Zur Frage der semitischen Tempora.
Von Viktor Christian,
In ZDMG., N.F. VII, 142 f. tritt Pontus Leandee meiner
Ablehnung des besonders von Bauee vertretenen Standpunktes
entgegen, daß das akkadische Permansiv vom westsemitischen
Perfekt zu trennen sei. Wenn Leander sagt, akkadisches
Permansiv und westsemitisches Perfekt seien nachweislich
zwei verschiedene Systeme, so muß ich bekennen, daß mir
kein Beweis hierfür bekannt ist. Auch Leander erbringt
ihn am angegebenen Orte nicht. Denn daß aus qatalkü nie
ein qatläkü (und umgekehrt) werden kann, habe ich nie be¬
stritten. Daß aber beide Schemata aus der Verbalbasis und
einem nachgesetzten Personalpronomen bestehen, leugnet auch
Leander nicht. Es fragt sich nur, was für das Verhältnis
der beiden Formen zu einander entscheidend ist — der gleiche
gedankliche Aufbau, ausgedrückt mit völlig identischen Mitteln,
oder die lautliche Verschiedenheit in der Art, wie das Pronomen
an die Verbalbasis herantritt. Mir genügt die Gleichheit des
Auf bans und der Ausdrucksmittel, um beide Schemata für
identisch zu halten, und ich glaube, daß mir alle beistimmen
werden, die der Meinung sind, daß in der Sprache der Geist
wichtiger ist als formale Bildungselemente, die ja nur sein
Handwerkszeug darstellen. Leander faßt seinen Standpunkt
in die Worte zusammen: Weniger Spekulation, mehr Laut¬
lehre! Die historische Lautforschung in Ehren, aber letzten
Endes enthebt sie uns doch nicht der Notwendigkeit, die
Sprachen und ihre Probleme, wenn wir sie wirklich verstehen
wollen, auch psychologisch zu erfassen. Die semitische Sprach¬
vergleichung wird heute in ausgedehntem Maße nach einer
V. Christian, Zur Krage der Bemitiachen Tempora 81
Stark mechanisierenden Methode getrieben. Und nun, da sich|
schüchtern auch die spraclipsycliologische Betrachtungsweisei
7A\ Worte meldet, ertönt schon der Warnungsruf: Weniger:
Spekulation! Glaubt man damit wirklich der wissenschaft¬
lichen Erkenntnis zu dienen?
In dem zweiten Punkte, in dem mir Leandkr a. a. 0.
entgegentritt, kann ich mich ganz kurz fassen. Leandeb;
spricht davon, Bauer habe in seiner Arbeit „Die Tempora^
im Semitischen" (S. 20) lautgeschichtliche Tatsachen für die!
Möglichkeit des Überganges einer Suffixkonjugation in eine:
Präfixkonjugation angeführt, die ich übersehen hätte. Ich bittei
alle, die sich für diese Frage interessieren, die angeführtej
Stelle nachzulesen, um sich davon zu überzeugen, daß BauebI
dort lediglich eine Vermutung äußert, die ich im allgemeinenj
für höchst gekünstelt, vom Standpunkte des Assyrischen jedoch
geradezu für unmöglich halte.
Zeitschrift d. D. M. G., N'eoe Folge Ud. VUI (Bd. «3).
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Bücherbesprechungen
Musil, Alois: The Northern Ileyuz. A Topographical
Itinerary. — New York, 1926. XII u. 378 S. m. .\bb.
1 Karte.
—, —, Arahia Deserta. A Topographical Itinerary. —
New York, 1927. XVII u. 631 S. m. Abb. Dazu in
bes. Mappe: Map of Northern Arabia in 4 Bl.
—, —, The Middle Euphrates. A Topographical Itinerary.
— New York, 1927. XV u. 426 S. m. Abb. u. 1 Karte.
(= American Geographical Society. Oriental Explora¬
tions and Studies. Ed. hy J. K. Wright. Nr. 1 — V.)
Von den großen Reisen im arabisehen Orient, die A. Musii,
von 1908 an im nördlichen Arabien und den anstoßenden
Ländern ausführte, und von denen man nach dem Vorgang
seines dreibändigen Werkes über Arahia Petraea (Wien 1907/08)
eine grundlegende Bereicherung unserer geographischen Kennt¬
nisse erwarten durfte, ist bis vor kurzem nicht viel in die
Öffentlichkeit gedrungen. Peinige knappe Vorberichte in dem
Anzeiger der phil.-hist. Klas.se der h. Alcademie der Wissen¬
schaften Wien, sowie gelegentliche sonstige Andeutungen (wie
in WZKM. XXIX, 445 ff.) waren dazu angetan, die Spannung,
mit der man dem Erscheinen der ausführlichen Darstellung
entgegensah, zu steigern. Manches topographische Material,
das man Musil's Reisen vtrdankt, ist verrautlich in den
Karteuwerken mitverwertet, die der A\'eltkrieg entstehen ließ.
Aber das Erscheinen der Berichte selbst wurde durch den
Krieg und die Verhältnisse der Nachkriegszeit nur zu lange
verhindert. Jetzt erst ist es möglich geworden, sie in eng¬
lischer Sprache als eine eigene Serie von "Oriental Explora-
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