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K Fiasko statt Verbesserung?

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© 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 17 (2018) Nr. 8/9 3 M E I N U N G

Meinung von Prof. Dr. Ferdinand Schmidt-Kaler, Leiter der Arbeits- gruppe QUANTUM und Mitglied des Helmholtz-Instituts an der Universität Mainz

K

napp zwanzig Jahre liegt die Konferenz von Bologna zu­

rück, bei der die Bildungsminis­

terinnen und Bildungsminister verschiedener Länder die Grund­

lage gelegt haben für einen gemein­

samen Rahmen für die europäische Hochschulbildung. Anfang des Jahres haben die Kultusminister­

konferenz und das BMBF ihren

„Erfolgsbericht“ zum Bologna­Pro­

zess vorgestellt, in dessen Rahmen die Bachelor­ und Masterabschlüs­

se eingeführt wurden.1) Erinnern wir uns: Eines der Versprechen reformierter Physik­Studiengänge im Bachelor­ und Master­System war eine frühere Berufsqualifi­

zierung der Studierenden schon nach sechs Semestern. Zu dumm nur, dass der Bachelor­Abschluss offensichtlich am Anforderungs­

profil der Indus trie vorbeigeht und dort nicht nachgefragt wird.2) Ein zweites Versprechen war die besse­

re Vergleichbarkeit der Studienleis­

tungen inner halb Europas, um das Interesse an Studienaufenthalten im Ausland zu fördern. Doch das Gegenteil trat ein – so beobachte ich es bei uns in Mainz: Bei rand­

voll gepackten Studiengängen und permanenten Einzelprüfungen ist das im Bericht euphemistisch ge­

nannte „Mobilitätsfenster“ so eng geworden, dass ein Auslandssemes­

ter quasi zwangsweise zu einer Studien zeitverlängerung führt.

Besonders pikant ist, dass trotz aller ECTS­Punktezählerei die im Ausland erworbenen Studienleis­

tungen häufig nicht anerkannt werden. Der Bericht stellt denn auch fest, das zur Erreichung des gesetzten 50 %­Mobilitätsziels weitere Maßnahmen erforderlich seien – dies ist zumindest ehrlich.

Aber man fragt sich, warum solche Reformen der Reform nicht viel schneller geschehen.

Ein gutes Beispiel dagegen ist die Arbeit der Deutsch­Franzö­

sischen Hochschule, welche die Be­

ziehungen und den Austausch zwi­

schen deutschen und französischen Hochschulen für binationale Studiengänge, Doktoranden­ und Forschungsprogramme seit dem Weimarer Abkommen vor mehr als zwanzig Jahren unterstützt.

Nur durch kontinuierliche und ins Detail gehende Arbeit lassen sich bilaterale Studiengänge auch prak­

tisch studierbar machen. Genau die Bologna­Reform stellte sich dabei oft als ein Hindernis heraus.

Im Fall der Physik an der Uni Mainz ist erschreckend zu sehen, wie die Zahl der Auslandsstudien­

aufenthalte im Erasmus­Programm nicht gestiegen, sondern sogar gesunken ist. Statistiken für deut­

sche Studierende im EU­Ausland zeichnen ebenfalls kein positives Gesamtbild der Reform, auch wenn es bestimmt unterschiedliche Ursa­

chen gibt und eine detaillierte Ana­

lyse nötig wäre. Von einem Erfolg der Reform kann aber in puncto Mobilität keine Rede sein. Die miserable Implementierung der Re­

form ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, welche Unmenge an Verwaltungsposten in Universitäten dafür geschaffen wurden und wel­

che Mühe Studierende aufwenden müssen, um sich in komplizierte Webmasken „einzubuchen“. Ich wä­

re mit hoher Wahrscheinlichkeit an diesen formalen Schwierigkeiten in meinem Physikstudium gescheitert!

Daher verwundert es mich nicht, wenn sich die Studierenden

mit der Zeit in ECTS­Punkte­

sammler verwandeln – in Reaktion auf einen sinnlosen und harten Notendruck vom ersten Tag an.

Wie ungerecht ist bitte ein System, in dem Klausurergebnisse aus frühen Semestern, wenn man sich noch nicht in die neue Lebensform und in die neue Materie hineinge­

funden hat, für eine Gesamtnote relevant sind? Wo bleibt das eigen­

verantwortliche Studium als ein wirklich neuer und kreativer Le­

bensabschnitt für junge Menschen ohne die komplette Fremdbestim­

mung wie in der Schulzeit?

Weil sich die Physik in so viele Fachrichtungen gliedert, dabei aber immer übergreifende Kon­

zepte und Modelle vermitteln will, stört mich ganz besonders ein As­

pekt: Wo bleibt im Bachelor­ und Master­Studium das Verständnis für ein Gesamtbild der Physik, in dem Zusammenhänge vermittelt werden, die sich schlecht in Einzel­

fachprüfungen abhandeln lassen?

Wirklich wichtige Inhalte eines Studiums sind nicht mit ECTS­

Punkten zu bemessen. Sicher, im physikalischen Kollo quium könnten die Studierenden Vorträge über moderne Forschung genie­

ßen. Doch schade, dafür gibt es keinen einzigen Euro pean­Credit­

Transfer­Point.

Aus Sicht eines Physikprofes­

sors, der sein Fach liebt und ver­

sucht, Studierende auch dafür zu begeis tern, stellt sich die Bologna­

Reform als Fiasko dar.

Fiasko statt Verbesserung?

Wie erfolgreich war die Bologna-Reform wirklich?

Ferdinand Schmidt-Kaler

1) vgl. hierzu Physik Journal, Mai 2018, S. 8 und www.bmbf.de/

files/2018­03­28_15­Nati­

onaler_Bericht_Bolo­

gna_2018.pdf 2) DPG­Studie „Der Ba­

chelorabschluss in Physik in der Wirtschaft“, März 2011, www.dpg­physik.de/

veroeffentlichung/bro­

schueren/studien/bache­

lorstudie_2011.pdf

Wo bleibt das eigenver-

antwortliche Studium als

ein wirklich neuer und

kreativer Lebensabschnitt

für junge Menschen ohne

die Fremdbestimmung wie

in der Schulzeit?

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