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Klimaerwärmung und Phänologie der Weinrebe

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Academic year: 2022

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 20/03 9 CLAUDIODEFILA, METEOSCHWEIZ, ZÜRICH

P

hänologische Entwicklungsstadien sind Blüte, Blattentfaltung, Fruchtreife, Blattverfärbung oder der Blattfall. Seit dem Jahr 1951 werden in der Schweiz solche Beobachtungen beim offiziellen Netz der MeteoSchweiz (Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie) durchgeführt. Heute umfasst dieses Netz rund 160 Beobachtungsstationen in verschiede- nen Regionen und Höhenlagen. Beobachtet werden die Eintrittstermine (Datum) von 69 Phänophasen an 26 verschiedenen Pflanzenarten. Neben vielen wild wachsenden Pflanzen werden auch einige Kultur- pflanzen beobachtet. Darunter die die Weinrebe. Un- tersuchungen an wild wachsenden Pflanzen haben ergeben, dass sich insbesondere der phänologische Frühling in den letzten fünfzig Jahren in der Schweiz um rund zwölf Tage verfrüht hat (Defila und Clot 2001). Dabei gibt es grosse regionale und phasenbe- dingte Unterschiede. Ähnliche Ergebnisse konnten aber auch in anderen europäischen Ländern gefun- den werden (Chmielewski et al. 2003; Menzel 2000).

Deshalb wurde für die vorliegende Arbeit die Phäno- logie der Weinrebe speziell ausgewertet.

Registrierung der Reben-Vollblüte und der Weinlese

In den wichtigsten Weinbauregionen der Schweiz werden an insgesamt 29 Beobachtungsstationen des phänologischen Netzes der MeteoSchweiz die Wein- reben beobachtet. Erfasst werden zwei Phänopha- sen: die Vollblüte und die Weinlese. Bei der Vollblü- te wird der Eintrittstermin dann notiert, wenn 50%

der Blüten einer Parzelle der gleichen Sorte offen sind. Bei der Weinlese wird deren Beginn notiert. Es ist zu beachten, dass die Festlegung des Blütetermins eine gewisse Subjektivität beinhaltet, doch haben Studien von anderen Pflanzen und Phänophasen ge- zeigt, dass die Daten grösstenteils vertrauenswürdig sind (Defila und Clot 2001). Bei der Entscheidung, wann die Weinlese beginnen soll, spielen neben der Reife der Trauben bestimmt auch die Tradition, die momentane Wetterlage zum Zeitpunkt der Trauben- reife sowie der Gesundheitszustand der Trauben ei- ne wichtige Rolle. Für regionale Untersuchungen WEINBAU

wurde die Schweiz in die vier folgenden Regionen unterteilt: Westschweiz/Wallis, Tessin, Churer-/St.

Galler Rheintal und östliches Mittelland. Die maxi- male Beobachtungsperiode dauert von 1951 bis 2002. Bei den meisten Stationen wurde aber erst spä- ter mit den Beobachtungen begonnen. Deshalb wur- den nur Zeitreihen in die Statistik mit einbezogen, die über mindestens zwanzig Jahre verfügen. Bei der Vollblüte der Weinreben konnten 29 Zeitreihen berücksichtigt werden, bei der Weinlese 30. Die Trends wurden für die Periode 1951 bis 2000 be- rechnet und auf ihre Signifikanz getestet. Da allge- mein der Trend zu früheren Terminen bei den phä- nologischen Zeitreihen ab 1988 ausgeprägt ist, wur- de ein Vergleich zwischen den Zeitreihen mit min- destens 20 Beobachtungsjahren und denjenigen mit mindestens 30 Beobachtungsjahren durchgeführt.

Bei der Extrapolation von 20 auf 50 Jahre besteht ei- ne grössere Gefahr, dass der Trend überschätzt wird als bei 30 auf 50 Jahre. Die Rebsorten sind unter- schiedlich, doch haben die Beobachter und Beob- achterinnen den Auftrag jedes Jahr dieselbe Sorte zu beobachten. Somit ist gewährleistet, dass keine durch Sortenwechsel bedingte Trends entstehen.

Klimaerwärmung und Phänologie der Weinrebe

Es liegt in der Natur des Menschen das Wetter oder die Vegetationsentwicklung zu beobachten.

Oft werden solche Beobachtungen auch schriftlich dokumentiert. In verschiedenen Ländern wurden offizielle Beobachtungsnetze gegründet mit dem Ziel, die Beobachtungen der Pflanzen- entwicklungen zu systematisieren. So entstand die Wissenschaft der Phänologie. Die Pflanzen- phänologie befasst sich mit den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen der Pflanzen.

Abb. 1: Rebenblüte.

(Foto: Pierre Basler, FAW)

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 20/03

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Vollblüte der Weinreben

Von den 29 getesteten Zeitreihen (Beobachtungssta- tionen) weisen 12 (41,4%) einen signifikanten Trend auf (F-Test, P<0,05). Bei den wild wachsenden Pflan- zen konnten insgesamt deutlich weniger signifikante Trends (30% von 896 getesteten Zeitreihen) für die ganze Schweiz gefunden werden (Defila und Clot 2001). Der grösste Anteil von signifikanten Trends wurde im östlichen Mittelland mit 54,5% (sechs sig- nifikante Trends auf elf Zeitreihen) gefolgt vom Tes- sin mit 50% (drei signifikante Trends auf sechs Zeit- reihen) gefunden. Weniger Fälle gab es im Churer-/St.

Galler Rheintal mit 40,0% (zwei signifikante Trends auf fünf Zeitreihen) und in der Region West- schweiz/Wallis mit 16,7% (ein signifikanter Trend auf sechs Zeitreihen).

Wird die mittlere Verfrühung aller signifikanten Trends in Tagen für alle Stationen für die Periode 1951 bis 2000 berechnet, so ergibt sich für die Voll- blüte der Rebe eine Verfrühung von 25,5 Tagen. Es ist zu beachten, dass es keinen einzigen signifikanten Trend zur Verspätung gibt. Dieser Wert ist sehr hoch im Vergleich zu den phänologischen Sommerphasen von wild wachsenden Pflanzen mit einer Verfrühung von 14,7 Tagen. In Abbildung 2 ist der Trend der Voll- blüte der Weinrebe in Wädenswil für die Periode 1969 bis 2002 dargestellt. Für die Periode 1951 bis 2000 extrapoliert beträgt bei dieser Station die Ver- frühung 13 Tage. Da der Trend zur Verfrühung vor al- lem ab dem Jahr 1988 ersichtlich wird, ergibt die Ex- trapolation auf 50 Jahre wahrscheinlich etwas zu ho- he Werte. Ein Vergleich der Trends bei mindestens 20 Beobachtungsjahren mit denjenigen von mindestens 30 Beobachtungsjahren ergibt eine Reduktion des Anteils von signifikanten Trends von 41,4% auf 35,7%. Die Verfrühung der Vollblüte der Weinreben in der Periode 1951 bis 2000 wird von 25,5 (mindes- tens 20 Beobachtungsjahre) auf 19,4 Tage (mindes- tens 30 Beobachtungsjahre) vermindert. Das zweite Resultat dürfte wegen der Überschätzung der Trends bei kurzen Zeitreihen eher der Realität entsprechen.

Diese Annahme wird bestätigt durch das Resultat der

längsten Zeitreihe der Vollblüte der Weinrebe mit 47 Jahren in Murg (am Walensee) mit einer Verfrühung von 22,1 Tagen.

Detailliert für die vier Regionen wurden folgende Werte berechnet:

Wie auch immer die Resultate interpretiert wer- den, die Verfrühung der Vollblüte bei der Weinrebe ist eine Tatsache. Offensichtlich ist auch, dass sie in der Region Westschweiz/Wallis am geringsten sind.

Die grösste Verfrühung konnte bei der Tessiner Stati- on Vira mit 47,5 Tagen gefunden werden. Die Beob- achtungsdauer beträgt bei dieser Station 28 Jahre (von 1975 bis 2002). Auch hier dürfte die relativ kur- ze Beobachtungsdauer in den letzten 28 Jahren den Trend verstärkt haben.

Da die phänologischen Frühlings- und Sommer- phasen sehr stark von den Lufttemperaturen beein- flusst werden (Defila 1991), darf angenommen wer- den, dass die zeitliche Vorverschiebung der Vollblüte der Weinreben durch die Klimaerwärmung hervorge- rufen wurde.

Weinlese

Dreissig Zeitreihen (Beobachtungsstationen) konnten bei der Weinlese berücksichtigt werden. Zehn davon weisen einen signifikanten Trend auf. Das sind 33,3%, was ziemlich genau mit den Ergebnissen der wild wachsenden Pflanzen (30%) für die gesamte Schweiz übereinstimmt. Im Gegensatz zur Vollblüte der Wein- reben weisen bei der Weinlese nicht alle Stationen ei- nen Trend zu früheren Eintrittsterminen auf. Auch hier gibt es grosse regionale Unterschiede. Der gröss- te Anteil signifikanter Trends ist im Tessin mit 83,3%

(fünf signifikante Trends auf sechs Zeitreihen) zu ver- zeichnen. Bei den übrigen Regionen beträgt der Anteil signifikanter Trends zwischen 16,7 und 33,3%. Inte- ressant ist auch die Tatsache, dass nur bei drei Statio- nen bei beiden Phänophasen (Vollblüte und Weinle- se) ein signifikanter Trend zu verzeichnen war.

Die mittlere Verfrühung für alle Stationen beträgt bei den signifikanten Fällen 15,0 Tage. Wieder sind grosse regionale Unterschiede zu verzeichnen.

WEINBAU

Signifikante Trends Westschweiz und Wallis –16,8 Tage

Tessin –34,2 Tage

Churer-/St. Galler Rheintal –28,1 Tage Östliches Mittelland –21,6 Tage

Signifikante Trends Westschweiz und Wallis –18,3 Tage

Tessin –23,6 Tage

Churer-/St. Galler Rheintal zu wenig Werte Östliches Mittelland –8,5 Tage 150

155 160 165 170 175 180 185 190 195 200

1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Jahre

Tage seit Jahresbeginn

Abb. 2: Trend der Vollblüte der Weinre- be in Wädenswil (450 m ü.M.) während der Periode 1969 bis 2002.

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 20/03 11 Mit Ausnahme des Churer-/St. Galler Rheintals ist

in allen Regionen eine Verfrühung bei der Weinlese von ein bis drei Wochen ersichtlich. Das Problem der Überschätzung bei der Extrapolation auf 50 Jahre ist auch hier vorhanden. Werden die Trends der Zeitrei- hen mit mindestens 20 Beobachtungsjahren mit den- jenigen mit mindestens 30 Beobachtungsjahren ver- glichen, so wird der Anteil der signifikanten Trends von 33% auf 41% erhöht. Im Gegensatz zur Vollblüte wird bei der Weinlese die Verfrühung während der Periode 1951 bis 2000 von 15,0 Tage auf 16,9 Tage verstärkt.

Wird die Periode von der Vollblüte bis zur Weinle- se berechnet, so hat sich diese in den letzten 50 Jah- ren um 10,5 Tage bei mindestens 20 Beobachtungs- jahren und um 2,5 Tage bei mindestens 30 Beobach- tungsjahren verlängert. Diese Verlängerung ist auf die Verfrühung bei der Vollblüte zurückzuführen.

Die Interpretation für die Verfrühung bei der Weinlese ist weniger leicht zu finden als bei der Voll- blüte. Die frühere Blüte und das grössere Wärmean- gebot während der Reifezeit können bewirken, dass die Trauben früher reif werden. Zusätzlich wird die Weinlese aber auch noch von der aktuellen Wetterla- ge (Schönwetterperiode) und von der menschlichen Planung beeinflusst.

Reifedauer

Die Verfrühung der Vollblüte der Weinrebe von etwa drei Wochen und die Verfrühung der Weinlese von rund zwei Wochen haben Konsequenzen für den Weinbau.

Die starke Verfrühung der Vollblüte der Weinrebe wird grösstenteils auf die Klimaerwärmung der letz- ten Jahrzehnte zurückgeführt. Bei der vorliegenden Untersuchung konnten Sortenunterschiede nicht berücksichtigt werden. Obschon die Beobachtenden angehalten werden, immer dieselbe Sorte zu regist- rieren, können Sortenwechsel im Verlauf der Beob- achtungsdauer nicht ausgeschlossen werden. Die Verfrühung des Beginns der Weinlese ist vornehmlich

durch die höheren Temperaturen im Sommer und Herbst bedingt, die die Trauben schneller reifen las- sen. Zudem haben sie mehr Zeit für die Reife und können somit früher geerntet werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Anbau- und Ernteme- thoden, der Gesundheitszustand der Trauben sowie das Ertragsniveau den früheren Erntezeitpunkt mit beeinflussen.

Allgemein wird die Verlängerung der Periode von der Vollblüte der Weinreben bis zur Weinlese als po- sitiv gewertet. Die Trauben haben mehr Zeit für das Wachstum und die Reife. Im Mittel dürfte sich da- durch die Weinqualität verbessern. Klimamodelle zeigen aber nicht nur eine Erhöhung der bodennahen Lufttemperaturen, sondern auch ein Risiko von ver- mehrten Trockenperioden während der Vegetations- zeit. Der Sommer 2003 ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Es ist auch zu beachten, dass sich als Folge der Klimaerwärmung nicht nur die Weinreben besser entwickeln, sondern auch die Pflanzenkrankheiten und Schädlinge. Inwieweit die Vor- oder Nachteile der Verschiebung der phänologischen Phasen der Weinrebe überwiegen, wird die Zukunft zeigen.

Literatur

Chmielewski F.-M. et al.: Climate changes and trends in phenology of fruit trees and field crops in Germany, 1961-2000. Beiträge zur Klima- und Meeresforschung, Berlin und Bayreuth: 125–134, 2003.

Defila C.: Pflanzenphänologie der Schweiz. Diss. Uni Zürich in: Ver- öffentlichungen d. Schweiz. Meteorologischen Anstalt, Nr. 50; 235 S., 1991.

Defila C. und Clot B.: Phytophenological trends in Switzerland. Int.

J. Biometeorol. 45: 203–207, 2001.

Menzel A.: Trends in phenological phases in Europe between 1951 und 1996, 2000.

(Int. J. Biometeorol. 44: 76–81.) WEINBAU

Le réchauffement du climat et la phénologie de la vigne

Au cours des cinquante dernières années le printemps phénologique en Suisse s'est avancé de façon significative chez les plantes sauvages. De même pour la vigne: sur un ensemble de 29 stations on ob- serve les phases phénologiques, en particulier la floraison et le début des vendanges. Depuis 1951 à 2000, la floraison s'est avancée de 25,5 jours. Etant donné que la phénologie est fortement influencée par la température, il faut admettre que l'avancement est dû au réchauffement du climat. En ce qui concerne le début des vendanges, on n'a pas constaté d'avancement chez toutes les stations prises en considération, et on note de grandes différences régionales. L'avancement moyen est de 15 jours. Dû à l'avancement de la floraison la période entre celle-ci et les vendanges s'est prolongée. L'avancement des vendanges est causé surtout par des températures d'été et d'automne plus élevées.

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ÉSUMÉ

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