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eit Jahresbeginn eilte der deutsche Aktien- markt von einem Hoch zum anderen. Bis zum 11.März dieses Jahres stiegen die Aktien des Deutschen Aktienindex (DAX) um 16 Prozent und markierten mit 3 460 den vorläufigen Top- stand. Danach kam es zu Ge- winnmitnahmen am deut- schen Aktienmarkt. Gleich- zeitig sorgte das Auslaufen der Zinssenkungsphase am Anleihenmarkt zwischen- zeitlich für Unruhe.
Wachstum um zwei Prozent
Für 1997 wird für die sie- ben wichtigsten Wirtschafts- nationen (G7-Staaten) ein reales Wachstum von gut zwei Prozent prognostiziert.
Der verstärkte Wettbewerb durch einen immer offener werdenden Welthandel hält die Spielräume für Preiser- höhungen im allgemeinen ge- ring. Durch Produktions- fortschritte und optimierte Prozeßabläufe kam es in den wichtigsten Industrie- nationen bereits zu umfangreichen Ko- stensenkungen. Mit durchschnittlich 2,5 Prozent bleibt so die Preissteigerungsrate niedrig.
Die Arbeitslosig- keit in Deutschland bleibt Thema Num- mer eins. Zuletzt waren 4,5 Millionen Bürger ohne Be- schäftigung. Dies sowie rückläufige Reallöhne halten die Konsumfreude in Grenzen. Der Ab- bau von Steuersub- ventionen für Bauin- vestitionen in den neuen Bundeslän- dern und anhaltende Sparmaßnahmen bei den Kommunen be- einträchtigen zudem die Baubranche ne- gativ; mit einer Wen- de ist nicht vor 1998 zu rechnen. Die für deutsche Exporte günstige Währungssituation und reali- sierte Kostensenkungsmaß- nahmen führten jedoch zu ei- ner verbesserten Auslands- nachfrage.
Die DM hat gegenüber den wichtigsten Währungen in den vergangenen Monaten an Wert verloren. Seit An- fang Januar 1996 ist beispiels- weise der US-Dollar gegen- über der DM um über 20 Pro-
zent gestiegen. Das niedrige Zinsniveau, moderate Tarif- abschlüsse sowie gestiegene Unternehmensgewinne füh- ren zusätzlich zu neuen Aus- rüstungsinvestitionen. Bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apo-Bank)
rechnet man mit einem realen Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik Deutschland von zwei bis 2,5 Prozent nach 1,4 Prozent in 1996.
Steigende Importpreise infolge der Normalisierung des DM-Außenwertes ge- genüber europäischen Wäh- rungen und Dollar werden teilweise aufgefangen durch geringe Preisüberwälzungs- spielräume und sinkende
Lohnstückkosten. Im Jahres- durchschnitt 1997 wird daher mit einem Anstieg der Ver- braucherpreise um 1,7 Pro- zent nach 1,5 Prozent in 1996 gerechnet. Im nächsten Jahr wäre jedoch ein deutlicher Preisanstieg bei Erhöhung der indirekten Steuern zur Ge- genfinanzierung der Steuerre- form möglich. Allerdings ge- hen von der Lohnseite derzeit keine Inflationsgefahren aus.
Trotz einer leichten Nach- fragebelebung im Inland bau- en vor allem Großkonzerne im Ausland aufgrund von Marktüberlegungen weiter Kapazitäten auf. Bei BMW, als einem Beispiel für die Au- tomobilindustrie, heißt der Slogan längst nicht mehr
„Qualität made in Ger- many“, sondern „Qualität made by BMW“. Die Pro- duktion (vor Ort) in den Märkten reduziert zudem das Währungsrisiko und damit einhergehende Kurssiche- rungskosten.
Rentenmarkt:
Ende des
Niedrigzinses?
Die leicht verbesserten Konjunkturaussichten und die angespannte Lage des Staats- haushaltes schließen eine wei- tere Zinssenkungsphantasie aus. Das Auslaufen der langen Zinssenkungsphase (6. Januar 1995 bis 18. Februar 1997) hat am deutschen Anleihenmarkt für Nervosität gesorgt. Der Markt folgt seitdem einem vo- latileren Verlaufsmuster. Ein klarer Trend ist derzeit nicht erkennbar. Die Umlaufrendi- te öffentlicher Anleihen ist A-1444 (72) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 21, 23. Mai 1997
V A R I A WIRTSCHAFT
Deutsche und internationale Kapitalmärkte
Die Luft ist erst einmal dünner geworden
Nach der Kursrallye der vergangenen Monate benötigen die internationalen Aktienmärkte of- fensichtlich zunächst eine Verschnaufpause.
Langfristig wird die Aktienanlage nach Meinung der Analysten der Deutschen Apotheker- und Ärztebank aber weiter an Bedeutung gewinnen.
Dem amerikanischen Anleihenmarkt stehen möglicher- weise turbulente Wochen bevor, meint die Apo-Bank.
Abbildung: © Philip Knowles/Superbild
seit dem Tiefpunkt Mitte Fe- bruar um rund 50 Basispunkte auf zuletzt 5,17 Prozent gestie- gen. Zehnjährige Bundes- anleihen rentieren (Stand 14. April 1997) mit 5,90 Pro- zent. Hauptunsicherheitsfak- tor bleibt der amerikanische Rentenmarkt. Der deutlichen Korrektur am US-Bondmarkt konnte sich auch der deutsche Markt nicht entziehen. Vor- übergehend hat sich die Ren- ditedifferenz auf mehr als 100 Basispunkte ausgedehnt.
Die Bundesbank sorgt derzeit für ausreichend Li- quidität. Für die nächsten Monate wird noch mit anhal- tend niedrigen Geldmarktsät- zen gerechnet. In den näch- sten Wochen dürfte der Ein- fluß der US-Zinsentwicklung wieder zunehmen. Für den weiteren Jahresverlauf ist eher mit einer schwächeren Perfor- mance des deutschen Renten- marktes zu rechnen. Daher empfiehlt es sich, die Laufzei- ten zu verkürzen und sich ver- stärkt international zu orien- tieren.
Der US-Bond-Markt bie- tet gerade im kurzen Lauf- zeitbereich einen attraktiven Renditevorteil. Doch Vor- sicht – dem amerikanischen Anleihenmarkt stehen mögli- cherweise noch einige turbu- lente Wochen bevor. Ein wei- terer Renditeanstieg ist mög- lich. Der sechsjährige Auf- schwung hat in der US-Wirt- schaft einen selbsterhalten- den Prozeß in Gang gesetzt.
Der jüngste Zinsanstieg konnte die Wachstumsdyna- mik der US-Wirtschaft bisher nicht bremsen. Weitere Zins- schritte werden daher nötig sein, um Inflationsrisiken frühzeitig einzudämmen. Das stabile Wirtschaftswachstum, ein deutlich niedrigeres Haushaltsdefizit als in der Vergangenheit und die positi- ve Zinsdifferenz zu DM-An- leihen stärken den US- Dollar. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einer großen Währungsunion, was dem US-Dollar weiteren Auftrieb gäbe. Für Neuenga- gements am US-Anleihen- markt besteht aber noch kei- ne Eile.
Aktienmarkt:
Ziel noch nicht erreicht
Nach dem schnellen Kurs- anstieg zum Jahresbeginn benötigt der deutsche Akti- enmarkt eine Verschnauf- pause. Mit dem 16,5 bis 17,5fachen Kurs-Gewinn- Verhältnis auf Basis der 1998er Ergebniserwartung sind deutsche Blue chips im Vergleich zum Rentenmarkt nicht mehr billig. Im Ver- gleich zum Geldmarkt blei- ben Aktien attraktiv. Auf- grund fehlender Anlageal- ternativen verzeichnen Akti- enfonds weiterhin Mittelzu- flüsse.
Wegen der verbesserten Währungssituation gegen- über dem Dollar und wich- tigen europäischen Währun- gen, durchgeführter Restruk- turierungsmaßnahmen in Unternehmen und der anzie- henden Binnenkonjunktur hat sich die Ergebnissitua- tion deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich verbessert. Überschätzt wer- den allerdings teilweise die Auswirkungen der beabsich- tigten Steuerreform. Deut- sche Aktiengesellschaften setzen jedoch verstärkt das Shareholder-Value-Konzept um. Das heißt, sie konzen- trieren sich auf Kerngebiete, orientieren sich verstärkt an Renditekennziffern und sor- gen gegenüber den Anteils- eignern für mehr Transpa- renz.
Bei diesen Rahmenbedin- gungen stellen Kurse von zir- ka 3 200 im DAX noch ein gutes Einstiegsniveau dar. Im Verlauf der nächsten neun Monate erwarten die Ana- lysten einen Anstieg des DAX auf 3 600. Zu den Nutznießern der augenblick- lichen Normalisierung des DM-Kurses gehören die Au- tomobilbranche (Daimler Benz), der Maschinenbau und ausgesuchte Pharma- aktien. Langfristig werden der Telekommunikations- branche überdurchschnitt- liche Wachstumsraten einge-
räumt. Apo-Bank
A-1445 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 21, 23. Mai 1997 (73)
V A R I A WIRTSCHAFT