SEKTION XII: SPRACHEN UND KULTUREN
AUSTRONESIENS UND HINTERINDIENS
SEKTIONSLEITER: I. HILGERS-HESSE, KÖLN und E. SARKISYANZ,
KETSCH
DENKMALPFLEGE IN NEPAL
Von Niels Gutschow, Darmstadt,
1. Zur Problematik einer Denkmalpflege in Nepal
Eine Darstellung denkmalpflegerischer Arbeit in Nepal auf dem 18. Deut¬
schen Orientalistentag ist gleichzeitig ein Aufruf zu interdisziplinärer Zu¬
sammenarbeit. Der praktisch arbeitende Architekt braucht den Indologen,
da eine rechte Einschätzung der Arbeiten nur über eine Analyse der hi¬
storischen und rituellen Gegebenheiten und Diskussion neuer Bedeutungs¬
inhalte möglich ist.
Vom August 1971 - Mai 1972 wurde das erste Restauricnmgsprojekt in
Nepal von einer Darmstädter Architektengruppe (G. Auer, H. Busch, N.
Gutschow, W. Kröger) durchgeführt. Am Pujahari Math in Bhaktapur
wurden exemplarisch verschiedene denkmalpflegcrische Konzeptionen ver¬
wirkhcht.
Dmch Umfragen wmde der ursprüngliche Umfang des Gebäudekomplexes
ermittelt. Um den Typwert des Gebäudes als Gehäuse für die sozio-religiöse Institution ,Math' zu verstärken, wurde der östliche Trakt , rekonstruiert'.
Die zum Dattatreya Platz gewandte Seite wmde restauriert und als .mo¬
nument' unter staatlichen Schutz gestellt. Der südliche Teil wurde als
, residential part' verändert und mit Brunnenanlagen öffentlicher Benutzung zugänglich gemacht.
Unter anfänglichem Zeitdruck erfolgten in den ersten Arbeitstagen Ab¬
bruchsanweisungen, nach sechs Wochen begannen bereits die ersten Wieder¬
aufbauarbeiten. Einziges Ziel konnte sein, so viel Bausubstanz wie möglich
zu erhalten. Die größte Sorgfalt wurde darauf gelegt, die Bauarbeiten unter
Verwendung traditioneller newarischer Bautechniken durchzuführen. Dazu
gehörte die Produktion konischer Mauerziegel alten Formates und die
Wiederherstellung alter Dachformen bei einem Sparrenabstand von 25 cm
und der Verwendung einer 6 cm starken Lehmschicht zwischen einem un¬
teren Dachziegel und einem oberen Dachziegel mit dreifacher Überdeckung.
Die im Laufe der Zeit erarbeiteten Zielvorstellungen konnte sich nur an
den Erfahrungen messen, die wir dmch das Erleben der unmittelbaren
Umwelt machen konnten.
Erdbeben und die Folge allgemeiner Verwahrlosung sind die Gründe für
den Verfall der Denkmäler in Bhaktapur. Die traditionellen Institutionen
können für den Unterhalt der Gebäude nicht mehr aufkommen, obwohl die
Or.-Tag 1973
672 Niels Gutschow
Gesellscliaft sich nach wie vor mit der gebauten Umwelt identifiziert. Erst
jetzt zeigen sich durch den Einfluß der Landreform und einer Verlagerung
der ökonomischen Basis Zeichen der Auflösimg.
In Bhaktapm besteht noch nicht die Gefahr, Attrappen zu konservieren.
Der Warnung aus Mitteleuropa, .Konservierung von Einzelbauwerken sei
sinnlos, wenn sie als Relikte in einer völlig neu dimensionierten Umwelt
stehen', fehlt in Nepal noch die Brisanz^.
Die ,iieu dimensionierte Umwelt' jedoch macht sich bereits bemerkbar.
Dächer werden mit Wellblech gedeckt. Die Geschoßhöhen neuer Laden¬
bauten orientieren sich an dem Standard von Kathmandu oder New-Delhi.
Gewiß, solange die , Beziehungswerte solcher Bauten in größeren städtebau¬
lichen Bereichen unberücksichtigt bleiben, ist Denkmalpflege Gewinnung
musealer Präparate'^.
Die Restamierung des Pujahari Math kann nur als ein Ansatz betrachtet
werden für das weitere Vorgehen. Nicht einzelne repräsentative Bauten
sollten im Interesse touristischer Objektbezogenheit gepflegt werden, son¬
dern umfangreiche städtische Bereiche saniert, rehabilitiert werden. Eine
solche Denkmalpflege schafft nicht Denkmaloasen, sondern verbessert die
gesamte Infrastruktur und versteht sich als Entwicklungshilfe.
,Als Bedeutungsträger erwarten die Denkmäler ausgesprochen oder un¬
ausgesprochen das Echo der Nachwelt'^. Bleibt es aus, treten Behörden und
Verkehrsvereine auf, um nachzuhelfen. Denkmalpflege ist eigentlich eine
Verfahrensweise der Öffentlichkeit selbst. Wird sie zu einer Institution, so
entstehen Konflikte. Aus der allgemeinen Verhaltensweise werden Inter¬
essen, die von kleinen Gruppen vertreten werden.
Diese an emopäischcr Geschichtsauffassung gemessene Denkmalpflege ist
für nepalische Verältnisse nicht anwendbar. Eine Gesellschaft, die in ihrer
Religiosität noch nicht zwischen profaner und sakraler Welt unterscheidet und sich nicht in private Räume zurückzieht, sondern in öffentlichen städti¬
schen Räumen lebt, hat ein anderes Verhältnis zu den sie umgebenden
Denkmälern. Sie ist geprägt von einer tief empfundenen Bedeutung des
Ortes, nicht von der vergänglichen Form.
In Nepal sind städtebauliche Räume von hervorragender Qualität und
Vitalität erhalten. Es gilt, die Zerstörung einzelner Bauten aufzuhalten und
Funktionsverluste, die begründet sind in der Veränderung der Gesellschaft,
mit Inhalten entgegenzukommen, die der neuen Gesellschaft entsprechen.
Die Arbeit in Nepal ist auch für uns in der Diskussion um die Unwirthch-
keit der Städte aktuell. Erfaßt man in Nepal, welcher Überbau öffentliche
1 Michael Bbix, Kampf um die Altstadt, in: Die Zeit, Nr. 39 (29. 9. 72) S. 64
^ siehe Anm. 1.
^ Hastwio Beseler, Denkmalpflege als Herausforderung, in: Deutsche
Kunst und Denkmalpflege Vol. 27, H. 1, München 1969, S. 1-10
Denkmalpflege in Nepal 673
Räume einer Fußgängerstadt lebendig macht, kommt man zum Schluß,
unsere konsumstimulierende, ästhetisierende Stadtbaumisere ließe sich erst
durch tiefgreifende gesellschafthche Veränderungen in den Griff" bekommen.
In der Stadtbaugeschichte spricht man von der Urbanität toskanischer
Städte, von griechischen Vorbildern, doch aus Asien kennt man nur exoti¬
sche Details, die das Vormteil vom undurchdringlich Fremdartigen bestär¬
ken. Das Kennenlernen der nepalischen Städte des Kathmandu Tales muß in
diesem Zusammenhang als eine Neuentdeckung bezeichnet werden. Die
Grenzen, die Alexander der Große gesetzt hat, müssen endlich durchbrochen
werden! Süd- und Ostasien müssen in die Diskussion um das ,Phänomen
Stadt' mit einbezogen werden. Julius Poseners Antwort auf die Frage : ,Ist
Stadtbaukunst noch zeitgemäß?' betrifft auch Nepal. In seinem Artikel in
der ,Stadtbauwelt 35' schreibt er :
,Die Entwicklung, Änderung und gültige Formung eines Stadtbildes ist als
Prozeß zu verstehen. Solche Prozesse, die im Bestehen und im Werden
einer Gesellschaft gründen, wird man vielleicht von der Gestalt der Städte
wieder ablesen können, wenn der Prozeß des Sozialismus in Gang gekom¬
men ist. Wenn Stadtbilder bewußt geplant wurden, so diente das entweder
der Darstellung der Herrschaft (Barock) oder aber ihrer Verschleierung (Märkisches Viertel).'*
Unsere Studien in Nepal zielen darauf, einen solchen Prozeß zu analysie¬
ren. Zum Verständnis des Bestehens und Werdens der newarischen Gesell¬
schaft unter den Malla-Königen (14.-17. Jh.) suchen wir die Zusammen¬
arbeit mit den Indologen.
2. Ansätze zu einer Stadtforschung in Nepal
Eine langfristige Rahmenplanung, die Restaurierungsprojekte und Sanie¬
rungsmaßnahmen sinnvoll integrieren will, muß aufbauen auf Forschungs¬
arbeiten, die eine Untersuchung und Deutung der Stadtvorstellungen, die im
Tal von Kathmandu zvu- Geltung kommen, beinhalten.
Derartige Studien sollen die Bedeutung und Abhängigkeit von Inhalt und
Form klären sowie den gesamtgesellschaftlichen Bezug zu der gebauten
Umwelt.
Im nachfolgenden Kapitel wird ei^i Gesichtspunkt nepalischer Stadtvor¬
stellung erläutert, der auf verwandten indischen Theorien aufbaut.
* Julius Poseneb, Ist Stadtbaukunst noch zeitgemäß ! in : Stadtbauwelt 35,
Vol 63, Berlin 1972, S. 184-187
674 Niels Gutschow
Das System der Ashta Matrika in Bhaktapur
Im hinduistisch geprägten Süd- und Südostasien läßt sich die kosmo-
magische Grundlage der Stadt (nach Eliade*) beschreiben als Funktion von
Wiederholungen himmlischer Archetypen. Realität wird erzielt durch Ver¬
wirklichung des Zentrumssymbolismus. Zur Definierung städtischen (d. h.
kosmischen) Landes in einem Kontinuum profanen Raumes werden die vier
Richtungen betont.
Der Lebensraum des Newar ist über ein stufenweises System kosmisiert.
Vor der Hausschwelle repräsentiert ein Stein die Weggottheit Chayatrapal,
auf der Straßenkreuzung verkörpert ein Stein in der Pflasterung (genannt
Dhoka oder Chasha) die Göttin Ajima. Das Stadtviertel (Tele) ist markiert
durch Ganesh Schreine, die gesamte Stadt ist von acht Schreinen (Pith)
umgeben, die Inkarnationen der Durga (Ashta Matrika : Brahmayani, Mahes-
vori, Kumari, Vishnuvi, Varahi, Indrayani, Mahakali, Mahalakshmi)* ge¬
weiht sind. Im Tal letztlich sind Vierergruppen (Ganesh, Varahi oder Jogini)
oder auch Sechsergruppen (Vishnu) von Schreinen plaziert.
Den acht Piths um die Stadt entsprechen acht Dyoches innerhalb der
Stadt und acht Ghats. In den Piths repräsentieren unbehauene Feldsteine
die Gottheit, während das Dyoche eine Art .Gemeindehaus' ist mit einem
Götterbild im ersten Geschoß.
Die Umschreibung der Stadt mit acht Schreinen, die einem zentral
gelegenen, alle anderen an Bedeutung überragenden Tempel der Taleju
zugeordnet sind, beinhaltet eine Kosmisierung der Stadt, die den indischen
Vorbildern entspricht. Die acht Schreine belegen - man kann auch sagen:
bewachen - die Kardinalen und die vier Nebenrichtungen. Die Einbindung
der Schreine in ein Fest (Durga Puja). das für die Stadt von besonderer
Bedeutung ist. verdeutlicht die Einheit zyklischer Zeitläufe mit jahreszeit¬
lichem Ritus.
Die Deutung der Schreine als Deflnierung der acht Richtungen beruht auf
der Theorie der Mandala. Eine Mandala ist das Abbild einer Idealstadt,
umschrieben von einem Feuerberg (rechtes Bewußtsein), einem Kreis mit
Diamanten (Erleuchtung), einer Darstellung der acht Friedhöfe (die acht
Formen des Bewußtseins), einem Gürtel von Lotosblättern (geistige Wieder¬
geburt) und einer fünffachen Mauer mit Toren in den Hauptrichtungen.
Über den Toren erscheinen das Rad des Gesetzes und der Schirm als
Herrschaftssymbole. Die Gleichsetzung von Königtum und heiliger Welt
* MiRCEA Eliade, Das Heilige und das Profane, Hamburg 1957. Paul Wheat-
LEY, The Pivot of the Four Squares, Edinburgh 1971, S. 411-419.
' Die Schreibweise folgt der örtlichen Nennung.
Denkmalpflege in Nepal 676
beeinflußt den Charakter der Kosmisierung auf den verschiedenen
Ebenen'.
Die Ashta Matrika Schreine sind ageometrisch plaziert, möglicherweise
bezeichnen sie Orte, die schon vor der Anlage der Schreine Bedeutung
hatten. Die Art der Plazierung betont den symbolischen Charakter der
Kosmisierung, die sich den örtlichen Gegebenheiten hervorragend anzupas¬
sen weiß. Nicht die geometrische Verwirklichung der Theorie ist entschei¬
dend, sondern die Addition der Elemente. Die Bedeutung des Ortes tritt vor
die der Form.
Zusammenfassend läßt sich sagen :
Der newarische Stadtbewohner lebt in einem Raum, der durch ein vielfäl¬
tiges System über Tal, Stadt, Straßenkreuzung und Hausschwelle kosmisiert
ist. Durch kosmische Qualitäten wird das Land real, bewohnbar. Symbole
deflnieren den städtischen Raum, der abgesetzt ist von einem profanen
Kontinuum.
Eine derartige Einstellung gegenüber der gebauten Umwelt läßt den
Gegensatz zwischen profan und sakral vermissen. Die Beziehung des Men¬
schen zu den Denkmalen ist nicht von , Pietät' erfüllt, sondern hat allgemei¬
nen öffentlichen Charakter. Durch die Betonung des Ortes verliert die Form
ihre Bedeutung. Rituelle Handlungen können auch an einem Ort vorgenom¬
men werden, der durch keine gebaute Form gekennzeichnet worden ist.
Denkmalpflege in unserem Sinne jedoch setzt ein anderes Geschichts¬
bewußtsein voraus. Originalität, Qualität und Rekonstruktion von Urzu¬
ständen bestimmen in einem Maße die Arbeit, das der nepalischen Denk¬
weise nicht entspricht.
So ist die Denkmalpflege in Nepal nur zu verstehen im Rahmen einer
internationalen Verantwortung für die Schöpfungen der Völker. Die Sorge
und Verantwortung für die Denkmäler ist neu geschaffenen Organen anver¬
traut. Erst langsam wird sich eine neue staatliche Identität bilden, in der die
Einschätzung der eigenen Geschichte ihren Platz flnden wird.
' Giuseppe Tücci, The Theory and Practica of the Mandala, London 1961, S.
39-45.
:n Ul M M inim
ASHTA MATRIKA PITHS UND ZUGEHÖRIGE DYOCHHES UND GHATS UM
BHAKTAPUR MASSTAB 1-20000
0 5 10 20 30 AOm
DATTATREYA PLÄIZ- BHAKTAPUR NERM
Abbildung 2: Grundriß des Dattatreya Platzes mit den neun an ihm gelegenen Maths und Einzeichnung aller wichtigen Steine in der Ziegelpflasterung.
Abbildung 3: Blick vom Bhimsen Tempel auf den Dattatreya Tempel. Zwischen der Garuda Säule und dorn Dattatreya Ton])!'!
ein provisorisches Podest zur Durchführung von Musikwcttstreiten zu Ehren des Gebuitstages Dattatreyas. - Rechts im Bild
das Pujahari Math während der Bauarbeiten.
AbbildLiiig 4: Der Pujari des Dattatraya Tempels während eines Homa (heiligen Feuers) im Pu jahai-i Math. Dio Zutaten bf>fiii(len sich in einer Schale mit Darstellungen der Ashta Matrika. Am Boden der Schale befindet sich ein Symbol der Tripur Sundari.
THE FIRST BURMESE ROYAL INSCRIPTION
By U Tin Htway
The commg of the Burmans into Burma is still a controversial point
between conservative-nationalist historian and modern-researcher histo¬
rian. But the fact that King Anawratfia (1044-77 A.D.)i as the 'maker of
Burma and champion of Buddhism' has been accepted by all parties con¬
cerns with no argument. However, up to now, we haven't found any size¬
able inscription left by him or by his son and immediate successor, Saw Lu
(1077-84 A.D.), except, some votive tablets, of which the languages they
used were not Burmese. Kyanzittha (1084-1113 A.D.), the uniter of Burma,
has left some votive tablets^, both in Sanskrit and Pali, and some very
important inscriptions, such as, Prome Shwe-san-daw Inscription (1093
A.D.), Suvannabhumi Inscription (1098 A.D.), Pagan Mrakan <fe Alampa-
gan Inscriptions, New Palace Inscription (1102 A.D.)^, etc., which were aU
in Old Mon - not in Burmese. Shortly after his death, Kyanzittha's own
son, Räjakumär, engraved the first dated inscription in Bmmese. This
famous Räjakumär Inscription (1113 A.D.)*, also wrongly known as Mya-
zedi Inscription, is a quardrilingual - and the languages used were Pah,
Mon, Pyu and Burmese. It cannot be claimed as an official royal inscrip¬
tion, because Räjakumär was not a reigning monarch and above all Kyan-
zittha's immediate successor, Alaungsithu (1113-55/60 A.D.), who left the
very moving and poetic Shwe-gu-gyi Inscription (1131 A.D.)* did not use
Burmese for his inscription - instead Pali/Sanskrit and another one the
Shwe-zigon Inscription, with no date, is in Mon. Kyanzittha and his succes¬
sors have, more or less, adopted Mon as the official language. But this po¬
licy was changed by Narapatisithu (1174-1211 A.D.), the first Burmese
king, who made Bmmese, instead of Mon, the official language of the coun-
1 All regnal-dates given here are according to Prof. G. H. Luce's provisional
correction. See Old Burma - Early Pagan, 3 Vols., New York, 1969. (Extra
sheet in Vol. 1).
2 For more details on the votive tablets of Anaun-atha, Saw Lu and Kyanzittha see Old Burma, Vol. 1., pp. 15-19, 49, 52-53.
ä See Epigraphia Birmanica I, Part I, pp. 53-58; Part II, the whole (pp. 69- 168); Vol. Ill, Part I, the whole (pp. 1-73).
A CoUection of Old Mon Inscriptions (Mon & Burmese), Edited and Trans¬
lated by U Chit Thein, Rangoon, 1965.
* See Bulletin of the Burma Historical Commission, Vol. I, Part I, pp. 1-28 (June 1960).