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Kindern das DENKEN wieder angewöhnen

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Academic year: 2022

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Der Schlüssel heißt Neugier.

Und es ist Neugier, was wir formen helfen, aber keine Antworten.

(Vivian Gussin Paley)

Auch aus Neugier und mit der Inten- tion, etwas im eigenen Mathematikun- terricht verändern zu wollen, starteten 13 Thüringer Grundschulen und eine Förderschule mit anderen Schulen aus 13 Bundesländern in das 5 Jahre laufende BLK-Modellversuchspro- gramm „Sinus-Transfer Grundschu- le“. Hierbei geht es um die Weiterent- wicklung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Grundschule. Die Arbeits- schwerpunkte an den Schulen wer- den durch so genannte Module be- stimmt. Es stehen insgesamt 10 Mo- dule als Arbeitsschwerpunkte zur Auswahl. Die Arbeit in diesem Schuljahr konzentriert sich in Thü- ringen auf die Basismodule

Die Expertise als Ausgangspunkt (unter www.sinus-grundschule.de ) der Programmarbeit steckte einen Rahmen ab, ließ aber genug Freiräu- me für die inhaltliche Ausgestaltung durch die teilnehmenden Lehrerin- nen und Lehrer.

Da keine fertigen Rezepte zu erpro- ben waren, geht die Innovation von den Kollegen selbst aus. Dadurch wurden die Kommunikation und Ko- operation zwischen den Lehrkräften erheblich erhöht. Die Anlage des Programms machte darüber hinaus die Kooperation zwischen den Leh- rerinnen und Lehrern verschiedener Schulen notwendig.

•„Gute Aufgaben“ und

•„Entdecken, Erforschen, Erklären“.

hinsichtlich des Leistungsanspruchs zugrunde liegt. Deshalb war und ist es wichtig zu lernen, wie Aufgaben- stellungen so (um)formuliert und ge- staltet werden können, dass sie zu of- fenen Aufgaben werden.

Es war zu beobachten und wurde auch dokumentiert, dass Kinder ge- rade bei offenen Aufgaben innerhalb eines Schuljahres große Leistungs- sprünge machten, mutiger und selbstbewusster an solche Aufgaben herangingen und motivierter am Un- terricht teilnahmen.

Die Lehrerinnen und Lehrer im Si- nusprogramm stellten vor allem fest, dass sie erheblich mehr Möglichkei- ten zur Beobachtung und damit zur Diagnostik von Schülerleistungen haben, und sie erkannten, dass diffe- renzierte Aufgabenstellungen ein ho- hes Potenzial bieten sowie genügend Freiräume zum Fördern und Fordern lassen.

Im Projektverlauf wurden Aufgaben getestet, die sich zur Differenzierung eignen und die der Individualität je- der Schülerin und jedes Schülers Rechnung tragen. Dazu gehörten auch Sachaufgaben. Insbesondere wurden Aufgaben gesucht, zusam- mengestellt und entwickelt, die

•offen sind und Anlässe zum Entdecken und problemlösen- dem Denken geben,

• verschiedene Lösungswege zulassen,

•Zugänge und Lösungen auf verschiedenen Anforderungsni- veaus ermöglichen,

•aus der Lebenswelt der Schüle- rinnen und Schüler stammen,

•Neugier und Interesse wecken,

•Kinder zum mathematischen Modellieren anregen,

•Wissen aus verschiedenen Be- reichen vernetzen.

Dies schätzten alle Teilnehmerin- nen und Teilnehmer als sehr positiv ein. Nach einem Jahr Arbeit im Pro- gramm hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Schulen deutlich in- tensiviert. Wurden zu Beginn vor- sichtig Vorstellungen von Unterricht ausgetauscht, werden mittlerweile in den gemeinsamen Settreffen entwi- ckelte Materialien und geeignete Aufgabenstellungen vorgestellt und diskutiert.

Die14 Projektschulen in Thüringen sind dabei, tragfähige Strukturen zur Entwicklung und Erprobung zeitge- mäßer Unterrichtsformen zu entwi- ckeln. Angestrebt wird, allmählich eine Dynamik in Gang zu setzen, die über das Modellversuchsprogramm hinaus trägt, sodass zunehmend mehr Schulen vom Geist der Innova- tion erfasst werden.

Im ersten Projektjahr stand der ma- thematische Bereich im Vorder- grund, hierbei ging es zuerst um die Frage:

Dabei wurde festgestellt: Gute Auf- gaben sind die, wenn Kinder fragen und nicht der Lehrer (vgl. Peter- Koop/Ruwisch 2004).

Aufgabenstellungen, die in Lehr- büchern oder weiteren Materialien enthalten sind, haben meist eine ge- schlossene Form, d. h. der Anspruch an die Qualität und häufig auch an die Quantität ist für alle Schülerinnen und Schüler gleich: für die langsame- ren, für die schnelleren, für die star- ken und für die schwachen Schüle- rinnen und Schüler.

Einen Ausgleich zu diesen Aufga- ben stellen so genannte offene Auf- gaben dar, denen mehr Variabilität

Was sind überhaupt „Gute Auf- gaben“?

Sachrechnen

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Grundschulunterricht 2/2006

Kindern das DENKEN wieder angewöhnen

Arbeiten mit offenen Sachaufgaben

im Rahmen von Sinus-Transfer Grundschule

Susanne

Pfeil

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Dabei ging es ging es nicht nur um ein Ersetzen der herkömmlichen durch neue oder veränderte Aufga- ben, sondern auch um die Neureflek- tierung der Aufgabe und der Rolle der Lehrerin/des Lehrers. Dabei ka- men sie zu folgenden Erkenntnissen.

Wir müssen lernen:

Jahrelanges Automatisieren von Re- geln, die die Kinder nicht verstan- den haben, stetes „Päckchenrech- nen“, deren Sinn zweifelhaft ist, Fehlen von Zahl- und Größenvor- stellungen und bloßes „Zusammen- ziehen“ von Zahlen einer gegebenen Sachaufgabe, sind immer noch häu- fig auftretende Probleme im Mathe- matikunterricht. Traditionell veran- kert bei Sachaufgaben ist nach wie vor das Frage-Lösung-Antwort- Schema.

Sicher brauchen Kinder auch Rou- tinen beim Lösen von Sachaufgaben.

Wenn sie aber nur nach Überset- zungsregeln suchen , wie sie die Zah- len in eine Gleichung integrieren

•Impulsgeber zu werden und nicht Lieferant von Informationen,

•nicht alles vorschnell zu erklä- ren, sondern mehr zuzuhören,

•herausfordernde Situationen zu schaffen,

• den Lernprozess der Schüle- rinnen und Schüler bewusster zu beobachten und zu analysieren,

•anspruchsvolle Lernanlässe zu organisieren,

•Entdeckungen anzuregen,

•eigene Lösungswege zuzulassen,

• den Ideenaustausch bewusster zu fördern,

•Fehler als natürliche Begleit- erscheinung und Lernchance zu betrachten.

von offenen Sachaufgaben stießen wir auf verschiedene Varianten die- ser Aufgaben, die im Folgenden vor- gestellt werden sollen. (Siehe Abb. 1 und 2)

Weitere Aufgabenbeispiele:

Ausgangstext: Thomas, Michael, Jan und Peter haben zusammen 54 Euro gespart.

Mögliche Fortsetzung: Thomas war der fleißigste Sparer. Jan hat am we- nigsten gespart. Wie viel Geld könn- ten die Kinder gespart haben?

• Ausgangstext: Zwei Räuber finden einen 50 kg schweren Goldklumpen.

Mögliche Fortsetzung: Beim Teilen entsteht ein kleines und ein großes Stück. Der jüngere Räuber bekommt das kleine Stück. Wie viel könnte sein Gold wiegen? Welches Gewicht hätte dann die Beute des älteren Räu- bers?

• Eine Schnecke will die Blüte einer Sonnenblume erreichen. Sie kriecht tagsüber 60 cm hinauf und rutscht nachts wieder 40 cm zurück. Wie hoch könnte die Sonnenblume sein?

Wann hätte die Schnecke dann die Blüte erreicht?

• Laura feiert ihren Kindergeburts- tag. Sie hat ihre 5 besten Freundinnen eingeladen. Zum Geburtstag gibt es eine runde Erdbeertorte. Wie viele Stücke könnte jedes Kind bekom- men?

„Ungefähraufgaben“

Bei dieser Aufgabengruppe spielt das Suchen nach Lösungsstrategien im Zusammenhang mit dem Schät- zen und Überschlagen eine große Rolle. (Siehe Abb. 3)

Weitere Aufgabenbeispiele:

•Wie viele Stunden verbringst du ungefähr in einem Jahr in der Schu- le?

•Wie viele Mathematikstunden (in Thüringen 5 pro Woche) hast du un- gefähr in deiner Grundschulzeit?

•Wie viel Liter Wasser verbraucht ein 4-Personen-Haushalt am Tag?

•Wie viele Stunden sitzt du ungefähr in einem Jahr vor dem Fernseher?

•Wie viele Personen befinden sich ungefähr in einem 6 km langen Stau auf der Autobahn?

können, ohne über den Inhalt nach- zudenken, werden die Grenzen die- ses Schemas schnell deutlich. Dies zeigt uns immer wieder der Umgang mit den so genannten Kapitänsaufga- ben (vgl. Franke 2003). Kindern das Denken über eine Sachsituation wie- der anzugewöhnen ist u. a. ein Anlie- gen unseres Projektes.

Offene Sachaufgaben

„Offene Aufgabenstellungen und Impulse, sich eigene Fragen zu über- legen und sie zu beantworten, ermög- lichen individuelle Auseinanderset- zung mit einer Sache. Persönliches Wissen, private Neigungen und Inte- ressen können eingebracht werden.

Man darf, ja man soll den eigenen Gedanken folgen und sie mit vorlie- genden Informationen in Verbindung bringen.“ (Wieland 2003, 11)

Offene Sachaufgaben enthalten komplexe Probleme, die eigene Da- tenerhebung sowie plausible Annah- men verlangen, um überhaupt eine Lösung zu finden (vgl. Anders 2005).

Für die Schülerinnen und Schüler be- deutet das, sich nach dem gründli- chen Erlesen der Problemstellung, die noch fehlenden Fakten zuzuord- nen bzw. zu erkunden. Dafür müssen sie selbst entscheiden, welche Fakten sie dem gegebenen Sachverhalt noch hinzufügen wollen, danach kann der Lösungsweg geplant und realisiert werden.

Dabei treffen die Kinder nicht nur eine Entscheidung über die fehlen- den Fakten der Aufgabe, sondern auch über die Rechenoperation, ihre eigene persönliche Rechenstrategie und über die Verschriftlichung des Ergebnisses. Hierfür stehen ihnen sowohl zeichnerische als auch rech- nerische Möglichkeiten zur Verfü- gung. Beim Suchen und Entwickeln

Sachrechnen

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Grundschulunterricht 2/2006

Bernd hat von seinem Opa 185 Euro bekommen, er soll mit seinen Brü- dern Martin und Robert teilen. (Ende 2. Klasse)

Abb. 1:

Lösung von Thomas Abb. 2:

Almuts Lösung

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•Wie viele Stunden schläfst du in ei- ner Woche?

Diese Aufgabentypen lassen sich be- liebig fortführen und selbst konstru- ieren.

Kann das stimmen?

Für die folgenden Aufgaben können z. B. Zeitungsmeldungen oder auch das Guinness-Buch der Rekorde he- rangezogen werden. Die Schülerin- nen und Schüler werden u. a. dazu an- geregt,Aussagen, die man in solchen Meldungen findet, zu analysieren und zu überprüfen (siehe Abb. 4).

Weitere Aufgabenbeispiele:

•Weltrekord

Der Londoner Sportler Lynch hat mit 29 753 Liegestützen in knapp 24 Stunden einen neuen Weltrekord auf- gestellt. Das sind fast 2000 Liege- stütze pro Stunde.

•1000. Sendung

Heute wird zum 1000. Mal die Sen- dung Blinky ausgestrahlt. Sie läuft seit knapp 10 Jahren einmal pro Wo- che.

•Olympische Spiele

Das deutsche Fernsehen übertrug die olympischen Spiele 2004 in Athen fast 17 Tage lang ohne Pause. So konnte man den Sportlern Tag und Nacht zuschauen und das mehr als 800 Stunden am Stück.

Sachaufgaben ohne Zahlen Zur Bearbeitung dieser Gruppe von Sachaufgaben müssen von den Kin- dern zunächst Texte konkretisiert und Fragen zugeordnet werden; In- formationen müssen erfragt bzw.

nachgelesen werden.

wicklung zu verzeichnen, jedoch muss diese Fähigkeit im Laufe der nächsten Zeit immer weiter entwi- ckelt werden. Im Grunde beschäftigen wir uns das ganze Leben mit dem Lösen von Problemen, der Grund- stein für diese Fähigkeit sollte je- doch schon in der Schule gelegt wer- den.

•An unserem Baum hängen viele Äpfel. Schreibe, zeichne eine Re- chengeschichte!

•Michael wünscht sich zu Weih- nachten ein Fahrrad.

•Unsere Klasse will zum Wandertag in den Zoo nach Erfurt fahren.

•Mathias will sich einen Hund an- schaffen. Seine Eltern sagen: „ Das wird zu teuer.“

•Marina feiert am Wochenende ih- ren Kindergeburtstag.

•Die Sendung „Wetten, dass …“ ha- ben am Wochenende 8 Millionen Zu- schauer gesehen.

Im 1. Projektjahr zeigte sich immer wieder, um Problemlösefähigkeit zu entwickeln bedarf es ausreichend Zeit. Solch eine Entwicklung voll- zieht sich nicht innerhalb von Tagen oder Wochen. Die Schülerinnen und Schüler brauchen immer neue Pro- blemstellungen und Herausforde- rungen, um Strategien zu erproben, in welcher Art und Weise sich ein Problem lösen lässt. Eine Problem-

Sachrechnen

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Grundschulunterricht 2/2006

Wie häufig schlägt unser Herz ungefähr pro Tag?

Lottogewinn

Über einen Lottogewinn von 352 675 Euro können sich 9 Lottospieler aus Thüringen freuen. Jeder von ihnen gewinnt fast 4000 Euro.

Abb. 3:

Lösung einer Schülergruppe

Abb. 4:

Lösungs- vorschläge von Saskia und Frauke

lösefähigkeit zu entwickeln bedeutet nicht, diese nur auf offene Aufgaben im Mathe- matikunterricht anzuwen- den. Es sollte nicht nur um das Lösen von Aufgaben gehen, sondern darum, die- se Fähigkeit auf verschie- dene Lebensbereiche zu be- ziehen.

Innerhalb der Arbeitspha- se ist bei den Schülerinnen und Schülern eine gute Ent-

Literatur:

Anders, K.: Die Bearbeitung offener Aufgaben zur Entwicklung der Problemlösefähigkeit, unter Verwendung verschiedener Rechen- strategien, ausprobiert mit ausgewählten Schülern einer Klasse der Klassenstufe 4. Examensarbeit (unveröffentlicht) Erfurt 2005 Franke, M.: Didaktik des Sachrechnens. Heidelberg 2003

Peter-Koop, A./Ruwisch, S. (Hrsg.): Gute Aufgaben im Mathematik- unterricht der Grundschule. Offenburg 2004

Wieland, G.: „Dies ist die erste Matheaufgabe, die spannend ist und die ich freiwillig lösen würde!“ In: Grundschulunterricht 50 (2003) 2, 10–12

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Abbildung

Abb. 3: Lösung einer Schülergruppe Abb. 4:  Lösungs-vorschläge  von Saskia  und Frauke lösefähigkeit zu entwickelnbedeutet nicht, diese nur aufoffene Aufgaben im Mathe-matikunterricht anzuwen-den

Referenzen

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