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Archiv "Exorzismus: Teufel-Teamwork" (02.04.1999)

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er gegenwärtigen Fortschritts- bewegung im Vatikan ent- stammt die Idee, daß der Teu- fel seit Voltaires Zeiten zu viel Staub angesetzt habe und daß man ihn, re- noviert und mit ein wenig „wissen- schaftlichem“ Lack versehen, aus der mittelalterlichen Rumpelkammer zie- hen müsse. Padre Gabriel Amorth, Kommandeur der römischen anti- teuflischen Spezial-Brigaden, der un- ter väterlichster Aufsicht bereits über 30 000 Menschen, überwiegend Frau- en, exorziert hat und steigenden Zu- lauf verzeichnet, hat dafür, zwar nicht lupenrein feministisch, aber um so mehr gängig schmunzelwahr, das Motto ausgegeben: „Über die Frauen kommt der Teufel besser an die Män- ner heran . . .“

Ist das nun so ganz falsch? Hat nicht auch Charcot vorwiegend Frau- en behandelt? Freilich, man sprach da von „Hysterie“. Aber da sind wir modernen Psychos heute eben etwas weiter: man kann uns doch nicht mehr mit „Projektion in die Außen- welt“ kommen. Das überschreitet einfach unsere Zuständigkeit. Nein, das projizierte Böse ist, wenn uns das die dafür zuständigen Glaubensex- perten glaubhaft versichern, schlicht

„leibhaftig“, es ist in der Außenwelt vorhanden, es hüpft in Kröten, surrt in Fliegen, verbirgt sich in Steinen, und es injiziert sich plötzlich und heimtückisch in höchst hygienische Seelen, die daraufhin in unflätigstes Gebrüll ausbrechen und alles Ent- setzliche nachholen, das sie bis dahin nicht abreagieren konnten.

Da hat man also vor kurzem das neue alte Exorzismus-Brevier heraus- gebracht, mit dem man nun allerorten den Teufelsglauben, der ja schon viel Gutes ausgebrutzelt hat, den einfa- chen Menschen wieder praktisch na- hebringen und als Bindungsmittel der Organisation verfügbar machen will, für den Mann auf der Straße, und noch mehr natürlich: für die Frau in der Küche. In Italien werden bereits pro Jahr (nach Recherchen von delle

Donne für 1994) etwa 200 Priester neu zum Teufelskampf eingesegnet. Doch weil immerhin die Gefahr droht, daß auch einmal ein Gehirntumor mit dem ansonsten so hochwirksamen Ruf „vade retro Satanas!“ angegan- gen oder, wie in Deutschland 1976, ge- legentlich eine Schizophrene in kata- tonen Marasmus gesteigert und ganz- heitlich aus dem Leben ausgetrieben wird, soll –

und das ist die wirklich sehr ge- scheite (zum Beispiel auch die Vorbehalte deutscher Bischöfe beseitigen sollende) neuzeitliche Idee des aufpolierten

„Rituale Romanum“ – in Zukunft im „team- work“ mit Psychiatern und Psychotherapeuten exorziert werden.

Zu diesem hoch moralischen Ange- bot erklärte der Berner Univer- sitätspsychiater Professor Strick in einer Diskussi- on im Schweizeri- schen Rundfunk (auf die sich unser Bericht zum Teil stützt) sofort unbedenk-

lich, er sei darüber „sehr erfreut“. Die Vertreterin der Psychotherapie assi- stierte gar mit blankem Entzücken:

Das Vorhaben sei „klar verständlich und gesund und logisch – es ist so sau- ber“. Die Psycho-Experten sehen also keinen Pferdefuß. Sie sind offensicht- lich überzeugt, sie würden schon, mit der Kraft konzentrierter Wissen- schaftlichkeit, die Sache irgendwie auf das richtige Geleise schieben – wenn man sie nur freundlichst mitwirken lasse. Allerdings glaubt die Kirche das auch, in umgekehrter Richtung. Und hat sie nicht (wie Professor Strick in

schier franziskanischer Selbstverde- mütigung, allerdings auch in Vermei- dung jeglicher kritischen Stellungnah- me, heftig betonte) in Glaubensdin- gen das bessere Urteil?

Statt kritischer Distanz also Uni- sono-Beifall zum Teufel-Teamwork?

Selbst dem wohlgesonnenen Modera- tor (unserer Funk-Diskussion) war’s bei so viel Einklang nicht recht geheu- er. Er wandte sich an Strick und flehte geradezu um ein ganz klein bißchen Gegenposition zum diabolischen Kurs: „Empfinden Sie diese Diskus- sion nicht doch auch ein bißchen selt- sam, etwas abgehoben . . . bewegt sich die Psychiatrie in ähnliche Rich- tung?“ Doch Strick hielt sich unver- strickt: Wissenschaft kann nicht „auf alles“ antworten, „Fragen aus dem Glauben“ gehören nun mal nicht in die Zuständig- keit des Berufs, viel- mehr: „Wir müssen handeln.“ Allerdings, so räumte er schließlich – Anfall von Tollkühnheit gegen alle guten Vorsätze?

– ein, der Teufel sei in den „Psychiatrielehrbü- chern“ eigentlich nicht

vorgesehen.

Friede, Freude, Eier- kuchen. Nur: Eier ent- halten viel teufli- schen Schwefel.

Und Wissen- schaft, vor al- lem Seelenkun- de, ist nicht frei von philosophi- schen Prämissen, auch wenn das im Werkeln des Alltags aus dem Blick kommen mag. Ist der Psychiater – wie in der griechischen Stadt – „polites“, eman- zipierter Bürger der Wissenschaftsge- meinde, oder „idiotes“, beschränkter Macher? Kann er vorbeisehen, wenn individuelle Pathologie durch Kollek- tivierung unsichtbar gemacht und, un- der cover, aktiviert werden soll? Frei- lich, es ist wahr, all das: in den Lehr- büchern nicht vorgesehen. Und weil’s nicht im Lehrbuch steht, was davon zu halten ist, begleitet, im „team“, halt

„jeder jeden“ – wie das ein sanft verzweifelnder Moderator anmerkte.

Aber wohin? Heinz Knapp A-834

T H E M E N D E R Z E I T

(30) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 13, 2. April 1999 GLOSSE

Exorzismus

Teufel-Teamwork

D

Zeichnung: Jörg Spielberg

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