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Die melanesischen Idiome sind aus indonesischen Sprachen hervorgegangen, jedoch mehr oder weniger stark mit papuanischen, d

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(1)

Die Stellung der polynesischen Dialekte

innerhalb der austronesischen Sprachen^

Von Hans Kählee, Hamburg

Nach Prof. W. Schmidt^ werden die Idiome auf den zahllosen Inseln

von Sumatra bis nach der Osterinsel, von Formosa und den Philippinen

bis nach Hawaii und Neuseeland als austronesische Sprachen zu¬

sammengefaßt. Die Sprache von Madagaskar an der Ostküste von

Afrika gehört ebenfalls hierzu; die papuanischen Sprachen von Neu¬

guinea und die Sprachen der Halmaliera-Gruppe bilden jedoch selb¬

ständige Sprachfamilien. In wissenschaftlichen Kreisen hat sich weit¬

gehend noch die Gliederung in indonesische, mikronesische, melanesische

und polynesische Sprachen erhalten. Nach dem jetzigen Stand der

linguistischen Forschung läßt sich die Gruppe der mikronesischen

Sprachen jedoch nicht mehr aufrechterhalten. Die zu ihr gerechneten

Idiome sind melanesische, und nur das Pelau sowie das Chamorro sind

indonesische Sprachen, wie Thalheimers Untersuchungen* gezeigt

haben. Die melanesischen Idiome sind aus indonesischen Sprachen

hervorgegangen, jedoch mehr oder weniger stark mit papuanischen,

d. h. nicht-austronesischen Elementen durchsetzt.

Der Nestor der indonesischen Sprachvergleichung, der Niederländer

H. Keen, wies im Jahre 1886 in seiner bekannten Arbeit über die Fidji-

sprache* Zusammenhänge zwischen den polynesischen Dialekten und

indonesischen Sprachen nach. Die Untersuchungen wurden dann von

BuEOMANN in seiner Dissertation^ auf einige Lauterscheinungen, auf

die Attributkonstruktion, auf die Etymologie von ko und auf das ver¬

mutliche Bestehen von Verbalformen mit vorgefügten pronominalen

Elementen {vervoegde vormen der niederländischen Grammatiken) im

Tonga ausgedehnt.

^ Ein Vortrag, der anläßlich des Deutschen Orientalistentages im August

1950 in Marburg gehalten wurde.

^ P. W. Schmidt, Die sprachlichen Verhältnisse Ozeaniens. Mitt. d.

Wiener Anthrop. Ges., Bd. XXIX (XIX), 1899, p. 245.

^ A. Thalheimer, Beitrag zur Kenntnis der Pronomina personalia und

possessiva der Sprachen Mikronesiens. Stuttgart 1908, p. 96.

* H. Kern, De Fidjitaal vergeleken met hare Verwanten in Indonesie

en Polynesia. Letterk. Verh. der Koninkl. Akademie, Deel XVI, 1886.

' A. BuEGMANN, Syntaktische Probleme im Polj'nesischen mit be¬

sonderer Berücksichtigung des Tonganischen. Dissertation, Hamburg 1942.

Zeitschr. f. Eingeb.-Spr. Bd. XXXII.

(2)

Ich habe mir hier die Aufgabe gestellt, Sie kurz mit den bisherigen

Ergebnissen meiner Untersuchungen über das Verhältnis der poly¬

nesischen zu den indonesischen Sprachen bekannt zu machen. Denn ich

bin, wie ich in einer längeren Arbeit nachzuweisen gedenke, zu dem

Schluß gekommen, daß kein wesentlicher Unterschied zwischen

beiden Sprachgruppen besteht. Die Bezeichnung ,, polynesische" Dia¬

lekte ist daher rein linguistisch nicht mehr zu rechtfertigen ; sie sind

den indonesischen Sprachen zuzurechnen. Wenn ich hier vorerst die

eingebürgerten Bezeichnungen ,, indonesisch" und ,, polynesisch" bei¬

behalte, so sind sie als geographische und nicht als linguistische

Namen zu verstehen.

Die polynesischen Dialekte weisen, im Gegensatz zu vielen mela¬

nesischen Sprachen, nur solche Laute auf, die auch in indonesischen

Sprachen vorkommen. Lautgeschichtlich sind gewisse Konsonanten¬

entsprechungen in polynesischen Dialekten Weiterentwicklungen

äquivalenter Laute in indonesischen, vor allem in Celebes- Sprachen.

So wird z. B. UAN.' b über w indonesischer Sprachen zu polynesischem

/ (UAN. balaj ,,Haus" >^ Minahassa-Sprachen wale > Samoa faie

dgl.) ; UAN. s wird in manchen Celebes- Sprachen zu h, und dieses wird

z. B. im Samoanischen zum weichen Vokaleinsatz.

Als Auslaut kennen die polynesischen Dialekte nur offene Silben.

Derartige ,, vokalische" Sprachen finden sich, wenn auch nicht in sehr

großer Anzahl, bereits in Indonesien (z. B. das Bare'e und Mori auf

Celebes, oder das Nias und Enggano auf den gleichnamigen Inseln an

der Westküste von Sumatra). Es sind lautgeschichtlich junge Sprachen ;

denn auslautende Konsonanten, die in den meisten anderen indo¬

nesischen Idiomen noch erhalten sind, wurden hier abgestoßen. So ist

z. B. das indonesische Wort tambun „Haufen" in polynesischen Dia¬

lekten zu tafu ,, verboten, heilig sein" geworden. Tapu bedeutet also

ursprünglich; ,,mit Erde bedecken, wie z.B. Exkremente oder ab¬

geschnittene Nägel, die man so vor der Verwendung zu Schadzauber

verbergen will".

Wo im Auslaut ganze Silben fortgefallen sind, handelt es sich um

Lehngut aus melanesischen Sprachen, in denen diese Erscheinung

1 UAN. = uraustronesisch, nach O. Dempwoli-f, Vergleichende Laut¬

lehre des austronesischen Wortschatzes, Bd. I —3. Dietrich Reimer (Ernst

Vohsen) A.G., Berlin 1934—38.

2 > bedeutet: ,,wird zu", < ,, entstanden aus". Ein Stern (*) vor einem Wort kennzeichnet dieses als konstruiert. Mit a bezeichne ich den ,, Murmel¬

vokal" indonesischer Sprachen (javanisches popdi); y kennzeichnet den

Velarnasal. Mit ' gebe ich (nach Dempwolit) den weichen Vokalein- bzw.

-absatz des UAN. wieder.

(3)

648 Hans Kählee

Regel ist. In Melanesien lassen sich nämlich zwei Entwicklungsstufen

verfolgen, die den Werdegang dieses Lautverfalls zeigen: 1. In vielen

melanesischen Sprachen wird der unbetonte auslautende Vokal in

letzter Silbe eines Wortes regelmäßig elidiert. Deshalb wd UAN.

bayi' ,, Nacht" im lai, Erakor und Bieria zu boy. 2. Manche melanesische

Sprachen sind dann noch weiter gegangen. In ihrem Streben nach voka¬

lischen Auslauten haben sie den nunmehr auslautenden Konsonanten

abgestoßen, so daß z. B. in der Sprache von Santa Cruz indonesisches

mata' ,,Auge" über *mat zu ma wird. So wird deutlich, daß UAN. bdyi<

„Nacht" über vorstehend erwähntes 609; melanesischer Sprachen im

Samoa z. B. zu po geworden ist (das p von po setzt eine anlautende

Nasal Verbindung mb voraus).

In polynesischen Dialekten sind viele etymologisch ganz ver¬

schiedene Wortstämme lautlich, aber nicht bedeutungsmäßig zu¬

sammengefallen. Das Lautbild polynesischer Sprachen ist nämlich

weitgehend vereinfacht und abgeschliffen. Auslautende Konsonanten

indonesischer Sprachen sind regelmäßig abgestoßen ; Laute, die in indo¬

nesischen Sprachen noch different sind, wurden hier vmifiziert ; und die

Ausstoßung von Konsonanten im Inlaut hat Vokalkontraktionen zur

Folge gehabt (z. B. UAN. lajay „Segel" wird über Haazu samoanischem

la dgl.). Samoanisches tupu bedeutet z. B. „Herr" und „wachsen".

Hier sind die etymologisch verschiedenen UAN. Wörter 'dmpu' „Herr"

(mit präfigiertem Artikel t < tu) und tumbuh ,, Wachsen" lautlich zu

ttipu zusammengefallen.

Der Wortschatz der polynesischen Dialekte ist ziemlich einheitlich;

allerdings weist die Sprache von Paumotu in einem bemerkenswerten

Ausmaß fremde Elemente auf. Die polynesischen Dialekte besitzen

eine erhebliche Anzahl von Wörtern, die sich m. W. nm in Celebes- und

benachbarten Sprachen wiederfinden. So z. B. polynesisches tayaloa

(a layi) ,,Name einer Gottheit", das auf Bare'e taya ndawa ,,in der Luft",

oder polynesisches malo ,, Schamgürtel aus geklopftem Baumbast", das

auf Kulawi, Napu malo, Bmu kajmaro ,, Baumart (Ficus Edelfeltii), aus

dessen Bast man Kleidungsstoff klopft"'^, oder samoanisches 'uli^

„Himd", das auf Tontemboan kurP ,,sich mit dem ganzen Körper hin

und her bewegen", Bugi kolW-kolli' „wedeln" zurückgeht. Poly¬

nesisches tayata ,, Mensch" weist gegenüber dem in Celebes- Sprachen

vorkommenden gleichbedeutenden ta{u)mata^ im Inlaut statt m den

1 Siehe N. Adeiani, Bare'e— Nederlandsch Woordenboek. Leiden 1928,

i. V. oemajo.

^ Mit ' bezeichne ich den festen Vokalein- und -absatz.

Siehe N. Adeiani, Taumata. Album Kern. MDCCCCIII, p. 217—19.

(4)

Velarnasal y auf. Dieselbe Lautunstimmigkeit ist in der Limboto-

Sprache, einem Gorontalo-Dialekt auf Celebes, belegt, wo man tayota

für „Mensch" sagt.

Es ist jedoch selbstverständlich, daß nicht eine einzelne indo¬

nesische Sprache oder Sprachgruppe sämtliches Wortmaterial für die

polynesischen Dialekte geliefert hat, sondern daß dieses aus ver¬

schiedenen Quellen eingeflossen ist. So lassen sich auch manche Wörter

aus dem westlichen und aus dem östlichen Teil von Indonesien belegen.

Daneben finden sich auch Wörter, die — soweit ich es übersehe — nur

in melanesischen Sprachen vorkommen. Ich glaube, daß man sich die

gegenseitige Beeinflussung von Sprachen in diesem riesigen Inselgebiet

mit seiner meist seefahrenden Bevölkerung gar nicht kompliziert genug

vorstellen kann.

Um den Zusammenhang zweier Sprachgruppen überzeugend nach¬

zuweisen, ist vor allem die syntaktische Übereinstimmung, d. h.

der iimere Sprachbau, entscheidend. Ich werde deshalb zeigen, daß sich

einige Hauptpunkte der Syntax polynesischer Dialekte auf indonesische

Ursprünge zurückführen lassen.

Bei der attributiven Zusammenstellung zweier Nomina lassen

sich in polynesischen Dialekten folgende vier Arten unterscheiden :

1. Zusammenstellungen mit Nomina possessiva (a, o bzw. tm, no).

Diese Konstruktionen sind in polynesischen Dialekten Regel. Die

Nomina possessiva treten als Apposition zum Regens und nehmen dann

das eigentliche Rectum hinter sich. A (na) bezeichnet meistens ein

aktiv-subjektives, o (no) hingegen ein passiv-objektives Besitzverhältnis.

,,Tuimaseves Antwort" wdrd z. B. im Samoanischen wiedergegeben

dmch: 'o le tali a Tuimaseve „die Antwort, die des Tuimaseve = die

von Tuimaseve gegebene Antwort" bzw. dmch: 'o le tali o Tuimaseve

„die Antwort, die des Tuimaseve = die dem Tuimaseve erteilte Ant¬

wort". Durch diese Konstruktion wd das eigentliche, an sich un-

bezeichnete Attributverhältnis verlagert. Das Nomen possessivum a

bzw. o nimmt das Regens (tali „Antwort") wieder auf; das Regens

(tali) ist in a bzw. o enthalten. Sowohl a als auch o dürften auf indo¬

nesisches *an bzw. *dn (abgeschwächte Form von an) < anu zmück¬

gehen. Anu ist eigentlich ein Wort, das dazu dient, eine Verlegenheits¬

pause auszufüllen ; es läßt sich in mancher Hinsicht unserem deutschen

,, Dings" vergleichen. Häufig entspricht es auch unserem ,, Besitz,

Eigentum". Die Unterscheidung von aktiv-subjektivem und passiv-

objektivem Attributverhältnis muß sekundär sein; in indonesischen

Sprachen findet sie sich m. W. nicht. Vielleicht liegen hier melanesische

Einflüsse vor. Denn melanesische Sprachen sind meistens reich an

(5)

650 Hans Kähleb

solchen Nomina possessiva. Buegmann bemerkte bereits^, daß sich

Zusammenstehmigen mit Nomina possessiva schon in indonesischen

Sprachen finden, so z. B. im Maanjan/Borneo, wo wa{t) bzw. im Simalm-

und Ngadju-Dajak, wo < anu wie samoanisches a bzw. o verwendet

werden.

2. Regens und Rectum werden einfach nebeneinander gestellt; sie

bilden ein Kompositum (z. B. Marquesas vai mata ,, Wasser der Augen =

Augen-Wasser = Träne"). Diese Konstruktion, die sich in vielen indo¬

nesischen Sprachen findet (z. B. malaiisch: air mata „Träne"), ist in

polynesischen Dialekten nm in einigen feststehenden Ausdrücken er¬

halten.

3. Gelegentlich kommen Zusammenstellungen vor, die wir im

Deutschen genitivisch wiedergeben, bei denen jedoch in polynesischen

Dialekten zwischen imser Regens und Rectum ein i, 'i tritt (z. B. samo¬

anisch: täma i manu ,,Kind beim Vogel = Vogel-Junges" ; Uvea/Wallis:

te fua 'i 'akau „die Frucht am Baum = die Baum-Frucht"). Meistens

pflegt nach i, 'i der Artikel zu fehlen. In indonesischen Sprachen findet

sich i in gleicher Funktion, z. B. im Bolaang Mongondow, im Tontem¬

boan und im Sangir (statt u, bei geschlossener Endsilbe). Dieses i indo¬

nesischer und polynesischer Sprachen ist identisch mit der gleich¬

lautenden lokativen Präposition, die zm Bezeichnung des Ortes der

Ruhe dient. Polynesisches 'i geht lautgesetzlich auf ein *ki zurück, das

sich in Indonesien z. B. im Karobatak (ki[n]) und Gajö (kin) als loka¬

tive Präposition findet. Im Nguna/Zentrale Neue Hebriden ist ki

lokative Präposition „nach ... hin" und ,, Partikel" zwischen Regens

und Rectum (z. B. na vasaana ki Suqe ,,das Wort Gottes")^.

4. Nur ausnahmsweise finden sich in Samoa, Maori und Uvea/Wallis

Beispiele für die Stellung: Rectum — Regens (z. B. samoanisch: o

laina 'oe, le tautai ali'i\ „sonnenbeschienen bist du, Fischer-Herr =

Herr der Fischer!" (eine Begrüßungsformel). Hier ist tautai < UAN.

tavu' talik ,, Mensch des Meeres = Fischer", Rectum, und ali'i ,,Herr"

Regens. Die Voranstellung des Rectums ist im östlichen Teil von Indo¬

nesien häufig, so z. B. im Rotti (aba-dok ,, Blatt [dole] des Baumwoll¬

strauches \abas]", ai-do ,, Blatt eines Baumes = Baumblatt")* oder im

Sikka (ara wuay „ara-Frucht = Frucht des ara-Baumes", ai uhek „"Roiz-

* A. BüEGMANN, a. a. O., p. 19. Ich bringe Tonga 'a allerdings nicht in

Zusammenhang mit bimanesischem ha, sondern mit Sulu kan < ka n

(z.B. kan hai „des Hauses"; nach A. Cowie, English-Sulu-Malay Voca¬

bulary. London 1893, p. XV).

^ Beispiel nach S. H. Ray, A comparative Study of the Melanesian Is¬

land Languages. Cambridge 1926, p. 209.

^ Beispiel nach J. C. G. Jonkeb, Eottineesche Spraakkunst. E. J. BriU,

Leiden 1915, p. 218.

(6)

Mark = Mark des Holzes")'. Wie die Voranstellung des Rectums in

indonesischen Sprachen zu erklären ist, hat Adriani an Beispielen aus

dem Bare'e gezeigt. In dieser Sprache ist anu-ku kajuku ,,die meinige,

und zwar Kokosnuß = meine Kokosnuß", aber kajuku anu-ku ,,die

Kokosnuß, und zwar die meinige =meine Kokosnuß"^. Die Voranstellung

des Rectums ist dadmch zu erklären, daß das zm Hervorhebung voran¬

gestellte Nomen possessivum anu „Besitz" im Laufe der sprachlichen

Entwicklung verkürzt und schließlich geschwunden ist. Das Rectum,

d. h. die attributive Erläuterung zu dem fortgefallenen anu, behielt

dann seine Stellung.

Eine substantivische Erläuterung zu einem Verbum

(Objekt) wird in polynesischen Dialekten häufig mit i (Samoa,

Hawaii, Maori) bzw. 'i (Marquesas) angegliedert (z. B. Marquesas: 'a

kai 'oe 'i te ika, e kai au 'i te kuma'al ,,iß du den Fisch, ich esse die Kar¬

toffeln!"). Dieses i, 'i ist ebenfalls (siehe Attributbezeichnung) mit den

lokativen Präpositionen identisch. Schon in indonesischen Sprachen

findet sich die Angliederung eines Objekts mit einer lokativen Präpo¬

sition, so z. B. im Tontemboan mit i (maali-ali im punti ,, Bananen

mitnehmen", wo im aus der lokativen Präposition i -\- Artikel w < aw

entstanden ist, der sich dem folgenden Konsonanten assimiliert hat),

oder im Sundanesischen mit ka {poma musiy gati ka eta wasijat ibul

,, halte fest an und beachte [in bezug auf] die letzten Ermahnungen

[deiner] Mutter!"). Diesen lokativen Präpositionen entsprechen in

anderen indonesischen Sprachen die Verbalsuffixe i bzw. kan (in seinen

verschiedenen lautlichen Formen).

Man könnte einen grundsätzlichen Unterschied zwischen indo¬

nesischen und polynesischen Sprachen darin sehen, daß in polynesischen

Dialekten die Affixe indonesischer Sprachen (außer -i und -a)

in ihrer syntaktischen Funktion von Partikeln abgelöst

wmden^, und daß Grundwörter mit indonesischen Sub st anti v-

formantien in polynesischen Dialekten auch verbal konstruiert

werden. Denn die polynesischen Dialekte trennen das Nomen scharf

vom Verbum. Ein Nomen ist durch Artikel, ein Verbum durch so-

genannte Verbalpartikeln gekennzeichnet. Hierzu ist folgendes zu be¬

merken: Polynesische Dialekte haben viele indonesische Verbal- und

Substantivformantien erstarrt erhalten. Die Funktion dieser Affixe

^ Beispiel nach L. F. Calon, Bijdrage tot de Keimis van liet Dialekt

van Sikka. Verh. Bat. Gen., Deel L, p. 17 und 43.

' N. Adbiani, Spraakkunst der Bare'e-Taal. Verh. Bat. Gen., Deel LXX,

p. 343. ^ A. Buegmann a. a. O., p. 56.

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652 Hans Kähleb

ist hier verloren gegangen, da man sie nicht mehr zu Neubildungen

benutzte. Dieselbe Erstarrung von Formantien findet sich in Sprachen

des östlichen Teils von Indonesien (z. B. im Rotti, Bima, Sumba).

Deshalb ist es erforderlich, zu zeigen, wie diese Sprachen das Verbum

vom Nomen unterscheiden, und wie man Formantien anderer indo¬

nesischer Sprachen ersetzt. Es ergeben sich folgende Mittel:

1. Die Präfigierung pronominaler Elemente ersetzt Verbalformantien.

So bedeutet z. B. Sumba djuyga ,,Guitarre", aber ta-djuyga ,,laß uns

auf der Guitarre spielen!"'.

2. Im Rotti erfolgt die formale Kennzeichnung eines Nomens gegen¬

über einem Verbum im allgemeinen durch die Anfügung von nicht-

stammhaften Endkonsonanten. So bedeutet z. B. na-do ,,er hat

Blätter", aber do-k „Bla,tt"^. Jonker hat nachgewiesen^, daß diese an¬

organischen Endkonsonanten des Rotti und verwandter Sprachen am

Nomen msprünglich Possessivsuffixe oder demonstrative Elemente

waren. Hiermit läßt sich also funktionell die Kennzeichnung eines

Substantivums durch Artikel vergleichen, wie sie in polynesischen

Sprachen Regel ist.

Die Verwendung sogenannter Verbalpartikeln in polynesischen Dia¬

lekten ist nun aufs engste verbunden mit dem Gebrauch vorgefügter

pronominaler Elemente bei Verben in indonesischen Sprachen. Hierauf

hat bereits Buegmann hingewiesen, ohne jedoch mehr als eine Hypo¬

these für die entsprechenden Formen des Tonganischen aufzustellen*.

Ich möchte nun zeigen, wie diese Konstruktionen in poljmesischen

Dialekten entstanden sind. Dabei gehe ich von der durch W. Aichele

seit Jahren vertretenen Theorie über die Entstehung dieser Kon¬

struktionen aus. Danach sind die präfigierten pronominalen Elemente

vor Verbalstämmen, z. T. auch vor abgeleiteten Verbalformen,

Possessivsuffixe gewesen. Diese lehnten sich ursprünglich an Hilfs¬

nomina verschiedenster Art an, die dann verkürzt wurden und schlie߬

lich ganz schwanden. Die Possessivsuffixe, die sich nicht mehr an

das ursprüngliche Regens anlehnen konnten, wmden dann zu dem

folgenden Verbalstamm gezogen*. Daß diese Theorie stimmt, geht z. B.

aus dem Tae' hervor, wo die Possessivsuffixe noch an das Wörtchen

an gefügt werden. Dieses an stellt eine verkürzte Form von anu (siehe

Seite 649) dar, das u. a. auch Konjunktionen unserer europäischen

' L. Onvlee, Eenige Soembasche Vertellingen. Leiden 1925, p. XLIV.

^ J. C. G. Jonkeb, Rottineesche Spraakkunst, p. XIII.

^ J. C. G. Jonkeb, Over de Eind-Medeklinkers in het Rottineesch en

Timoreesch. Bijdr. 59, p. 263—343.

* Siehe A. Buegmann, a. a. O., p. 25 und 45.

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Sprachen vertritt'. Im Tae' läßt sich an mit „damit, daß" wiedergeben.

So entstehen Formen wie: ay-ku tiroi ,,von mir das Sehen = damit ich

sehe", am-mu tiroi ,,von dir das Sehen = damit du siehst" etc.^ (das

auslautende n von an assimiliert sich dabei dem jeweils folgenden Kon¬

sonanten).

Ihrem Ursprung nach lassen sich die sogenannten Verbalpartikeln

polynesischer Dialekte, soweit ich sie bisher identifizieren kann,

folgendermaßen einteilen: 1. In lokative Präpositionen (wie

Uvea/Wallis, Futuna ka, Marquesas 'a, die — ebenso wie Sumba ka^ —

mit der Minangkabau-Präposition ka „nach ... hin" und „Futur-

partikel" (z. B. mayapo bujuay ka badjalan ? ,, weshalb willst du fort¬

gehen?"* identisch sind). 2. In (substantivisch gebrauchte)

Vorgangswörter (wie z. B. samoanisches a zur Kennzeichnung eines

zukünftigen Geschehens (a matou aya atu i tai „unser (exkl.) Wollen ist,

ans Meer zu gehen = wir wollen ans Meer gehen"), das mit Bolaang

Mongondow a , .wünschen, wohen", oder Futuna, Tonga, Uvea/Walhs

ke, das mit Maanjan/Borneo kai ,, wünschen, wollen" identisch ist.

Polynesisches kua, 'ua halte ich mit Kern^ für identisch mit Ibanag kuu

„das Getan-, Gemachtwerden" und Sangir koa). 3. In Artikel (wie

z. B. samoanisches te, das mit dem gleichlautenden Artikel anderer

polynesischer Dialekte identisch sein dürfte; oder i des Hawaii, Mar¬

quesas, Maori, Tahiti, das dem demonstrativen Element i indonesischer

Sprachen entsprechen dürfte). 4. Außerdem dienen verschiedene

lautliche Formen von indonesischem anu (siehe Seite 649) als

Hilfsnomina, an die sich in einigen poljmesischen Dialekten noch jetzt

die Possessivsuffixe anlehnen. Auch hier hat anu in seinen lautlichen

Varianten wie in indonesischen Sprachen* verschiedene syntaktische

Funktionen. Das zeigen folgende Beispiele: Futuna ke tou kai mua, ti

o tou yaoi ,, unser (inkl.) Wollen ist, erst zu essen, dann ist von uns

(inkl.) das Arbeiten = wir wollen erst essen, dann (ist es, daß wir ar¬

beiten =) werden wir arbeiten" (hier ist ke = Maanjan/Borneo kai

„wünschen, wollen" ; o dürfte auf indonesisches *d{n) zurückgehen) ;

Hawaii e kolu a'u olelo pu ana me ia „dreimal war von mir das Sprechen

mit ihm = dreimal war es, daß ich mit ihm sprach"; Samoa a ta fia

moe i uta ,,von mir das Wollen schlafen im Inland = wenn ich im

Inland schlafen will". Tonga ne (= Uvea/Wallis ne, nee) = Sawu ne,

1 Siehe N. Adriani, Spraakkunst der Bare'e-Taal, p. 405/00.

^ BeisiJiel nach van der Veen, Tae' (Zuid-Toradjasch) — Neder¬

landsch Woordenboek. 's-Gravenhage 1940.

^ L. Onvlee, Eenige Soembasche Verteilingen, p. LXVIII.

* J. L. VAN DER TooRN, Miuangkabausche Spraakkunst, p. 61.

" H. Kern, Fidjitaal. Verspr. Geschr. V, p. 12.

° A. Burgmann, a. a. O., p. 25.

(9)

654 Hans Kähleb

das ähnlich wie sundanesisches nja verwendet wird, z. B. Tonga hoia

ne kona ai ae akau ,, deshalb war es, daß die Pflanze bitter wurde".

Daraus geht hervor, daß auch in polynesischen Dialekten die pro¬

nominalen Elemente, die mit den Possessivsuffixen gleichlauten, wie in

indonesischen Sprachen ursprüngliche Possessivsuffixe sind. Sie lehnten

sich entweder an ein substantivisch gebrauchtes Vorgangswort oder an

eine lautliche Variante von indonesischem anu an. Eigentlich müßten

sie also mit dem vorhergehenden Stützwort zusammengeschrieben

werden. Für die Fälle, in denen pronominale Elemente gebraucht

werden, die nicht mit den Possessivsuffixen übereinstimmen, ist dann

Analogiebildung zu den genannten Formen anzimehmen, so z. B. für

samoanisches 'e „du", lua ,,ihr beide", tou „ihr".

Damit dürfte der Nachweis erbracht sein, daß auch die polynesischen

Dialekte Konstruktionen kennen, die indonesischen Bildungen mit vor¬

gefügten pronominalen Elementen (siehe Seite 646) entsprechen. Sie sind

in gleicher Weise entstanden, wie Aichele dieses für indonesische

Sprachen nachgewiesen hat.

Im Bima werden Präfixe anderer indonesischer Sprachen durch Um¬

schreibungen wiedergegeben. So wird malaiisches pdnuygu ,, Wächter",

das mit pa- + Pränasalierung von tuygu „wachen" abgeleitet ist, im

Bima wiedergegeben durch: ,, Mensch, und zwar Bewachender" = dou

mayena^. Vergleiche hierzu polynesische Bildungen wie Maori kai-arahi

,, Führer" zu arahi ,, führen", wo das vorangestellte kai ebenso wie

bimanesisches dou „Mensch" bedeutet und den Täter bezeichnet.

Verschiedene qualitative Verben des Bima und Kolo tragen ein

Präfix ka. Dieses Formans bezeichnet in anderen indonesischen

Sprachen Nomina abstracta und collectiva^. Im Kolo können diese mit

ka gebildeten Ableitungen als Verb und als Substantivum auftreten

(z. B. na-ka-ddlu-te oi ene ,,es ist tief dieses Wasser = dieses Wasser ist

tief"; ba katoo kaluki-mu ,, wegen des Hartseins = der Härte deines

Fells"^). Damit ist auch für indonesische Sprachen der Nachweis er¬

bracht, daß Grundwörter mit Substantivformantien verbal konstruiert

werden können. Es ist also kein Charakteristikum polynesischer Dia¬

lekte, wenn beispielsweise samoanisches aiya < UAN. 'ay'g'i' ,, jüngere

Geschwister", das mit dem indonesischen Substantivformans ka-. . .-an

erweitert ist, als Substantivum und auch als Verbum gebraucht wird

1 Nach J. C. G. Jonkeb, Bimaneesche Spraakkunst, p. 226.

Siehe N. Adeiani, Spraakkunst der Bare'e-Taal. Verh. Bat. Gen.,

Deel LXX, § 105 ff., und S. J. Essee, Klank- en Vormleer van het Morisch.

Iste Gedeelte. Leiden 1926, § 214ff.

^ J. C. G. Jonkeb, Bimaneesche Spraakkunst, p. 189.

(10)

Co le aiya „die Verwandtschaft", na aiya ,, verwandt sein"). Denn die

Funktion der Affixe ist in Vergessenheit geraten, so daß aiya als Grund¬

wort angesehen wird.

Ich erwähnte bereits, daß die polynesischen Dialekte zahlreiche

Präfixe indonesischer Sprachen in erstarrter Form erhalten haben. Sie

hier einzeln aufzuzählen, liegt nicht im Rahmen dieser Ausführungen.

Aber ich möchte doch das sogenannte Präfix fe erwähnen, das sich vor

Wortstämmen findet, die die Suffixe i bzw. a'i tragen. Es hat pluralische

oder reziproke Funktion (z. B. samoanisches: sa tele lava le fealofani o

Fiti ma Samoa ,,sehr groß war das einander Lieben = die Freundschaft

zwischen Fidji und Samoa"). Da im Fidji vei- die gleiche Funktion

besitzt (z. B. vei-lomani ,, einander lieben"') und in den melanesischen

Sprachen von Fagani/San Cristoval fai, Ulawa hai, Malu/südöstl.

Salomonen kwai- ebenso verwendet werden, darf man annehmen, daß

diese Präfixe mit samoanischem fe- identisch sind. Kwai- des Main muß

aus *vai entstanden sein (UAN. valu' 8 > Malu kwaiu), so daß samo¬

anisches fe auf ein *wai, *fai zurückgehen könnte. Da sich z. B. im

Bare'e bali neben bai findet^, kann *wai, *fai aus ursprünglichem *bali,

*wali entstanden sein {*bali > *baji > bai). Im Bare'e bedeutet wali

in Zusammenstellungen mit Verben „nochmals, aufs Neue" (z. B.

ndawali-ykoni ,,es wird wiederum gegeben")^. Ebenso wird bali , .helfen"

im Makassar (z. B. bali andjama ,, helfen arbeiten = mitarbeiten")* imd

im Bugi verwendet (z.B. baliyi ma'djama „mit jemandem mitarbeiten")^.

Aus diesen Grundbedeutungen von ,, helfen", ,, nochmals, aufs Neue"

kann sich das samoanische fe < fali sehr wohl zu einem pluralisch-

reziproken Präfix entwickelt haben. In diesem Zusammenhang ver¬

weise ich auf bimanesisches ayi ,, Gefährte", das ebenfalls zur Be¬

zeichnung eines reziproken Verhältnisses dient (z. B. wara-wara ruwa-n

udi-ro-mudi labo sahada marimba makaibela ayi ,,es waren einmal ein

Leguan und ein Büffel, die einander zum Freund hatten = mit¬

einander befreundet waren")*. Allerdings wird bimanesisches ayi stets

nachgestellt.

Außer diesen hauptsächlichen Übereinstimmungen finden sich noch

eine sehr große Anzahl Einzelheiten, die sowohl den polynesischen

1 H. Kehn, Klankverwisseling in de Maleisch-Polynesische Talen,

p. 565—70.

^ N. Adriani. Spraakkunst der Bare'e-Taal, § 144.

' N. Adbiani, Bare'e-Nederlandsoh Woordenboek, i. v. wali.

* Nach B. F. Matthes, Makassaarsch-HoUandsch Woordenboek, p. 202.

° Nach B. F. Matthes, Boegineesch-Hollandsch Woordenboek, p. 207.

* Beispiel nach J. C. G. Jonkeb, Bimaneesche Spraakkunst, § 216.

(11)

656 Hans Kähleb

Dialekten als auch indonesischen Sprachen gemeinsam sind: Die Ar¬

tikel le im Samoa und Futuna = madagassisch lai „ein gewisser"i,

Lifu/Loyalty Islands lai „jener" ; te der anderen polynesischen Dialekte,

ke des Hawaii = te beim Nomen appellativum im Tomini, Bonerate,

Kasimbar. — ya des Maori, na des Hawaii und Marquesas (< *ya) zur

Bezeichnung des Plurals ist in Zusammenhang zu bringen mit Kupang

yai, in: yal-yal(a) ,,alle", ursprünglich ,,Name" (vgl. Rotti nade „alle" : nadek ,,Name", Tettum naran ,,Name" und „alle", Laora yara ,,Name" : yara deba ,,alle"^, sundanesisch yaran ,,Name" und selten „alle"). —

Das stets nachgestellte ma des Maori zm Kennzeichnung des Plurals

und von Pendantformen im Hawaii, Tahiti ist zu vergleichen mit Ta¬

galog man. — Futuna w zur Pluralbezeichnung = Tontemboan susur,

Makela'i susud ,, jeder (oft)". — Samoanisches (e) le ,, nicht" = ma¬

laiisch, sundanesisch lain ,, anders sein"; Marquesas te ,, nicht" =

Tinompo tai dgl. — Samoanisches vorangestelltes ia zur Kennzeichnung

von Aufforderungen und Wunschsätzen = Bare'e ia, Simalur ya

(< ia), die aus den beiden demonstrativen Elementen i = y -{- a be¬

stehen. — Samoanisches se'i ,, bitte" = To Lage se'i ,,dies". — Samo¬

anisches -u ,,dein" = Loinan, Bobongko -um < *-mu ,,dein". — Die

Unterscheidung von abgeschlossenen und noch nicht abgeschlossenen,

zukünftigen Geschehnissen bei Fragen nach Zeitangaben geht durch

sehr viele indonesische Sprachen. — Die Verwendung von ko, 'o als

Hervorhebungselement = Loinan, Bolaang Mongondow ko, das „nach

.. .hin", aber auch „was. . .betrifft" bedeutet. — Tu-, t- als Artikel

vor Personen- und Verwandtschaftsbezeichnungen = tu einiger Ge-

lebes-Sprachen. Ursprünglich ist tu demonstratives Element, das in

Sprachen von Nordborneo auch vor anderen Substantiven auftritt,

z. B. Marudu Dusun, Tuaran Dusun tapui „Feuer" < UAN. 'apuj

dgl.' — Das Vorkommen eines Duals und Trials beim Pronomen per¬

sonale; sie werden dmch Nachstellung der Zahlwörter für ,,zwei" und

„drei" hinter die pronominalen Grundelemente des Plurals gebildet.

In indonesischen Sprachen findet sich ein Dual bzw. Trial im Sangir,

Bolaang Mongondow, Maanjan und Ngadju-Dajak; allerdings wird

hier der Trial nicht als Plural gebraucht wie in polynesischen Dialekten.

— Die Zusammenstellung von Verben mit lokativen Postpositionen

(mai, atu), die auch im Tontemboan, Bolaang Mongondow, Rotti und

Chamorro häufig ist. — Verbale Zusammenstellungen mit tau, um

^ Nach A. Lafebee, The grammatical Value of Constructions with e in

the Polynesian Dialects. J. P. S. XXXVII 1928, p. 403—425.

^ Beispiele nach J. C. G. Jonkeb, Rottineesche Spraakkunst, p. 326,

Anmerkung.

' Beispiel nach O. Rutteb, The Pagans of North Borneo. London 1929.

(12)

pluralische oder intensive Fvmktion zu erzielen; vgl. hierzu Tontem¬

boan taum „etwas zusammen, gemeinsam tun". — Futuna o zur Kenn¬

zeichnung von finalen Nebensätzen, die wir mit „um zu" einleiten =

Tontemboan a dgl. — Die Pronomina personalia und die Grundzahlen

der polynesischen Dialekte sind (außer tasi 1, das mit Sawu ahi 1 zu

vergleichen ist) gemein-indonesisches Gut. — Die lokativen Präpo¬

sitionen, die teilweise auch als Futurumanzeiger dienen, sind indo¬

nesischen Ursprungs {i, ka, ki, ko, a). — ^? in seinen verschiedenen

Funktionen findet seine Entsprechimgen in indonesischen Sprachen. Ich

unterscheide: 1. e < *en < *aw < an hat substantivierende Funktion

(wie simdanesisches nu < anu), bzw. es dient zur Kennzeichnung des

nachgestellten Subjekts bei Hervorhebungen (wie altjavanisches an,

n, yan)^. 2. e verbindet gelegentlich, wie Tagalog ay, Subjekt imd

Prädikat^. 3. e zur Bezeichnung des Ablativs ist ursprünglich lokative

Präposition gewesen, vgl. Simalur, Madura e dgl. 4. e als Vokativ¬

partikel = indonesisches e, ai^. — In polynesischen Dialekten ist die

regelmäßige Stellung der Redeteile in einfachen Aussagen wie in den

meisten indonesischen Sprachen: Prädikat — Subjekt.

Zusammenfassend kann man also sagen : Die polynesischen Dialekte

weisen nichts Wesentliches auf, das nicht bereits in indonesischen

Sprachen zu belegen ist. Der Sprachgeist der polynesischen Dialekte

ist rein indonesisch. Die Übereinstimmungen, die bis in Einzelheiten

reichen, sind zu zahlreich, um als Lehngut erklärt zu werden. Allerdings

ist es so, daß die polynesischen Dialekte manche strukturelle Besonder¬

heiten indonesischer Einzelsprachen zm Norm erhoben haben. Deshalb

wmden die polynesischen Sprachen bisher immer noch den indo¬

nesischen Idiomen als besondere Gruppe gegenübergestellt. Den poly¬

nesischen Dialekten im Bau am nächsten verwandt sind die Gruppe

der Celebes- Sprachen sowie die Sprachen im östlichen Indo¬

nesien. Die Verwandtschaft mit den letzteren zeigt sich außer in

einigen Einzelheiten grundsätzhch in der Erstarrung des Affixsystems

und in der Funktionslosigkeit der erstarrten Affixe. Im Wortschatz der

polynesischen Dialekte finden sich neben zahlreichem uraustronesischem

Gut viele Wörter, die nur in indonesischen Einzelsprachen zu belegen

oder m. W. nm in melanesischen Sprachen anzutreffen sind. Aber als

Ganzes genommen erweckt auch der Wortschatz der polynesischen

Dialekte keinen fremderen Eindruck als z. B. die indonesischen

Sprachen der Lepanto-Igoroten in den Philippinen oder der Mentawai-

1 Siehe H. Kebn, Over 't Gebruik van n en an als Bestanddeelen van

een Volzin. Bijdr. 59, p. 229/49.

" Siehe A. Lafebeb, a. a. O., p. 403/25.

(13)

658 Haks Kähleb

Insulaner. Es ist sicher, daß gerade in dem Inselgewirr von Indonesien

und der Südsee Wanderungen und damit sprachliche sowie rassische

Mischungen mannigfacher Art stattgefunden haben.

Nun ist noch das Verhältnis der polynesischen Dialekte zu

melanesischen Sprachen zu erwähnen. Die Sprachen der südlichen

Salomonen sind, wie Schmidt gezeigt hat', im östlichen Teil Mela¬

nesiens diejenigen, welche am längsten die innere Entwicklung mit den

polynesischen Sprachen gemeinsam hatten. Ich kann mich jedoch

Schmidts weiterer Folgerung nicht anschließen, wenn er sagt: ,,Sie

(d. h. die Sprachen der südlichen Salomonen) bilden den Übergang zu

jenen (d. h. den polynesischen Dialekten), sie gehören mit zu jener

letzten Gruppe der melanesischen Sprachen, aus der auch die poly¬

nesischen hervorgegangen sind, welche letztere somit als ein Zweig der

melanesischen anzusehen sind". Es liegen zu viele Übereinstimmungen

zwischen den polynesischen Dialekten und indonesischen Sprachen vor,

die in melanesischen Idiomen nicht nachzuweisen sind. Durch das von

Schmidt angeführte gemeinsame sprachliche Gut beider Sprach¬

gebiete wird m. E. nur bewiesen, daß die melanesischen Sprachen der

südlichen Salomonen ebenso wie die polynesischen Dialekte aus den¬

selben Teilen Indonesiens stammen. Ihre Träger sind vermutlich auf

dem gleichen Wege und zm gleichen Zeit aus Indonesien abgewandert.

Die Bewohner der südlichen Salomonen nahmen dann viel sprachliches

Gut der anderen Melanesier auf, während die Polynesier kein bzw. nur

sehr wenig Fremdgut übernahmen. Ich bestreite jedoch keinesfalls,

daß einige Einzelheiten auf einen Kontakt mit melanesischen Sprachen

hinweisen. Das äußert sich z. B. in einem gewissen Ausmaß im Wort¬

schatz. Vielleicht geht auch die Unterscheidung von aktiv-subjek¬

tivem und passiv-objektivem Attributverhältnis auf melanesische Ein¬

flüsse zurück, wie ich bereits erwähnte.

Soweit ich es übersehe, finden sich in polynesischen Dialekten keine

Besonderheiten, die ihre Ableitung aus melanesischen Sprachen wahr¬

scheinlich machen würden. Deshalb bleibt meine Auffassung, daß die

polynesischen Dialekte indonesische Sprachen sind.

1 P.W. Schmidt, a. a. O. p. 251.

(14)

Joachim Spiegel, Soziale und weltanschauliche Reformbewegungen im

Alten Ägypten, F. H. Kerle-Verlag, Heidelberg 1950, 95 Seiten, 4 Tafeln.

Wer sich mit Erscheinungen längst vergangener Zeiten fremder Kul¬

turen befaßt, dürfte zunächst versuchen, ihre Eigenart zu begreifen und

sich gegen Vergleiche mit modernen Verhältnissen, auch wo sie sich auf¬

drängen, mit dem Mißtrauen wehren, das vor einer natürlichen Ver¬

wurzelung des Urteils in zeitgenössischen Verhältnissen warnt. Läßt der

Titel von Untersuchungen eines Fachwissenschaftlers diesen Abstand ver¬

missen, wie dies in J. Spiegel, Soziale und weltanschauliche Reform¬

bewegungen im Alten Ägypten durch Übernahme der modernen Begriffe

„sozial" und ,, weltanschaulich" geschieht, weckt dies besonderes Interesse.

Versucht der Verfasser unter einem solchen Titel weiten Kreisen Situ¬

ationen näher zu bringen, die als eine Art Vorgeschichte sozialer und welt¬

anschaulicher Reformbewegungen angesehen werden können wie die

Bauernkriege (S. 39) der Eeformationszeit ? Oder liegen in der Tat im Ge¬

präge ihrer Zeit Revolutionen und Reformbewegungen vor ? Spiegel be¬

rücksichtigt die Problematik der Begriffsübertragung, indem er Wörter

wie „Revolution" (S. 13) oder Objektivität durch Anführungsstriche

oder Sperrung abhebt und z. B. den übergestellten Begriff ,Aufklärungs-

zeitalter' als „ägj'ptische Aufklärung" (S. 60) weiterführt, welche die

Amarnazeit mit der „Revolutionszeit" (S. 68) — die Zeit der „ägyptischen

Revolution" (S. 56) — verbände. Die Verwendung derartiger Begriffe

durch einen Gelehrten, der seine Befähigung durch sorgfältige, auch nach

Abschluß der Untersuchung weitergetriebene (S. 89ff.) Übersetzung aus¬

weist, muß nachdenklich stimmen und dürfte eine eingehende, inter¬

essierte Befassung mit diesem ägyptologischen Beitrag zu Erscheinungen

,, sozialer Umschichtung" (S. 17 ff.) veranlassen.

Spiegels gründliche Untersuchung setzt an einem Denkmal ein, das

durch Lücken und Formulierung besondere Schwierigkeiten bietet und

überzeugend als ,, wohlüberlegte Rede von kunstvollstem Aufbau" und

„das erste Beispiel einer wahrhaft großen politischen Rhetorik" (S. 40)

hingestellt wird. An der zeitlichen Einordnung des in einer Abschrift aus

dem Neuen Reich erhaltenen literarischen Denkmals kann kaum gezweifelt

werden. Die kraß hingestellte Not weist in eine der Zwischenzeiten der alt-

äg^iptischen Geschichte, Sprache, Stil und Situation in die Zeit am Aus¬

gang des Alten Reiches, in welcher der Staat der Pyramidenerbauer zu¬

sammenbricht. Unter ohnmächtigen, in ihrem Machtbereich beschränkten,

einander schnell folgenden Herrschern werden in der Hauptstadt Zustände

möglich, wie sie dies als „Mahnworte eines Propheten" (Ebman, Literatur

S. ISOff.) bekannte Denkmal schildert. Spiegel legt es als „Rede Ipu's des

Edlen" (S. 8) neu bearbeitet vor. Wie Warnungen vor möglichen Welt¬

katastrophen mag dies Buch als Beispiel vorübergehender Auflösung des

altagj^itischen Lebensgefüges und .Mahnung' überliefert und in seiner

eindringlichen Prägung literarisch geschätzt worden sein. Die Tendenz, die

kürzlich der Hamburger Ägyptologe E. Otto in seinem Vortrag zum Mar-

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