platz zu vereinigen.

Dieser strahlende M a i t a g u n d dieser fest- lich-feierliche A b l a u f unserer Kundgebung könnten den Eindruck erwecken, als ob es mit der N o t vielleicht doch nicht so schlimm wäre, die uns drückt, als ob die Sorgen doch nicht so schwer auf uns lasten, w i e w i r es immer wieder der Oeffentlichkeit k l a r z u - machen versuchen. Auch w i r selbst könnten vielleicht i n solchen Stunden einer Selbst- täuschung unterliegen. Jeder läßt sich ja gern durch den feierlichen Ablauf solcher fest- lichen Stunden hinaustragen über die Sorgen des Tages. Das w o l l e n w i r auch, das brau- chen w i r . A b e r w i r werden dabei doch nie- mals der Selbsttäuschung erliegen, als ob

damit schon etwas Entscheidendes für uns getan wäre. Dieser Tag w i r d vorübergehen, und diese Woche w i r d vorübergehen; dann w i r d wieder die N o t und dann werden wie- der die Sorgen i n unseren Reihen uns hart und unerbittlich ins A u g e sehen. Nicht z u einer festlichen Stunde sind w i r hier zusam- mengekommen. Das ist nicht der letzte Sinn und nicht die eigentliche Rechtfertigung die-

Dr. Gille

der stellvertretende Sprecher unserer Lands- mannschaft, bei seiner Rede in .Planten un

Blomen"

Foto: A . O. Schmidt ser Veranstaltung. W i r w o l l e n unseren ent- schlossenen W i l l e n freimütig und offen der politischen Oeffentlichkeit kundtun. W i r wollen nichts verbergen; w i r wollen auch nichts ungesagt sein lassen, denn w i r sind der M e i n u n g , daß man auch dem gesamt- deutschen Interesse a m besten dadurch dient, wenn man die Tatsachen nackt und unverschleiert v o r die Oeffentlichkeit hin- stellt. Schon die Form, i n der die Heimat- vertriebenen ihrem politischen W i l l e n Aus-

druck geben, schon diese festlich-feierliche Form sollte aufhorchen lassen. Noch sind w i r keine entwurzelte und zügellose Masse.

Sonst hätten w i r uns eine andere Form un- serer politischen Willensäußerung gesucht.

Noch sind w i r die Mahner im öffentlichen Leben des restlichen Deutschland und im öffentlichen Leben der Welt. A l s solche Mahner möchten w i r auch heute vor die Oef- fentlichkeit treten. W i r fühlen uns als Ge- meinschaft noch sittlich gebunden und ver- pflichtet. W i r sind nicht zu verwechseln mit einem Interessentenhaufen, der nur eigen- süchtig an sich selbst denkt, sondern w i r Heimatvertriebenen denken immer an das ganze Deutschland, auch wenn w i r für un»

kämpfen! (Stürmischer Beifall.)

W i r sind aufgetreten und haben den Kampf um unser Recht begonnen, w e i l wir meinen, es nicht zulassen zu dürfen, daß die Gerech- tigkeit aus dieser W e l t verschwindet. W e n n Sie so den Sinn unserer Kundgebung sehen, dann müssen Sie auch verstehen, daß w i r völlig offen und freimütig zu den aktuellsten Dingen Stellung nehmen und auch da nicht schöne Worte machen und irgendetwas ver- schleiern. Es nützt auch den führenden Po- litikern nichts, wenn sie sich in irgendwelchen falschen Vorstellungen wiegen, aus denen sie eines Tages grausam und hart erwachen müßten. So bitte ich das zu verstehen, was ich jetzt der politischen Oeffentlichkeit als Ihren einmütigen W i l l e n zum Ausdruck brin- gen möchte.

Ich bin auch nicht hier auf die Rednertribüne gegangen, um mich in diplomatischen Rede- wendungen zu üben. Ich w i l l meine Sprache nicht gebrauchen, u m meine Gedanken z u verbergen, denn ich fühle mich hier als Sprecher Ihrer Nöte und Ihrer Sorgen; u n d die Oeffentlichkeit muß wissen, wie Ihnen ums Herz ist. (Lebhafter Beifall.) W i r sind uns auch unserer Verantwortung bewußl, und zwar zutiefst bewußt. W i r wissen, daß das, was w i r fordern und verlangen, richtig gesehen, das Interesse des ganzen deutschen V o l k e s verlangt und verlangen muß. U n d so lassen Sie mich zu zwei besonders aktuellen Fragen unseres sozial- und wirtschaftspoli- tischen Geschehen« der letzten Zeit unmiß- verständlich unsere M e i n u n g sagen.

Das Jahr 1950 soll das Jahr des Lasten- ausgleichs werden. (Stürmische Heiterkeit und Gelächter.) Ich freue mich immer wieder, daß mir, wenn ich i n Versammlungen das W o r t „Lastenausgleich" ausspreche, noch ein

Nur einen kleinen Ausschnitt

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der Zahl von mehr als 80 000 Heimatvertrlebenen, die an der großen Kundgebung in Hamburg teilnahmen, zeigt diese Aufnahme

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22. M a l 1950 7 Seite 116 .Das OetpreuflgaMtrtt* Folge 4 / Jahrgang f

Lachen entgegentönt. M e i n e lieben Freunde, das spricht für Ihre seelische Stärke; das soll uns m a l einer nachmachen, so v i e l Unrecht zu dulden u n d doch noch befreiend lachen zu können! Möge niemals die Stunde k o m - men, daß uns das Lachen vergeht, denn dann vergeht es der anderen Seite noch v i e l frü- her! (Sehr richtig.)

Die Bundesregierung hat i n ihrer Regie- rungserklärung uns einen gerechten Lasten- ausgleich i n feierlicher F o r m i n Aussicht ge- stellt. Der H e r r Bundeskanzler hat i n seiner Neujahr6botschaft diesen W i l l e n der Bundes- regierung noch einmal unterstrichen. U n d wenige Wochen, vielleicht sogar n u r wenige Tage nach dieser Regierungserklärung hat ein führendes M i t g l i e d des Bundeskabinett zum Thema Lastenausgleich Aeußerungen gemacht, die uns aufs tiefste erschüttert, er- bittert u n d empört haben. Der H e r r Bunde6-

Maschinen herumstehen. Sie seien zwar schon etwas a l t u n d nicht mehr ganz den Ansprüchen genügend, manchmal auch schon leicht mit Rost angesetzt In einem moder- nen, rationell arbeitenden Betriebe seien sie natürlich nicht z u gebrauchen. A b e r für so einen Flüchtlingsbetrieb, der j a doch ganz bescheiden anfangen muß, wären sie noch gut z u verwenden. Die einzige Sorge, die der H e r r Finanzminister b e i der Erörterung dieses Problems hatte, w a r n u r die, daß er sich G e d a n k e n darüber machte, w i e m a n diese alten, verschrotteten Maschinen den Einheimischen rechnungsmäßig i n Anrech- nung bringen müsse. E r hat nämlich auch beobachtet, daß sie alle schon bis auf eine D - M a r k abgeschrieben s i n d ; aber er sagt, das könne man doch eigentlich nicht ver- langen u n d meint, m a n müsse ihnen doch mindestens den Ennheitswert geben.

Wie man sich a n einflußreicher Stelle den materiellen Lastenausgleich denkt . . .

.Sie hatten in Königsberg eine bekannte Orgelbauanstalt? Das trilit sich ja glänzend!

Hier habe ich nämlich einen Leierkasten! Der macht auch Musik, und da haben Sie doch auch gleich eine neue Existenzgrundlage . ..'

finanzminister Schauer hat es für richtig ge- halten, i n dieser z u m Zerreißen gespannten Situation Westdeutschlands das häßliche W o r t z u sprechen, daß e i n Lastenausgleich ohne Bürgerkrieg nicht möglich wäre. W i r Heimatvertriebenen legen W e r t auf die Feststellung, daß dieses häßliche W o r t nicht aus den Reihen der Heimatvertriebenen, son- dern aus den Reihen des satten Besitzes ge- k o m m e n ist. Der H e r r Bundesfinanzminister hat nach dieser Aeußerung noch manche a n - deren törichten Aeußerungen getan. Es würde den Rahmen der mir gesteckten Zeit überschreiten, wenn ich mich zu lange dabei aufhalten wollte. A b e r das eine, vielleicht das letzte, möchte ich doch noch hier sagen:

Die Problematik des Lastenausgleichs ist schwierig. Der M i n i s t e r hat geglaubt, zur Lösung dieses Problems durch einen neuen Begriff etwas beitragen z u sollen, indem er vom .materiellen Lastenausgleich" ge- sprochen hat. Darunter verstehen Sie genau so wenig etwas w i e irgendein anderer, wenn er nicht die Erläuterungen kennt,, die H e r r Sdhäffer diesem Begriff des materiellen Lastenausgleichs gegeben hat. E r stellt sich den materiellen Lastenausgleich folgender- maßen v o r : E r sagt, er hätte beobachtet, daß m der westdeutschen Wirtschaft, i n Industrie

• a d Gewerbe noch eine ganze M e n g e v o n

M e i n e Damen u n d H e r r e n ! W e n n m a n zu den Aeußerungen v o n H e r r n Schäffer über den Lastenausgleich spricht, dann läuft man immer Gefahr, leicht ins Komische u n d Lächerliche abzugleiten, denn die Dinge sind tatsächlich eigentlich n u r noch komisch auf- zufassen. E r k a n n unmöglich v o n uns er- warten, daß w i r sein Geschwätz ernst n e h - men. Das sind nicht die W o r t e eines führen- den politischen Mannes, v o n dem w i r er- warten, daß er eines der schwersten Probleme w i r k u n g s v o l l anpacken u n d zur Lösung brin- gen k a n n . W i r möchten hier — u n d da bitte ich die Oeffentlichkeit, genau aufzu- passen! — unseren einmütigen W i l l e n gegen- über der Bundesregierung, insonderheit ge- genüber dem H e r r n Bundeskanzler u n d der gesamten Regierungskoalition, dahin z u m Ausdruck bringen, daß w i r k e i n Verständnis dafür haben, wenn dieser M a n n weiterhin solch e i n törichtes Zeug schwätzen darf.

(Stürmische Protestrufe . A b s e t z e n " , . D e r M a n n muß verschwinden".) W i r erwarten und mahnen mit Emst, die Bundesregierung möge sofort dafür sorgen, daß diesem M a n n e der M u n d gestopft w i r d , damit er nicht w e i - ter reden kann. (Zurufe: .Sehr richtig!") W i r 6ind doch keine Phantasten u n d keine Illusionisten! Uns hat das Schicksal so hart und schwer geschlagen, daß w i r uns keine

Wunschträume vormachen. Wir wissen, was möglich ist, u n d w i r wissen, was nicht mög- lich ist. W i r schreien auch nicht nach A l m o s e n , sondern w i r schreien nach Arbeit, nach Schaffensmöglichkeiten, u n d die muß uns e i n gerechter Lastenausgleich geben, u n d die k a n n er uns geben. D i e Zeiten, w o m a n den Heimatvertriebenen einen billigen, nicht wirksamen Lastenausgleich hätte bieten kön- nen, sind restlos u n d unwiederbringlich d a - hin. W e n n man diese menschenfreundliche Absicht gehabt hätte, hätte man das v o r zwei J a h r e n machen können. Heute sind w i r so weit, daß w i r das nicht mehr dulden werden. (Lebhafte Bravorufe.)

Das w a r das eine, was ich sagen wollte.

M a n könnte über diese Dinge stundenlang sprechen, meine lieben Landsleute, aber das k a n n j a nicht der Sinn einer solchen Groß- kundgebung sein. W i r können ja n u r einige Schlaglichter werfen, u n d w i r können unsere Stellungnahme so unmißverständlich formu- lieren, daß m a n unsere Grundhaltung ver- steht u n d sich danach einrichtet.

E i n Zweites, w o z u ich sprechen wollte, be- trifft die Soforthilfe, u n d zwar die Hausrat- hilfe. M e i n e lieben Landsleute, auf diesem Gebiete ist etwas geschehen, was niemand für möglich gehalten hätte. M a n hat die Soforthilfe u n d insonderheit die Hausrathilfe verwässert, j a , direkt zum Versickern ge- bracht dadurch, daß man es politisch für ver- antwortlich gehalten hat, der einheimischen Landwirtschaft generell die Soforthilfe-Ab- gabe zu stunden. Es werden Statistiken auf- gemacht, die beweisen sollten, daß die e i n - heimische Landwirtschaft sich i n einer s o schweren K r i s e befindet, daß ein anderer A u s w e g nicht mehr möglich sei. Die H a u s - rathilfe ist i n V e r b i n d u n g gebracht w o r d e n mit der Summe, die die Landwirtschaft für Düngemittel auszugeben pflegt, u n d m a n glaubte, Ansang Februar feststellen z u kön-

48 Seilen

umfaßt diese Folge unseres Heimatblattes, das sind 24 Seiten einer Zeitung i m soge- nannten Berliner Format. Unser . O s t - preußenblatt", das zweimal i m Monat mit Je — mindestens — 32 Seiten zum Bezugs- preis v o n 55 Pfennig erscheint, ist das e i n - z i g e O r g a n unserer Landsmannschaft.

Jeder Ostpreuße, der für unser „Ost- preußenblatt" wirbt, stärkt damit unsern Zusammenschluß u n d damit unsere W i r k u n g .

nen, daß die Landwirtschaft für über 400 M i l l i o n e n D M weniger Düngemittel gekauft oder bestellt hat als i m Vorjahre. Das ist gerade der Betrag, so meint die Bundesregie- rung, den die Landwirtschaft i n der V e r g a n - genheit an Soforthilfe bezahlt hat. Das n a h m man zum Anlaß, u m auf Kosten der A e r m - sten der A r m e n diese bescheidenen Beträge an Hausrathilfe versickern z u lassen u n d z u m Erliegen z u bringen.

Interessant ist nun, daß dieser G r u n d gar nicht stimmt. Ich habe, als ich z u m ersten M a l e v o n dieser Absicht erfuhr, wenige M i - nuten hinterher einen pommerschen L a n d - wirt gesprochen, der v o n diesen Dingen etwas versteht, u n d ich habe i h n gefragt: .Ist die Krise der einheimischen Landwirtschaft w i r k - lich schon so groß, daß sie nicht mehr die Düngemittel kaufen k a n n und daß deshalb eine Erntekatastrophe für 1950 droht?" D a lachte mir dieser Landwirt ins Gesicht u n d sagte, die Bauern wären ja schön dumm, w e n n 6ie i n diesem Jahre so frühzeitig einkaufen würden. Düngemittel seien keine M a n g e l - ' wäre mehr, die kauften die Bauern, wenn sie

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folge 4 7 Jahrgang T .Das Ostpröußeoblaitt" » . Mai M M / Saft» 117

ttuf denAcker gestreut werden u n d nicht mehr w i e i m Vorjahre auf V o r r a t U n d v o r w e n i - gen Tagen las ich i n der Presse Westdeutsch- lands i n Balkenüberschriften: .Stürmische Hausse auf dem Düngemittelmarkt!"

M e i n e Damen u n d H e r r e n ! M a n w i r d lange suchen müssen, ehe man eine Entscheidung findet, die nicht n u r eine politische Torheit u n d politisch unvernünftig ist, sondern die nach meiner Auffassung auch dem mensch- lichen A n s t a n d widerspricht. Es ist unmöglich

— selbst w e n n m a n eine bestimmte Notlage zugeben w i l l —, die angebliche K r i s e eines Berufsstandes a l l e i n u n d ausschließlich auf die Schultern der schon so schwer tragenden Heimatvertriebenen abzuwälzen. Das durfte nie und nimmer geschehen. W i r halten es für richtig, auch z u diesem Punkte der Oeffent- lichkeit unsere Auffassung z u m Ausdruck z u bringen.

Ich möchte nun i m Anschluß daran mit we- nigen Sätzen auf eine N o t u n d eine Sorge hinweisen, die uns a m brennendsten zu sein scheint: das ist die Ausbildungsnot unserer heimatvertriebenen Jugend. Es sind Ansätze vorhanden, aus denen man entnehmen kann, daß i n einigen Fällen, vielleicht auch i n Tau- eenden v o n Fällen, geholfen werden w i r d . W e n n aber heute bereits bei einem Bevölke- rungsanteil v o n 18 Prozent die A n z a h l der studierenden Heimatvertriebenen auf deut- schen Hochschulen nicht einmal 3 Prozent erreicht, dann ist Gefahr i m Verzuge, u n d zwar i n allerhöchstem Maße! M a n k a n n w o h l auf den Lastenausgleich warten — w i r warten ja schon fünf Jahre darauf —, aber auf die Ausibildungshilfe für unser« Jugend können w i r nicht warten (Zurufe: »Sehr richtig"!); denn die Jahre, die w i r hier i m W a r t e n zubringen, sind unwideiforinglich v e r l o r e n für unsere jungen Menschen. W i r verlangen u n d fordern mit Ernst u n d Nach- druck, daß alles n u r Erdenkliche getan w i r d , damit die Fähigkeiten u n d die Begabungen unserer heranwachsenden Jugend nicht ver- kümmern, sondern daß m a n sie nutzt, schult, reif und brauchbar macht (ür die Aufgaben, die uns einmal bevorstehen werden.

M e i n e lieben Landsleutal Damit möchte ich das Gebiet der sozial- u n d wirtschafts- politischen Nöte abschließen. Ich habe n u n noch Stellung z u nehmen z u einer Frage, i n der w i r auch mit der öffentlichen M e i n u n g nicht ganz übereinstimmen, u n d zwar nicht nur mit der öffentlichen M e i n u n g Deutsch- lands, sondern auch mit der öffentlichen M e i n u n g des Auslandes. Es handelt sich u m die sehr, sehr bittere u n d schwere Frage:

W i r holt man die letzten unserer Landsleute heraus, die noch heute i n den deutschen Ost- gebieten, die unter polnischer V e r w a l t u n g stehen, schmachten u n d e i n Sklavendasein führen? Sie wissen, daß d i e ersten Transporte v o r wenigen Wochen einliefen u n d daß sich dort i n Friedland sehr wenig erfreulich«

Dinge abgespielt haben. Es s o l l vorgekom- men sein, daß man diese deutschen Menschen an der Westzonengrenze zurückgewiesen hat; es soll vorgekommen sein, daß man sogar F a m i l i e n trennte, daß m a n die Eltern her- überließ u n d K i n d e r zurückwies oder umge- kehrt. Diese schlimmen Dinge scheinen be- reinigt z u sein. Nach d e n neuesten M i t t e i - l u n g e n w o l l e n die H o h e n Kommissare all«

die Menschen i n die Westzonen herein- lassen, die v o n deutschen amtlichen Stellen eine Zuzugsgenehmigung erhalten. Damit ist unmißverständlich die V e r a n t w o r t u n g auf die deutschen Stellen übergegangen, u n d w i r möchten den dringenden A p p e l l a n alle rich- ten, die mit diesen Dingen amtlich etwas zu tun haben: man möge sich davor hüten, neu«

Unmenschlichkeiten z u begehen. K e i n e m v o n d e n deutschen Menschen, die heute da- nach streben, aus diesen mens d i e n unwürdl-

Unter dem Zeichen unserer Landsmannschah, der Elchschaufel

hörten Zehntausende von Ostpreußen auf der großen Kundgebung die Ansprache* und den Aufruf der einzeln en Landsmannschaften. roto: Contl- gen u n d unerträglichen Verhältnissen i n dem

polnischen Verwaltungsgebiet herauszukom- men, darf man eine Schranke vorsetzen u n d irgendwelche Hemmungen entgegenbringen.

Es ist ganz merkwürdig, welch e i n Echo und welch einen W i d e r h a l l dieses Problem zunächst i m A u s l a n d und dann aber auch in der deutschen Oeffentlichkeit gefunden h a t Als die ersten Züge eintrafen u n d bekannt wurde, daß das der Anfang v o n Zehntausen- den sein sollte, da schrie das A u s l a n d : W i « k a n n Polen nur weitere Massenausweisungeu vornehmen? M e i n e Damen u n d H e r r e n ! G e - nau das Gegenteil ist richtig. Diese armen Menschen haben genau w i e wir i m Jahr«

1945 Haus und H o f verloren und sind heimat- und rechtlos geworden. N u r wir waren so glücklich, aus den Gebieten herauszukom- men, während diese Menschen, nachdem si«

ihrer persönlichen Freiheit beraubt wurden, in Arbeitslager gesperrt u n d dort einem Sklavendasein überantwortet wurden. So

liegen die Dinge. Wir denken gar nicht daran, Polen nun etwa Vorwürfe zu machen, daß es weiter« Ausweisungen vornimmt, sondern w i r rufen, man möge auch die letz- ten deutschen Menschen, di« dort als A r - beitssklaven gehalten u n d ihrar Freiheiten und ihrer Rechte beraubt werden, heraus- lassen, u n d zwar so schnell w i « möglich.

O b das A u s l a n d das alles verstehen wird, das weiß ich n i c h t W i r haben ja bei der Rede unseres ostpreußischen Landsmannes, der aus Schweden k a m , auch heut« erfahren, daß der Blick, mit dem das A u s l a n d vieles sieht, ganz anders ist als der Blick, mit dem wir Heimatvertriebenen hier selbst die Dinge sehen. U n d so könnte ich meinen, daß auch diese Frage der Rückholung der Letzten aus diesen Gebieten vom A u s l a n d auch nicht so schnell begriffen werden w i r d . W i r meinen aber, daß all« deutschen Stellen das doch wirklich begreifen könnten. U n d da liegen

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22. Mai 1950 7 Seite 118 .Bas ÖsitpTetiBenblatl* Folge 4 7 Jahrgang I

zum Teil Aeußerungen großer politischer Parteien vor, aus denen wir die Befürchtung ablesen müssen, daß man es noch nicht be- griffen hat. Darum war es notwendig, zu diesen Dingen Stellung zu nehmen, und die Sprecher der Landsmannschaften schlagen

U n d nun, liebe Landsleute, lassen Sie mich auch noch einige W o r t e zu dem höchst aktu- ellen Thema sagen, das heute schon mehr- fach angesprochen wurde; lassen Sie mich etwas sagen zu dem Bericht, den die Senats- kommissdon der U S A nach einer Studien- fahrt durch Deutschland über das Heimatver- triebenen-Problem erstattet hat. Ich fühle mich auch, wenn ich dieses Thema anschneide, als ein Sprecher Ihrer M e i n u n g , Ihres Füh- lens und Ihres W o l l e n s . Ich fühle mich nicht verpflichtet, bei der Formulierung unserer Wünsche darauf Rücksicht zu nehmen, wie eine amtliche deutsche Außenpolitik oder eine amtliche Vertretung unserer Interessen die Dinge sehen muß und sehen w i l l . Es k a n n niemandem schaden, wenn die amt- lichen Stellen genau darüber orientiert sind, wie die Millionenmasse der Heimatvertrie- benen dazu steht; denn wenn sie darüber sich nicht i m klaren sind, dann laufen sie Gefahr, Entscheidungen zu fällen, die der harten Wirfck'chkeri-t nicht standhalten und eines Tages i n neue, chaotische Verhältnisse führen müssen.

Der Bericht dieser Kommission liegt leider i m Augenblick im genauen Wortlaut der Uebersetzung uns noch nicht vor. W i r sind deshalb genötigt, auf die Presseäußerungen zurückzugreifen, die über diesen Bericht in den letzten Tagen der Oeffentlichkeit be- kanntgeworden sind. In diesem Bericht steht v i e l Gutes und Brauchbares drin. W i r kön- nen es wirklich begrüßen, daß die amerika- nische N a t i o n zu den Fragen der Lösung des Heimatvertriebenen-Problems heute eine ganz andere Stellung einnimmt, als etwa noch v o r einem Jahre. M a n ist offenbar ernstlich gewillt, dem restlichen Deutsch- land, das dieses Problem aus eigener Kraft nicht zu lösen vermag, w i r k u n g s v o l l bei der Lösung zu helfen. Das w o l l e n w i r mit Dank anerkennen. W i r haben aber schon sehr, sehr ernste Bedenken zum Ausdruck zu brin- gen, wenn in diesem Bericht gesagt ist, daß man V o r k e h r u n g e n für die A u s w a n d e r u n g einer M i l l i o n Heimatvertriebener schaffen w i l l . So geht es nicht. Ich habe mich ge- freut — und so ist es w o h l allen gegangen, die die gestrige Eröffnungsfeierlichkeit mit- erlebten —, daß H e r r Bürgermeister Brauer als Sprecher der Stadt Hamburg, als eine markante Persönlichkeit unseres politischen Lebens auch zu der Frage dieser Auswande- r u n g Stellung nahm, u n d zwar so Stellung nahm, daß w i r Heimatvertriebenen ihm nur aus v o l l e m Herzen danken u n d zustimmen können. Denn er sagte gestern, man solle doch nicht versuchen, das amputierte, w e g - genommene deutsche Land mit solchen Lö-

•ungsmöglichkeiten z u bezahlen und auszu- gleichen. Das ist richtig; das »st auch unsere

Ihnen zu diesem Punkt eine Entschließung vor, in der der Oeffentlichkeit unser Wollen und unsere Meinung in dieser speziellen Frage eindeutig und unmißverständlich kundgetan wird. Ich möchte Ihnen den Wort- laut dieser Entschließung jetzt verlesen:

Auffassung. Die Auswanderung ist k e i n ge- eignetes M i t t e l , um die Lösung des Heimat- vertriebenen-Problems voranzubringen. W i r werden den genauen Wortlaut abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Daß ein Z w a n g zur Auswanderung nie u n d n i m - mer i n Frage kommt, das w i r d die andere Seite w o h l auch wissen. Ich glaube nicht, daß es nötig ist, i n dieser Beziehung etwas zu sagen. Daß man nicht nur arbeitsfähige M e n - schen nehmen w i l l , sondern auch eine ange- messene Menge Arbeitsunfähiger usw., auch darüber w i r d eine Verständigung möglich sein. W i r aber, die w i r heute hier als Ange- hörige der nordostdeutschen Landsmann- schaften auf diesem Platz stehen, sind der M e i n u n g , daß diese Frage der Auswanderung für uns Ostpreußen, Westpreußen, Pommern unmöglich eine Lösung sein kann. Ich glaube

M e i n e lieben Landsleute! Diese beiden Entschließungen haben Ehre Zustimmung gefunden und werden als Ihr einmütiges, äußeres W o l l e n i n die Oeffentlichkeit gehen.

Ich glaube, es kann uns niemand mehr miß- verstehen, der mit offenem O h r und mit aufgeschlossenem Herzen diese Kundgebung erlebt hat. W i r lassen uns die Treue z u unserer Heimat niemals aus dem H e r z e n reißen! (Lebhafter Beifall.) W i r würden es begrüßen, wenn auch die Bundesregierung und der Bundestag sich hinter dieses Treue- bekenntnis zu unserer Heimat stellen u n d dieser Zustimmung einen sichtbaren A u s - druck geben wollten. Das wäre nach unserer M e i n u n g dadurch möglich, daß man sich ent- schlösse, im Bundestag neben den W a p p e n

nicht, daß viele f r e i w i l l i g bereit sein werden, sich i n anderen Erdteilen eine neue Heimat zu suchen. Das muß die Weltöffentlichkeit wissen, damit sie keine falschen Schlüsse zieht u n d eines Tages Ueberraschungen er- lebt. Das w a r aber nicht das Schlimmste, was i n dem Bericht stand. W i r haben einen Satz gelesen — ich beziehe mich auf die Veröffentlichungen i n der Presse — (Staats- sekretär v o n Bismarck deutete die Dinge schon an) einen Satz, der in dem Bericht stehen soll u n d i n d e m gesagt w i r d , die Rück- kehr i n unsere alte Heimat 6ei ja niemals möglich u n d läge außerhalb jeder prakti- schen V e r w i r k l i c h u n g . M e i n e Damen u n d H e r r e n ! Es dauert lange, bis das Eis gebro- chen w i r d i n der W e l t ! Es dauert aber eigent- lich schon zu lange. Vielleicht k a n n eine solche Willenskundgebung wie drie heutige mit dazu beitragen, daß man die Dinge richtig und real zu sehen beginnt. M a n sollte doch, eigentlich i n einer W e l t , die an die Schaf- fung einer neuen sittlichen Ordnung heran- geht, dankbar begrüßen, daß M i l l i o n e n M e n - schen, denen man Unrecht getan u n d d i e man in N o t u n d E l e n d geworfen hat, heute noch die sittliche Kraft aufbringen, die sich i n einem unzerbrechlichen Glauben u n d i n einer unzerbrechlichen Treue zur H e i m a t ausdrückt. Das sind doch Kräfte, mit denen man eine neue O r d n u n g aufbauen k a n n . M a n nutze doch diese Bausteine. Es ist doch auf die Dauer unmöglich, eine sittliche W e l t - ordnung aufzurichten, wenn man einer Millionenmasse v o n Menschen das p r i m i - tivste Menschenrecht versagen wollte. Das ist auch der Sinn solcher Kundgebungen, daß die Oeffentlichkeit erfährt u n d daß man es ihr immer wieder einhämmert, wie die H e i - matvertriebenen darüber denken. Die sitt- liche Kraft einer solchen Idee ist nicht tot- zukriegen, es sei denn, man schlägt die M e n - schen tot, die sie tragen.

der elf Länder der Bundesrepublik die W a p - pen unserer geraubten Ostprovirrzen aufzu- hängen. (Stürmische Zustimmung.) W i r geben dies als Bitte u n d Herzenswunsch i m Namen der M i l l i o n e n Heimatvertriebener dem K a n z l e r der deutschen Bundesregierung weiter und hoffen u n d wünschen, daß i n Kürze diesem W u n s c h entsprechend gehan- delt werden w i r d . W e n n w i r in unsere H e i - mat zurück wollen, dann wollen w i r i n eine Heimat zurück, i n der w i r als freie Menschen arbeiten u n d schaffen können. Unser Ruf kann deshalb niemals n u r lauten: »Gebt uns unsere Heimat wieder!", sondern muß auch ausklingen: . G e b t uns unsere Heimat w i e - der u n d macht uns f r e i l " (Lang anhaltender, stürmischer Beifall.)

«Wir heute zu Zehntausenden in Hamburg versammelten heimatvertriebenen Deutschen lenken die Aufmerksamkeit der Welt auf die unglückliche Lage unserer von Polen jen- seits der Oder-Neiße-Linie und in Polen selbst festgehaltenen Landsleute. Sie wurden bereits vor fünf Jahren von ihren Wohnstätten vertrieben und aller Habe beraubt wie wir selbst. Man hat ihnen die staatsbürgerlichen Rechte und die Bewegungsfreiheit ge- nommen. Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern wurden ohne jeden Rechts- grund, nur weil sie Deutsche sind, in Interni erungs- und Arbeitslagern unter unmensch- lichen Bedingungen festgehalten und zu harter Sklavenarbeit eingesetzt Viele haben auf diese Weise den Tod gefunden. Wir appellieren an Polen und an alle Völker, dieser Verletzung der Menschenrechte ein Ende zu bereiten und unsere überlebenden Landsleute endlich freizulassen. Von der deutschen Bundesregierung und den Besatzungs- mächten fordern wir die vorbehaltlose Aufnahme dieser gequälten Menschen in

Deutschland.'

V e r e w i g t n i c h t d a s U n r e c h t !

W i r haben geglaubt, auch zu dieser Frage, eine Entschließung zur Zustimmung v o r - der Kernfrage unseres ganzen Wollens, auch legen zu müssen. Ich werde auch diese Ent- unseres politischen Woliens, Ihnen heute Schließung jetzt verlesen:

.Die in Hamburg zu Tausenden aus ihrer Heimat vertriebenen Angehörigen der ost- deutschen Landsmannschaften haben sich zu einem Treuebekenntnis zu Ihrer Heimat zusammengefunden. Sie bekennen zugleich im Namen ihrer dreizehn Millionen Schick- salsgenossen, daß keine Vertreibung ihnen das Recht auf die Heimat rauben kann. Sie erklären, daß sie niemals auf dieses Recht auf die angestammte Heimat verzichten wer- den. Sie appellieren an die Staatsmänner in Ost und West und an die Organisationen aller Menschen, die guten Willens sind, den Grundsätzen des Rechtes, den Geboten der Menschlichkeit und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Geltung zu verschaffen. Sie sind der Uberzeugung, daß für die Verwirklichung dieser Rechte eine friedliche Lösung gefunden werden muß und gefunden werden kann. Aus Not und Verzweiflung her- aus rufen sie die Staatsmänner der Welt und ihrer Völker auf, das durch den Krieg verursachte Unglück und Unrecht nicht zu verewigen, sondern gemeinsam mit uns

wieder gutzumachen.' (Stürmische Zustimmung.)

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Folge A I Jahrgang 1 Das OetpIeulßenb^al^t• 22. M a i 1950 / Sek« 119

Landsmannschaften gewachsen wie ein Bauml

Die feierliche Eröffnung der Ostdeutschen Heimatwoche in Hamburg Mit einem Festakt im Deutschen Schau-

spielhaus wurde a m 13. M a i die Ostdeutsche Ileimatwoche in H a m b u r g eröffnet, mit einer Feier, bei der die Ansprachen, die m u s i k a l i - schen Darbietungen u n d die Rezitationen so aufeinander abgestimmt waren, daß alles nicht n u r z u einer würdevollen, sondern auch lebendigen u n d packenden Einheit ver- schmolz. D e r zweite Satz aus der . U n v o l l - endeten" v o n Franz Schubert z u Beginn u n d das V o r s p i e l z u d e n »Meistersingern v o n Nürnberg" a m Schluß — es spielte das H a m - burger Sinfonieorchester unter Leitung v o n M u s i k d i r e k t o r A l f r e d H e r i n g — u m - rahmten w i e die beiden herrlichen Bogen eines großen Tores manchen trefflichen G e - d a n k e n u n d manche bedeutungsvolle Fest- stellung, welche d i e Reden des Sprechers der Landsmannschaften, A x e l de V r i e s , des Schirmherrn der Ostdeutschen Heimatwoche, Bürgermeister M a x Brauer, u n d die Fest- ansprache des Oberkonsistorialrats Gülzow brachten. Dichterworte, v o n Eberhard G i e - seler gesprochen, v o r allem aber v o n dem Lauenburger Jugendsprechchor unter Leitung v o n Frau v o n Brederlow, kündeten eindring- lich v o n unserem Schicksal, unserer Sehn- sucht u n d unserer Verpflichtung. Es w i r d n u r wenige gegeben haben i n d e m weiten R u n d des Theaters, die nicht tief ergriffen w u r d e n , als der C h o r jene prophetischen W o r t e sprach, die Agnes M i e g e l lange v o r d e m letzten großen K r i e g i n ihrer Ballade . D i e Fähre" gedichtet hat . . .

A x e l d a V r i e s , der Sprecher der B a l - tendeutschen, eröffnete i m N a m e n aller Landsmannschaften die Heimatwoche mit der folgenden Ansprache:

M e i n e Damen u n d H e r r e n !

Im N a m e n u n d Auftrage der vereinigten ostdeutschen Landsmannschaften habe ich die Ehre u n d Freude, Sie w i l l k o m m e n z u heißen. Insbesondere begrüße ich H e r r n Bürgermeister Brauer, den Vertreter der alten u n d stolzen Hansestadt Hamburg, welcher freundlicherweise die Schirmherr- schaft über die Ostdeutsche Heimatwoche übernommen hat. W i r sind dankbar dafür,

daß w i r die Ostdeutsche Heimatwoche i n H a m b u r g veranstalten können, dieser ein- zigen Weltstadt, die uns verblieben ist u n d die uns i n ihrer W e i t e an Maße und Begriffe erinnert, d i e bei uns i m Osten üblich waren.

W e r jetzt H a m b u r g kennenlernt, der ist tief beeindruckt v o n der harten A r b e i t u n d dem festen W i l l e n , der beim Wiederaufbau H a m - burgs zutage getreten ist.

Von

Bei der Eröffnung der Ostdeutschen Heimatwoche i n H a m b u r g wurde aus der Ballade . D i e Fähre" v o n Agnes M i e g e l (Diederichs V e r l a g Düsseldorf) der folgende T e i l gesprochen:

. W a s ist so weich wie Mutterschoß, so mild wie Mutterhand?' Und Antwort kam: .Das Wiesenheu

und der Wind im ilachen Land!' .Was ist so süß wie der Kuß der Braut?

was ist blonder als sie?' .Die Linde über dem Strohdachlirst —

viel süßer und blonder ist die!' .Was ist blanker als ihr weißer Leib?

was ist so fruchtbar und jung?

Was trägt mich so geduldig?' ,Der Strom der Niederung!' .Was ist für Götter und Menschen Glück?

Das Glück dem keines gleicht?' . O das ist: den eignen Boden sehn

soweit das Auge reicht!

Und Gruß und Rede hören

wie altvertrautes Wiegenlied, Und Wege gehn wo jeder uns

wie Kind und Bruder ähnlich sieht!"

.Und was Ist allerschwerste Last?

was ist ewige Pein?

Was ist den Kindern der Ebne verhaßt und wird es immer sein?'

.Von der Heimat gehn ist die schwerste Last, die Götter und Menschen beugt, Und unstät zu schweifen ist allen verhaßt, die die grüne Ebene gezeugt!'

Die ostdeutschen Landsmannschaften sind aus k l e i n e n Anfängen erwadisen. Ich ent- sinne mich sehr w o h l a n die erste Bespre- chung ihrer Vertreter i n einem k l e i n e n nie- dersächsischen Bad v o r n u n bald zwei Jahren. Damals waren u . a. Staatssekretär Dr. Schreiber anwesend, der leider heute nicht unter uns weilt, u n d Staatssekretär v o n Bismarck.

Die ostdeutschen Landsmannschaften, die neben dem Zentralverband der vertriebenen Deutschen eine der tragenden Säulen der Vertriebenenbewegung sind, sind nicht am grünen Tisch erdacht worden, sie sind ent- standen und gewachsen wie eine Pflanze, w i e ein Baum, nach einem eigenen Gesetz, sie sind dem Schoß der Mütter entsproßen, aus der Urkraft des Landes, das unendlich v i e l stärker ist, als jeder bewußte menschliche Organisationswille.

W e r i n der Heimat geweilt hat, nachdem der Großteil der Landsleute das ange- stammte Land der Väter verlassen mußte, der hat erlebt, daß die Heimat i n einem Land u n d i n den Menschen eines Landes verkörpert ist. Darum sind die ostdeutschen Landsmannschaften Repräsentanten v o n Stämmen u n d V o l k s g r u p p e n u n d Ländern zugleich.

In den ostdeutschen Landsmannschaften ist man sich dessen bewußt, daß sie nicht Selbstzweck sein dürfen, sondern nur T e i l eines großen, umfassenden Ganzen, des deutschen Ostens, des deutschen V o l k e s u n d eines hoffentlich geeinten Europas. In ihnen ist der Gedanke des Dienstes wach u n d lebendig, dem die Großen unserer N a t i o n nachgelebt haben, auch der Staatsmann, der der Schöpfer des Deutschen Reiches war u n d dessen mächtiges D e n k m a l eines der W a h r - zeichen Hamburgs ist.

Darum soll auch die Ostdeutsche Heimat- woche nicht Selbstzweck sein, sondern Kün- der des deutschen Ostens u n d M i t t l e r z u m N o r d e n und Westen unseres Vaterlandes.

In diesem Sinne eröffne ich die Ostdeutsche Heimatwoche u n d wünsche ihr einen v o l l e n Erfolg.

Bürgermeister M a x Brauer bei der Eröffnung der Heimatwoche:

• *

Auswanderung keine echte Lösung

»Ich habe selber den Glauben, daß auch die Änderung der Grenzverhältnisse im Osten sich aus ganz anderen Ursachen natürlich entwickeln wird als aus kriegerischen Gründen"

Bei dar feierlichen Eröffnung der Ostdeut- schen Heimatwoche hielt der Erste Bürger- meister der Hansestadt Hamburg, Max Brauer, die folgende, oft von starkem Beilall unterbrochene Rede:

Meine Damen u n d H e r r e n !

Für die freundlichen Begrüßungsworte, die Sie m i r entgegengebracht haben, danke ich Ihnen. Ich erwidere sie mit einem herzlichen W i l l k o m m e n an alle Teilnehmer der Ost- deutschen Heimatwoche. Es ist der aufrich- tige Wunsch des Hamburger Senates und auch mein persönlicher Wunsch, daß Sie alle sich i n diesen Tagen i n der alten Hansestadt H a m b u r g u n d i n ihrem menschlichen K l i m a wohlfühlen werden. Ich hoffe, daß Ihnen d i e Gastlichkeit dieser Stadt, die schon i n den Tagen der Hanse enge wirtschaftliche u n d menschliche Beziehungen z u m deutschen O s t e n gepflogen hat, angenehme Stunden, geistige Anregungen u n d seelische Aufrich- tung bringen wird.

Hamburg selbst ist infolge der Zerstörung v o n 53 •/• seines Wohnraums nicht z u m Z u - fluchtsort großer Flüchtlingsmengen gewor- den. A b e r immerhin haben auch i n unserer Stadt 162 500 Heimatlose Zuflucht gefunden.

Das ist kein« geringe Zahl, wenn man i h r die Zahl v o n über 200 000 ausgebombter Hamburger gegenüberstellt, die bis auf den heutigen Tag noch nicht nach Hamburg z u - rückkehren konnten. W i e w e i t aber die gleichberechtigte Eingliederung der V e r - triebenen i n den Wirtschaftsprozeß der Hansestadt H a m b u r g jedoch möglich gewor- den ist, geht daraus hervor, daß sich am 31. März dieses Jahres unter 90 000 Arbeits-

losen nur 2,3 •/• Vertriebene befunden haben. In fast allen erlernten Berufen hat der überwältigende Teil der in H a m b u r g be- findlichen Heimatvertriebenen eine neue Existenz gefunden. Die prozentuale Arbeits- losigkeit in den einzelnen Berufsgruppen der Flüchtlinge in H a m b u r g unterscheidet sich i n keiner Weis« von der Arbeitslosig-

keit i n den gleichen Berufsgruppen der E i n - heimischen. Trotz aller Schwerigkeiten, die w i r i n Hamburq meistern mußten, ergeben unsere Statistiken erfreulicherweise die völlige arbeitsrechüiche Gleichstellung u n d darüber hinaus eine fürsorgerische V o r r a n g - stellung gegenüber der bodenständigen Be- völkerung.

Lassen Sie mich noch eine persönliche Be- merkung einflechten. Ich habe die e i n - leitenden Worte des federführenden Spre- chers der Vereinigten Landsmannschaften mit besonderer Bewegung und nicht ohne Überraschung angehört und sie mit manchen anderen Reden verglichen. Ich habe mich gefreut über die Zurückhaltung u n d Be- herrschtheit seineT Worte, über ssine Auf- geschlossenheit für die gastgebende Stadt und für die übergeordneten europäischen Zusammenhänge, i n die unser ganzes politi- sches Leben eingeordnet ist. Ich teile auch

die sich i n dieser H a l t u n g ausdrückende Auffassung, daß, wer solcher Objektivität

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71. Mai 1990 7 Seit« f » , DM QrtpreuAenMatt* Folge 4 / Jahrgang I

fähig ist, umsomehr Anspruch ««heben kann, geschatst, gehört «od beachtet «a werden.

Keine Oder-Neiße-Grenze Sie alle, meine lieben Zuhörer, haben eine wundervolle Heimat Ihr eigen genennt und haben diese Heimat aufgeben müssen. D i e Erinnerung an diese Heimat hüten Sie als Ihr kostbarstes Erbe, und alle Ihr« Wünsche sind darauf gerichtet, das Land Ihrer Väter eines Tages wiederzusehen. Jeder v o n uns versteht diese Wünsche, und keiner unter d e n hamburgischen Gästen Ihrer heutigen K u n d - gebung versagt diesem Wunsch die tiefe menschliche Berechtigung. M a n kann ja nicht immer wieder i n internationalen Statuten und Proklamationen v o n den Menschen- rechten sprechen u n d den Heimatvertriebe- nea das Menschenrecht der Heimatliebe u n d Heimattreue versagen. Sie bekennen sich mit vollem Recht zu dieser Heimat, zu Deutschland und zu Europa, dessen Bestand- teil wir sind.

Lassen Sie mich noch «inen anderen G e - danken hervorheben: W e r ein so hartes Schicksal hinnehmen mußte wie Sie, könnte

•ich in seinen Kümmernissen leicht verhär- ten. Er könnte sehr leicht einseitig werden, und er könnt« es, ohne daß andere, denen das Schicksal gleiche Schlage erspart hat, berechtigt waren, Sie zu tadeln.

Ich spreche es aber mit aller Eindringlich- keit aus, daß das tragische Problem der Völkerwanderung v o n M i l l i o n e n Heimatver- triebener nicht n u r Ihre eigene, sondern auch unsere Sache ist Es ist eine Ange- legenheit des internationalen Rechts, das nur gelöst werden kann, wenn «ich Sieger and Besiegt« in einer neuen brüderlichen Gesinnung zusammenfinden, u m gemeinsam zu verhindern, daß auf das Unrecht Hitlers neues Unrecht gehäuft wird.

Ntemand von uns ist so vermessen, daß

•r an ein« Wiederherstellung der Grenzen denkt, die das Hitler-Reich einmal mit bru- taler Gewalt weit in die Nachbarländer vor- geschoben hat Der TT«um deutscher Hyper- nattonahsten u n d die Verstiegenheiten der nationalsozieiistischen Herrenmenschen v o m GroÄdeutsehen Reich sind ausgeträumt. A u s diesen Träumen hat es e i n furchtbares Er- wachen gegeben. Doch qerade die Ernüchte- rung aller, selbst der seRweilig Verblende- ten, nimmt uns in keiner Weise die Be- rechtigung, festzustellen, daß die einmal in Versailles gezogenen Grenzen der Weimarer Republik, die k e i n « O d e r - N e i ß e - G r e n z e n v o r s a h e n , i n künftiger i n - ternationaler Vereinbarung w i e d e r h e r - g e s t e l l t w e r d e n s o l l t e n .

Königsberg ist ebensowenig eine russische Stadt wie Stettin oder Breslau polnische Städte sind. Das braucht i n einer neuen rreaheitliehen u n d demokratischen Ordnung Europas i n keiner Weise auszuschließen, daß Schiffe aller Flaggen, also auch der russischen oder polnischen, die Häfen v o n Stettin und Königsberg anlaufen.

W i r sollten uns nach allen leidvollen E r - fahrungen der Vergangenheit überhaupt v o n der Vorstellung freimachen, daß, wenn i n Zukunft wieder gerechtere Grenzen gezogen werden, diese Grenzen ihren alten trennen- den Charakter beibehalten dürfen. W i r reden v o n Europa, weil w i r das überholte nationalstaatliche Prinzip durch e i n besseres Prinzip der engeren Annäherung unter den Völkern ersetzen wollen. Die historische Gerechtigkeit fordert allerdings auch v o n uns, anzuerkennen, daß w i r «elber nicht immer gute Nachbarn gewesen sind. Diese gut« Nachbarschaft aber ist die unbedingte

Voraussetzung des friedlichen Zusammen- lebens der Völker. Deshalb ist es eine der w'chtigsten Fragen für Sie und Ihre große Tagung, dt« B e r e i t w i l l i g k e i t i «

Z w e i markante Köpfe

Der Sprecher der Landsmannschaft Pommern, Staatssekretär a. D. von Bismarck (links) und Erster Bürgermeister Max Brauer-Hamburg Foto: A. o. Schmidt d i e s e r g u t e n N a c h b a r s c h a f t mtt sätze von Volk zu V o l k nicht überwinden, allen anderen Völkern i n den Vordergrund Deshalb hat auch Ihr Sprecher so richtig ge- zu stellen. Ohne diesen guten W i l l e n lassen handelt, wenn er in seinen Worten jeden

•ich die durch Hitlers Angriffspolitik n u n Mißton, jeden Ausdruck des Hasses oder der einmal hervorgerufenen furchtbaren Gegen- Diffamierung anderer vermied.

Die Verpflichtung zur Selbsthilfe

Schon bei anderer Gelegenheit habe ich einmal z u m Ausdrude gebracht, daß, wenn w i r Deutschen erklären, das Problem der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen ohne Hilfe des Auslandes nicht lösen zu können, w i r andererseits auch verpflichtet sind, selber zur Erleichterunq ihres Loses alles das zu tun, was in unseren Kräften steht.

M a t e r i e l l sind uns durch K r i e g u n d Kriegs- folgen, durch die Zerstörung unserer W i r t - schaft u n d unserer Städte, durch die V e r - nichtung gewaltiger Vermögenswerte so enge Grenzen gezogen, daß w i r k a u m dazu in der Lageasind, die dringendsten sozialen Verpflichtungen zu erfüllen. Aber angesichts der Tausende und Abertausende v o n Fällen immer noch brennender Not der Heimat- vertriebenen ist das gedankenlose Leben einiger weniger i m Uberfluß eine moralische Belastung, die nicht scharf genug verdammt werden kann.

Völlig falsch ist es aber, die Bitterkeiten noch zu verschärfen, die für manche darin liegen, daß der deutsche Westen etwas anders geartet ist, als es der deutsche Osten war. Der Charakter der ostdeutschen Lands- mannschaften ist durch die Eigenart Ihrer Landschaft u n d des Klimas, durch die Fülle

der spezifischen Eigenschaften u n d Lebens

bedingungen Ostpreußens, Pommerns u n d Schlesiens geprägt worden. Es wäre furcht- bar töricht, die Ostdeutschen deshalb dis- kriminieren z u wollen, w e i l ihr Leben e i n - mal härter u n d karger gewesen ist u n d sich dieses härtere Leben auch i n dem herben Volksantlitz der Ostdeutschen ausprägt.

M i t Freude habe ich gelesen, w i e stolz Sie sich z u den Söhnen Ihrer Landschaft be- kennen: z u H e r d e r , der die .Stimmen der Völker" zusammentrug, z u Immanuel K a n t , der i n Königsberg lehrte u n d jenen hellseherischen Beitracr . Z u m ewigen Frie- den" schrieb u n d dessen kategorischer I m - perativ das politische Handeln aller Staats- männer ethisch untermauern sollte. D e r deutsche M y s t i k e r Jacob B o e h m e , seines Zeichens e i n schlichter Schuhmacher, ist einer der Ihren, u n d von Caspar D a v i d F r i e d r i c h , dem wundervollen M a l e r der deutschen Romantik, beherbergt die H a m - burger Kunsthalle einige seiner köstlichsten Gemälde. Das sind Sonne Ihrer Heimat ge- wesen. Sie sind Repräsentanten einer hohen bodenständigen Kultur, die der des Westens gar nichts nachgibt. Sie s i n d I h r Besitz, und u n s e r Eigentum. Sie gehören dem ganzen deutschen V o l k , ja, sie s i n d wesent- liche Mitträger der abendländischen Kultur«

A l l e Kraft für eine bessere politische Lösung

M a n hat n u n wiederholt erklärt, daß dte beste Lösung des FlüAÜingsproblerns darin bestehen würde, eine M a s s e n a u s w a n - d e r u n g z u ermöglichen. Ich w i l l d e n guten W i l l e n , der bei den Befürwortern einer solchen Auswanderung vorhanden ist, nicht in Zweifel ziehen. Es hat immer eine euro- päische und eine deutsche A u s w a n d e r u n g gegeben. W i r kennen große deutsche K o l o - nien i n N o r d - und Südamerika, blühende Siedlungen, in denen sich bäuerlicher und

handwerklicher Fleiß durchsetzten u n d neu«

und gesunde Lebensbedingungen für Zehn- tausende u n d Hunderttausende v o n deut- schen Familien geschaffen haben. A b e r hier- bei hatte es sich stets u m eine vorbereitete und individuelle Auswanderung oder u m die Auswanderung v o n kleinen Gruppen gehan- delt, die sich i m Laufe der Zeit summier- ten. Für die durch den Zweiten W e l t k r i e g ausgelöste Völkerwanderung der Heimat- vertriebenen aus dem deutschen Osten h i n -

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Folge 4 / Jahrgang f „Da« C^preurtemblaft" 22. M a l 1950 / Seite 121

gegen ist die Auswanderung lediglich eine Aushilfe. Sie ist keine echte Lösung, u m d i e Amputationen deutschen Landes auszu-

gleichen.

Diese Amputationen sind unecht u n d ver- hängnisvoll. W i r müssen alle unsere Kraft und unseren guten W i l l e n für eine bessere politische Lösung einsetzen, eine Lösung, die ein weiteres wichtiges Grundrecht aller De- mokratie wieder i n Kraft setzt: die Frei- zügigkeit deT Menschen, sich dort niederzu- lassen, wo sie sich zugehörig fühlen.

Sie wissen, daß ich selber während des Dritten Reiches vierzehn Jahre i n der Emi- gration Zuflucht suchen mußte. Dabei habe ich erfahren, daß es das einzig Richtige war, mich so z u verhalten, als müßte ich dort, w o ich war, mein Leben ausfüllen. Sobald es die äußeren Umstände nur zulassen, soll m a n nicht zuwarten, sondern sein Leben mit aller Kraft, die einem z u Gebote steht, ein-

ordnen. Ich habe v o n der wunderbaren Liebe zur Heimat gesprochen, u n d es gibt nichts Edleres, als daß die Liebe unser Leben regiert Es gibt keine höhere Tugend als die des M i t l e i d s . A b e r dieses M i t l e i d darf nicht z u m Verhängnis der Selbstbemitlei- dung führen. Dann verliert man die Kraft zum Kampf u m die Selbstbehauptung, der übereil nach einem solchen K r i e g hart u n d schwer ist. Es wäre auch falsch und ver- hängnisvoll zu glauben, daß nur ein neuer K r i e g Aenderungen auf der Landkarte be- wirken könnte. W i r wollen keinen K r i e g ! Die Entwicklung steht gottlob auch dann nicht still, wenn sich k e i n K r i e g ereignet.

Ich habe selber den Glauben u n d die Z u - versicht, daß auch die Aenderung der Grenz- verhältnisse im Osten sich aus ganz anderen Ursachen natürlich entwickeln w i r d als aus- kriegerischen Gründen. Geschichtliches U n - recht, Vergewaltigunq und Terror korrigie- ren sich im Leben der Völker oft auch aus

ganz natürlichen Gründen. Die Umkehr v o n Unrecht in Recht vollzieht sich heute i n v i e l kürzeren Zeiträumen als früher. Der Schwache läßt sich durch Terror demorali- sieren. Der Starke wird i n seinem leiden- schaftlichen W i l l e n zur Wiederherstellung des Rechts durch Terrormaßnahmen nur be- stärkt. Das Entscheidende aber ist auch i n der Not, die eigene menschliche Würde zu behaupten. Diese menschliche Würde kann uns k e i n anderer rauben. Jeder v o n uns gibt sie sich selber. Sie haben sich diese Würde erhalten und bekunden sie schon durch den edlen Rahmen, den Sie Ihrer Ta- gung gegeben haben.

Möge die Vereinigung des guten W i l l e n s aller Völker Europas unserem Kontinent bald den Frieden, die Freiheit u n d Ihnen und Ihren Kindern die Heimat wiederbrin- gen, die Sie mit aller Kraft Ihres Herzens lieben!

Die Festansprache bei der Eröffnung der Heimatwoche

Unsere reiche ostdeutsche Kultur

Ihre Elemente waren christlicher G l aube, christliches Ethos und deutsche r, schöpferischer Geist und Fleiß Bei der Eröffnung der Ostdeutschen Hei-

matwoche i n Hamburg hielt Obe r kon- sistortalrat Gülzow, früher Danztg, jetzt Lübeck, die folgende Festansprache:

A l s Johann Gottlieb Fichte seine berühm- ten Reden a n die deutsche Nation i n der Berliner Universität hielt, hat er den Satz geprägt: .DeT Kampf der Waffen i st be-

schlossen. Es erhebt sich, so w i r wollen, der Kampf der Grundsätze, der Sitten, des Cha- rakters. W e r i n diesem Kampfe Sieger bleibt, der ist der wahre Sieger.' Dieses lichtungweisende W o r t stellen w i r a n den A n f a n g unserer ostdeutschen Heimatwoche i n den M a u e r n der Hansestadt Hamburg, m i t der w i r als die große Gemeinschaft der Vertriebenen und Flüchtlinge e i n unüberseh- bares Zeichen aufrichten u n d e i n Bekenntnis ablegen möchten z u dem großen Kulturerbe unserer Väter, unter dessen Segen und Kraft w i r i m deutschen Osten geboren sind u n d gelebt haben. Damit möchten w i r an- zeigen, daß es uns i n diesem Raum u n d Rahmen nicht u m eine politische A k t i o n geht; w i r möchten uns vielmehr i n aller Oeffentlichkeit zum W o r t melden, u m dar- zutun, welchen Beitrag w i r Vertriebenen für den Neubau unseres V o l k e s u n d der euro- päischen Völkergemeinschaft i m Zeichen eines echten Friedens beizusteuern fähig u n d willens sind.

Die Zeitverhältnisse, unter denen w i r Heutigen uns der ungeheuerlichen Aufgabe der Neugestaltung unseres Zusammenlebens

«teilen, wollen uns allerdings ungleich not- v o l l e r u n d verflochtener erscheinen als jene, i n denen e i n Fichte zur sittlichen Erneue- rung des V o l k e s aufrief. Das Ineinander v o n Schicksal und Schuld, v o n äußerer Kata- strophe und geistig-seelischem Zusammen- bruch hat eine bis dahin unvorstellbare chaotische Entwurzelung heraufbeschworen.

Es w i l l scheinen, daß der dämonische Auf- lösungsprozeß des Abendlandes mit den Ruinen unserer Kultur und den Trümmern der sittlichen Ordnungen seinen unüberbiet- baren Höhepunkt erreicht hat.

Darum ist es eine bange u n d ernste Frage, woher w i r den Geist u n d die Maße nehmen wollen, u m e i n Neues anzufangen.

Denn es muß ein Neues begonnen werden, w e i l jedes Verharren i n der Resignation unser Selbstmord wäre. W i r Vertriebenen, denen die Liebe zu dem, was einstens unser Leben reich machte, tief innewohnt, wissen z u genau und ermahnen einander zu dieser E r - kenntnis, daß nichts damit geholfen ist,

daß w i r unsere W u n d e n lecken und den schönen Tagen der Vergangenheit nach- trauern und nachträumen. Nein, w i r fühlen uns durch die vielfältigen Prüfungen, denen w i r i n diesen Jahren unterworfen waren, frei geworden v o n falschen Rücksichten und Sicherungen, die uns nur zu verfehltem A n - satz verleiten könnten.

W o wollen w i r Hilfe suchen? Die Philo- sophie* unserer Tage vermag scheinbar wenig mehr, als daß sie den desolaten Z u - stand der menschlichen Einsamkeit und Ver- zweiflung umschreibt u n d sie heroisch zu bestehen fordert. D i e Technik entwickelt sich rasant nach den Gesetzen der Logik, und es ist doch offen am Tage, daß an ihrem Ende die Massen Vernichtung u n d der Selbstmord der Menschheit stehen werden, wenn es nicht gelingt, sie aus ihrer Autonomie zu lösen u n d sie i n die Rolle des Dienens zu nötigen, u m einem echten Ziel in der O r d - nung der Schöpfung zuzustreben. Es fehlt unserer Zeit überdies an großen und kon- struktiven Gedanken für die Ordnung der Zukunft, denen beizupflichten allen Freude u n d Bedürfnis wäre. U n d vollends erman- gelt es uns in der Gegenwart der großen Persönlichkeiten v o n geschichtegestaitender Mächtigkeit, die kraft ihres Geistes und ihres Charakter» echte Wegweiser zu 6ein vermochten.

Eben darum suchen w i r unsere Orientie- rung für den W e g in das Morgen durch die Rückerinnerung an das verpflichtende V e r - mächtnis unserer reichen ostdeutschen K u l - tur, das darzustellen diese Heimatwoche unternimmt. Es geht uns nicht etwa darum, daß w i r prahlerisch und selbstgefällig dar- auf verweisen möchten, daß es auch jenseits der Elbe bezw. Oder so etwas wie eine deutsche Kulturtradition gegeben hat. U n d ebenso weit sind w i r von dem Glauben ent- fernt, daß uns für die Zukunft mit noch 6o wohlgemeinten u n d gut gelungenen K o p i e n vergangener Epochen geholfen wäre.

W o h l aber fühlen w i r uns gedrungen und in Dankbarkeit u n d Ehrfurcht v o r den schöpferischen Leistungen unserer A l t v o r -

dern schuldig z u bekennen, daß die i n einer fast tausendjährigen Geschichte geprägte Kultur unserer ostdeutschen Heimat nicht nur ebenbürtig neben den Leistungen aus dem westlichen Raum steht, sondern daß der deutsche Osten dank seinen besonderen G e - gebenheiten — w i e der Weite der Land- schaft und der immer neuen Erfahrung der Grenzsituation — einen spezifischen Beitrag

zur gesamtdeutschen und europäischen K u l - tur beigesteuert hat. Nirgends ist so deut- lich, daß die Elemente unserer Kultur christ- licher Glaube, christliches Ethos und deut- scher, schöpferischer Geist und Fleiß ge- wesen sind. In festem Bündnis u n d gegen- seitiger Befruchtunq haben sie jenen leben- digen Strom der Kultur gezeugt, der uns am W e g der Jahrhunderte eine Fülle herr- lichster Zeugnisse hinterlassen hat. A u c h haben w i r i m Ostraum erkannt, daß in dem Maße, in dem eine der beiden Komponenten versagte und erlahmte, jene Schwankungen und Verkümmerungen Raum griffen, die w i e überall in der großen Welt an die Stelle der Kultur in wachsendem Maße die Z i v i l i - sation treten ließen. K e i n Geringerer als August Winnig, dessen Name nicht nur i m Zusammenhang mit Ostpreußen und dem Baltikum unvergessen sein wird, hat i n einer sorgfältigen Analyse der großen ost- deutschen Baukultur nachgewiesen, was die Begegnung echten christlichen Geistes mit deutscher Besinnlichkeit und Tatkraft zu leisten vermochte.

Die großen Lehrmeister . . . Es ist der große Vorteil unserer Heimat mit ihren geschichtlichen u n d landschaft- lichen Bedingungen gewesen, daß sie der satten Sicherheit weniger Raum z u geben vermochte al6 das in anderen Gebieten der Fall sein konnte. Da fühlte der Mensch sich selbst und die W e l t täglich neu i n Frage gestellt. Davon hat der größte Sohn West- preußens Nikolaus K o p e m i k u s , der, i n Thorn geboren, als Domherr v o n Frauen- burg starb, gewußt, wenn er sein neues epochemachendes Sonnen- und Weltsystem erarbeitete. Hier im Osten wuchs das Wissen u m die Unendlichkeit und das U n i - versum in einer besonderen Weise. Der aus Schlesien kommende Theologe Schleier- macher hat uns das Gefühl der Abhängig- keit v o n dem Unendlichen gelehrt. Der Königsberger Immanuel Kant verwies die Menschheit auf den gestirnten Himmel über uns und das Sittengesetz in uns, um uns zu verantwortlichem Handeln aufzurufen.

U n d Kaspar Dav. Friedrich hat uns die Landschaft u n d über i h r den Himmel so transparent, so fromm u n d tröstlich aus ein- maliger Begnadung gemalt. Herder hieß uns der Sprache und den Stimmen der Völker lauschen, u n d Leibnitz forderte uns auf, dem Ordnungsgefüge der W e l t nachzu- spüren. Hamann, der Magnus des Nordens,

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