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Archiv "3 Fragen an… Walter Plassmann, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg" (07.11.2008)

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A2382 Deutsches Ärzteblatt⏐Jg. 105⏐Heft 45⏐7. November 2008

T H E M E N D E R Z E I T

können“, erzählt er. Unlängst muss- te er sogar die Polizei rufen. Ein Pa- tient, den Fischer schon außer der Reihe drangenommen hatte, flippte aus, weil für eine bestimmte Unter- suchung keine Zeit mehr war. „Der hätte sich am liebsten mit mir ge- schlagen“, erzählt Fischer.

Warum machen die Patienten die- se ganze Warterei mit? Tja, warum?

Darüber grübelt der Facharzt kurz nach. „Die Politik vermittelt ihnen doch noch immer: ,Sie kriegen im Krankheitsfall alles, was sie brau- chen‘“, findet er. „Wenn Patienten dann lange auf einen Termin warten müssen, halten sie das für mein Ver- sagen. Die können sich nicht vorstel- len, dass eine Ausdünnung der Pra- xen politisch gewollt ist. Wenn ich denen von sinkenden Arzthonoraren erzähle, heißt es: ,Da würden die Ärzte doch pleitegehen, das wollen die Politiker doch nicht.‘“

Einen Beleg für Fischers Vermu- tung findet man direkt an der Pra- xistür. Waldemar M. (75) hat an diesem Morgen zwei Stunden im Wartezimmer gesessen. Er habe aber auch keinen Termin gehabt, schränkt er ein. Aber: „Die sind

nicht in der Lage, ihre Praxis so zu organisieren, dass es läuft. Da muss man doch Zeitpuffer einbauen für Leute, die mal spontan kommen, weil sie was haben.“

Auch bei seiner Hausärztin müs- se er oft schon 14 Tage auf einen Termin warten, kritisiert der Rent- ner. „Ich wünschte mir manchmal schon, dass es schneller ginge, gera- de wenn es einem schlecht geht“, sagt er leise. „ Aber die Sprechstun- denhilfen wimmeln einen eben ab, wenn die Praxis erst mal läuft und so gut ausgelastet ist, dass man sich das leisten kann.“

Patient Jörg D.: „Die kriegen ja kein Geld für nichts.“

Auch Jörg D. (45) seufzt, als er aus der Augenarztpraxis kommt.

Um 9.30 Uhr war er bestellt, nun ist es 11.15 Uhr. Dabei hat der Hand- werker den Termin schon vor gut ei- nem Vierteljahr vereinbart. „Wenn ich um neun Uhr bei Kunden ange- meldet bin und komme um 9.15 Uhr, sind die schon sauer“, ver- gleicht er. „Klar ärgert es mich, wenn ich hier in der Praxis so lange warten muss.“ Woran es liegen

könnte? „Das Praxismanagement müsste besser sein“, findet Jörg D.

„Bei vereinbarten Terminen kann man doch nicht so sehr ausbrechen.“

Gleichzeitig hat er Verständnis für Fischer und andere Ärzte: Deren Praxen seien voll, aber „die kriegen ja kein Geld für nichts, das weiß ich von Freunden. Wenn man deren Sät- ze hört – nee!“ „Dr. Fischer be- kommt pro Patient und Vierteljahr 25 Euro. Bekommen Sie mehr?“ „Ja klar“, lacht D., „zwischen 30 und 40 Euro die Stunde. Vor allem: Wenn es bei mir länger dauert, kriege ich das auch bezahlt. Wenn der Arzt eine Oma im Behandlungszimmer hat, die quatschen will, dann dauert das, aber mehr Geld gibt es deswegen nicht.“

Wer aber kennt die Lösung für diese Versorgungsmisere? Die be- troffenen Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) winken ab, vor allem, weil die Versorgung in Großstädten insgesamt immer noch gut ist. Dazu kommt: Ist die ganze Stadt ein ein- ziger Planungsbezirk, wie unter an- derem in Hamburg, können Ärzte grundsätzlich ungehindert von ei- nem Bezirk in den nächsten ziehen.

Allerdings darf der Zulassungs- ausschuss von KV und Krankenkas- sen solche Umzüge aus Sicherstel- lungsgründen verweigern. Und er kann bei der Vergabe von Praxissit- zen Bewerber bevorzugen, die in schlecht versorgten Gebieten arbei- ten wollen.

Allgemeinmediziner Eckhardt, der im Fachausschuss Hausärzte seiner KV sitzt, würde sich eine kla- rere Steuerung wünschen. Darüber hinaus lotet der Hamburger andere Lösungen aus. Demnächst fährt er in die Schweiz und studiert, was Kollegen dort auf die Beine gestellt haben. Sie haben die Versorgung für eine Region übernommen, zahlen sich ein Gehalt und stecken das, was übrig bleibt, in ihre Praxen, damit es noch besser läuft. „Ein Gehalt wür- de bedeuten, dass Ärzte keinen An- reiz haben, sich in reicheren Gegen- den niederzulassen“, meint Eck- hardt. „Das könnte man hier ebenso machen. Auch wenn mir einige für diese Ansicht am liebsten den Schä- del einschlagen würden.“ I Sabine Rieser Herr Plassmann, offenbar

ziehen Ärzte in Großstädten vermehrt von ärmeren in rei- chere Bezirke. Ist das auch in Hamburg so?

Plassmann:Ja, aber das ist kein Trend. Es gab bei uns aller- dings einige spektakuläre Fälle, und die findet man dann in den Medien. Betroffen sind Bezirke wie Wilhelmsburg, Finkenwer- der und Gegenden südlich der Elbe, also vor allem alte Arbei- terviertel und Bereiche mit vie- len Migranten. Da sieht es tra- ditionell etwas dünner aus.

Die KV hat die ambulante Versorgung sicherzustellen.

Falls die Verteilung von Ärz- ten in einer Stadt wie Ham-

burg immer ungleicher aus- fiele – wann müssten Sie darauf reagieren?

Plassmann:Wichtig ist: Ham- burg ist von einer Unterversor- gung meilenweit entfernt. Wir haben zwar stellenweise Pro- bleme und diskutieren darüber auch mit Krankenkassen und der Politik. Aber mit Engpässen wie in Mecklenburg-Vorpom- mern zum Beispiel kann man das nicht vergleichen. Trotzdem ist es natürlich hart, wenn, wie unlängst in Finkenwerder ge- schehen, ein Hausarzt Knall auf Fall weggeht und seine Patien- ten so schnell keinen anderen finden. Wir haben uns in die- sem Fall aber aktiv und erfolg- reich bemüht, Ersatz zu finden.

Was tut die KV für Ärzte, die eine Vielzahl von Patienten versorgen, weil sich Kollegen in andere Bezirke verab- schieden?

Plassmann:Hamburg ist ein einziger Planungsbezirk. Ver- hindern können wir Umzüge nicht. Wenn aber ein Arzt sei- nen bisherigen Bezirk verlässt und sich kein Nachfolger fin- det, bekommen die verblei- benden Kollegen ein erhöhtes Budget. Wir bemühen uns auch, tatkräftig Ärzte zu bera- ten, die sich in ausgedünnten Bezirken niederlassen wollen.

Wir finanzieren dann schon mal einen Businessplan, um ihnen finanzielle Sicherheit zu geben.

3 FRAGEN AN…

Walter Plassmann, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg

Foto:KV-Hamburg

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