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GrabungsKAMPagne. Zum Konzept von Ausstellung und Katalog

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GrabungsKAMPagne

Zum Konzept von Ausstellung und Katalog

von Matthias Wemhoff

Die Veranschaulichung von »mittelalterlichem All­

tagsleben« ist seit einigen Jahren in Mode. Histo­

rische Märkte gehören selbst in Kleinstädten zum festen jährlichen Programm. Einzelne Zusammen­

schlüsse wie »Kramer, Zunft und Kurzweyl« haben sich die möglichst umfassende Darstellung mittel­

alterlichen Treibens zum Ziel gemacht. Nicht nur Handwerker zeigen ihr Können, auch Aussätzige und Ablaßprediger schaffen das gewünschte mittelalter­

liche »Ambiente«, und zwar lebendiger und anschau­

licher, als es jede Museumsschau vermag. Daß dabei das Mittelalter zeitlich sehr weit gefaßt dargestellt wird, dürfte höchstens den Fachmann stören.

Vor diesem Hintergrund stoßen die zahlreichen Ausgrabungen in mittelalterlichen Stadtzentren auf großes Interesse. Ausstellungen zu den Grabungen werden daher gerne gesehen und von den Archäolo­

gen trotz knapper Zeit auch gestaltet. So konnten wir im Museum in der Kaiserpfalz seit 1993 wichti­

ge Ausstellungen aus dem Bereich der Mittelalter­

archäologie zeigen. Auf die Heidelberger Schau »Vor dem großen Brand«, die bei uns in etwas geänderter Konzeption unter dem Titel »Krankheit und Wohl­

ergehen« gezeigt worden ist, folgten die Ausstellun­

gen »Ausgrabungen in der Abtei Liesborn« und

»Keramik in Westfalen« jeweils mit einem Schwer­

punkt auf der Archäologie des Mittelalters. Mit den in diesem Jahr in Soest und Warburg gezeigten Dokumentationen zu den dortigen Grabungsergeb­

nissen sind im westfälischen Raum mehrere Ausstel­

lungen mit Funden aus dem Mittelalter zu sehen gewesen. Wieso haben wir uns vor diesem Hinter­

grund zur Gestaltung der »GrabungsKAMPagne«

entschieden? Wie kann die Gefahr der Wiederho­

lung in Objekten und in Darstellungsformen ver­

mieden werden?

Vor einigen Jahren war die Situation noch eine andere. Die Ausstellung »Aus dem Alltag der mittel­

alterlichen Stadt«, die 1982/83 in Bremen gezeigt worden ist, stellte einen markanten Einschnitt, etwas weitgehend Neues dar. Erstmals wurde in Deutsch­

land die Vergegenwärtigung mittelalterlichen Alltag­

lebens anhand von archäologischen Funden und zeitgenössischen Abbildungen als ausstellenswert empfunden. Der Versuch gelang. Kochen und Essen, Kleidung, Spiel, Frömmigkeit und viele andere Bereiche werden seitdem immer wieder als wichtige Themengruppen vor allem stadtarchäologischer Aus­

stellungen gewählt. Die nachgebaute Herdstelle gehört zum festen Repertoire solcher Präsentationen.

Die Visualisierung von »Alltag« hat aber auch viele Risiken. Zu leicht kann ein unspezifiziertes Bild von »dem« Leben im Mittelalter entstehen, werden soziale Unterschiede, die sich nicht immer leicht aus den Bodenfunden herausarbeiten lassen, von der Fas­

zination, die einfaches Leben heute oftmals ausübt, verdeckt. Die Reaktionen der Besucher reichen vom Erschrecken über die Einfachheit der damaligen Lebensumstände bis zum Staunen über das, »was die damals alles schon konnten«. Die Hinwendung zur Darstellung des Alltags, was immer das gewesen sein mag, wirkt auf die Dauer nivillierend, ja fast langwei­

lend und allzuoft beliebig. Der Zufallsausschnitt der Bodenfunde läßt einen Zufallsausschnitt von Alltag entstehen, der durchaus die Überbleibsel von Beson­

derem, eben nicht Alltäglichem, enthalten kann.

Allzuleicht kann dabei die Rolle archäologischer Forschung als wesentlicher Gestalter unserer Kennt­

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Originalveröffentlichung in: GrabungsKAMPagne Paderborn 1994. Archäologische und historische Forschungen zur Siedlungsgeschichte am Kamp ; Katalog zur Ausstellung vom 6. Oktober 1995 - 30. August 1996 im Museum in der Kaiserpfalz, Münster 1995, S. 3-4

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nis von mittelalterlicher Geschichte verloren gehen.

Die Faszination der Funde überlagert die mühselige und oft komplizierte Annäherung an den histori­

schen Kenntniszuwachs, den archäologische For­

schungen mit sich bringen können.

Die Darstellung einzelner Materialgruppen wie etwa Keramik und Glas oder auch bearbeiteter Tier­

knochen dagegen haben eine andere Zielrichtung.

Sie zeigen die Entwicklung und Geschichte eines Materials, nicht pauschal von Alltag, und ermög­

lichen dadurch die Vermittlung der Kenntnis von FFandelsvorgängen und Produktionsformen.

Vor diesem Hintergrund sind unsere konzep­

tionellen Überlegungen zur »Grabungskampagne« zu verstehen. Unser Ziel war es, die historischen Frage­

stellungen, die zur Grabung geführt oder während der Grabung und der Auswertung entstanden sind, zu verdeutlichen und die neuen Erkenntnisse nach­

vollziehbar zu präsentieren. Dies gilt sowohl für die Befunde — also die Spuren im Boden wie etwa Keller, Fundamente und Gruben - als auch für die Funde - also die Fragmente von Glas- oder Keramikgefäßen, Lederschuhen, Holzmöbeln und anderen Gegen­

ständen. Die letztgenannten Objekte haben den Vor­

teil, daß sie transportfähig und damit präsentierbar sind. Nach der Restaurierung können sie in Vitrinen gezeigt werden. Der Befund ist im Gegensatz dazu nach der Grabung und der Neubebauung des Gelän­

des zerstört. Keller, Brunnen und Kloaken lassen sich nicht ohne weiteres ins Museum setzen. Und doch sind es ganz wesentlich die Befunde, die uns einen Zuwachs an Erkenntnis beschert haben. Diese Aus­

sage gilt insbesondere für den Zeitraum vom 12. bis zum 14. Jahrhundert. Denn aus dieser Zeit sind nur wenige aussagefähige Objekte, aber zahlreiche Bau­

befunde geborgen worden. Dies mag an den damali­

gen Entsorgungsgewohnheiten aber auch an speziel­

len Fundumständen dieses Platzes liegen.

Daher haben wir uns nach vielen Überlegungen für die Umzeichnung des Grabungsbefundes im Maßstab 1:2 entschieden und diese Umzeichnung begehbar als ersten Teil unserer Ausstellung gestaltet.

Drei Keller, die als Schlüsselbefunde der Grabung zu verstehen sind, werden von den Besuchern zunächst durchschritten. Fotos erhellen den Zustand der Kel­

ler während der Grabung. Fast an Ort und Stelle werden so die wichtigen Fragestellungen und neuen Ergebnisse erläutert. Der zweite Teil ist dann den Funden aus der Kloake auf der Nachbarparzelle gewidmet, da sie, als geschlossener Komplex gebor­

gen, in guter Weise Aussagen über die Bewohner des Gebäudes vermitteln. Dabei ist es uns wichtig zu ver­

deutlichen, welche Befunde welche Aussagekraft ins­

besondere in der Frage nach dem sozialen Rang der Bewohner haben.

Die Ausgrabungen haben als Anregung für For­

schungen von Historikern über die Geschichte des Areals gedient. Erst in der Zusammenschau der Ergebnisse von Geschichtswissenschaft und Archäo­

logie kommen wir den historischen Abläufen ge­

nauer auf die Spur. Dies wird besonders in den Kata­

logbeiträgen deutlich. In die Ausstellung sind die Ergebnisse beider der Erforschung des Mittelalters dienender Wissenschaften eingeflossen.

Die Ausstellung kann so deutlich machen, daß die archäologische Forschung in Paderborn nicht (nur) dem Ziel dient, unsere allgemeine Vorstellung vom mittelalterlichen Leben mittels anschaulicher Objekte weiter zu erhellen, sondern daß in erster Linie die individuelle, unverwechselbare Geschichte dieses Ortes Paderborn im. Mittelpunkt unseres Interesses steht. Der Geschichtsbegriff ist hier weit gefaßt. Dazu gehören die Siedlungsentwicklung, die Baugeschichte, die Entwicklung von Handel und Handwerk, die sozialen und kulturellen Aspekte, die Lebensumstände einzelner Familien und vieles mehr.

Die Ausgrabung am Kamp kann dabei nur als Anfang einer umfassenderen Grabungstätigkeit im Stadtbereich verstanden werden, so daß auf Dauer weitere Ausstellungen neue Erkenntnisse auf Fragen zur Stadtgeschichte liefern können.

Die individuelle Entwicklung der Parzellen läßt dabei die Gefahr von Wiederholungen recht gering werden.

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