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Archiv "Dialoge: „Drahtseil zwischen eigener und fremder Individualität“" (16.03.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Menschen und Monster

gnügen und Gesundheit unterliegen Krankheit, das Leid, das Andersarti- ge, das Häßliche einer immer stärke- ren Verdrängung, sie werden nicht mehr als integraler Bestandteil des Lebens gesehen. Statt dessen wird bei der geringsten Bedrohung unse- res labilen Gleichgewichtes in (noch) positivistischer Wissen- schaftsgläubigkeit nach einem neu- en Heilmittel einem Heilsweg geru- fen.

Der gehetzt wirkende Mensch unse- rer Zeit: Vor was flieht er eigentlich?

Die Prentschen Plastiken konfron- tieren uns, so scheint es mir, mit verdrängten Anteilen unserer Per- sönlichkeit. Bei keinem anderen Künstler (weder bei dem von Prent verehrten Hieronymus Bosch, noch beispielsweise bei Francis Bacon oder Edward Kienholz) präsentiert sich das Häßliche so selbstherrlich, so eigenständig und ohne Verweis auf Geschehnisse außerhalb seiner selbst wie bei Prent.

In vergleichbaren Kunstwerken, aber auch in den Berichten der Bou- levardpresse, in Filmen, Büchern etc. wird die Lust am Abnormen, am Grobsexuellen und am Brutalen fast ausschließlich befriedigt in Koppe- lung an Entrüstung oder Mitleid. Auf diese Weise wird eine Distanzierung, ein sicherer Rückzug und eine als- baldige erneute Verdrängung der voyeurhaft und aus sicherer Distanz befriedigten Wünsche gewährlei- stet. Prent gibt dazu aber keine Möglichkeit.

„ ... bewußte Integration des Häß- lichen, des Andersartigen ... "

Das Häßliche seiner Plastiken er- greift den Betrachter durch die Los- gelöstheit von realen Situationen, es ermöglicht somit keine Auswei- chung, keine Befriedigung unter dem Mantel der Entrüstung oder des Mitleids. Die Plastiken stellen eine kaum zu übersehende Aufforderung dar zur bewußten Integration des Häßlichen und Andersartigen als Teilen des Selbst, der Persönlich- keit.

Prent selbst akzeptiert, daß es neben der künstlerisch-formalen Auffas- sung für den Betrachter noch ande- re Sichtweisen geben könne, auch wenn er derartige Aspekte nicht be- wußt berücksichtigt habe. Absicht des Künstlers und Ansicht des Be- trachters können sich also als durchaus nicht konträre, sondern parallele Auffassungen erweisen.

„Ich liebe meine Skulpturen, sie sind Ausdruck von Stimmungen, Schön- heit und einer schelmischen, über-

Der Autor des vorstehend wiederge- gebenen Beitrages über die Plasti- ken und Environments von Mark Prent („Menschen und Monster", Seite 666 bis 668 dieses Heftes), Dr.

med. Hartmut Kraft, ist selbst als Grafiker und Lyriker hervorgetreten.

Er zählt viele prominente Künstler zu seinen Freunden und Bekannten.

Mit vielen von ihnen steht er in ei- nem ergiebigen Dialog: Er schreibt Texte zu ihren Bildvorlagen — sie schaffen Bilder zu seinen Texten.

Aus diesen Begegnungen und aus diesem Zusammenarbeiten entstand ein bibliophiles Werk mit zehn bei- spielhaften Versuchen: Arbeiten von - Beuys, Schultze, Ursula, Knopp, Escher, Ruthenbeck, Roth, Iseli und Fussmann wurden Texten von Hart- mut Kraft gegenübergestellt und dann beide Aussagen ineinander gedruckt.

Dieses repräsentativ im Großformat aufgemachte Buch von Hartmut Kraft heißt „Dialoge", erschienen 1977 im Literarischen Verlag Helmut

mütigen Phantasie. Eine Ästhetik dieser Art von Skulptur ist bisher noch nicht erforscht worden. Es ist deshalb für manche Betrachter schwierig, Arbeiten dieser Art als

‚Kunst' zu akzeptieren. Ein allgemei- nes Verständnis dieser Art wird aber, da bin ich sicher, sich mit der Zeit ausbilden." (Mark Prent)

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hartmut Kraft Kapfenbergerstraße 4 5020 Frechen

Braun, Köln (mit 8 signierten Grafi- ken 450 DM, mit einer signierten Ori- ginalradierung von Rolf Escher, 220 DM, mit einer signierten Origi- nalradierung von Bernhard Schultze 150 DM, mit einem signierten, drei- farbigen Siebdruck von Axel Knopp 120 DM); die einmalige Gesamtauf- lage aller vier Ausgaben beträgt 350 Exemplare. In einem Vorwort zu die- sem Buch schreibt Hartmut Kraft:

„warum Dialoge?

dialoge sind zwiegespräche, gesprä- che zwischen zwei oder auch meh- reren personen. kann ein solches dynamisches geschehen auch in an- derer form stattfinden?

die vorgelegten gedichte und gra- phiken versuchen es.

wenn wir künstlerische mitteilungen auffassen als komplexe stimuli, die auch bei mehrfachem kontakt noch interessant in des wortes vielfältiger bedeutung sind (mein fremdwörter-

Dialoge:

„Drahtseil zwischen eigener und fremder Individualität"

Zu einem Buch von Hartmut Kraft

668 Heft 11 vom 16. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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SCHREI

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

buch nennt 28 bedeutungen), dann treten auch lyrik und graphik in den vorgestellten beispielen in eine viel- schichtige, immer wieder erneut zu bestimmende beziehung. der be- trachter findet mehrere bezugs- und verknüpfungspunkte, ein netz von fragen und antworten. er ist teilneh- mer am zwiegespräch der graphi-

schen und lyrischen elemente, ja so- gar ein dritter im bunde.

die auswahl der künstler war subjek- tiv. wer sich über jahre hinaus mit bildern beschäftigt, entwickelt vor- lieben. es ist oft schwer zu sagen, worauf dies beruht. die beziehung der darstellung zu eigenen problem-

und fragestellungen, die formulie- rung eigener vorbewußter denkin- halte und die auslösung einer viel- zahl von assoziationsketten stehen hinter dem einfachen ‚gefallen'.

trotz aller beziehungen zu dem werk jeweils eines künstlers sind die ge- dichte ein versuch einer zwar vom bildnerischen ausgehenden, jedoch parallelen lyrischen arbeit.

Graphik von Joseph Beuys im Dialog mit einem Gedicht von Hartmut Kraft, entnom- men aus dem Buch „Dialoge", Literarischer Verlag Helmut Braun, Köln, 1977

die schwierigkeit liegt in der wahl des bestmöglichen abstandes: ei- nerseits den arbeiten des angespro- chenen künstlers nahe genug zu kommen, andererseits die lyrische eigenständigkeit der gedichte sowie ihre beziehung zu mir zu bewahren.

wer sich so verschiedenen künstler- persönlichkeiten wie den hier vorge- stellten zuwendet, bewegt sich im- mer auf einem drahtseil zwischen eigener und fremder individualität.

ich habe versucht, aus dem komple- xen beziehungsgefüge der bildneri- schen arbeiten diejenigen aspekte herauszuarbeiten, die meiner ganz eigenen sicht entsprachen.

die gedichte blieben seit ihrer ersten niederschrift nicht unverändert. im- mer wieder wurden einzelne passa- gen durch neue ersetzt. die gedichte sind auch jetzt nicht als statische oder endgültige texte, sondern als momentaufnahmen eines weiterzu- führenden dialogischen prozesses zu sehen.

die graphischen arbeiten der künst- ler für dieses buch sind antworten auf den text als lyrische stellungnah- me und anfrage: die graphiken sind somit keine illustrationen, sondern notwendige partner der gedichte.

von den bildern ausgehend führen die gedichte letztlich zu den bildern zurück. aus der synopse der vielfälti- gen facetten, der so verschiedenarti- gen künstlerischen aussagen und mittel, ergibt sich möglicherweise eine annäherung an das, was wir mit

‚kunst zu umschreiben gewohnt sind. wenn die interaktionen von ly- rik und graphik einen konstruktiven prozeß des verstehens beider dia- loganteile einleiten könnten, .. ." HK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 11 vom 16. März 1978 669

Referenzen

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