und Wirkungen Lao-chün's"
Dokumente einer tausendjährigen Polemik in China
Von Florian C. Reiter, Würzburg
Der Text Lao-chün pa-shih-i hua t'u-shuo^ (LCTS) ist in den Fassun¬
gen bekannt, die Y. Yoshioka und K. Fukui vorlagen' . Er geht auf ein
Werk gleichen oder ähnlichen Titels aus dem 13. Jahrhundert zurück.
Professor H. Franke (München) fand in der „Oriental Collection" der
„Australian National University Library" eine weitere Edition dieses
Titels (LCTS). Professor Franke stellte uns freundhcherweise eine
Kopie dieser Edition zur Verfugung.
Die Bedeutung dieses Werkes mit seinen einundachtzig Einzeltexten,
die wir in annotierter Übersetzung vorlegen, liegt in seiner zusammen¬
fassenden Dokumentation religiöser und gezielt polemisch-propagandi¬
stischer Vorstellungen zur Person Lao-tzu's^, des legendären Begrün¬
ders des Taoismus. Sie zeigen Lao-tzu als absoluten Mittelpunkt des
Kosmos, der Kreation und aller Zivilisation. Vor allem aber erheben die
„Bildtexte", denn alle Einzeltexte sind illustriert, Lao-tzu und die taoi¬
stischen Schriften, Normen, Liturgien und Priester (tao-shih^f auf eine
Vorrangstellung gegenüber Buddhismus und Konfuzianismus. Laut
LCTS gibt es nur einen „Heiligen", nämlich Lao-tzu, während andere
Religionsstifter, Buddha und Mar-Mani „Inkarnationen" Lao-tzu's dar¬
stellen''. Zur „Vergöttlichung" Lao-tzu's bereits im Taoismus der Han-
' Siehe Y. Yoshioka: Dökyö to Bukkyö. Vol. 1. Tokyo 1959, S. 180-252;
K. Fukui: Dökyö no kisoteki kenkyü. Tokyo 1957, S. 312ff. Auch N. Kubo:
Dökyö shi. Tokyo 1977, 8. 324.
^ Das LCTS spricht zumeist von Lao-chün, bzw. T'ai-shang (Lao-chün).
' Der „Meister des Tao" vertritt den liturgischen Cheng-i oder „Himmelsniei- ster"-) Taoismus, der im LCTS im Mittelpunkt steht.
'' Zu diesem Themenkreis siehe E. Chavannes et P. Pelliot: Un traite
Manicheen retrouve en Chine, S. 126ff. (Hua-hu ching), S. 128 (Mar-Mapi) u. a. In:
JA 19 (1912), sowie G. Haloun and W. B. Henning: The Compendium ofthe
Doctrines and Styles of the Teaching of Mani, the Buddha of Light. In: AM 1958, S.
184-212. Siehe E. Zürcher: TTie Buddhist Conquest of China. Leiden/Taipei Nachdr. 1975, S. 288-320.
Die „Einundachtzig Bildtexte Lao-chün's" 451
Zeit liegen Studien vor^. Die daher bekannten Themen und Grundposi¬
tionen ziehen sich, mit vielen Erweiterungen, durch die taoistische Lite¬
ratur bis hinauf in die Yüan-Zeit (1271-1368), in der sie akkumuliert
und bewußt lanciert zum sogenannten Religionsstreit zwischen Buddhi¬
sten und Taoisten beitrugen". Texte und Bilder zu den „Inkarnationen"
und Wirkungen' Lao-tzu's wurden über Jahrhunderte an Tempelwän¬
den u. ä. tradiert. Sie trafen stets die Buddhisten als Polemik, die beson¬
ders unter der Mongolenherrschaft, als es um die Gunst der fremden
Herrscher ging, Brisanz erhielt. Dieser geschichtliche Rahmen wie die
inhaltliche Breite des LCTS rechtfertigen eine ausführliche Darstel¬
lung.
Der Aufbau des vorliegenden Textes : Das Titelblatt weist den „Achat-
Verlag" [Ma-nao ching-fang") als Ursprung des Drucks aus, allerdings
ohne geographische oder kalendarische Daten zu geben. Das datierte
„Vorwort" (A.D. 1374) des Ming-Kaisers T'ai-tsu'' zu seinem Tao-te
ching" Kommentar eröffnet das Werk*. Sodann sehen wir drei Bilder:
Lao-tzu, Lao-tzu auf dem Weg über den Han-ku Paß, sowie Lao-tzu bei
der Übergabe des Tao-te ching an den Paß Wächter Yin Hsi. Abgeschlos¬
sen wird dieser Teil von einem Tableau „Unendliches Leben für den
Kaiser!" und den Symbolen für Himmel und Erde (Kreis und Quadrat).
Eine Reihe von 31 Bildern von taoistischen Patriarchen und Ahnen
folgt. Es sind Personen, die Lao-tzu's Traditionslinie fortführten. Ihre
Reihe vereint vor allem Vertreter der „Südlichen" und „Nördlichen"
Schulen''. Nach dieser Einleitung folgen die einundachtzig Bildtexte
und Bilder zu den Inkarnationen und Wirkungen Lao-tzu's. Das letzte
° Siehe A. Seidel: La Divinisation de Lao Tseu dans le Taoisme des Han. Paris 1969, u.a.
^ Siehe P. Demiäville: La situation religieuse en Chine au temps de Marco Polo. In: Oriente Poliano. Roma 1957, S. 206-209; A. Waley: The Travels of an Alchemist . . . London 1963, S. 29-33.
' Zur Übersetzung des Worts Äwo-ffc. siehe P. Demieville, S. 230, Anm. 32.
Unsere „doppelte" Übersetzung ergibt sich aus den Inhalten von LCTS. Siehe auch K. K. S. Ch'en: Buddhist-Taoist Mixtures in the Pa-shih-i-hua t'u. In: HJAS 9 (1945/47), S. 1-12. Ihm standen LCTS et al. s.o. Anni. 1 nicht zur Verfügung.
* Entsprechend TT 676 Ta Ming T'ai-tsu kao huang-ti yü-chu Tao-te chen-
ching hsü. Das Expose beweist die Ming-Zeit generell als Entstehungspe¬
riode des LCTS.
^ Die meisten Namen sind mit den Traditionen der „inneren Alchimie" der
„Südlichen Schule" (Ch'en T'uan, Shih T'ai u.a.) sowie mit der Ch'üan-chen Schule, der „Nördlichen", (Wang Che, die Sieben Vollkommenen) zu verbinden.
In die Ahnenreihe des LCTS sind u. a. auch Lieh-tzu und Chuang-tzu aufgenom¬
men, siehe auch Y. Yoshioka, S. 184.
31 ZDMG 136/2
Blatt des LCTS ist ein leeres Tableau, auf dem der wohltätige Stifter
oder Verteiler dieses Werks seinen Namen eintragen lassen kann, was
den Zweck des LCTS als mögliches religiöses „Auftragswerk" zur reli¬
giösen Propaganda verdeutlicht. Die Bildtexte selbst werden hier Ling-
hu Chang' und Shih Chih-ching« (1202-1275) zugeschrieben'". Nur Shih
Chih-ching's Karriere als Ch'üan-chen^ Taoist ist bekannt, doch gibt sie
keine Auskunft über Zeit und Ort der Edition desjenigen Werks, das nun
ursprünglich aus der Hand dieser beiden Taoisten kam.
Die genannten Bestandteile von LCTS haben genaue Entsprechungen
in dem von Y. Yoshioka als „Hang-chou' Edition" bezeichneten Werk
Tao-te ching chieh T'ai-shang pa-shih-i hua t'u-shu& in zwei Bänden".
Von der Titelvariante abgesehen stammt Y. Yoshioka's Studienobjekt
aus einem anderen „Verlag" als LCTS. Das LCTS macht nur einen Teil
der „Hang-chou Edition" aus, deren erster Band Kommentare zum Tao-
te ching enthält. Im zweiten Band sind neben den Teilen, die LCTS ent¬
sprechen, weitere Texte zum Tao-te ching aufgenommen. Sie sind naeh
dem kaiserlichen „Vorwort" von Ming T'ai-tsu eingefügt.
Zu Beginn von Band I der „Hang-chou Edition" steht ein Text Ch'en
Chih-hsü's'' zum Tao-te ching. Y. Yoshioka verbindet ihn mit einer
Neuedition der „Einundachtzig Inkarnationen und Wirkungen Lao-
tzu's" Jahrzehnte nach der yüanzeitlichen „Bücherverbrennung"'^.
Diese Neuauflage, mit Ling-hu Chang und Shih Chih-ching ausgezeich¬
net, wäre als entfernte Basis für die viel spätere „Hang-chou Edition"
anzusehen. Ch'en Chih-hsü, um A.D. 1331 tätig''', stand in der Nach¬
folge Sung Te-fang's' (1183-1247), des Haupteditors des yüanzeitli¬
chen Taoistischen Kanons'*. Ch'en Chih-hsü betont in seinen Schriften
das für die Ch'üan-chen Schule bezeichnende Thema San-chiao i-chia"'
„Drei Lehren ein Haus", sowie u.a. die praktische Bedeutungsgleich¬
heit von fisien" („taoistischer Unsterblicher") und fo" („Buddha"). Er
verbindet die diversen taoistischen Traditionen wie die „Nördliche" und
„Südliche" Schule'''^. Diese Tendenz weist voraus auf den für die frühe
"' S.u. unsere Übersetzung, Siehe Pien-wei lu 752c (T. 52).
'' Wir stützen uns weiterhin auf Vergleiche mit der „Hang-chou Edition", die als „Neuauflage" (ch'ung-k'an) Y. Yoshioka vorlag.
Dies folgte dem entsprechenden Edikt Kubilai's A.D. 1281, siehe
A. Waley, S. 32.
Siehe TT 1067 Shang-yang tzu Chin-tan tao-yao hsü-um 2.7b.
"* Siehe Y. Yoshioka, S. 187.
"■' S.o. Anm. 9.
Die „Einundachtzig Bildtexte Lao-chün's" 453
Ming-Zeit bezeichnenden Synkretismus'". Für das LCTS wie für die
„Hang-chou Edition" ist zu beachten, daß die genaimte „Ahnenreihe"
mit Namen wie Liu Ch'ang-ch'un'' (1350-1432) und Shao Yüan-chieh''
(1459-1539)" weit über die Zeit Ch'en Chih-hsü's und die frühe Ming-
Zeit hinausweist. Eine genauere Datierung der Drucklegung
erscheint uns aufgrund der gegebenen Erkenntnisse nicht möglich. Wir
stellen fest, daß die Abbildungen No. 1 imd 45 der „Hmig-chou Edition" ' **
genaue Entsprechungen in LCTS haben. Die Bildtexte beider Editionen
stimmen überein, auch in ihren zahlreichen Fehlern oder Ungenauigkei¬
ten. Ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Editionen, z.B.
gleiche Druckplatten, ist wahrscheinlich. Die Bilder im LCTS scheinen
nun nicht immer zu den Texten zu passen, z.B. sind sie für die „Wirkun¬
gen 16 und 17" vertauscht worden. Pelzkappe und Zopf bei den „Barba¬
ren" in „No. 33" erinnern an die Ch'ing-Zeit, jedoch verwies uns Prof.
Franke auf die Kitan und Djurdjen, die sich ebenso trugen. Es könnte
sich hier also um eine Reminiszenz aus der Sung-Zeit handeln. Eignen
sich die Bilder auch nicht zur Datierung, die Ungenauigkeiten insge¬
samt erweisen das LCTS als populäres propagandistisches Produkt,
dem ein kaiserliches Vorwort, das mit dem Text nichts zu tun hat, einen
gewissen Rang verlieh. Das LCTS könnte ein Extrakt aus der „Hang-
chou Edition" sein, wo die „Inkarnationen Lao-tzu's" den Abschluß zu
Tao-te ching Studien bildeten. Dennoch ist es richtig, die „Bildtexte" mit
Ling-hu Chang, Shih Chih-ching und dem Religionsstreit zwischen
Taoisten und Buddhisten im 13. Jahrhundert zu verbinden, wie z. B. die
bei Y. Yoshioka aufgelisteten Vergleichspassagen in der buddhisti-
Siehe J. D. Langlois, Jr. and Sun K'o-k'uan: Three Teachings Syncretism
and the Thought ofMing T'ai-lsu. In: HJAS 43 (1983), S. 97-139, wo auch das
bereits genannte „Vorwort" des Ming-Kaisers zu seinem Tao-te ching Kommen¬
tar studiert wird.
" Liu Yüan-jan (Ch'ang-ch'un) vereinte in sich, als tao-shih, die Cheng-i und
Ch'üan-chen-TreAitwnen; er war Lehrer von Chang Yü-ch'u (1361-1410), einem
Cheng-i Patriarchen, siehe Lung-hu shan chih 7.23 a, Ed. Hsi-pi t'ang, Ta Shang-
ch'ing kung ts'an-pan (A.D. 1740). Zu Shao Yüan-chieh, siehe Lung-hu shan
chih 7.26a-26b, siehe L. C. Goodrich u.a. ed.: Dietionary of Ming Biography
1368-1644. New York/London 1976, S. 1169-1170 (Liu 'Ts'un-yan). Wir neh¬
men hierbei an, daß es sich bei Ku-i chen-jen & - - 01 A um eine Fehlschreibung flir Chih-i chen-jen ^ — £(| A handelt, vgl. Ch'ang-ch'un tao-chiao yüan-liu, S. 337, in Tao-chiao yen-chiu tzu-liao. Ed. Yen I-p'ing. Taipei 1974. Unsere Aus¬
sage würde aber auch durch andere Namen bestätigt, so durch Shao I-cheng
(T'ung-miao), der A.D. 1462 verstarb, siehe Ch'ang-ch'un tao-chiao . . . S. 336.
" Die Texte entsprechen „Wirkungen 1, 45".
31*
schen Verteidigungsschrift von A.D. 1291 zeigen"*. Diese Schrift be¬
zieht sich auch auf Ling-hu Chang und Shih Chih-ching als die Autoren
des „Plagiats". In diesem Sinne sprechen wir weiterhin vom LCTS, d. h.
von seinen „Bildtexten", als einem Werk, das im Rahmen der Zeit die¬
ser beiden Taoisten zu würdigen ist. Natürlich hat auch die erwiesen
späte Drucklegung ihre eigene Bedeutung. Sie verweist auf die hart¬
näckige Beständigkeit des „Themas", das freilich inhaltlich nicht wei¬
tergeführt vmrde. A.D. 1098 ist das letzte „Datum" im LCTS.
Shih Chih-ching stammte aus Chiang-chou^ der Stadt F. Seine Vor-
■fahren, wie er selbst, pflegten die konfuzianische Bildung, waren jedoeh
nie beamtet. A.D. 1221 schloß er sich dem Ch'üan-chen Meister Liu
Chen-ch'ang' (1172-1246) am Berg Heng an. Als A.D. 1223 Ch'iu
Ch'ang-ch'un" von seiner Audienz bei Tschinggis Khan im Hindukush
zurückkehrte, eilten Liu Chen-ch'ang und Shih Chih-ching ihm ent¬
gegen und trafen ihn beim Berg A-pu-han". Damals erhielt Shih Chih-
ching seinen „Schulnamen", unter dem wir ihn hier eingeführt haben.
Sein Verhalten folgt nun dem bekannter Vorbilder aus der Ch'üan-chen
Schule, er zieht durchs Land und übt sich u.a. in Askese^". A.D. 1236
vmrde der Yün-t'ai kuan'" („Wolken-Terrasse Belvedere") am Berg Hua
u.a. durch Mitvrirkung Liu Chen-ch'ang's restauriert. Das Angebot,
dort Tempelvorstand zu sein, lehnte Shih Chih-ching zunächst ab,
akzeptierte jedoch A.D. 1241 seine Bestallung als Abt. Ein Moment für
seine Bereitschaft dorthin zu gehen mag gewesen sein, daß er im Berg
Hua ein geschichtsträchtiges Terrain sah. Er durchzog alsdann das
Bergland, sammelte Informationen und schrieb die „Chronik zum Berg
Hua"-'. Shih Chih-ching pflegte eine Haltung, die wir „geschichtliche
Rückbesinnung" nennen wollen. So reist er A.D. 1258 zur Küste, zu den
Stätten des Wirkens der „Sieben Vollkommenen"^^ und besucht auch
die „Ahnenhalle" in Shan-hsi", das Grab des Schulgründers Wang Che^
(1112-1170). A.D. 1249, drei Jahre nach dem Tod seines Meisters Liu
Chen-ch'ang, schließt er sich Yü Tung-chen'' an , von dem er als taoisti-
Y. Yoshioka, S. 194-239, zu den „Inkarnationen" bzw. WirkungenNo. 1- 3, 5-13, 19, 23, 26, 30, 34, 42, 48, 66 aus Pien-wei lu (T 52).
Siehe das Beispiel des Wahrsagers Hao Ta-t'ung, der zu den „Sieben Voll¬
kommenen" gehörte, vgl. F. C. Reiter: The Soothsayer Hao Ta-t'ung (1140-
1212) and his Encounter with Ch'üan-chen Taoism. In: Oriens Extremus 28
(1981), S. 198-205.
" Dieses Werk scheint verloren zu sein.
In der Provinz Shan-tung, zu den „Sieben Vohkommenen", siehe F. C. Rei¬
ter: The Soothsayer Hao Ta-t'ung . . ., S. 203 Anm. 2.
Die „Einundachtzig Bildtexte Lao-chün's" 455 scher Priester initiiert wird^'. Shih Chih-ching, der sich um die Kenntnis
des I-ching'^'' („Buch der Wandlungen") und des Tao-te ching („Buch
vom Tao und seiner Wirkung") befleißigte, wird als „Prediger" be¬
titelt^*. A.D. 1251 erhielt er vom Hof die „Purpur-Robe" und einen
Ehrentitel. Wir vemmten, daß sein verlorenes Werk Ch'ang-ch'un
tsung-shih ch'ing-hui t'u"^'^^ der Begegnung Ch'iu Ch'ang-ch'un's mit
dem Mongolenherrscher galt, wobei sich der Titel an TT 176 Hsüan-feng
ch'ing-hui lu anzulehnen scheint. Zusammenfassend stellen wir fest,
daß Shih Chih-ching als geschichtsbewußter Ch'üan-chenT&oistin einer
Zeit lebte, in der diese Schule durch Ch'iu Ch'ang-ch'un's Aktivitäten
eine starke Stellung gewann. In diesem Rahmen paßt seine Beschäfti¬
gung mit den „Einundachtzig Inkarnationen und Wirkungen Lao-
tzu's", die die taoistische Welt- und Geschichtsvision in eindrucksvoller Weise darstellen.
Das LCTS behandelt folgende Themenkreise:
1) Lao-tzu als kosmische Urkraft. Er ist Schöpfer der Welt, er existiert
in den Zeit- und Entwicklungsphasen. Lao-tzu in seiner überirdi¬
schen Existenz („Wirkungen 1-10")
2) Lao-tzu lenkt die Schöjjfung der Zivilisation, er ist Lehnneister der
Kulturheroen der chinesischen „Frühgeschichte", er eröffnet ent¬
sprechende Lehrschriften („Wirkungen 11-17").
3) Lao-tzu wird auf der Welt geboren, Stationen seines irdischen Le¬
bens unter der Chou-Herrschaft, die Begegnungen mit Yin Hsi,
(„Wirkungen 18-26").
4) Lao-tzu's Missionierung der „Barbaren", seine Reisen in indischen
Ländern, Yin Hsi bzw. Lao-tzu als „Buddha" („Wirkungen 27-43").
5) Offenbarungen und Erscheinungen Lao-tzu's im China der Chou- bis
Nord-Sung Zeit (11. Jh.). Lao-tzu als Mar-Mani (z.Z. derT'ang-Dy¬
nastie). Themen aus traditionellen, bekannten Uberlieferungen
(„Wirkungen 44-81").
^' Die Formulierung lautet, ts'an-shou ching lu Diese Darstellung
zeigt Ch'üan-chen als taoistische Schule, als eigenständige Entität, zu einem relativ s|)äten Zeitpuiüct. Wir sehen hierin eine wichtige praktische „Möglich¬
keit"; Ch'üan-chen ist nicht per se als „Überbau" zum CAeJi^-i-Taoismus zu ver¬
stehen. Yü Tung-chen war ein bedeutender Ch'üan-chen Meister, siehe Chung-
nan shan Ch'ung-yang wan-shou kung Tung-chen Yü chen-jen tao-hsing pei, in
TT 973 Kan-shui hsien-yüan lu 3.19a-24b.
Durch Li Tao-ch'ien, in Shih Chiang-shih tao-hsing lu hou pa-wen in TT 973 Kan-shui hsien-yüan lu 8.13 a-14 a, ferner siehe Tung-hsüan tzu Shih kung tao- shing lu, in TT 973: 8. IIa-13a.
Der Titel könnte übersetzt werden als: „Bilder zur gefeierten Begegnung [mit dem Taoismus, durch] den Meister der Lehre, Ch'ang-ch'un".
Diese fünf Themenkreise sind wesenthch chronologisch angeordnet.
Der Leser erhält den Eindruck einer umfassenden Gegenwart Lao-tzu's
in der Welt und Geschichte. Die einzelnen Bildtexte bestehen zumeist
aus sehr verkürzten, nicht bezeichneten Zitaten. Die oft stichwortarti¬
gen Verweise kormte der informierte Leser mit der Betrachtung der
einundachtzig Bilder kombinieren. Y. Yoshioka hat gezeigt, daß in
den beiden Nord-Sung Texten TT 770 Hun-yiian sheng-chi und TT 774
Yu-lung chuan die zeitlich am nächsten liegenden literarischen Vorbil¬
der und Grundlagen zu sehen sind^". Gut die Hälfte von LCTS entfällt
auf den Themenkreis No. 5 (s. o.). Es handelt sich dabei um Inhalte, die
zum Teil zur ausgehenden T'ang-Zeit der Hoftaoist Tu Kuang-fing"^
(850-933) u. a. im „Bericht über die Verehrung, die der Taoismus durch
die Generationen hindurch erfahren hat" (TT 593 Li-tai ch'u/ng-tao chi)
festhielt. Er dokumentiert religiöse Legitimationserweise für würdige
Herrscher und Dynastien, wobei vor allem das T'ang-Herrscherhaus
bedacht wird. Diese Abschnitte im LCTS zeigen die Etablierung des
Taoismus als Organisation, seine Schriften und liturgischen Mittel,
sowie seinen Wert als Bindeglied zwischen den irdischen und himmli¬
schen Sphären, in denen Lao-tzu herrscht. Die meisten der genannten
Taoisten haben Biographien in sung- und yüanzeitlichen Sammelwer¬
ken. Es handelt sich also um Themen, die auch nur knapp formuliert
(LCTS) verständlich waren.
Polemische Darstellungen sehen wir in den übrigen Teilen (No. 1-4).
Sie enthalten vor allem gezielte Behauptungen, die einen „kosmischen"
Rang Lao-tzu's und seiner Lehre vertreten, wie auch eine überlegene
Stellung gegenüber Buddhismus, Manichäismus und Konfuzianismus.
Diese Überlegenheit wird klar zur Schau gestellt, rücht scholar ver¬
brämt oder überhaupt anders präsentiert, wie in den voranstehend
angefiihrten Werken Ch'en Chih-hsü's, die eher eine gemeinsame Basis
oder Wurzel der „Drei Systeme" postulieren^'. Das LCTS dient anderen
Zwecken, was unsere Übersetzung zeigt. Der Buddhismus zum Beispiel
erscheint als ein Lehrsystem, das eben dem Naturell barbarischer Men¬
schen entspricht. Lao-tzu gibt ihnen die Mittel, die Lebensführung zu
reformieren, sich sittlichen Maßregeln zu unterwerfen^*.
Die Vorstellungen einer kosmischen Existenz Lao-tzu's und seiner
periodisch auftretenden Inkarnationen in der Welt, wo er als „Lehrmei-
Siehe Y. Yoshioka, S. 194-219 („Wirkungen 1-26"), die folgenden Ver¬
gleiche beruhen fast ausschließlich auf dem Hun-yüan sheng-chi.
" Siehe z. B. TT 1067 Shang-yang tzu Chin-tan ta-yao hsü-im 14.3 b-7 a, 13 a- 15a (u.a., San-chiao i-chia, Chien-hsing ch'eng-fo).
^* Siehe „Wirkung 38".
Die „Einundachtzig Bildtexte Lao-chün's" 457
ster der Kaiser", offen oder verborgen, die Dinge zum Guten zu lenken
sucht, reflektieren die Vielseitigkeit der Ansprüche, die an den Namen
Lao-tzu's geknüpft wurden. Dies manifestiert sich nun vor allem auch in
den Behauptungen über seine „Bekehrung der Barbaren", wie sie schon
von Wang Fou"'' zu Beginn des 5. Jahrhunderts im Hua-hu ching''"
, („Buch von der Bekehrung der Barbaren") gemacht wurden^". Reaktio¬
nen blieben freilich nicht aus. A.D. 569/570 verfaßte der Beamte Chen
Luan"*^ auf kaiserlichen Befehl eine Analyse taoistischer Aussagen und
Inhalte, die erHsiao-tao ^wnnannte'". Erweist „unter Gelächter" hsiao"'^
wesentliche Aussagen der Taoisten zurück, die damit natürlich nicht
ausgemerzt waren, sondern über die Jahrhunderte hinweg weiterhin
verbreitet wurden und so auch im LCTS wieder auftauchen. Dies sehen
wir zum Beispiel an den Themen der „Kreation von Himmel und Erde",
oder „Lao-tzu wird Buddha". Die taoistischen Schriften erscheinen als
quantitativ übersparmt präsentiert' '. Für den Buddhisten Tao-an"'' gar
haben sie, vom Tao-te ching und einem Kapitel des Chuang-tzu abgese¬
hen, den Makel Fälschungen zu sein, d.h. ihrem behaupteten Ursprung
in himmlischen Sphären (Shang-ch'ing'^' u. a.) stehen konkrete Autoren¬
oder Urhebemamen gegenüber'^. Als Beispiel für die Behandlung von
Streitthemen nennen wir hier die in „Wirkung 48" (LCTS) entwickelte
Untersuchung, wer ein „Heiliger" sei. Die Schrift Chen Luan's läßt Kon¬
fuzius sagen: „Bei den Menschen im Westen, dort gibt es einen Heüi¬
gen", und die Folgerung lautet: „Daher wissen wir, daß Konfuzius
Buddha für heilig hielt, nicht aber Tao"''. Im LCTS wird diese Sentenz
unter Verwendung geographischer Gesichtspunkte auf Lao-tzu als „Hei¬
ligen" umgemünzt. Auch dieses Thema hat im Pien-wei lu aus dem
13. Jahrhundert seinen Platz gefunden'*, was als Beweis für die Konti¬
nuität der Gegenpositionen zwischen Buddhismus und Taoismus, auf
der argumentativen und polemischen Ebene jedenfalls, angeführt wer¬
den kann. In besonderer Weise zeigt sich dies freilich am Themenkreis
No. 4, der „Bekehrung der Barbaren", wofür die Schriften Hua-hu ching
und Lao-tzu pien-hua ching"' maßgeblich sind. Die entsprechenden
Angaben im LCTS sind zum großen Teil in jenen Hua-hu ching-Zitaten
Siehe E. ZtjRCHER, wie in Aiun. 4.
'" Hsiao-tao lun (T 52), die Darstellungen in diesem Text wurden beschrieben
von J. Laoerwey: Wu-shang pi-yao, Somme Taoiste du VF siecle. Paris 1981,
S. 21-28.
" Siehe Hsiao-tao lun 144b-c, 145c-146a, 152b-c (u.a., in T52).
'^ Der Titel heißt Erh-chiao lun, siehe J. Lagerwey, w.o. Anm. 30. (T 52).
'' Siehe Hsiao-tao hm 152 a (T 52).
^* Siehe Pien-wei lu 759c-760a (T 52). S.o. Anm. 19.
zu belegen, die in der T'ang-Enzyklopädie TT 1 139 San-tung chu-nang
erhalten geblieben sind.
Das hier vorgestellte LCTS beleuchtet als literarischer Schlußstein
die äußerst verbreiteten und diffusen Traditionen des Wettstreits zwi¬
schen Buddhismus und Taoismus. Auf buddhistischer Seite blieb das
LCTS nicht ohne Widerpart, denn A.D. 1291, fast zwanzig Jahre nach
der Zeit Shih Chih-ching's, erschien der bereits mehrfach genannte
„Bericht zur Erörterung der Falschheiten" Pien-wei ZwHsiang-mai's
Das LCTS zeigt mit Nachdruck, vom taoistischen Standpunkt aus, eine
Einheit, repräsentiert in der Gestalt Lao-tzu's, die eine äußere, reale
Vielfalt strukturiert. Dieses Konzept und seine Ausgestaltung in den
Inkarnationen und Wandlungen Lao-tzu's waren wichtige Elemente der
chinesischen Religionsgeschichte, über gut ein Jahrtausend hinweg.
Die Bildtexte zu den Einundachtzig Wirkungen Lao
chü n's, gedruckt und verbreitet vom Verlag'^ Ma-nao.
Kompiliert vom „Gelehrten Ch'ing-an" aus Pu-kuan, Ling-hu Chang,
mit vollständigen Erklärungen unter Bezugnahme auf die Schriften vom
Taoist Shih Chih-ching (1202-1275) aus dem „Belvedere Yün-t'ai" am
Berg T'ai-hua.
Wirkung 1: „Er erhebt sich aus dem Nicht-Beginn"''
T'ai-shang Lao-chün wurde aus dem Nicht-Beginn geboren, er
erhob sich ohne kausalem Zwang. Er war früher als alle Tao, der
Ahnherr der Urodems. Er existierte im [Zustand] des unendlich
gemeinsamen Zusammenflusses und wurde aus dem tiefen Myste¬
rium, als noch keine leuchtenden Himmelzeichen, Laute und Far¬
ben waren, spontan geboren.
Wirkung 2: „Er läß seinen Vollkommenen Leib sichtbar werden"
T'ai-shang Lao-chün'' ließ im freien Raum den Odem sich verbin¬
den, das Vollkommene sich kristallisieren und erzwang [so seine]
Siehe A. Waley, S. 15, 17.
''' Wir übersetzen ching- fang als „Verlag". Vermutlich handelt es sich um eine private Druckerei, eventuell in Verbindung mit einem Tempel oder Kloster.
^' Lao-tzu als Urheber aller Kreation, siehe A. Seidel: La divinisation de Lao Tseu dans le Taoisme des Han. Paris 1969, S. 121-8. Die inhaltlich grundlegen¬
den Texte, deren Tendenz in das LCTS einfließt, sind Lao-tzu ming und Lao-tzu pien-hua ching, siehe A. Seidel, S. 2, 59-73 u.a. Aufder buddhistischen Seite, die diesen Themenkreis — kritisch — bestätigt, siehe Hsiao-tao lun 144b (Tsao-li t'ien-ti u.a.), in T 52, vgl. unsere einleitenden Austiihrungen.
-
Die „Einundachtzig Bildtexte Lao-chün's" 459
Gestaltwerdung. Ob er nun eine körperliche Gestalt als Unsterbli¬
cher manifestiert und einen fleischlichen Leib annimmt, man kann
dies nicht einschätzen. Aus sich selbst heraus und umfassend voll¬
kommen wurde er Gestalt.
Wirkung 3: „Er achtet eine Traditionslinie""*
T'ai-shang Lao-chün wollte die Große Lehre entfalten und kundtun
und alle Welt belehren. Er sagte: "Tao darf nicht ohne Lehrmeister
sein. Die Lehre darf nicht ohne Ahnmeister sein'. Daher ist es, daß
Lao-chün den Herm Ta-tao zum Lehrmeister nahm und dieser den
Himmelsehrwürdigen Yüan-shih.
Wirkung 4: „Er durchläuft die Kalpa-Phasen"'"
Kalpa ist der Name für die Entstehung und den Verfall von Him¬
mel und Erde, die Zahl für das Minimum und Maximum von Yin und
Yang. Der Odem des Himmels erreicht sein Höchstmaß in T'ai-
yang. Wenn Yang seinen Höhepunkt erreicht hat, wandeln sich die
kometenhaften Essenzen zu Wasser. Der Odem der Erde erreicht
sein Höchstmaß in T'ai-yin. Wenn Yin seinen Höhepunkt erreicht
hat, wandeln sich die konzentrierten Essenzen zu Feuer. Feuer
lodert und Wasser wogt, unterhalb der Drei Reinen, innerhalb der
Neun Erden. Das Allerfeinste, u)u-wei'""\ Sie strömen zusammen
zum Beginn von Fünf Kalpa. Ist ihr Zyklus in sich abgeschlossen, so
kehrt er zu seinem Anfang zurück. T'ai-shang Lao-chün durchläuft
diese [Kalpa-] Zahlen der Trennung und Vereinigung, [ist so selbst]
in Bewegung Millionen Kalpa hindurch.
Wirkung 5: „Er eröffnet Himmel und Erde"
Himmel und Erde haben die Größe der Form zueigen. Aber was
Form hat, wird aus dem Formlosen geboren. Daher ist das, was
Zur Bedeutung der „Traditionslinie" für die taoistische Geschichtsschrei¬
bung, siehe F. C. Reiter: Studie zu den „Überlieferungen von mutmaßlich Unsterb¬
lichen" (I-hsien chuan) aus dem Taoistischen Kanon, im Druck bei Oriens. Die Ch'üan-chen Schule Shih Chih-ching's hat zu seiner Zeit längst in Lao-tzu den Ahnherren der Linie gesehen, siehe TT 173 Chin-lien cheng-tsung chi. Zum Ver¬
hältnis der beiden hier neben Lao-tzu genannten Gottheiten zu einander, siehe
TT 774 Yu-lung chuan. 1.6a-6b. Wir beachten, daß in TT 772 T'ai-shang Lao-
chün chin-shu nei-hsü 2 b sowohl Yüan-shih t'ien-tsun als auch Tao-chün als
Ehrennamen Lao-tzu's gefiihrt werden.
Zur Kalkulation nach „kalpa", siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9.1 a-5b.
Begrifle wie z.B. die „Drei Reinen" (hier: die drei höchsten Sphären) sind in
TT 774 Yu-lung chuan. 2.1a-6b ausführlicher dargestellt. LCTS gibt dagegen
nur Stichworte. Zum einschlägigen Werk der Liu-ch'ao Periode (420-589),
TT 1139 Wu-shang pi-yao, siehe J. Laoerwey: Wu-shang pi-yao, somme Taoiste
du VF siecle. Paris 1981, u.a. S. 50 [Les cycles cosmigues).
Himmel und Erde auftun und entwickeln konnte, ohne [äußere]
Form. Was keine Form hat, das ist Tao. T'ai-shang Lao-chün ist
nun der Urahn des Chaos, er ist Vater und Mutter für Himmel und
Erde. Er konnte daher Klares und Trübes trennen und verteilen,
Himmel und Erde auftun und entwickeln. Sie haben die Positionen
von ch'ien und Ic'un""*" inne.
Wirkung 6: „Er verbirgt sich in der mystisch-spirituellen [heiligen Mut¬
ter]"
In einem Jahr Keng-yin, am 3. Tag des 9. Monats, überantwortete
sich Lao-chün dem Leib der mystisch-siürituellen heiligen Mutter,
und zwar im Tal Li*' des „Berges Magischer Spiegel", der sich im
Zentrum des Nordgestirns, im Reich des Himmlischen Königs des
Nordens, im Himmel Yü-tan"', befindet.
Wirkung 7: „Er erhält die Jade-Pläne"*^
Im 1. Jahr der Devise Shang-huang zog T'ai-shang Lao-chün los
und reiste zum 'Fluß des Westens'. Dort begegnete er dem Himmels¬
ehrwürdigen Yüan-shih, der in einer „Acht-Sphären Jadesänfte"
saß. Lao-chün verneigte sieh und fragte: 'Früher bin ich durch Sie
belehrt worden und erhielt [von Ihnen] „Himmlische Dokumente,
Jade-Zeichen und die Vierundzwanzig Pläne"*'. Heute begegne ich
Ihnen [wieder] , Himmelsehrwürdiger, und wünsche mir die Vervoll¬
ständigung [meiner Unterrichtung]'. Da nahm jener den „Tung-
hsüan nei-kuan"" Jade-Talisman"** und gab ihn Lao-chün. Lao-chün
*" ch'ien und k'un repräsentieren als „reines Yang" und „reines Yin" die in
den „Wandlungen" enthaltenen Möglichkeiten, siehe H. Wilhelm: Die Wand¬
lung I Ging. Zürich 1958, S. 57-67.
*' Li gilt als Famüienname Lao-tzu's, der zumeist von einem Pfiaumenbaum nahe der Stelle seiner Geburt hergeleitet wird, nach Shen-hsien chuan 1.1b (Tzu- yu Verlag, Taipei 1980, Tao-tsang ching-hua 5-7). In Pien-wei lu 758b heißt es:
„Im Jade-Reich des nördhchen Himmels . . ." (T 52).
„Jade-Pläne" als pars pro toto, für die genannten Offenbarungen.
*^ Siehe TT 22 Yüan-shih um-lao ch'ih-shu yü-p'ien chen-wen t'ien-shu ching 1.4b, TP 1407 Tung-hsüan ling-pao erh-shih-ssu sheng-l'u ching 1 a-18a. Diese Texte reflektieren u. a. die in LCTS genannten Inhalte. Exakte bibliograjihische Angaben sind in LCTS unseres Eraehtens nicht intendiert. Quellen werden nicht genannt (Ausnahme: „Wirkung 63", jedoch nicht belegt). Unsere Textverweise wollen die Möglichkeit geben, Textkreise im Kanon (TT) und Inhalte zu identifi¬
zieren, nieht bibliographische Bestimmungen vorzunehmen, im Sinne von Quel¬
lennachweisen.
** Tung-hsüan nei-kuan, etwa „Zur Durchdringung der Mysterien und zur
Vision der inneren Sphären", siehe IT 1241 Ch'uan-shou San-tuTig ching-chieh fa-lu yüeh-shuo 1 .9 b, wo dieser Talisman mit seiner Transmission, wie in „Wir¬
kung 7", dargestellt ist.
Die „Einundaclitzig Bildtexte Lao-chün's" 461
wendete ihn an, und [die Gottheiten] der drei Teile [seines Leibs]
mit den je acht Sphären ließen sich schauen. Die „Himmlischen
Dokumente, die Jade-Zeichen und die Vierundzwanzig Pläne"
[erstrahlten im freien Raum]*'.
Wirkung 8: „Er läßt die Wahren Schriften durch Wandlungen entste¬
hen"*"
Im 1. Jahr der Devise Lung-han ließ T'ai-shang Lao-chün im zentra¬
len Reich Ta-fu-t'ang"'', im Reich Ch'ih-ming"'' des Südpols, im
Reich Fou-li des Ostpols, im Reich Hsieh-wang des Westens und im
Reich Yü-tan""^ des Nordens die Essenz des vollkommenen Odems
der fünf Richtungen sich zu „Juwel-Zeichen" verbinden. Sie waren
ein chang groß und an ihren acht Ecken sandten sie Lichtstrahlen
herunter. Sie hatten die Gestalt von Wolkenblättern und nahmen
einen Zustand an, in dem sie dahinschwebten.
Wirkung 9: „Er sendet die Lehre der Schriften herab"
T'ai-shang Lao-chün befahl im 1. Jahr der Devise Chung-huang dem
„Herm Blaues-Kind" die himmlischen Schriften zu überprüfen und
zu redigieren. Er brachte die „Juwel-Schriften" in dreihundert Rol¬
len, die Talisman-Pläne in siebentausend Formulare sowie die
„Jade-Instmktionen" in neuntausend Kapitel [gefaßt zusammen].
AiüJerdem ließ er im 1. Jahr der Devise Lung-han die Schriften
Tung-yüan"' in zwölf Sektionen abfassen. Im 1. Jahr der Devise
Ch'ih-ming enthüllte er [dann] die Schriften Tung-yüan in zwölf
Sektionen und im 1. Jahr der Devise K'ai-huang die Schriften Tung-
shen"'' in zwölf Sektionen*'.
W^irkung 10: „[Lao-chün] überliefert [die Kunstfertigkeiten] der Fünf-
Herren"
Nach der Devise Chung-huang war es erstmals, daß T'ai-shang Lao-
chün oberhalb des [Huang-] ho die Dreizehn [Instmktionen] zum
*^ Textergänzung gemäß TT 774 Yu-lung chuan 2.11a.
*° Siehe TT 770 Hun-yüan sheng-chi. 2.9b-10b. „durch Wandlungen" meint durch Selbstentäußerungen Lao-tzu's (Jen-shen '/)■#). Die hier genannten kosmi¬
schen „Reiche" werden mit vielen Varianten gegeben. So sollte es etwa heißen Hsi-na yü kuo-chieh ['S SP3j^ und nicht Äsi Hsieh-wang A:mo g ffl53iS> vgl.
G. Haloun and W. B. Henning: The Compendium of the Doctrines and Styles of
the Teaching of Mani . . S. 192 Anm. 42. Siehe IT 770: 2. lOa-lOb. Vgl. TT 23
T'ai-shang chu-t'ien ling-shu tu-ming miao-ching la-8b u.a., wo die „fünf
Reiche" innerhalb einer Kosmologie unter Yüan-shih t'ien-tsun's Ägide stehen.
*' Die Schriften der „Drei Höhlen" gelten als Grundstock des Taoistischen
Kanons (TT). Ihre Namen sollten sein: Tung-chen „Die Vollkommenheit durch¬
dringen", Tung-hsüan „Das Mysterium durchdringen", und Tung-shen „Das Göttliche durchdringen".
„Leersein und Nicht[-Handeln]" übermittelte . . die Kunstfertig¬
keiten der Fünf-Herren zur Geltung brachte(?).
Wirkung 11: „Er entfaltet lobpreisend [die Schrift] des Ursprünglichen Yang"*»
Weil zur Zeit Fu Hsi's die Menschen grob waren und zerstreut leb¬
ten, so predigte T'ai-shang Lao-chün, der sich im 1. Jahr der Devise
Ch'ing-chuo Yü-hua tzu*"''" nannte, die „Schrift des Ursprünglichen Yang". Fu Hsi wandte [ihre Instruktionen] an, um die Pa-kua""''' zu
zeichnen, Dokumente und Verträge zu schaffen, die himmlischen
Zeichen zu studieren und [daher] Normen abzuleiten. Er legte so die
Ordnung für Eheschließungen fest und legte [die Gesetze] der sittli¬
chen Ordnung dar.
Wirkung 12: „Er etabliert die Töpferei und Metallschmelzerei"
Weil zur Zeit Chu-jung's die Menschen Rohes und Kaltes aßen, so
predigte T'ai-shang Lao-chün, der sich im 1. Jahr der Devise T'ien-
han Kuang-shou tzu"* nannte, die „Schrift der Massage und der
Zirkulation der Essenzen"^^. Chu-jung wandte sie an. Er konnte
** Dieser Abschnitt ist unvollkommen formuliert. „Dreizehn [Instruktionen]
hsü-imi " sind aus TT 1032 Yün-chi ch 'i-ch 'ien 91.12 a- 12 b bekannt. Der Zusatz
„Heilig(e)" ist vermutlich ein Irrtum des Kopisten. Objekt dieses Abschrütts ist, meinen wir, die in Shih-i chi'i.l b-8 a (PPTS Ku-chini-shu) enthaltene Überliefe¬
rung: Bevor Lao-tzu Archivar wurde, hatte er Umgang, verborgen vor den Men¬
schen, mit fünf Unsterblichen — den „Feinessenzen der fünf Richtungen". Sie
erörterten gemeinsam die „Zahlen shu IS; von Himmel und Erde", und eben
hierin ist vielleicht die Kunstfertigkeit shu ^|tj der „Fünf-Herren" zu sehen, die
Lao-tzu dann der Welt tradierte. Siehe auch A. Seidel, S. 101 Anm. 1.
Hiermit wird Lao-tzu als Kulturschöpfer vorgestellt. Er bedient sich der
„Kulturheroen", denen er Sehriften offenbart. Siehe M. Kaltenmark: Mytholo¬
gie. In: W. Franke u.a. ed.: China Handbuch. Düsseldorf 1974, S. 926-932.
Ferner, M. Granet: Chinese Civilisation. Neudr. Cleveland 1964, S. 9-22,
womit auch die folgenden Abschnitte zur Chou-Zeit gedeckt sind.
^" Ein Vergleieh der Ehrennamen Lao-tzu's in LCTS mit Entsprechungen in A. Seidel: La divinisation . . ., S. 65 ff. zeigt z.T. große Varianten, die nicht wei¬
ter notiert werden. Yüan-yang das „Ursprüngliche Yang" ist auch ein Ehren¬
name Lao-tzu's. Siehe IT 1139 San-tung chu-nang 9.6b-7b wo zu LCTS pas¬
sende Zitate aus dem Hua-hu ching aufgeführt sind, s.o. unsere Einführung.
I.e. die acht Trigramme, s.o. zum I-ching, W. Wilhelm (Anm. 40).
„Massage und Zirkulation der Essenzen" waren wesentliche Elemente der
taoistisch-hygienischen Praxis zur Pflege des Lebens, siehe H. Maspero: Les
procedes des 'Nourrir le principe vital' dans la religion Taoiste ancienne. In: Le Taoisme et les religions chinoises. Paris: Gallimard 1971, S. 481-589. Wir halten es für verfehlt, die Angaben in LCTS mit konkreten Titeln verbinden zu wollen, s.o. Anm. 43.
Die „Einundaclitzig Bildtexte Lao-chün's" 463
sodann Hölzer bohren und Feuer machen, töpfem und [Metalle]
schmelzen, um Gefäße herzustellen.
Wirkung 13: „Er lehrt säen und ernten"
Weil zur Zeit Shen-nung's die Menschen Vögel und Getier zu ihrer
Ernährung fingen, so predigte T'ai-shang Lao-chün, der im 1. Jahr
der Devise Ch'ing-han sich Ta-ch'eng tzu"" nannte und in Chi-jdn wohnte, die „Schrift; von den Ursprünglichen Essenzen, von T'ai-i".
Shen-nung wandte sie an. Er ließ die hundert Getreide aussäen, um
damit das Sieden und Töten zu ersetzen. Er mischte all die Medizi¬
nen, um bei Krankheit zu helfen.
Wirkung 14: „Er eröffnet den Gebrauch der Gegenstände [des tägli¬
chen Lebens]"
T'ai-shang Lao-chün zeigte in der Zeit nach Fu Hsi der Welt eine
gesetzliche Ordnung, sowie die Riten und die Musik. Er erschuf die
Bekleidung, ließ Paläste und Häuser bauen, Schiffe und Wagen. Er
setzte [die Verwendung von] „inneren und äußeren" Särgen [bei der
Bestattung] ein, regelte [die Verwendung] von Pfeil und Bogen,
setzte Strafen und Gefängnisse ein. Er kultivierte die Dokumentar-
und Vertragskunst [im Staat], ließ Rind und Pferd [ihre richtige]
Verwendung finden, schuf Pistill und Mörser, ließ [feste Ummaue-
rungen] mit doppelten Toren einrichten und die Tagesmitte als
Marktzeit festsetzen.
Wirkung 15: „Er wohnt am Berg K'ung-tung"
T'ai-shang Lao-chün nannte sich zur Zeit Huang-ti's Kuang-ch'eng
tzu"^ und wohnte am Berg K'ung-tung. Huang-ti ging, ihn aufzusu¬
chen und befragte ihn nach dem höchsten Tao''. [T'ai-shang Lao-
chün] sagte: 'Wonach Sie fragen, das ist die Qualität der Wesen.
Wie könnte sie genügen, um an das höchste Tao heranzureichen?'
Huang-ti zog sich zurück und blieb [dort] drei Monate lang in
Erwartung. Dann ging er wieder hin, um ihn [um Auskunft] zu bit¬
ten. Auf den Knien rutschend stellte er seine Frage nach der „Kon¬
trolle über den Leib". [Lao-chün] sagte: 'Gut' so gefragt! Die feinste
Essenz des höchsten Tao, sie ist dunkel und mysteriös. Das Höchst¬
maß des vollkommenen Tao, es ist chaotisch-vermischt und ruhig¬
schweigend. Da ist kein Sehen und kein Hören. Wer die spirituellen
Kräfte [in sich] umfaßt, um in [irmerer] Ruhe zu verharren, der wird
selbst das Richtige treffen". Der Kaiser vemahm dies, was die Rede
Kuang-ch'eng tzu's war.
In IT 1139 San-tung chu-nang 9.6b {Hua-hu ching) enthüllte Lao-tzu zur
Zeit Huang-ti's das Tao-ch'eng ching.
Wirkung 16: „Er wird Lehrmeister der Kaiser"^*
Das Jade-Mädchen T'ai-hsüan"' lebte zur Zeit [der Djmastie] Shao-
hao's als Mensch in Shu, am Berg Ch'ang-sung. Sie kultivierte das
„Tao des Langen Lebens" und erwirkte [dadurch], daß sich T'ai-
shang Lao-chün mit einer Heerschar von Unsterblichen auf einem
gewaltigen Felsen, aufder linken Seite des Berges, niederließ. Gött¬
liches Leuchten erstrahlte ringsherum. Das Jade-Mädchen eilte
dorthin, und T'ai-shang Lao-chün übergab ihr Schriften, die in den
acht [Himmeln] verborgen waren.
Wirkung 17: „Er übergibt die Verborgenen Schriften"
Von T'ai-shang Lao-chün gibt es aus der Zeit der [Herrschaft von]
Shao-hao''", Chuan-hsü''\ Ti-k'n*-", T'ang-yao", Yü-shun''% Hsia- hou'''^ und Yin-t'ang''" Schriften, die er übermittelt hat**^.
Wirkung 18: „Der Tag, an dem seine Heüigkeit geboren wurde"**
Es war im Jahre Keng-shen des achtzehnten Königs der Yin, Yang-
chia, daß T'ai-shang Lao-chün das Jade-Mädchen Chen-miao'''' am
Tage ruhen [ließ]. Im Traum schluckte sie die Feinessenzen der
Sonne, die sich zu einer fiinffarbigen Kometenperle gewandelt hat¬
ten. Daraufhin wurde sie schwanger, einundachtzig Jahre lang bis
zum zweiundzwanzigsten König, Wu-ting. Im Jahre Keng-ch'en, am
15. Tag des 2. Monats lehnte sich die heilige Mutter an einen Maul¬
beerbaum. Sie öffnete ihre linke Hüfte und gebar ihn.
Auch wird in dem „Bericht Hsüan-chung'' gesagt, daß Li Ling-fei'"
das „Tao der Kultivierung der Vollkommenheit" erlangt hatte und
[daher] keine Beamtendienste leistete. Seine Frau, eine geborene
Yin, ruhte tagsüber, als sich der Himmel im Traum mehrere chang
weit öffnete. Sie sah T'ai-shang, der auf Sonnenessenzen saß, neun
Drachen lenkend herniederkam und sich in eine fünffarbige Kome¬
tenperle wandelte. Sie schluckte diese Perle und wurde schwanger.
Wirkung 19: „Er wird Hofregistrar"^'
T'ai-shang Lao-chün nannte sich zur Zeit des Chou-Königs Wen,
Pien-i tzu""' und wohnte am Berg Ch'i. Die Chou hörten von ihm und Lao-tzu als „Lelirmeister" der Kaiser ist ein Standartmotiv, das u.a. beim T'ang-Herrscherhaus große Beachtung fand, siehe F. C. Reiter: Das Selbstver¬
ständnis des Taoismus zur T'ang-Zeit in der Darstellung Wang Hsüan-ho's. In: Sae¬
culum 33 (1982), S. 256.
Zu diesen Herrschern, siehe Anm. 49. Vgl. Y. Yoshioka, S. 210-211.
'''' Die bekanntesten Versionen der „Geburt" Lao-tzu's sind in LCTS vereint, siehe zudem „Wirkung 25, 45". Sie verbinden die Überlieferungen zu „Buddhas"
Geburt mit dem Thema der „Bekehrung der Barbaren". S.o. Anm. 41.
Zu diesem Thema siehe A. Seidel: La divinisation . . ., S. 16, 67 u. a. Die genannten Titel erinnern an TT 22 Yüan-shih wu-lao ch'ih-shu yü-p'ien chen-wen
m
Die „Einundaclitzig Bildtexte Lao-chün's" 465
luden ihn ein, als Archivsekretär zu dienen. Er verfaßte [damals]
das Buch Ch'ih-ching^'^ . Als die Chou die Shang-[Herrschaft] über¬
wanden, luden sie ihn ein Hofregistrar zu sein. Er verfaßte das Buch
Hsüan-chi'^ und übergab es dem Herzog der Chou. Zur Zeit der
Könige Ch'eng und K'ang war er auch Hofregistrar.
Wirkung 20: „Er gibt seinen Rang bei den Chou auf
Nach den Zeiten der Chou-Könige Ch'eng und K'ang trat T'ai-shang
Lao-chün [als Beamter] ab und zog sich nach Po"** zurück. Zur Zeit
des Chou-Königs Chao ließ er das Unheil verheißende Vorzeichen
des „schwarzen Odems" erscheinen. Er übergab dem König die
„Verborgenen Schriften der acht Himmel". Dieser jedoch schenkte
ihnen keinen Glauben und traf so später auf sein fatales Geschick,
in das ihn das „geklebte Schiff [brachte]*".
Wirkung 21: „Er überschreitet den Han-Paß"
Als T'ai-shang Lao-chün zu den „driftenden Wüsten" reisen wollte,
[zeigte sich] zuerst purpurner Odem, der nach Westen über den
Han-ku [Paß] zog. Ein Astronom der Chou-[Herrscher], Yin Hsi*"",
der dort als Paßwächter stationiert war, sah [die purpurnen Wol¬
ken]. Da fastete er und reinigte sich, um [ihn] zu erwarten. Dar¬
nach, am 12. Tag des 7. Monats kam T'ai-shang Lao-chün schlie߬
lich in einem Wagen mit einem grauen Rind [als Zugtier]. Yin Hsi
sagte: 'Der Heilige ist da'. Lao-chün sagte: 'Woher wissen Sie das?'
Yin Hsi antwortete: 'Im vergangenen Winter war es, daß die T'ien-
li'"' Sterne"" nach Westen ziehend über das Maß leuchteten. Seit
dem Herbst gerade kamen dreimal frische Frühlingsbrisen bis hier¬
her. Der vollkommene Odem von Ost und Süd nahm Gestalt an wie
t 'ien-shu ching und TT 1417 Ch'i yiian hsüan-chi chao-nio p'in ching, deren Nen¬
nung jedoch nur unter Vorbehalt (s.o.) erfolgt. Die in LCTS nun folgende Lauf¬
bahn Lao-tzu's ist z.B. in TT 772 T'ai-shang Lao-chün chin-shu nei-hsü zusam¬
mengefaßt, sie gehört zum allgemeinen „Kulturwissen" in China.
Po-chou in Ho-nan gilt als Geburtsort Lao-tzu's, wo sich ein bedeutendes Zentrum, der „Palast der Höchsten Reinheit" befand, s.u. „Wirkung 79".
Es war Zeiehen des nicht erleuchteten Potentaten, dessen „Mandat" abge¬
laufen war, daß er die Gabe der Schriften Lao-tzu's nicht zu würdigen wußte, ein klarer Fingerzeig für alle Machthaber in China. Siehe Shih-chi 4 (Chou pen-chi), S. 41 b (Cheng-i, Ti-wang shih-chi), Taipei 1970 (Tung-hua Verlag). König Chao machte einen Feldzug gegen den Staat Chi. Als er in ein Schiff stieg, das ihn iiber den Fluß Han bringen sollte, ertrank er. Das Schiff war absichtlich mit einem Leim geklebt, der sich allmählich, bei der Uberfahrt, auflöste.
Die T'ien-li Sterne sind vier, siehe Shih-chi 2 7 ( T'ien-kuan shu, k 'ao-cheng) , S. 407 a, 424 a.
Drachen und Schlangen. Dies sind Wirkungen, [die anzeigen] , daß
ein Vollkommener kommen wird.
Wirkung 22: „Er unterwirft Hsü Chia einer Prüfung""'
T'ai-shang Lao-chün sagte zu seinem Schüler Hsü Chia'"': Tch will
zu den westlichen Regionen reisen'. Am Han-ku [Paß] angekommen
unterwarf er ihn heimlich einer Prüfung, [wozu] er ihn denn beauf¬
tragte das [graue] Rind zu weiden. [Lao-chün] nahm eine Glücks¬
kleeblume und verwandelte sie in ein Mädchen, das er dorthin
gehen ließ, wo der Hirte weilte. Hsü Chia empfand Sympathie für
sie, kündigte sodann seinen Kontrakt [mit Lao-chün] und verlangte
nach [seiner Entlohnung] in Gold. T'ai-shang Lao-chün sagte: 'Frü¬
her, als deine Lebensspanne schon erschöpft war, da nahm ich
einen T'ai-hsüan sheng^'' Talisman"- und warf ihn [auf dich] , daher
lebtest du!' Als seine Worte zu Ende waren, kam der Talisman aus
Hsü Chia's Mund herausgeflogen, und jener wurde wieder zu [einem
Haufen] gebleichter Knochen. Yin Hsi verneigte sich und ersuchte
um eine Amnestie für das Vergehen [Hsü Chia's]. T'ai-shang Lao-
chün warf daraufhin den Talisman [auf die Knochen] , und Hsü Chia
war wieder so wie früher.
Wirkung 23: „Er belehrt Yin Hsi"
T'ai-shang Lao-chün begegnete auf seiner Reise nach Westen Yin
Hsi. Yin Hsi lud den Heiligen zu einer Fahrt ein. Sie gelangten zum
alten Logis Yin Hsi's in den Chung-nan Bergen"', wo dann aus
Schilf ein Wohngeschoß erstellt wurde, in das sie sich nun zurückzo¬
gen. Yin Hsi erbat sich die Abfassung von Büchem. T'ai-shang Lao-
chün übergab also Yin Hsi das Tao-te ching in fünftausend Worten,
[Schriften] zum „Großen Elixir", und legte die Essenz in den „Ab-
schnitt-Erklämngen" [zum Tao-te ching] fest"*.
Siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9.9a-10a (Lao-tzu hua hsi-hu p'in,
Quelle: Wen-ahih hsien-sheng wu-shang chen-jen kuan-ling nei-chuan).
Siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9.9b, hier heißt es: T'ai-hsüan ch'ang- sheng fu, ein Talisman des „Langen Lebens".
*' Die Chung-nan Berge sind in Shan-hsi, zum „Mehrstöckigen Belvedere"
dort, dem Yin Hsi geweihten Tempel, sowie zu seinen späteren Beziehungen zur
Ch'üan-chen Sehule, siehe F. C. Reiter: Some Observations Conceming Taoist
Foundations In Traditional China: In: ZDMG 133 (1983), S. 375.
Laut Pien-wei lu 760 e (T 52) erhält Yin Hsi zum Tao-te cAingr Erklärungen,
die Tao und Te physiologische bzw. kosmologische Wertungen und Inhalte
geben. Zudem erhält er eine Reihe alchimistischer Schriften. Dies bestimmte
unsere Ergänzung. Siehe auch Haruki Kusuyama: Röshi densetsu no kenJcyü.
Tokyo 1979, S. 199ff.
Die „Einundachtzig Bildtexte Lao-chün's" 467 Wirkung 24: „Er steigt in den T'ai-wei'"' [Himmel] auf'"^
Es war im 26. Jahr Chia-yin unter König Chao, die „Wahren
Berichte" sagen, es war das 24. Jahr Chia-yin, daß T'ai-shang Lao-
chün sich bereit machte, in den Himmel aufzufahren. Da sagte er zu
Yin Hsi: 'Nachdem Sie sich tausend Tage lang geläutert haben und
gefastet haben, gehen Sie nach Ch'eng-tu zu einem Geschäft, das
mit grauen Schafen [handelt]''''. Dort suchen sie mich'. Als seine
Rede zuende war, konnte Yin Hsi ihn nicht mehr sehen. Da schlug
er seine Stirn auf den Boden und erklärte: 'Ich wünsche Sie noch ein
einziges Mal zu schauen'. Als er dann nach oben blickte, sah er T'ai-
shang Lao-chün. Er saß über „Wolken-Blumen", seine äußere
Erscheinung war wie die eines güldenen Menschen, [und so] fuhr er
mit all den anderen Unsterblichen in den T'ai-wei [Himmel] auf.
Wirkung 25: „Er trifft [Yin Hsi] bei den grauen Schafen"
T'ai-shang Lao-chün wandelte seinen Leib und kam in Shu hernie¬
der. Er überantwortete sich einer Schwangerschaft im Hause Li. Im
Jahre Ting-ssu kam Yin Hsi nach Shu und suchte auf dem Markt
herum. Da sah er einen Mann, der ein Schaf [an der Leine] führte.
Yin Hsi erklärte sich selbst: 'Da ist nun ein graues Schaf, noch dazu
bei den Marktgeschäften. Dies entspricht der Vereinbarung mit
T'ai-shang'. So fragte er, wo das Schaf hingeführt würde. 'Nach
Hause', war die Antwort. Yin Hsi begleitete ihn und gab [dem Mann
mit dem Schaf] den Auftrag, ihn [zuhause seinem Kind] anzukündi¬
gen. Als Yin Hsi [dann vor dem Kind] ankam, ließ die Erde ein
„Jade-Büro" aus sich rasch hervorkommen. T'ai-shang Lao-chün
nahm einen Leib aus weißem Gold an'''. Er saß [also] in diesem
Jade-Büro und verlieh Yin Hsi den Ehrentitel 'Wen-shih hsien-
sheng'"^««.
Wirkung 26: „Er bereist alle Himmel"
T'ai-shang Lao-chün und Yin Hsi machten oben [in den Himmeln]
dem [Himmelsehrwürdigen] Yüan-shih ihre Aufwartung. Sie berei¬
sten die Länder all der Gottkaiser. In dem Himmelspalast, in den
°° Für die Abschnitte „Wirkung 24, 25" siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9.16b-17a, sowie TT 590 Tao-chiao ling-yen chi 2.4a-5a.
S.u. „Wirkung 80", wo dieser Ort erneut genannt wird.
Zu den Insignien taoistischer Gottheiten (hsiang-hao) im Kontext meditati¬
ver Tradition, siehe A. Seidel: La divinisation ... S. 97 ff. Unseres Erachtens ermöglicht ihr Kontext in TT 1139 San-tung chu-nang 8/9 (Hua-hu ching Zitate) praktische Erklärungen, siehe F. C. Reiter: Das Selbstverständyiis . . ., S. 248-
249. Vgl. TT 774 Yu-lung chuan 4.1 a-1 b.
*"* Wörtlich: „Herr Anbeginn der Schrift".
32 ZDMG 136/2
sie gelangten, sahen sie den Himmelskaiser, der in einer neunfach¬
magischen Sänfte saß, überdacht von einem „Baldachin der Sieben-
Ursprünge", den Insignienwedel zur „Befriedung der Dämonen"
aufrecht haltend. Er hieß T'ai-shang Lao-chün willkommen und
befragte ihn nach dem höchsten Tao.
Wirkung 27: „Er betritt Chi-pin"''^'"*
T'ai-shang Lao-chün hatte an „T'ai-shang Lao-chün den Auftrag
gegeben", die westlichen Gefilde zu bekehren und nach Chi-pin zu
gehen. Er wohnte [dort] am Berg K'u. Als der König der Hu zur
Jagd auszog, sah er einen Regenbogen, der durch die Sonne hin¬
durchging. [Daraufhin] sah er dann T'ai-shang Lao-chün und
fragte, wer er sei. Er antwortete: 'Einer, der Tao kultiviert'. Der
König sagte: 'Ich habe noch nicht gehört, daß es Tao gibt'. [T'ai-
shang Lao-chün] sagte dazu: 'Das Große Tao ist unendlich, gewal¬
tig!' Der König änderte [seinen Sinn] und tat entsprechend kund,
daß er [T'ai-shang Lao-chün's Unterweisung] annehme.
Wirkung 28: „Er bekehrt die Prinzen"
Die Söhne des Königs von Chi-pin waren sieben. Sie kamen mit
ihrem Gefolge zur Audienz bei T'ai-shang Lao-chün und sagten bei
ihrer Begegnung [mit ihm] ehrfiirchtig: 'Wir wurden in Grenzregio¬
nen geboren und haben nun das Glück einem Heiligen zu begegnen.
Wir bitten [Sie] um Unterrichtung über das Tao der Bewahrung des
Friedens'. T'ai-shang sagte: 'Sie sollten angemessen die wesent¬
liche Sache der „dreifachen Harmonie und der sechs Feinheiten"
kultivieren'". Innerlich bewahren Sie sich selbst, äußerlich erwirken
Sie so Frieden!' Die Prinzen und [alle um sie] verneigten ihre Häup¬
ter und befolgten [diese Belehrung].
Wirkung 29: „Er versammelt alle Heiligen"
Der König der Hu und seine Entourage reisten wiederum zum Berg
[K'u] . Sie verneigten sich und fragten: 'Ihre Rede zuvor war tief und
mysteriös, noch haben Sie uns [aber] die außerordentlichen Fein¬
heiten nicht anvertraut. Welche Gesetze wünschen [Sie] , sollen wir
praktizieren?' T'ai-shang sagte: 'Gestern hieß ich Sie und die Ihren
Buddha dienen. Ich werde eine fieischlose Speisung vornehmen, um
Chi-pin, i.e. Kashmir oder Gandhära, siehe L. Petech: Northem India
according to the Shui-ching-chu. Roma 1950, S. 63 fr., ferner D. D. Leslie and K.
H. J. Gardiner: Chinese Knowledge of Westem Asia During the Han. In: TP 68
(1982), S. 273, Anm. 26.
'" San-shun liu-wei, vermutlich sind die umfassenden Regeln der sozialen Ordnung gemeint, vgl. P'ei-wen yün-fu zu liu-wei, und drei physische Elemente (shen, ching, ch'i).
Die „Einundaclitzig Bildtexte Lao-chün's" 469
die Bekehrung zu erwirken'. Der König und das gesamte Staatsvolk
kamen [hierzu] zusammen und nach sieben Tagen gingen sie aus¬
einander. Die Prinzen luden nun wiederum T'ai-shang zu einem
fleischlosen Essen ein. T'ai-shang zitierte unendlich viele „göttliche
Menschen" herbei, die über einen ganzen Monat hin kamen, ohne
daß ihre Zahl erfüllt worden wäre. Die Lagerhäuser der Prinzen
waren schon zur Hälfte geleert, und die „göttlichen Menschen"
kamen weiterhin ohne Ablaß".
Wirkung 30: „Er legt das Buch vom Gold-Glanz dar"
Der König der Hu sagte: 'Die Entourage des T'ai-shang ist schlie߬
lich so zahlreich geworden, daß sie meine Lagerhäuser bald geleert
sein lassen wird. Soll das etwa [das Verhalten] eines Mannes sein,
der Tao besitzt? Ich habe [diese Frage] schon untersuchen lassen.
Es muß sich hier um üble Dämonen handeln, und wenn ich nicht
frühzeitig Maßnahmen plane, sind immer mehr Verluste und Schä¬
den zu befürchten. Es wäre angemessen sie eilends zu verbrennen'.
Er ließ Brennholz sammeln und [Lao-chün mit seinen Begleitern]
von Truppen umringen. Da zeigte sich T'ai-shang freimütig und
ging hinein [in das Feuer]. Das ganze Volk des Landes sah zu. T'ai-
shang's Leib erstrahlte [nun] leuchtend und inmitten im Feuer pre¬
digte er das Chin-kuang ming-ching^"'^ . Wirkung 31: „Er läßt blauen Lotos hervorsprießen"
Der König der Hu hatte sich in seiner Wut ganz mächtig gesteigert.
So nahm er nun einen großen Eisenkessel, um [Lao-chün] zu sieden.
Das dauerte drei Tage und drei Nächte lang. Aus den kochenden
Brühen im Kessel sprossen aber Lotosblüten hervor, und T'ai-
shang saß auf diesen Lotosblüten. Er predigte das „Buch von der
Lotos-Blüte"" und sagte zum König: 'Die göttliche Kraft dieser
Schrift ist nicht anzuzweifeln. Sie kann kochende Brühe und Feuer
abwehren. Sie können [sie] erhalten und anwenden'.
Wirkung 32: „Er läßt sich vom göttlichen Drachen tragen"
Der Körüg der Hu wand sich vor Wut. Da befahl er, [Lao-chün] ins
Wasser zu versenken. T'ai-shang Lao-chün aber ging ganz freimütig
" Lao-tzu hat das Volk auf wundersame Weise genährt. Die Gegeneinladung
muß zu einem Desaster werden, siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9.11b-12b
(Wen-shih . . . nei-chuan).
In TT 1139 San-tung chu-nang 9.11b-12b rezitiert Lao-tzu, auf einer
Lotosblüte sitzend das Tao-te ching. Das „Gold-Licht Sütra" Chin-kuang ming- ching ist mit dem Beginn der T'ien-t 'ai Schule des Buddhismus verbunden, siehe
TFP 1303 c.
Das „Buch von der Lotosblüte" verweist auf den Textkreis des Lien-hua
san-mei ching, siehe TFP 2556 a, b.
32*
hinein [ins Wasser]. Das Wasser konnte ihn [jedoeh] nicht erträn¬
ken, [denn] ein götthcher Drachen hielt ihn über dem Wasser. [In
dieser Lage] predigte er das „Buch vom Nirvana"'*.
Wirkung 33: „Er weist [die Angriffe von] Schwertern und Hellebarden
ab"
Der König der Hu benachrichtigte sein Nachbarland: Tn meinem
Land gibt es einen alten Mann, der völlig ungewöhnliche Wandlun¬
gen und Wirkungen zeigt. Ich wünschte, daß [meine Nachbarn]
Truppen bereitstellen, um [uns] zu helfen! In kürzester Zeit umring¬
ten alle Hu-Soldaten Lao-chün, um ihm zuzusetzen. T'ai-shang's
Leib sandte mächtige Strahlen aus. Rasende Blitze flogen [den Sol¬
daten] entgegen. Es klang wie schärfste Donnerschläge. Die Pfeile
und Steingeschosse flogen zurück und trafen die Soldaten der Hu.
Die Soldaten der Hu und ihr König warfen sich zu Boden und erwie¬
sen [Lao-chün] ihre Reverenz. Sie unterwarfen sich dem Tao und
bekannten sich zur Lehre [Lao-chün's].
Wirkung 34: „Er stellt Buddha dar"
T'ai-shang Lao-chün befahl Yin Hsi, 'Buddha zu sein''*. Dann sagte
er zum König der Hu: 'Ich habe Deinen Lehrmeister angewiesen.
Dir Deine Vergehen zu erlassen'. Alle Hu waren von großer Freude
erfüllt. Daraufhin predigte T'ai-shang die „Schrift in Zweiundvierzig
Abschnitten". [Dann] sandte er die Gottkönige, die „in den Him¬
meln fliegen", um diejenigen im Volk [dieses Landes,] die in ihrem
Herzen Freude [an der Lehre] erweckt hatten, anzuführen, sich
Bart und Haupthaar zu scheren, die eine Schulter zu entblößen, die
Hände [zum Gebet] zu falten und sich orange einzukleiden, um so
die Mönchsschaft des Buddha zu sein. Dadurch übermittelte er
[ihnen] die Lehre des Buddha.
Wirkung 35: „Er unterdrückt die häretischen Lehren"
T'ai-shang Lao-chün wohnte im Land Sa-lo**" in der Stadt She-t'i-
p'o**". Er setzte sich auf einen Löwen'" und zusammen mit all den
Hier ist wohl das Mahäparinirväna-sütra des Mahäyäna-Buddhismus ge¬
meint.
Siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9.14a [Wen-shih . . . nei-chuan). Die
„Schrift in 42 Abschnitten" (Wirkung 34) wird in TT 1139 loc. cit. nicht genannt.
Sie wird den ersten indischen Missionaren in China, Kääyapa Mätahga und
Dharmaratna (?), zugeschrieben, siehe E. Zürcher: The Buddhist Conquest of
China. Leiden/Taipei 1975, S. 22. Siehe TFP 745c.
" „Löwe, Simha, ein Symbol für Buddha, siehe Soothill S. 324 a. Zu Sa-lo, Sälve-sälva, siehe TFP 2802 c, sowie Soothill 468 a, als Name eines I^^andes bzw. Volkes. Die Stadt She-p'o-t'i (in „Wirkung 35", Zeichenvertauschung) , Srä-
Die „Einundaclitzig Bildtexte Lao-chün's" 471
Unsterblichen unterdrückte er die sechsundneunzig Arten von häre¬
tischen Lehren. Er hinderte [so] die Dämonen und Gottheiten der
Unterwelt daran, sich in der Menschenwelt auszubreiten.
Wirkung 36:„Er verbirgt Sonne und Mond"
T'ai-shang Lao-chün [hielt sich] im Lande Chia-i'"*'" auf. Der König
dort liebte es zu töten. Zunächst glaubte er nicht an die wahre
[Lehre]. Als er wildeste Vergehen zeigte, nahm T'ai-shang mit der
linken Hand die Sonne, mit der rechten den Mond und verbarg sie in
seinem Kopf. Himmel und Erde waren in Finsternis getaucht, und
die Menschen dieses Landes gerieten in Furcht.
Wirkung 37: „Er schlägt den Berg T'ai weg"
T'ai-shang Lao-chün kam ins Land T'iao-chih''"'*. Es gab dort einen
Meister häretischer [Lehren], der illusionistische Methoden prakti¬
zierte. Der König [dort] teilte dies dem Heiligen mit. Er beauftragte
[dabei Lao-chün, einen Berg] zu entfernen. Im Land gab es [nämlich
den hinderlichen] Berg T'ai. T'ai-shang befahl [nun] Yin Hsi, den
Berg „unter Kontrolle" zu bringen. Der Berg [aber] bewegte sich
daraufhin nicht. Nun bat der König T'ai-shang, [den Berg] zu entfer¬
nen. T'ai-shang nahm seinen neungliedrigen Stock, schlug [diesen
Berg] weg und warf ihn von sich, wie wenn jemand einen Klumpen
Erde eben von sich fortwirft. Da empfingen der König und sein Volk
den Meister der häretischen [Lehren] nicht mehr. Vereinten Sinnes
schlössen sie sich Tao an und verehrten T'ai-shang. Für immer wur¬
den sie seine Anhänger.
Wirkung 38: „Er bereist [das Land] Yü-t'ien""*
Als T'ai-shang Lao-chün sich im Land Yü-t'ien''* aufhielt, führten
die Prinzen dort die Menschen des Landes an und empfingen [Lao-
vasti, war ein bevorzugter Aufenthaltsort nordwestlich von Kapilavastu z. Z. Sä-
kyamuni's, siehe Soothill 279b.
" Das Land Chia-i, i.e. Kapilavastu, die Geburtsstadt Buddha's, siehe TFP
1628o, 1632 a, ferner H. H.\ckmann/J. Nobel: Erklärendes Wörterbuch zum
Chinesischen Buddhismus. Marburg/Leiden o.J., Bd. 2, S. 69.
T'iao-chih, i.e. das Seleukiden-Reich, ein Gebiet im äußersten Westen, siehe D. D. Leslie and K. H. J. Gardiner: Chinese Knowledge . . . S. 290-297.
Lao-tzu erkennt, daß der König bekehrt werden kann. Der Versuch von
Magiern, ein Naturhindernis beseitigen zu lassen, seheitert, was LCTS nieht
ausführt. Lao-tzu kann ein passendes Zeugnis seiner Macht geben. Unsere
Ergänzungen entsprechen den Inhalten in TF 770 Hun-yüan sheng-chi. 4.15 a-
16a.
Das Land Yü-t'ien ist mit Khotan zu identifizieren, siehe Soothill 81 a.
Zu „Regeln der Disziplin", die Lao-tzu hier (?) vermittelt, siehe Hua-hu ching 12 chieh, in TP 1032 Yün-chi ch'i-ch'ien 39.16b-18a, wobei dieses Land freilich
nicht genannt wird. Siehe Y. Yoshioka, S. 489 (Lao-tzu hua-hu ching 8).
chün] auf dem BergNan-chü. Sie heßen [für ihn] eine Klause bauen.
T'ai-shang sagte: 'Ich lehre Sie, [wie] Sie sich auf die „Regeln der
Disziplin" stützen. Sie dürfen keine sexuellen Ausschweifungen
treiben, keinen Alkohol trinken und nicht töten'. Der König [fragte
Lao-chün], was er zudem noch an Lehrinhalten habe. T'ai-shang
sagte: 'Was ich praktiziere ist eine Bekehrung gemäß der [konkre¬
ten] Situation**". Alle schließen sich [so] der Lehrgefolgschaft an.
Wenn ein Volk die Unterscheidung zwischen sträflichem und glück¬
lichem [Tun] nicht kennt, dann nehme ich die Methode des Buddha,
um [ihren] Leib und Geist unter Kontrolle zu bringen und zu verfei¬
nern'. Der König sagte: 'Gut!' T'ai-shang befahl Yin Hsi seine
Gestalt in einen „Goldenen Menschen" zu verwandeln. Sein Leib
wurde 1. 6 chang groß, um sein Genick entfaltete sich ein Strahlen¬
kranz, sein Füße traten auf Lotosblüten. Aus dem freien Raum kam
er hernieder und erwies Lao-chün seine Reverenz*'. T'ai-shang
sagte zum König: 'Dies ist mein Schüler. Er wird nun Euer und
Eures Gefolges Lehrmeister sein'.
Wirkung 39: „Er läßt seine magische Reisschale zurück"
T'ai-shang Lao-chün sprach zu all den Mönchen: 'Ich habe eine
magische Reisschale. Sie verhilft immer zum „Geschmack der
Lehre", [auch] läßt sie die spirituellen Kräfte und den Odem harmo¬
nisch und ausgeglichen sein'. Er befahl den „göttlichen Menschen,
die in den Himmeln fliegen", diese Schale in den freien Raum zu
stellen und für ihre Bewahrung und ihren Schutz zu sorgen. Diese
Reisschale heißt To-lo^^^^, ihre Ehrenbezeichnung lautet San-man-
to""*'. Wer rein und ruhig ist, der kann sie schauen. Leichtfertige
und verächtliche Leute sehen sie [jedoch] nicht.
Wirkung 40: „Er bekehrt alle Länder"
T'ai-shang Lao-chün unterwarf sich alle fremden Lehren. Sein Leib
schickte göttliches Leuchten in den neun Farben aus, deren durch-
'" In TT 770 Hun-yüan sheng-chi 4.18b verweist Lao-tzu darauf daß für
China der Taoismus das angemessene Lehrsystem sei, dessen Praktiker „die
Menschen retten, die Jahre verlängern würden und die schließlich, bei vollem Erfolg, zu den Unsterblichen aufführen . . ." u.a.
**' Siehe TT 1139 San-tung chu-nang 9. \9&-\9h, wo Lao-tzu ähnhch beschrie¬
ben wird wie hier Yin Hsi. LCTS kombiniert inhaltlich Elemente aus TT 1139:
9.14a und 19a (Wen-shih . . . nei-chuan und Hua-hu ching).
I.e. Pätra, die Almosenschale des Buddha, siehe Soothill 418a und TFP
1052 a-b.
*' San-nian-to, vermutlich für „samanta" mit der Bedeutung „duflend/bfü- hend", siehe Soothill 68 a.
Die „Einundaclitzig Bildtexte Lao-chün's" 473
dringendes Strahlen die Länder der vier Regionen [erleuchtete].
Von all den Orten, welche die Strahlen [des T'ai-shang Lao-chün]
erreichten, durften sie kommen, die über achtzig Könige, mit ihren
Frauen, Konkubinen und Angehörigen. Alle versammelten sich, um
die Lehre zu hören. T'ai-shang sagte: 'Ich wünsche, daß Ihr und alle
Anderen Euren Sinn, der zum Töten und Verletzen [neigt], im Zaum
haltet. So denn heiße ich heute meinen Schüler Yin Hsi, „Buddha"
zu werden**. Ich lasse [ihn] Euch [hier] als Lehrmeister'. Yin Hsi's
Leib erstrahlte im Goldglanz und nach Osten blickend nahm er
Platz. T'ai-shang überließ ihm seine Reisschale und das Waschbek-
ken und erhob sich in den Himmel.
Wirkung 41: „Er gelangt nach Indien"
T'ai-shang Lao-chün hatte zuvor auf dem Pamir-Gebirge einen riesi¬
gen giftigen Drachen gebändigt. Südlich [von ihm] gelangte er nach
Wu-ch'ang'''''** und durchreiste fünf indische Länder. [Ihre Könige]
empfingen T'ai-shang auf dem Berg Shih-tu*" unter einem freiste¬
henden Baum. Er zauberte sich einen Jade-Thron hervor und pre¬
digte [auf ihm sitzend] den Königen den Buddhismus, schuf die
Vinaya und ordinierte Mönche. [So] setzte er die Lehrgesetze des
Buddhismus ein.
Wirkung 42: „Er betritt [das Land] Mo-chieh"**'
T'ai-shang Lao-chün betrat das Land Mo-chieh'"' und ließ seltene
Zeichen erscheinen. Er nahm einen leeren Krug*"* in die Hand, um
Wir beachten, daß hier die Präsentation Yin Hsi's als „Buddha" wiederholt wird, s.o. „Wirkung 38".
Wu-ch'ang, auch als Wu-chang-na ,^ (i f|5 bekannt, i. e. ein Königreich
Udyäna im Nord-Westen Indiens, siehe Soothill 329b, ferner Mochizuki
Shinkö: Bukkyö daijiten. Tokyo 1937, S. 218b.
Der Berg Shih-tu, der „Geier-Berg" nahe Räjargrha, siehe Soothill 336 b,
siehe Mochizuki Shinkö: Bukkyö daijiten, S. 519a (grdhra-küta), S. 1230a
(gijjhaküta).
*" Das Land Mo-chieh, i. e. Magadha, ein Königreich in Zentralindien. Gemäß
LCTS wurde Lao-tzu hier Mar-Mapi, Begründer des Manichäismus. Zum Mani¬
chäismus in China, siehe W. Eichhorn: Die. Religionen Chinas. Stuttgart 1973, S. 257-259. Siehe Pien-wei lu 761 b (ebenfahs „Wirkung/Wandlung 42") (T 52),
sowie E. Chavannes et P. Pelliot: Un traite . . ., S. 128. Zu Magadha, siehe
auch Mochizuki Shinkö: Bukkyö daijiten, S. 4727a.
Die Nennung des „leeren Krugs" erinnert, als Mittel der Bekehrung, an K'ang Seng-hui, der A. D. 247 in die Hauptstadt des Reichs Wu kam und von der
Allmacht Buddhas sprach. Sun Ch'üan, der Herrscher, hegte Zweifel. K'ang
Seng-hui erreichte es, daß bei religiösen Übungen eine Reliquie wundersam in
seine leere Flasche gelangte. Dieser Umstand, wie ihre Echtheitsbeweise (Unzerstörbarkeit u.a.), führten zur Errichtung einer Pagode durch den Herr-
den König [dieses Landes] zu bekehren. Er etabherte [also] die
„Lehre des Buddha". Sein Name [hier] lautete: „Buddha der Rein¬
heit und Ruhe", sein Ehrenname Mo-mo-ni"''. Er befahl jenen [Kla¬
nen] Ch'a-li", P'o-lo-men'''^** et al. [diese Lehre] anzunehmen und zu praktizieren.
Wirkung 43: „Er [verweilt] im Lande She-wei"""
Im Lande She-wei*"* verwandelte sich T'ai-shang Lao-chün selbst in
Buddha. Vom Himmel kam er hernieder, himmlische Menschen um¬
ringten ihn dabei in Aufwartung. Er kam in den dortigen Königspa¬
last und setzte sich auf einen „Sieben-Juwelen Thron" . Der König und
alle seine Beamten umringten den Buddha und blickten auf zu ihm.
Sein Leib war unendlich groß und erfüllte ganz den freien Raum.
Wirkung 44: „Er stiftet das Elixir- Rezept"
Tu Ch'ung"''"', mit Großjährigkeitsnamen Hsüan-i, war in seinen
Studien des Tao zu höchster Vollendung gelangt. Er ließ seine spiri¬
tuellen Kräfte ruhig sein und bewahrte das Eine. So erwirkte er, daß
der Vollkommene [Herr] Ch'an'^^' ihm das „Neun-Blüten Elixirre-
zept" eröffnete und [dazu folgende] Erklärung abgab: 'T'ai-shang
Lao-chün hatte auf dem Berg Wai-t'ing im Ost-Meer all die Voll¬
kommenen um sich versammelt. Da gab es einen „Erd-Beamten",
der Sie [lobend] hervorhob. Daher befahl mir [Lao-chün] Ihnen
[dieses] Rezept der Unsterblichen zu übermitteln'.
Wirkung 45: „Er verbreitet die buddhistische Lehre"
T'ai-shang Lao-chün hegte den Wunsch, die Lehre und die Gesetze
des Buddhismus wiederum zu verbreiten. Im 9. Jahr des Chou-
Königs Chuang befahl er schließlich im Himmel Fan"^ dem König
Fan-t'o"'"' auf der Mondessenz einen weißen Elephanten reitend
scher — der Buddhismus war eingeführt, siehe Kao-seng chuan, S. 325 b-c (T 50).
Das „Bild" in LCTS zeigt im Hintergrund eine Pagode! Es sei aber erwähnt, daß die „leere Flasche" u. a. als Maitreya-Symbol diskutiert wird, siehe E. Chavan¬
nes et P. Pelliot: Un traite . . ., S. 129 Anm. 2.
Gemeint sind zwei der indischen Klans bzw. Kasten, Ksatriya und Bräh¬
maria, siehe Soothill 174 a.
Das Land She-wei, i.e. Srävasti, s.o. Anm. 76.
Siehe TT 296 Li-shih chen-hsien t'i-tao t'ung-chien 9.1 a-2 b. Tu Ch'ung war der erste taoistische Priester im Lou-kuan, siehe F. C. Reiter: Das Selbstver¬
ständnis des Taoismus . . ., S. 255.
Fan-t'ien, i.e. „Brahman-Himmel", siehe H. Hackmann: Erklärendes Wör¬
terbuch zum Chinesischen Buddhismus. Marburg/Leiden o.J., Bd. 3, S. 187.
König Fan-t'o, sollte sein Fen-t'o-li wangiM^iLlj i'.. siehe Hsiao-tao-lun 145 c, 146 a, demnach ist dies der König der Barbaren, der in den bekannten
Bekehrungsgeschichten (LCTS) die Hauptrolle — neben Lao-tzu — spielte.