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Epidemiologische Forschung und Umsetzung in der Praxis Workshop vom 10. November 2004 in Berlin

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Erkrankungen der Atemwege

Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Tb 143

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- Tagungsbericht - Tb 143

Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege

Epidemiologische Forschung und Umsetzung in der Praxis Workshop vom 10. November 2004 in Berlin

Dortmund/Berlin/Dresden 2005

(3)

Tagungsleitung: Rüdiger Schöneich

Gruppe „Biologische Arbeitsstoffe, Gentechnik“

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Prof. Dr. med. W. Dietmar Schneider

Fachbereich „Sicherheit und Gesundheit bei chemischen und biologischen Arbeitsstoffen“

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Umschlaggestaltung

und Fotografik: Angelika Rößler

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Verlag/Druck: Wirtschaftsverlag NW

Verlag für neue Wissenschaft GmbH

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Alle Rechte einschließlich der fotomechanischen Wiedergabe und des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

ISSN 1433-2132 ISBN 3-86509-405-8

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Kurzreferat 5

Abstract 6

1 Eröffnung 7

C. Fischer

2 Epidemiologische Forschung zu arbeitsbedingten Erkrankungen der 10 Atemwege

D. Nowak

3 Zur Analyse longitudinaler epidemiologischer Daten aus der Arbeitswelt 20 P. Morfeld

4 Bedeutung der dreistufigen Gravimetrie für die Bronchitispathologie 38 U. Tittelbach, E. Gierke, G. Lotz, S. Plitzko, W. D. Schneider, H. Thürmer

5 Längsschnittstudie über Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei Belastungen 49 durch Salzstaub, Dieselmotoremissionen und Stickoxide in zwei

Kalibergwerken

Eigenforschungsprojekt F 5130

G. Lotz, S. Plitzko, E. Gierke, E.-M. Backé, N. Kersten, W. D. Schneider, U. Tittelbach, H. Thürmer

6 Biomarker in der Arbeitsmedizin 59

E.-M. Backé

7 Wirkungen und elektronenmikroskopische Charakterisierung ultrafeiner 68 Stäube am Arbeitsplatz und in der Umwelt

K. Rödelsperger, B. Brückel, S. Podhorsky

8 Personengebundene Messung ultrafeiner Stäube als Grundlage für 82 arbeitsmedizinisch-epidemiologische Untersuchungen

S. Plitzko, J. Keitel, H. Thürmer, G. Meinert, H. Bytel, H. Kaiser, U. Gernert 9 Begründete arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen beim Umgang 89

mit Gefahrstoffen E. Hallier

10 Aktionsprogramm zur verbesserten Prävention obstruktiver 94 Atemwegserkrankungen – Aktionsprogramm COLD

P. Kujath

11 Schlusswort 100

H.-J. Bieneck

12 Abschied und Dank 102

W. D. Schneider

Referenten und Autoren 104

(5)
(6)

Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege

Kurzreferat

Der Workshop „Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege – Epidemiologische Forschung und Umsetzung in der Praxis" fand am 10. November 2004 in der Bun- desanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin statt. Mit diesem Workshop verabschiedete sich Herr Professor Dr. W. D. Schneider aus seiner langjährigen und erfolgreichen Berufstätigkeit in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi- zin. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit lag auf dem Gebiet der ar- beitsbedingten Atemwegserkrankungen. Ziel dieses Workshops war es, den Stand und notwendige zukünftige Aufgaben der arbeitsmedizinisch-epidemiologischen For- schung in seinem bisherigen Arbeitsgebiet aufzuzeigen.

Wissenschaftler des Fachbereiches „Sicherheit und Gesundheit bei chemischen und biologischen Arbeitsstoffen“, in dem Professor Schneider in den letzten Jahren als wissenschaftlicher Leiter tätig war, stellten aktuelle Forschungsergebnisse und wis- senschaftliche Vorhaben zur Epidemiologie und zur Verbesserung der Prävention chronischer obstruktiver Atemwegserkrankungen vor. Weitere Referenten gaben ei- nen aktuellen Überblick zur Epidemiologie der Atemwegserkrankungen, zur epide- miologischen Forschungsmethodik und zur Begründung arbeitsmedizinischer Vor- sorgeuntersuchungen.

Im Eröffnungsvortrag von Frau Ministerialdirektorin Dr. Fischer (Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) und im Schlusswort des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Herrn Bieneck, wurde das Wirken von Professor Schneider gewürdigt.

Schlagwörter:

chronisch-obstruktive Lungenkrankheit, Epidemiologie, arbeitsmedizinische Vorsor- geuntersuchungen

(7)

Work-related respiratory diseases

Abstract

The workshop „Work-related respiratory diseases – epidemiological research and implementation“ took place at 10 November 2004. With this workshop, Professor W.D. Schneider took leave from his longlasting, successful professional life in the Federal Institute for Occupational Safety and Health. The focal point of his scientific work was the area of work-related respiratory diseases. Thus, aim of the workshop was to point out the actual state and necessary future tasks for epidemiological rese- arch in occupational health, his previous field of activity .

Professor Schneider was the scientific director of the division "Safety and Health re- garding Chemical and Biological Agents“. Scientists working in this division presen- ted actual results of their scientific projects concerning epidemiology and improve- ment of the prevention of chronic obstructive respiratory diseases. Scientists coming from different universities gave a review about epidemiology of work-related respira- tory diseases, methods in occupational epidemiology and the scientific rationals for occupational health surveillance.

In the opening lecture by Dr. Fischer (Director-General, Federal Ministry of Econo- mics and Labour) and in the closing speech by Dr. Bieneck, president of the Federal Institute for Occupational Safety and Work, the work of Professor Schneider was acknowleged.

Key words:

chronic obstructive lung disease, chronic obstructiv pulmonary disease, epidemiolo- gy, occupational health surveillance

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1 Eröffnung

C. Fischer

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren,

den heutigen Workshop eröffne ich mit einem weinenden und einem lachenden Au- ge.

Weinend deshalb, weil sich mit dieser Veranstaltung ein verdienter Mitarbeiter der BAuA aus seiner Berufstätigkeit hier verabschiedet.

Lieber Herr Professor Schneider,

wenn ich recht informiert bin, waren Sie in diesem Hause 34 Jahre lang tätig. Dabei haben Sie das Deutsche Zentralinstitut für Arbeitsmedizin, das spätere Zentralinstitut für Arbeitsmedizin der DDR und nach der Wende die Bundesanstalt für Arbeitsmedi- zin (BAfAM) erlebt und 1996 die Fusion von BAfAM und der Bundesanstalt für Ar- beitsschutz zur Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mitge- macht. Unabhängig von politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten haben Sie in dieser Zeit als engagierter Arbeitsmediziner immer die Fortentwicklung des medi- zinischen Arbeitsschutzes im Auge behalten. Ganz besonders geschätzt haben mei- ne Fachabteilung und ich dabei Ihre hervorragende und gleichzeitig kollegiale Zu- sammenarbeit im Bereich der strategischen Zukunftsplanung. So ist es nicht zuletzt Ihr Verdienst, eine Neukonzeption der arbeitsmedizinischen Vorsorge angeregt zu haben, die langfristig zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung dieses Bereiches führen wird.

Ihr wissenschaftliches Interesse galt und gilt aber in besonderem Maße den arbeits- bedingten Atemwegserkrankungen. Durch Ihre fundierten Untersuchungen auf die- sem Gebiet gepaart mit Ihrem Engagement und Ihrer Integrationsfähigkeit haben Sie innovativen Ansätzen für die Festlegung von allgemeinen Staubgrenzwerten zum Durchbruch verholfen und damit den Anstoß gegeben für neue Wege bei der ge- sundheitlichen Betreuung der betroffenen Arbeitnehmer.

Diesem Thema widmet sich auch dieser Workshop.

Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege sind in der Allgemeinheit besonders durch die klassischen Berufskrankheiten wie Silikose und Asbestose bekannt. Es prägen aber auch andere Atemwegserkrankungen die Gesundheitsstatistik der Be- schäftigten:

Im Jahr 2000 waren fast die Hälfte und 2002 sogar über die Hälfte der neu aner- kannten Berufskrankheiten durch anorganische Stäube verursacht. Neben den damit verbundenen persönlichen Schicksalen hat dies natürlich auch enorme wirtschaftli- che Konsequenzen.

(9)

In der Abschätzung der krankheitsbedingten Produktionsausfallkosten nehmen die Atemtrakterkrankungen Jahr für Jahr den zweiten Rang ein.

Wie in allen Industriestaaten nehmen die chronischen obstruktiven Atemwegserkran- kungen nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den bösartigen Tumoren den dritten Platz der klassischen Volkskrankheiten ein.

Der heutige Workshop dreht sich deshalb ganz um diese Erkrankungen.

Die Ursachen chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen sind komplex und seit längerer Zeit vergleichsweise gut untersucht:

Neben dem Zigarettenrauchen und Umwelteinflüssen spielen dabei auch arbeitsbe- dingte Einflussfaktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die arbeitsbedingten ursächlichen Anteile daran betragen nach mehreren Studien 10-20 %. Bei bestimm- ten Berufsgruppen mit inhalativer Belastung durch Stäube und/oder chemische Stoffe muss sogar davon ausgegangen werden, dass die Hälfte der bei den Be- schäftigten auftretenden Erkrankungen auf die arbeitsbedingten Einflüsse zurück- geht.

Die Vorträge dieses Workshops werden diese Zusammenhänge sicher detaillierter beschreiben.

Komplexe Ursachengefüge erfordern komplexe Lösungen in der Prävention. Dabei lassen die genannten Zahlen in diesem Bereich Defizite vermuten. Ziel des Work- shops ist es, Anstöße und Vorschläge für deren Behebung zu geben. Die Umsetzung des bereits vorliegenden Wissens durch neue Herangehensweisen ist dabei zu för- dern.

Hierzu muss die klassisch-technische Prävention, deren Ziel die Verhinderung der Freisetzung von Stäuben bzw. Vermeidung der Exposition der Beschäftigten ist, op- timiert und flankiert werden von neuen Präventionsansätzen. Hierzu gehört die För- derung eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Handelns durch Aufklärung und individuelle Beratung der Beschäftigten aber natürlich auch Maßnahmen zur bestmöglichen Früherkennung von Erkrankungen.

Die Ursachen obstruktiver Atemwegserkrankungen sind komplex. Solange aber weiterhin nur an einer der Stellschrauben dieser Ursachen gedreht wird, werden die Ergebnisse unbefriedigend sein – werden Erfolge ausbleiben.

Hier gilt es gemeinsame, integrative Lösungen zu erarbeiten, bei denen alle Betei- ligten in ihrem Bereich ihre Verantwortung wahrnehmen und abgestimmt handeln.

Nur so wird auch das Problem der obstruktiven Atemwegserkrankungen gelöst wer- den können. Dabei ist eine konzeptionell neue Herangehensweise an die Prävention erforderlich, bei der Akteure wie Sicherheitsfachkräfte, Betriebsmediziner, Hausärzte, Fachärzte und nicht zuletzt die Betroffenen selbst eng zusammenarbeiten. Ich bin sicher, dass die bei der heutigen Veranstaltung auftretenden Partner und nicht zu- letzt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ihren Beitrag hierzu lei- sten werden.

(10)

In diesem Sinne wünsche ich allen Teilnehmern des Workshops viel Erfolg in Ihren Bemühungen zur Bekämpfung der Atemwegserkrankungen.

Dieser Wunsch gilt ganz besonders auch für Herrn Professor Schneider, denn ich gehe davon aus, dass er auch im Ruhestand seinen vielen ehrenamtlichen Tätigkei- ten in diesem Bereich weiter nachgehen wird.

(11)

2 Epidemiologische Forschung zu arbeitsbe- dingten Erkrankungen der Atemwege

1

D. Nowak

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Klinikum der Univer- sität München

Hintergrund

Beruflich bedingte Erkrankungen der Lunge und der Atemwege stehen seit vielen Jahren im Spitzenbereich der angezeigten Berufskrankheiten, und es gibt vermutlich eine relevante Dunkelziffer. Es ist daher unter Aspekten der Primärprävention und des Screenings außerordentlich wichtig, etwaige Risikogruppen einzugrenzen, so dass Präventionsmaßnahmen gezielt und damit wirksam eingesetzt werden können.

Dies erfordert je nach Krankheitsbild sehr unterschiedliche Vorgehensweisen.

Schlaglichtartig werden mit subjektiver Wertung Forschungsdefizite skizziert, die mit arbeitsmedizinisch-pneumologisch-epidemiologischen Studien angegangen werden müssen.

Asthma bronchiale, Atemwegsallergien

Aufgrund der weiten Verbreitung inhalativer Allergene vor dem Hintergrund eines immer noch wachsenden Anteils von Atopikern in der Allgemeinbevölkerung besteht dringender Handlungsbedarf im Bereich der Primärprävention. In vielen Studien konnte eindrucksvoll die Korrelation zwischen Expositionskonzentration und Sensibi- lisierungshäufigkeit gezeigt werden (z. B. HOUBA et al., 1998, Tab. 2.1). Auch die Allergenverschleppung spielt eine Rolle (SCHIERL et al., 2003). Wir konnten bei- spielsweise zeigen, wie durch die Modifikation der Reinigungsintervalle der Allergen- gehalt im häuslichen Bereich beeinflusst werden kann (Abb. 2.1).

1 Herrn Prof. Dr. med. W.D. Schneider zum Geburtstag gewidmet.

(12)

Tab. 2.1 Berufsallergien: Weizenallergenkonzentration vs. Symptome. Preva- lence of work-related symptoms (rhinitis and/or chest tightness) in rela- tion to wheat allergen exposure and wheat flour-specific sensitisation, as measured by specific IgE antibodies (n=346)

Wheat Allergen Exposure Work-related Symptoms Whole population (n=346)

Low

Intermediate High

18/117 25/107 35/122

15.4 % 23.4 % 28.7 % Workers sensitized for wheat flour (n=36)

Low

Intermediate High

1/7 4/10 10/19

14.3 % 40.0 % 52.6 % Workers not sensitized for wheat flour (n=310)

Low

Intermediate High

17/110 21/97 25/103

15.5 % 21.6 % 24.3 %

Houba, R. et al., AJRCCM 158 (1998) 1499-1503

Reinigung Bettwäsche

Rinderallergen im Matratzenstaub

0 100 200 300 400 500 600 700 800

0 1 2 3 4 5

Reinigungsintervall (Wochen)

Bos d2 (µg/g)

Abb. 2.1 Reinigung Bettwäsche. Rinderallergen im Matratzenstaub

Aufgrund vielfältiger Verzerrungs- und Selektionsmöglichkeiten sind solche betriebli- chen Querschnittsstudien jedoch immer mit größeren Schwächen behaftet.

(13)

In einem bevölkerungsbezogenen Querschnittsansatz bei jugendlichen Erwachsenen (ECRHS, European Community Respiratory Health Survey, NOWAK et al., 1996) konnten KOGEVINAS und Koautoren (1999) belegen, dass der beruflichen Faktoren attributable Anteil an der Variabilität der Asthmaprävalenz bei etwa 10 % liegt, in Deutschland höher. Wichtige berufliche Tätigkeiten mit einer Risikoerhöhung sind in Tabelle 2.2 wiedergegeben (KOGEVINAS et al., 1999).

Tab. 2.2 OR für Berufsasthma*: Ergebnisse des ECRHS I

Berufsgruppe OR (95% CI)

1) Landwirte 2.6 (1.3-5.4)

2) Maler und Lackierer 2.3 (1.0-5.3) 3) Kunststoffherstellung 2.5 (0.6-8.3) 4) Reinigungspersonal 2.0 (1.3-2.9) 5) Spritzlackierer 2.0 (0.7-5.3) 6) Arbeiter in Landwirtschaft 1.8 (1.0-3.2) ...

* BHR und Symptome oder Medikation

* Adjustiert für Studienzentren, Alter, Geschlecht und Rauchverhalten Kogevinas et al., Lancet 353 (1999) 1750-4

Im Follow-up der ECRHS-Studie nach im Mittel 8,8 Jahren war es möglich, bei 7721 Personen eine vollständige standardisierte Arbeitsanamnese zu erheben. Die Analy- se wurde zunächst beschränkt auf 6119 Personen, die bei der Ausgangsuntersu- chung weder Atemwegssymptome noch die Diagnose eines Asthma bronchiale in der Vorgeschichte angaben. Es zeigte sich ein erhöhtes Risiko in zahlreichen Tätig- keitssparten mit vielfältigen Expositionen in vielen europäischen Ländern. Bei Atopi- kern war das Risiko auch für Erkrankungen durch niedermolekulare Auslöser erhöht.

Letztlich ist jedoch vorstellbar, dass es einen Selektions-Bias bereits vor der Aus- gangsuntersuchung gegeben hat, so dass durch einen healthy-worker-Effekt adverse Einflüsse unterschätzt werden.

Es galt daher, eine Kohorte mit Beginn der Datenerhebung bereits im Kindesalter aufzuarbeiten. In einer vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit geförderten Studie wurden die Teilnehmer der ISAAC-Studie (International Study on Asthma and Allergies in Childhood) in München und Dresden, die 1995/96 im Alter von 9-11 Jah- ren erstmals mittels Fragebogen und klinischer Parameter untersucht wurden, im Alter von jetzt 16-18 Jahren nochmals kontaktiert. Es ergab sich, dass das Vorhan- densein eines Asthma bronchiale in der Vorgeschichte keinerlei Einfluss darauf hat- te, ob ein Berufswunsch in Richtung einer Tätigkeit in „high risk jobs“ oder in „low risk jobs“ entsprechend einer standardisierten Job-Exposure-Matrix angegeben wurde

(14)

(Abb. 2.2). Das Risiko für die Erstmanifestation rhinokonjunktivaler Symptome und von Hautveränderungen war bereits innerhalb der ersten 10 Monate nach Beginn der Exposition gegenüber hochmolekularen Allergenen signifikant erhöht, so dass die konventionellen „Nachuntersuchungsfristen“ bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeun- tersuchungen vermutlich zu lang sind. Es gilt nun, diesen hinsichtlich Auswirkungen auf die arbeitsmedizinische Beratung unter Präventivaspekten sehr wichtigen Befun- den nachzugehen und sie mit objektiven Lungenfunktionsuntersuchungen und aller- gologischen Untersuchungen zu validieren.

SOLAR I: Ergebnisse Berufswahl:

Multinominale logistische Regression

Low riskjobs High riskjobs 0

1 2

3 Never Asthma

Ever asthma Current asthma

OR (95% CI)

Adjusted for gender, centre, nationality, state of employment

Abb. 2.2 SOLAR I: Ergebnisse Berufswahl: Multinominale logistische Regression

Organic Dust Toxic Syndrome

Das Organic Dust Toxic Syndrome (ODTS) ist ein fieberhaftes Krankheitsbild nach intensiver Exposition gegenüber organischen Stäuben. Es tritt weitaus häufiger als die Exogen-Allergische Alveolitis auf, ist jedoch weniger bekannt. Die Charakteristika sind in Tabelle 2.3 aufgeführt. Das ODTS galt bis vor kurzem noch als harmlose sy- stemische Entzündungsreaktion, welche selbstlimitierend ist und in der Regel keine adversen Langzeiteffekte hinterlässt. Unsere europäische Landwirtschaftsstudie (RADON et al., 2003) konnte jedoch zeigen, dass das wiederholt berichtete ODTS mit einem um den Faktor 5 erhöhten Risiko für chronischen Auswurf (hier als epide- miologischer Marker einer chronischen Bronchitis) einherging (Abb. 2.3). Als näch- stes muss die Frage beantwortet werden, ob das ODTS selbst zu einer chronischen oder chronisch-obstruktiven Bronchitis prädisponiert oder ob es ein Marker für Expo- sitionsbedingungen ist, die zur COPD disponieren. Unabhängig hiervon existiert ein massives Umsetzungsdefizit des vorhandenen Wissens. Ein standardisiertes Inter- ventionsprogramm mit Zielgruppen-orientierter Schulung ist zu fordern.

(15)

Tab. 2.3 Organic Dust Toxic Syndrome vs. EAA

ODTS Exogen-Allerg. Alveolitis

Inzidenz 10-190 / 1000 2-30 / 1000

Cluster häufig selten

Raucher Nichtraucher > Raucher Nichtraucher > Raucher Exposition Organische Stäube, schimmelige(s)

Getreide, Silage, Heu, Holzschnit- zel, Symptomatik kann bei 1. Expo- sition beginnen

Wiederholte Exposition gegenüber dem Auslöser

Auslöser Endotoxin?

Mykotoxine?

Andere?

Antigene von thermoph.

Aktinomyceten, Aspergil- len etc.

Latenz 4 - 12 Std. 4 - 6 Std.

Symptome Husten, Frösteln, Fieber, Krank- heitsgefühl, Myalgien, Engegefühl über dem Brustkorb, Kopfschmer- zen

Fieber, Frösteln, Krank- heitsgefühl, Husten, Luftnot

Auskultation Normal, ggf. vereinzelte Rasselge-

räusche Endinspiratorisch bds.

basal Rasseln Blutgasanalyse Normal, ggf. leichte Hypoxie Hypoxie

Lungenfunktion Normal (ggf. leichte Restriktion) Restriktion, DCO ↓. (Ob- struktion)

Präzipitine Meist negativ Meist positiv

BAL Neutrophile Neutrophile, Lymphozyten

EU-Projekt Landwirtschaft:

Prädiktoren für chronischen Auswurf

*Adjustiert für Zentrum, Alter, Geschlecht, Rauchverhalten, andere Tierarten n=1263

0 0-1 1-2 2-4 >4 Schafe ODTS 0

1 2 3 4 5 6

7 Schweinehalter*

POR (95% CI)

Aufenthalt im Schweinestall (h/d) n=2914

0 ODTS

0 1 2 3 4 5 6

7 Andere Tierhalter*

POR (95% CI)

0-2 2-4 4-6 >6 Aufenthalt im Rinderstall (h/d)

Radon et al. 2003

Abb. 2.3 EU-Projekt Landwirtschaft: Prädiktoren für chronischen Auswurf

(16)

Exogen-Allergische Alveolitis

20 bis 30 % der exponierten Landwirte entwickeln Präzipitine, jedoch unter 1 % der derart Exponierten eine manifeste Exogen-Allergische Alveolitis. Ein TNFα- Polymorphismus spielt möglicherweise eine prädisponierende Rolle (SCHAAF et al., 2001), eine prospektive Validierung steht aus. Auch die Sinnhaftigkeit von Maßnah- men der Sekundärprävention ist weniger klar als gemeinhin angenommen. Praktisch zeigt sich, dass Frühsymptome oft nicht beachtet werden. Bei Erstdiagnose trifft man vielfach auf weit fortgeschrittene Krankheitsbilder. Die arbeitsmedizinische Vorsorge funktioniert kaum. Es besteht sowohl ein Forschungsdefizit (Risikofaktoren, Prädikto- ren des Verlaufs) als auch und ganz besonders ein Umsetzungsdefizit (das Krank- heitsbild ist bei den Unternehmern fast unbekannt).

Chronische Bronchitis, chronische obstruktive Bronchitis

Die COPD (chronic obstructive pulmonary disease) ist definiert als chronische Lun- genkrankheit mit progredienter, nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Gluko- kortikoiden nicht vollständig reversibler Obstruktion auf dem Boden einer chroni- schen Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems. Frühsymptome (Husten und Auswurf) werden von Patienten und Ärzten oftmals nicht ernstgenommen, so dass die Diagnose vielfach erst dann erfolgt, wenn eine irreversible Obstruktion und ein Untergang alveolären Parenchyms vorliegen. Der berufliche (und damit im Prinzip präventable) Anteil an COPD-Erkrankungen wird hierzulande zu wenig beachtet. Da- bei ist eine ganze Reihe von Expositionen geeignet, zu einer COPD beizutragen (Tab. 2.4). Daraus resultiert die Forderung, weite Bereiche mit beruflichen COPD- Risiken wissenschaftlich und in der Umsetzung aufzuarbeiten.

Tab. 2.4 Some agents and exposures suspected of causing occupational COPD Organic dusts

Cotton Grain Wood Mineral dusts

Asbestos Carbon black Ceramic fibers Coal

Iron/steel dust

Silica/hard rock mining Wollastonite

Gases/fume/chemicals Ammonia

Cadmium Firefighting Isocyanates

Sulfur dioxide (in paper mills) Welding fume

This list is not cornprehensive. The evidence relating to some agents derives from single studies and is not universally accepted.

Stenton,C. in: D. Hendrick et al (eds.), Occupational disorders of the lung Saunders (2002)

(17)

Malignome: Mesotheliom, Lungenkarzinom

Der Gipfel der asbestbedingten Malignome steht etwa um das Jahr 2025 zu erwarten (Abb. 2.4). Auch beim Bronchialkarzinom sind exogene Risikofaktoren seit vielen Jahren gut bekannt. Diese Tatsache erleichtert im Prinzip die Eingrenzung von Hochrisikokollektiven. Durch die multiplikativen bzw. überadditiven Effekte des Rau- chens mit Asbest- bzw. Quarzbelastungen wie auch mit anderen beruflichen inhalati- ven Karzinogenen sollte die bei einem erfolgreichen Screening einer Hochrisikogrup- pe zu erkennende Tumorhäufigkeit bei durchaus 2 bis 3 % liegen. Gleichwohl existie- ren derzeit keine epidemiologisch aussagefähigen Studienergebnisse zum Lungen- karzinomscreening mit modernen bildgebenden Verfahren bei Patienten beispiels- weise mit Pneumokoniosen. Der Nutzen des bisherigen konventionell-radiologischen Screenings bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, wie sie hierzulande in großem Stil durchgeführt werden, ist auf der Populationsebene mit der Zielgröße

„Mortalität“ bislang noch nicht belegt.

Abb. 2.4 anerkannte Fälle BK 4104 + 4105 und Prognosen in Anlehnung an MANAEI et al. (2000)

Wenn – wie internationale Daten zeigen (vergleichbare deutsche liegen nicht vor) – bei Personen ohne Pneumokoniose etwa 5 % aller nicht-verkalkten Herde maligne und 95 % benigne sind, so wird bei pneumokoniotischen Lungen mit einer um Zeh- nerpotenzen höheren Zahl nicht-verkalkter Herde kaum das erste (Querschnitt-) Screening, sondern vor allem das Follow-up-Screening, evtl. mit PET-Unterstützung, zu Erfolgen führen können. Eine entsprechende interdisziplinäre Studie wird derzeit konzipiert (NOWAK et al., 2005).

Prognose 2.3

Prognose 2.2

Prognose 2.1

(18)

Auf dem Gebiet der Synkanzerogenese besteht unter präventiven Aspekten wesent- licher Forschungsbedarf, wenngleich sich momentan die wissenschaftliche Diskussi- on hierzulande vorwiegend auf Aspekte der Kompensation fokussiert.

Kardiozirkulatorische Wirkungen von Fein- und Ultrafeinstaub

Wenn Feinstaubbelastung im epidemiologischen Maßstab mit einer relevanten kar- diorespiratorischen Morbiditäts- und Mortalitätssteigerung assoziiert ist, so fällt die geringe Zahl arbeitsmedizinischer Studien zu diesem Thema auf. Die hypothetische Wirkung von Feinstaub ist in Abbildung 2.5 skizziert. Nach experimentellem Lichtbo- genhandschweißen im Vergleich zur Kontrolle konnten beispielsweise ANGERER und Koautoren einen signifikanten Anstieg des vasoaktiven Hormons Atriales Natriu- retisches Peptid (ANP) zeigen (Abb. 2.6). Die erhöhten ANP-Konzentrationen nach Partikelbelastung sind möglicherweise Ausdruck einer Rechtsherzbelastung durch Anstieg des pulmonal-arteriellen Widerstandes. Bei Patienten mit kardialen und pul- monalen Vorerkrankungen, die im Erwerbsleben stehen, kann dies potentiell bedroh- liche Folgen haben.

Hypothetische Wirkungswege von Feinstaub

Akut-Phase Reaktion

Systemische Entzündung Akute entzündliche

Prozesse in der Lunge

Herz Deposition

Leber Deposition

Ischämie

Fibrinogen / C-Reactives Protein TAGE - WOCHEN

+

Plaque Ruptur

JAHRE

Plaque Bildung Persistierende

Lungenschäden

+

PM 0.1 Trans- Endothel

Autonome Kontrolle

STUNDEN Metalle EC / OC

PM 2.5

Lucas Neas (EPA, 2001)

Abb. 2.5 Hypothetische Wirkungswege von Feinstaub

(19)

anp

0 400 800 1200

1 2 3 4 5 6 7 8

pro-ANP(31-67), fmol/mL

overall P = 0.008

8.00 10.30 15.00 08.00 ohne Exposition

8.00 10.30 15.00 08.00 nach Schweißrauchexposition

P. Angerer, 2003

14 Nichtraucher, mittl. Alter 24 J., Lichtbogenhand- schweißen, schwarzer Stahl, PM5 (pers.bez.) 7,4 ± 2,6 mg/m3

Abb. 2.6 Pro-ANP vor und nach Schweißrauchexposition (vgl. ANGERER, 2003)

Fazit

Auf den verschiedensten Gebieten respiratorischer (wie auch über die Lunge ver- mittelter kardiozirkulatorischer) Erkrankungen durch Arbeitsplatzeinflüsse bestehen Erkenntnis- und Umsetzungsdefizite, die nur in interdisziplinären Ansätzen für eine erfolgreiche Prävention gelöst werden können.

Literatur

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Houba R, Heederik D, Doekes G. Wheat sensitization and work-related symptoms in the baking industry are preventable. An epidemiologic study. Am J Respir Crit Care Med. 1998;158:1499-503.

Kogevinas M, Anto JM, Sunyer J, Tobias A, Kromhout H, Burney P. Occupational asthma in Europe and other industrialised areas: a population-based study. Euro- pean Community Respiratory Health Survey Study Group. Lancet. 1999;353:1750-4.

Erratum in: Lancet 1999;354:166

(20)

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Nowak D, Ochmann U, Huber RM, Diederich S. Screening des Lungenkarzinoms – aktueller Stand. Pneumologie 2005; im Druck

Radon K, Dressel H, Hümmer S, Riu E, Nowak D, Weinmayr G, Genuneit J, Weiland S, Vogelberg C, Leupold W, Windstetter D, von Mutius E, Kupfer J. Studie in Ost- und Westdeutschland zu beruflichen Allergierisiken – SOLAR – Abschlußbericht.

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3 Zur Analyse longitudinaler epidemiologischer Daten aus der Arbeitswelt

P. Morfeld

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität zu Köln und

Institut für Arbeitswissenschaften, RAG Aktiengesellschaft, Dortmund

Zusammenfassung

Epidemiologische Studien müssen Arbeitswelthistorien in ihrer Komplexität ernst nehmen. Nach Möglichkeit sollten daher Längsschnittstudien durchgeführt werden, so dass Prozessvariablen und ihre Interdependenzen studiert werden können. Quer- schnittsstudien bilden diese zeitlichen Abhängigkeiten zwischen relevanten Größen nicht ab, wodurch sowohl systematische Effektunterschätzungen (Healthy-Worker- Survivor-Effekt) als auch systematische Überschätzungen (Geburtskohorteneffekte) auftreten können. In longitudinalen epidemiologischen Studien ist die Analyse nicht trivial, wenn die im Datenmaterial enthaltenen Interdependenzen herausgearbeitet werden sollen. Für das Design und die Analyse epidemiologischer Längsschnittstu- dien empfiehlt sich eine Aufbereitung der Strukturen mit Hilfe kausaler Graphen. Eine solche kausalorientierte Reflexion der Abhängigkeitsstrukturen zeigt, dass selbst hochentwickelte statistische Instrumente wie die Cox-Regression (Einsatz bei kate- gorialem Respons und kontinuierlicher Zeit) oder die GEE-Regression (Einsatz bei stetigem Respons und diskreter Zeit) die Abhängigkeitsstruktur nicht vollständig er- fassen können. Auch in komplizierten Situationen kann dagegen erfolgreich die sog.

G-Estimation eingesetzt werden. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Beobachtungs- studien in ihrer Struktur wesentlich komplexer sind als experimentelle Studien, wes- halb sowohl ein aufwändiges Design als auch aufwändige Analyseverfahren notwen- dig werden, um belastbare Ergebnisse zur Beantwortung von Kausalfragen bereitzu- stellen. Der pragmatische Rückgriff auf einfache Querschnittsstudien und triviale Auswerteverfahren wird im Allgemeinen der komplexen Wirklichkeit von Expositions- und Responshistorien in der Arbeitswelt nicht gerecht.

3.1 Einleitung: Das Paradigma der Querschnittsstudie

Die Querschnittsstudie hat ihren festen Platz in der arbeitsmedizinischen Epidemio- logie (ROTHMAN und GREENLAND, 1998; CHECKOWAY et al., 2004). Gerade bei der Untersuchung von Lungenfunktionsstörungen bietet sie sich an, da – per defini- tionem – der individuelle Respons in einer solchen Studie für alle Studienteilnehmer allein an einem Zeitpunkt ermittelt wird (sonst bleibt der Respons unbekannt). Häufig werden in diesen Studien sogar alle Variablen einer Person (Respons, Exposition, Kovariablen) lediglich zu einem bestimmten Zeitpunkt erhoben. Damit stellt sich die- ser Studientyp als relativ einfach und schnell realisierbar dar. Für Firmen drängt sich die Option auf, ohne zu großen eigenen Begleitaufwand und ohne lange Laufzeiten die Durchführung einer solchen Studie an eine externe Einrichtung, z. B. ein Univer-

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sitätsinstitut, zu vergeben. Epidemiologie scheint hierdurch im Betrieb auf Einzelak- tionen reduzierbar, indem man zur Bearbeitung einer aufgekommenen Risikofrage kurzerhand eine Querschnittsstudie in Auftrag gibt. Auch auf der universitären Seite ergeben sich Vorteile: das Projekt lässt sich konzise beschreiben und abrechnen; der Aufwand ist überschaubar; das Arbeitsprogramm lässt sich ohne zu große Probleme in Studien-, Diplom- oder Doktorarbeiten zerlegen. Zudem erlaubt der Quer- schnittsansatz die Beschäftigung mit vielen verschiedenen inhaltlichen Themen wäh- rend der Lebensarbeitszeit eines Forschers und ermöglicht dadurch zahlreiche, in- haltlich unabhängige Publikationen.

Diesem Idealbild einer einfachen, transparenten und nach Bedarfsfall einzusetzen- den epidemiologischen Forschung in Form von Querschnittsuntersuchungen steht leider ein erheblicher erkenntnistheoretischer Nachteil gegenüber, der im Folgenden näher beleuchtet werden soll. Hierdurch werde ich versuchen, nicht nur den Vorteil, sondern die Notwendigkeit von Längsschnittstudien zu belegen. Zudem werde ich analytische Zugänge zu Longitudinalstudien aufzeigen, die erlauben, auch in kom- plexen Arbeitsplatzszenarien korrekte Antworten auf kausale Fragen zu geben.

3.2 Ein erstes Beispiel für die Limitation der Querschnittsstudie:

der Healthy-Worker-Survivor-Effekt (HWSE)

Eine wesentliche Limitation von Querschnittsstudien entsteht durch die Maskierung des sog. Healthy-Worker-Survivor-Effektes (HWSE), den ich an einem Beispiel er- läutern möchte.

MERGET et al. (1999, 2000) führten zwei Querschnittsstudien an Mitarbeitern eines Betriebes durch, in dem Platinverbindungen hergestellt wurden. Ziel dieser Arbeiten war u. a., den Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber Platinsalzen in der Luft am Arbeitsplatz und möglichen Lungenfunktionseinbußen zu untersuchen.

Exposition und relevante Kovariablen wurden durch Interview erhoben und eine sog.

kleine Lungenfunktionsmessung an jeder Person durchgeführt. Als Zielgröße greife ich im Folgenden auf die FEV1 < 90 % des Sollwertes zurück, die von den Autoren als eine der relevanten Responsgrößen analysiert wurde. Tabelle 3.1 zeigt das Er- gebnis der zweiten Querschnittsuntersuchung (MERGET et al., 2000).

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Tab. 3.1 Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber luftgetragenen Platinsalzen und einem Lungenfunktionsrespons in einer Querschnitts- Morbiditätsstudie (MERGET et al., 2000)

Exposition gegenüber luftgetragenen Platinsalzen (nach Arbeitsort und Tätigkeit)

hoch niedrig keine/niedrig ∑

FEV1 ≥ 90 % 93 42 48 183

FEV1 < 90 % 22 9 13 44

∑ 115 51 61 227

Prävalenz 19,1 % 17,7 % 21,3 % 19,4 %

(22/115) (9/51) (13/61) (44/227)

Für 227 potentiell exponierte Personen konnten MERGET et al. (2000) vollständige Daten zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Exposition und Respons gewinnen. Die Exposition gegenüber luftgetragenen Platinsalzen wurde in drei Kate- gorien eingeteilt (keine/niedrig, niedrig, hoch). Tabelle 3.1 zeigt eine Zunahme des Respons von 17,7 % auf 19,1 % beim Übergang von niedriger zu hoher Exposition.

Deutet dies prima facie einen möglichen positiven Zusammenhang zwischen Exposi- tion und Respons an, so steht dem allerdings der Befund in der niedrigsten Expositi- onsklasse (Prävalenz = 21,3 %) entgegen. Werden zusätzlich statistische Unsicher- heiten berücksichtigt, so drängt sich vordergründig der Schluss auf, dass es nach dieser Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber luftgetragenen Platinsalzen und dem Lungenfunktionsrespons gibt. MERGET et al.

(2000) beschreiben jedoch, dass es eine erhebliche Belegschaftsfluktuation inner- halb des Betriebes zwischen der ersten und zweiten Querschnittsuntersuchung gab, gerade durch die stark allergisierende Wirkung der Platinsalze bedingt. Der beob- achtete geringe Rückgang der Prävalenz von der niedrigsten zur mittleren Expositi- onsklasse könnte daher ein Spiegel dieses Selektionsprozesses sein, da aufgrund einer Allergisierung erkrankte Mitarbeiter mittlere und hohe Expositionsbereiche not- gedrungen meiden.

Der gewählte Studienansatz erlaubte eine kurze Feldphase und eine einfache Prä- sentation der Befunde. Diesen Vorteilen steht allerdings das Problem gegenüber, dass unklar bleibt, wie denn die Ergebnisse inhaltlich zu deuten sind. Expositions- und Selektionseffekte vermengen sich in unauflösbarer Weise im Querschnittsbild.

Eine kausale Interpretation der angebotenen Daten zu Platinsalzexposition und Lun- genfunktionsveränderungen scheint ausgeschlossen – ein erhebliches Defizit der Untersuchung, das MERGET et al. (2000) auch indirekt durch Beschreibung der in- newohnenden Selektionsprozesse einräumen, aber aufgrund des gewählten Zu- gangs (Querschnittsuntersuchung) nicht vermeiden konnten. Angemerkt sei, dass allerdings das Hauptaugenmerk der Autoren auf einer Darstellung des Sensibilisie- rungsprozesses lag, der offenkundig ist.

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Diese gerade für die Betriebe selbst nach Diskussionen mit den arbeitsmedizinischen und epidemiologischen Experten oft zu Beginn einer solchen Studie nicht erkennbare Problematik am Ende nicht oder nur schwer interpretierbarer Zusammenhangsdaten führt nach Abschluss der epidemiologischen Querschnittsuntersuchung zum Teil zu Frustrationen bei den Beteiligten oder diskreditiert gar die Epidemiologie in den Au- gen fachfremder Akademiker, der Betriebsleitung und auch der Mitbestimmung. Die beispielhaft als Ursache hier angeführte HWSE-Problematik verdient daher eine ge- nauere Betrachtung. Folgende Frage scheint von Bedeutung: Handelt es sich bei diesem Healthy-Worker-Survivor-Effekt (HWSE) um ein ungewöhnliches Phänomen, das allein in der Arbeitswelt auftritt und daher nahezu unbekannt und schwer vermit- telbar ist, wie die Terminologie (W = worker) vielleicht nahe legen möchte, oder liegt dem HWSE ein strukturelles Phänomen zugrunde, das auch in anderen Bereichen wirkt und durchaus bekannt ist? Letzteres wäre hilfreich, wenn es darum geht, einen Konsens zu erreichen, nicht lediglich eine kurzfristige Querschnittsuntersuchung an- zulegen, sondern eine aufwändigere longitudinale Studie zu beginnen. Ich möchte die aufgeworfene Frage beantworten, indem ich ein plakatives Beispiel zum HWSE aus einem ganz anderen Bereich anführe.

Abb. 3.1 Schema eines US-Kampfbombers, modifiziert nach KRÄMER (1997).

Die Kreise markieren die Stellen, wo an heimkehrenden Bombern Flug- abwehrgeschosse eingeschlagen hatten; die innerhalb des Rechtecks getroffenen Bomber kamen nicht zurück.

In der sowohl unterhaltsamen als auch gleichzeitig lehrreichen Übersicht zu einem fehlerhaften oder verzerrenden Umgang mit statistischen Erhebungen führt KRÄMER (1997) das folgende überzeugende Beispiel an: Im zweiten Weltkrieg untersuchte die US-amerikanische Luftwaffe zurückkehrende Bomber nach Einschlagstellen von Flugabwehrgeschossen. Ziel war es herauszufinden, wo besonders viele Einschläge vorkamen, um ggf. die Panzerung zu ändern. Eine naive Betrachtung der die Ergeb- nisse dieser Untersuchung zusammenfassenden Abbildung 3.1 könnte den Schluss nahe legen, dass allein der in der Mitte ausgesparte Bereich – aufgrund der fehlen-

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den Einschläge – am wenigsten Beachtung verdienen sollte. Jedoch ist das Gegen- teil der Fall: an dieser Stelle befand sich der Tank. Bomber, die dort getroffen wur- den, waren „Totalverluste“ und kamen nicht zurück. Und genau deshalb gingen sie nicht in die Statistik ein. Die US-amerikanische Luftwaffe führte also eine Quer- schnittsstudie an – wörtlich zu nehmenden – „survivors“ durch. Offensichtlich inver- tiert dieser „Survivor-Effekt“ die Aussage: zusätzliche Schutzmaßnahmen waren also gerade nicht in den Bereichen mit einer hohen Prävalenz notwendig, sondern dort, wo die niedrigste Prävalenz an Einschlägen vorlag. Übertragen wir diese Erkenntnis:

In ähnlicher Weise können epidemiologische Studien aus der Arbeitswelt irreführen- de Vorgaben für den Arbeitsschutz suggerieren, wenn sie allein als Querschnittsstu- dien angesetzt werden, und eine hohe Querschnittsprävalenz an Gesundheitseinbu- ßen in naiver Weise ohne Beachtung des HWSE als hohe Expositionswirkung inter- pretiert wird.

Ich komme auf die Problematik und einen strukturierten Lösungsweg zur Behandlung des HWSE bei der Besprechung von Längsschnittstudien in Kapitel 3.5 und 3.6 zu- rück.

3.3 Ein zweites Beispiel für die Limitation der Querschnittsstu- die: der Geburtskohorteneffekt

Die Ausführungen zum Healthy-Worker-Survivor-Effekt legen vielleicht nahe, dass die Effektschätzungen in Querschnittsstudien gegenüber Längsschnittstudien stets unterschätzt, ja sogar vielleicht invertiert sind, aber wohl kaum eine fehlerhafte Über- schätzung der Effekte eintreten kann. Leider ist dies nicht der Fall, wie mit dem fol- genden Beispiel belegt werden soll.

Es gilt als gut gesichert, dass die Einsekundenkapazität (FEV1) während der Kindheit und Jugend mit dem Körperwachstum steigt und nach Erreichen eines Plateaus mit Maximalwert ungefähr ab Mitte der zweiten Lebensdekade mit zunehmendem Alter stetig abfällt (NEWMAN-TAYLOR, 2002). Dieser Altersgang der FEV1 spiegelt sich in üblicherweise verwendeten Sollwertformeln (z. B. QUANJER et al., 1993). Zur Be- wertung der Relevanz der Wirkung einer Exposition am Arbeitsplatz auf die FEV1

bietet sich u. a. daher ein Vergleich mit dem natürlichen Altersrückgang ab Mitte der zweiten Lebensdekade an. Dieser als Standard für den Vergleich gesuchte natürliche Altersrückgang lässt sich nun sowohl in Querschnittsstudien als auch in Längs- schnittstudien schätzen. Prima facie verblüffend, finden Querschnittsstudien fast durchgängig einen steileren Rückgang der FEV1 über dem Alter als Längsschnittstu- dien (NEWMAN-TAYLOR, 2002).

Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen bietet der Geburtskohorteneffekt.

Nach BARKER et al. (1991) ist die FEV1 des Erwachsenen deutlich und positiv mit dem Geburtsgewicht korreliert, und dies unabhängig vom soziökonomischen Status und Tabakkonsum. Zudem zeigte diese Untersuchung, dass das Auftreten einer Bronchitis oder Lungenentzündung in früher Kindheit mit einer niedrigeren FEV1 im Erwachsenenalter verknüpft ist, unabhängig vom Geburtsgewicht, soziökonomischen Status und Tabakkonsum. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich aufgrund einer zu unterstellenden rückläufigen Infekthäufigkeit und einer sich verbessernden Ernäh- rung und Versorgung während des letzten Jahrhunderts ein Geburtskohorteneffekt

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auf die FEV1 einstellte. In der Tat haben GLINDMEYER et al. (1982) geschätzt, dass sich während der letzten 150 Jahre die Vitalkapazität, bezogen auf ein festes Alter und eine feste Körpergröße um ca. 5 ml/Kalenderjahr erhöht hat. Abbildung 3.2 zeigt, wie dieser Geburtskohorteneffekt die Diskrepanz im geschätzten Altersrückgang der FEV1 zwischen Querschnittsstudien und Längsschnittstudien erklären kann.

Abb. 3.2 Erklärung für die Überschätzung des Rückgangs der FEV1 über dem Alter in Querschnittsstudien: Obwohl der Rückgang über dem Alter in allen Geburtskohorten ähnlich ist (parallele Linien), stellt sich in der Querschnittsstudie ein steilerer Abfall ein (Kreise), da spätere Genera- tionen ein höheres Maximum der FEV1 erreichen (modifiziert nach NE- WMAN-TAYLOR, 2002)

Spätere Generationen erreichen aufgrund des Geburtskohorteneffektes ein höheres Maximum der FEV1. Danach fällt die FEV1 weitgehend parallel ab und wird in der Querschnittsstudie während der durchgezogenen Strecken beobachtet. Da dieser Unterschied im Maximum selbst im höheren Alter zwischen den Geburtskohorten als Parallelversatz bestehen bleibt, suggeriert die Querschnittsstudie einen steileren Abfall der FEV1 als in Wirklichkeit vorhanden.

Das Grundproblem besteht offensichtlich wieder darin, dass die Querschnittsstudie nicht in der Lage ist, die stattfindenden Prozesse korrekt zu spiegeln. Ich möchte betonen, dass das angeführte Beispiel belegt, dass die durch die Querschnittsstudie hervorgerufene Verzerrung nicht notwendig zu einer Nivellierung der beobachteten Effekte führen muss: Es kommt nicht zu einer Unterschätzung der Größe des Effek- tes, sondern der Betrag des Altersrückgangs wird durch den Geburtskohorteneffekt überschätzt.

3.4 Probleme in der Analyse von Längsschnittstudien

Die dargelegten systematischen Probleme der Querschnittsstudie legen nahe, Lon- gitudinalstudien durchzuführen. Sind solche Studien einerseits bereits wesentlich aufwändiger in Design und Durchführung, Kosten und Zeitdauer, so stellen sich an- dererseits darüber hinaus besondere Anforderungen an die Analyse der Daten ein.

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Der Epidemiologe erhält nun nämlich Daten mit Mehrfachmessungen innerhalb der- selben Person und Daten mit zeitlichen Abhängigkeiten zwischen den Messwerten auch verschiedener Größen einer Person, die auswertetechnisch beherrscht werden müssen. Ein naiver Auswerteansatz, der diese Korrelationen vernachlässigt, führt zu verzerrten Befunden. Üblicherweise wird dieser komplizierten Datensituation mit aufwändigen statistischen Methoden begegnet, die jedoch nicht selbst programmiert und validiert werden müssen, sondern als Standardroutinen in handelsüblichen Stati- stikpaketen implementiert sind (z.B. SAS oder STATA). Für einen binären Respons in stetiger Zeit (Bsp. Mortalitätsstudie) wird häufig das Cox-Modell empfohlen, bei stetigem Respons in kategorialer Zeit (Bsp. wiederholte Lungenfunktionsmessung zu variablen Zeitpunkten) Modelle der GEE-Klasse oder random coefficent Regressio- nen. Als Übersichten zu diesen longitudinalen Auswerteverfahren mit Anwendungs- beispielen und theoretischer Erläuterung seien DIGGLE et al. (1994) sowie FAHR- MEIER und TUTZ (2001) genannt. Die angeführten Lehrbücher demonstrieren an Hand von Beispielen auch eindrucksvoll die auftretenden systematischen Fehler bei naiver Auswertung der Längsschnittdaten.

Obgleich die zu empfehlenden Verfahren aufwändig und intellektuell anspruchsvoll sind, lösen sie im Allgemeinen nicht alle analytischen Probleme einer realen Längs- schnittstruktur. Aus praktischen Gründen illustriere ich diese an der denkbar einfach- sten Longitudinalstruktur: einem monotonen Null-Eins-Prozess (Sterbeprozess). Die Zeit wird als stetig verstanden und der Respons als binär (Null oder Eins), wobei zu Beginn der Studie der Respons aller Studienteilnehmer einheitlich den Wert Null (keine Reaktion) annimmt und für einige zu einem definierten Zeitpunkt während der Studie der Respons auf den Wert Eins (Reaktion) hochspringt, ohne danach auf den Ausgangswert zurückkehren zu können. Dies stellt die typische Datensituation in Ko- horten-Mortalitätsstudien dar (ROTHMAN und GREENLAND, 1998). Vollständige Längsschnittdaten lassen sich in dieser Situation besonders einfach erheben, da aus der Tatsache, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt noch lebte oder an einem definierten Zeitpunkt gestorben ist, direkt erschließen lässt, dass sie an allen anderen Zeitpunkten vor diesem Datum und nach ihrer Geburt gelebt hat. Mortalitäts- Kohortenstudien stellen also echte Längsschnittstudien in stetiger Zeit dar und ver- meiden deshalb die in Kapitel 3.1 und 3.2 angeführten Nachteile von Querschnitts- studien. Ähnliches gilt für Kohortenstudien zur Krebsmorbidität. Aufgrund dieser ein- fachen Struktur liegt es bei vordergründiger Betrachtung nahe anzunehmen, dass bereits eine einfache Analyse dieser Längsschnittstudie zu den gewünschten Kau- salaussagen führt. Im Folgenden (Kapitel 3.5 und 3.6) werde ich anhand einer Bei- spielkohortenstudie zur Lungenkrebsmortalität von Steinkohlenbergleuten (MOR- FELD et al., 2002a; MORFELD und LAMPERT, 2004) erläutern, dass allerdings ein komplexerer Zugang zur Aufklärung des Zusammenhangs von Exposition und Re- spons notwendig ist.

Zunächst möchte ich die Problematik aber in einer überschaubareren Situation dar- stellen, beginnend mit einer Querschnittsstudie zur interessanten Frage des Brust- krebsrisikos von linkshändigen Frauen. Diese hoffentlich eher erheiternde als depri- mierende, in peer reviewed journals der wissenschaftlichen Öffentlichkeit dargebote- ne Diskussion habe ich dem lesenswerten, kritischen Einführungsbuch in wichtige Denk- und Verfahrensweisen der medizinischen Wissenschaft von BECK- BORNHOLDT und DUBBEN (2001) entnommen.

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OLSSON und INGVAR (1991) führten in Südschweden eine Querschnittsstudie an 395 von ihnen untersuchten Patientinnen mit Brustkrebs durch und fanden heraus, dass sechs von ihnen Linkshänderinnen waren (1,5 %). Dagegen berichteten 258 von 5158 befragten südschwedischen Frauen, dass sie Linkshänderinnen seien (5 %). Diesen hochsignifikanten Unterschied deuteten die beiden Chirurgen wie folgt:

Hormonelle Faktoren in der frühen Kindheit legen sowohl die Händigkeit als auch das spätere Brustkrebsrisiko fest.

Da es sich bei der Arbeit von OLSSON und INGVAR (1991) um eine Querschnitts- studie handelt, sind derartige Kausalinterpretationen allerdings nur mit großer Vor- sicht zu genießen. In der Tat erläuterte LOWRY (1992), dass die angebotene Inter- pretation auf einer Fehldeutung beruhen könnte. Der Autor nahm Bezug auf eine von HALPERN und COREN (1991) publizierte amerikanische Studie, wonach Linkshän- der eine um neun Jahre geringere Lebenserwartung haben als Rechtshänder. Da das Brustkrebsrisiko mit dem Alter steigt, werden Linkshänderinnen daher vermutlich nicht so alt wie Rechtshänderinnen und zeigen deshalb ein scheinbar geringeres Ri- siko an Brustkrebs zu erkranken. Die vordergründig gute Nachricht der Querschnitts- studie für Linkshänderinnen (niedrigeres Brustkrebsrisiko) wird nach der Interpretati- on von LOWRY (1992) aufgrund der Längsschnittsstudie als schlechte Nachricht enttarnt (Linkshänderinnen sterben früher). Wiederum zeigt sich in diesem Beispiel, wie problematisch eine Kausalinterpretation von Querschnittsstudien ist.

Über die bisher angebotenen Interpretationen hinaus lässt sich anhand dieses Bei- spieles aber auch verdeutlichen, wie schwierig eine angemessene Interpretation von Längsschnittstudien ist. KAYATZ führte eine dritte und tiefer liegende Interpretation an (vgl. BECK-BORNHOLDT und DUBBEN, 2001). Zunächst ist sicherlich das durchschnittliche Alter von Frauen mit Brustkrebs höher als das durchschnittliche Alter von Frauen ohne Brustkrebs. Vermutlich ist allerdings zusätzlich zu unterstel- len, dass der Anteil mit links schreibender Frauen mit dem Alter abnimmt, da in frü- heren Zeiten während der Erziehung mehr Wert auf das Schreiben mit der rechten Hand gelegt wurde als heute. Die Längsschnittstudie von HALPERN und COREN (1991) beobachtet danach lediglich, dass der Anteil von Linkshändern bei älteren Leuten geringer ist als der Durchschnitt, was nach KAYATZ selbst dann zu erwarten ist, wenn die Linkshändigkeit weder einen Zusammenhang zur Mortalität noch zum Brustkrebsrisiko zeigt.

Das tiefer liegende Problem besteht darin, dass die Exposition (= Linkshändigkeit) in den Studien nicht unabhängig gesetzt ist, sondern sich in der Zeit in Abhängigkeit von Kovariablen entwickelt. Die Händigkeit ist also keine zeitinvariante Größe, son- dern muss, wie der Respons, als Prozess verstanden werden.

3.5 Die Komplexität einer Längsschnitt-Mortalitätsstudie aus der Arbeitswelt

Als Beispiel aus der Arbeitswelt, das u.a. die Bedeutung der Entwicklung des Expo- sitionsprozesses in der Kausalinterpretation von beruflich bedingten Mortalitätsrisiken erläutert, möchte ich im Folgenden zu einer Längsschnittstudie zur Lungen- krebsmortalität von Steinkohlenbergleuten berichten (MORFELD et al., 2002a;

MORFELD und LAMPERT, 2004).

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Tab. 3.2 Standardisierte Mortalitätsrate SMR mit 0,95-Konfidenzintervallen für 4581 Steinkohlenbergleute des Saarbergbaus, Follow-up 1980-1998, 81306 Personenjahre (MORFELD et al., 2002a)

beobachtet SMR 0,95-CI Gesamtmortalität

ICD9 001 - 999 810 0,80 0,75 – 0,86

Krebsmortalität

ICD9 140 - 208 270 0,80 0,71 – 0,90

Lungenkrebsmortalität

ICD9 162 98 0,79 0,64 – 0,96

Nach MORFELD et al. (2002a) ergibt sich eine signifikant, gegenüber der Lungen- krebssterblichkeit der Normalbevölkerung, erniedrigte Lungenkrebssterberate im Studienkollektiv der Steinkohlenbergleute (vgl. Tabelle 3.2). Zudem ist die Lungen- krebssterberate unauffällig sowohl im Vergleich zur Gesamtmortalität als auch im Vergleich zur gesamten Krebsmortalität. Neben dem grundsätzlichen Problem des hier durchgeführten externen Vergleichs mit der männlichen Gesamtbevölkerung des Saarlandes, die aufgrund der Eingangsselektionsbedingungen zum Bergbau sich systematisch vom Studienkollektiv unterscheiden kann, stehen einer Kausalinter- pretation dieser Tabelle die folgenden tiefer liegenden Probleme entgegen (MOR- FELD und LAMPERT, 2004).

Es wirken abhängige Zensierungen, d.h. zu dem interessierenden zentralen End- punkt (Tod durch Lungenkrebs) existieren kompetitive Endpunkte (z.B. die schwere Bergarbeiterpneumokoniose). Dies könnte dazu führen, dass eine Person deshalb nicht mehr beobachtet an Lungenkrebs verstirbt, da sie zuvor an einer anderen schweren, durch die Exposition verursachten Erkrankung verstirbt. Abbildung 3.3 könnte als Beleg für einen solchen Effekt verstanden werden, da sich zwar für die einfache Bergarbeiterpneumokoniose mit den Graden 0/1, 1/0 und 1/1, ILO 1980 als Trennpunkt eine zunehmende Erhöhung der SMR unter den Steinkohlenbergleuten mit Hinweisen auf einen höheren Pneumokoniosegrad ergeben, jedoch ein solches Phänomen gerade nicht mehr die schwere Bergarbeiterpneumokoniose (Schatten- größe ≥ A, ILO 1980) darstellt. Obgleich 93 Personen eine große Schwiele entwik- kelten, verstarben nur 2 Personen an Lungenkrebs, was einer SMR von 0,57, also unterhalb der Durchschnitts-SMR von 0,80 entspricht. Diese Effektumkehr könnte durch abhängige Zensierung hervorgerufen sein. Grundsätzlich kann aber nicht aus- geschlossen werden, dass diese abhängige Zensierung bereits ebenfalls in den nied- rigen Pneumokonioseklassen wirkt, so dass dort eine Verzerrung ohne Effektumkehr vorliegen könnte.

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<0/1 0/1 <1/0 1/0 <1/1 1/1 <A A 0

1 2 3

2 96 57

45

53 53

SMR= 0.73 0.86 0.60 1.28 0.59 1.57 0.80 0.57 n = 3067 1937 3732 1069 3977 788 4526 93

Berarbeiterpneumokoniose (ILO 1980) OPJ

45

41

observed SMR

Abb. 3.3 SMR-Statistiken mit 0,95-Konfidenzintervallen und der Anzahl der be- obachteten Lungenkrebstodesfälle über dem Pneumokoniosegrad (98 Fälle, 4581 Steinkohlenbergleute)

Durch einen Verbleib von Gesünderen in belastenderen Arbeitsplätzen könnte ein Absinken der Mortalitätsraten unter den Langzeitexponierten bewirkt werden (sog.

Healthy-Worker-Survivor-Effekt, vgl. Kapitel 3.2). In der Tat zeigt Tabelle 3.3, dass unabhängig von anderen wichtigen Einflussgrößen das relative Risiko an Lungen- krebs zu sterben, mit der Zahl der lebenslang untertägig verfahrenen Schichten si- gnifikant fällt. Eine solche Risikoabsenkung durch Healthy-Worker-Survivor-Effekte kann zu einer deutlichen Verzerrung der geschätzten Effekte der kumulierten Stau- bexposition führen.

Tab. 3.3 Cox-Modell zum Lungenkrebsrisiko über der Follow-up-Zeit (4581 Bergleute, 98 Fälle) adjustiert für Bergwerke (Ensdorf, Reden, übgrige)

Kovariablen RR p-Wert

Deutsch* 1,34 0,64

Alter / a 1,12 < 0,0001

Ensdorf* 1,07 0,83

Reden* 0,90 0,65

ILO ≥ 1/1* 3,24 < 0,0001

Schichtenzahl 0,84 0,01

* binär kodiert (ja = 1, nein = 0)

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Eine Kausalinterpretation kann zusätzlich durch sogenanntes intermediäres Con- founding kompliziert werden. Wie auch Tabelle 3.2 noch einmal deutlich belegt, exi- stiert eine Assoziation zwischen der Bergarbeiterpneumokoniose und dem Tod durch Lungenkrebs. Wenn gleichzeitig die Pneumokoniose die Höhe der zukünftigen Expo- sitionen mitbeeinflusst, stellt die Pneumokoniose einen potentiellen Confounder für den Zusammenhang zwischen Staubexposition und Lungenkrebsrisiko dar. In der Tat zeigt Tabelle 3.4 genau einen solchen Zusammenhang. In Cox-Modellen wurden Kovariablen danach untersucht, ob sie eine Assoziation zur Expositionsbeendigung zeigten. Man erkennt, dass – wie erwartet – Alter und Kalenderzeit die Wahrschein- lichkeit der Beendigung der Exposition unter sonst gleichen Bedingungen deutlich erhöhen, d.h. die Steinkohlenbergleute beendigen ihre Untertagetätigkeit vornehm- lich in höherem Alter und dieser Prozess beschleunigt sich mit zunehmender Kalen- derzeit (Rückführung des Steinkohlenbergbaus, z.B. durch vorzeitiges Ausscheiden aus dem Unternehmen). Auch erkennt man, dass die durchschnittliche unter Tage geleistete Arbeitszeit auch mit den Bergwerken variiert. Für unsere Fragestellung ist wichtig, dass sich sowohl im Gesamtkollektiv aber speziell unter den 2071 deutschen Steinkohlenbergleuten mit Angaben zum Rauchverhalten eine Tendenz zur früheren Beendigung der untertägigen Expositionen bei vorliegendem höherem Pneumoko- niosegrad einstellt. Da nun gleichzeitig, wie in MORFELD et al. (2002a) ausgeführt, ein klarer Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Stäuben und dem Auftreten der Bergarbeiterpneumokoniose vorliegt, stellt die Lungenfibrose sowohl eine intermediäre Größe aber auch einen Confounder auf dem möglichen kausalen Pfad von der Staubexposition zum Tod durch Lungenkrebs dar. Da nach einem po- tentiellen Confounder adjustiert werden muss, jedoch nach einer intermediären Grö- ße nicht adjustiert werden darf, sind somit sowohl sämtliche Auswertungen potentiell verzerrt, die die Pneumokoniose als Kovariable berücksichtigen, als auch jene, die auf ihre Berücksichtigung in den analytischen Modellen verzichten (siehe zu diesem analytischen Problem z.B. ROTHMAN und GREENLAND, 1998; ROBINS et al., 1992; MORFELD et al., 1997; MORFELD et al., 1999).

Tab. 3.4 Cox-Modelle über der Untertagezeit zur Expositionsbeendigung als Zielereignis. Auswertungen für alle Bergleute des Studienkollektivs (n = 4581) und deutsche Bergleute mit Angaben zur Rauchgewohnheit (n = 2071)

Kovariablen 4581 Bergleute, 4259 Ereignisse

2071 deutsche Bergleute, 1799 Ereignisse

RR p RR p

Deutsch (0/1) 0,890 0,091 - -

Alter/a 1,230 < 0,0001 1,240 < 0,0001

Kalenderzeit/a 1,110 < 0,0001 1,130 < 0,0001

Ensdorf (0/1) 0,960 0,450 0,910 0,180

Reden (0/1) 1,150 < 0,0001 1,240 < 0,0001

CCQS* 1,002 0,370 0,989 0,027

CQS* 0,939 < 0,0001 0,996 0,690

ILO 1/1 (0/1) 1,050 0,230 1,330 < 0,0001

Pack-Years - - 1,003 0,0312

* kumulierte Exposition (Schichten   Intensität)

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Damit stellt sich eine grundsätzlich vergleichbare Struktur zur Problematik „Links- händigkeit/Brustkrebs“ (vgl. Kapitel 3.4) ein, da die Exposition nicht unabhängig ge- setzt wird, sondern sich – wie die Linkshändigkeit – in der Zeit entwickelt und diese Entwicklung von zeitabhängigen Kovariablen unterschiedlich stark mitbestimmt wird.

3.6 Die analytische Behandlung intermediärer Confounder, die Healthy-Worker-Survivor-Effekte verursachen

Im Folgenden möchte ich mich lediglich knapp dem zweiten Problem, nämlich dem der intermediären Confounder und der damit verbundenen Healthy-Worker-Survivor- Selektion zuwenden.

Zur präzisen Fassung der Studienhypothese und des Beziehungsgeflechts zwischen potentiellen Confoundern und Studienvariablen empfehlen GREENLAND et al.

(1999) die Explikation kausaler Graphen (directed acyclic graphs, DAGs).

DO

E1 E3 E5

CWP2 CWP4 LuCa6 DO

E1 E3 E5

CWP2 CWP4 LuCa6

Abb. 3.4 Kausaler Graph (DAG, GREENLAND et al., 1999a) zu Disposition D, Pneumokoniose CWP, Exposition E und Lungenkrebs LuCa mit den Zeitpunkten 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 (Prozessgrößen)

Abbildung 3.4 enthält potentielle Kausalpfeile entsprechend der zeitlichen Abfolge zwischen den als Prozess verstandenen Variablen. Die nicht beobachtbare Grund- disposition des Individuums sei durch D0 (Disposition zum Zeitpunkt t = 0) beschrie- ben. Von ihr gehen potentielle Kausalpfeile zu der sich im Lauf der Zeit entwickeln- den Bergarbeiterpneumokoniose (kurz CWP = coal workers’ pneumoconiosis) und dem zum Studienende dokumentierten Tod durch Lungenkrebs. Nicht kausal mit der Disposition verbunden ist der Expositionsprozess, beispielhaft dargestellt für die Zeitpunkte 1, 3 und 5 als E1, E3 und E5. E1 beeinflusst grundsätzlich kausal alle späteren Grade der Bergarbeiterpneumokoniose (CWP2 und CWP4), die späteren Expositionsgrade (E3 und E5) sowie die Lungenkrebsvariable (LuCa6). Entspre- chend werden potentielle Kausalpfeile von den späteren Expositionsgraden E3 und E5 zu den jeweils in der Zukunft liegenden Variablen gezogen. Grundsätzlich gilt dasselbe für die Pneumokoniosegrade als Ausgangspunkte für potentielle Kausal- pfeile.

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Der kausale Graph stellt somit alle denkbaren Kausalzusammenhänge unter der An- nahme dar, dass a) keine Ursache-Wirkungs-Beziehung rückwärts durch die Zeit läuft und b) die Setzung der Exposition nur indirekt durch die Disposition, d.h. ver- mittelt durch das Auftreten der Bergarbeiterpneumokoniose, beeinflusst wird. Dieser Graph ist somit in der Lage, alle als für eine Analyse problematisierend zu benen- nenden Assoziationen (Disposition verknüpft Bergarbeiterpneumokoniose und Lun- genkrebs, Exposition beeinflusst Bergarbeiterpneumokoniose und Pneumokoniose beeinflusst Exposition, derzeitige Exposition wird von vergangener Exposition mitbe- stimmt) darzustellen, so dass das Auftreten von Healthy-Worker-Survivor-Effekten strukturiert als eine Expositionsbeeinflussung durch Zwischenvariablen repräsentier- bar wird. Der kausale Graph legt auch das Problem der intermediären Confounder offen. Da CWP2 sowohl E3 als auch LuCa6 potentiell kausal beeinflusst, stellt CWP2 einen potentiellen Confounder für die Beziehung zwischen E3 und LuCa6 dar. Somit muss eine Analyse des Zusammenhangs von E3 und LuCa6 den Pneumokoniose- grad CWP2 als eine Kovariable in der Adjustierung berücksichtigen. Gleichzeitig liegt CWP2 auf dem potentiellen kausalen Pfad von E1 nach LuCa6, stellt also vom Standpunkt E1 aus eine intermediäre Größe dar, nach der nicht adjustiert werden darf, da ansonsten ein Teil der potentiellen Kausalwirkung von E1 auf den Lungen- krebs verzerrend weg adjustiert würde. Werden nun die in den Zeitpunkten 1 und 3 erworbenen Expositionen zu einem kumulierten Expositionsmaß E1+E3 zusammen- geführt, so nimmt CWP2 den Status eines intermediären Confounders an, nach dem adjustiert werden muss, jedoch auch nicht adjustiert werden darf. Der kausale Graph in Abbildung 3.4 macht somit deutlich, dass das Auftreten von analytisch nicht be- herrschbaren intermediären Confoundern artifiziell ist und mit der Verwendung der kumulierten Exposition anstelle des tatsächlichen Expositionsprozesses in Schätz- verfahren ursächlich zusammenhängt.

Aus dem kausalen Graphen geht somit direkt die strategische Empfehlung hervor, in Schätzverfahren keine kumulierten Expositionen zu verwenden, sondern den Expo- sitionsprozess zeitlich aufgegliedert zu berücksichtigen: Für E1 wird dann nicht nach CWP2 adjustiert, jedoch für E3. Für eine kausal orientierte Auswertung gilt es somit zunächst zu analysieren, wie der Expositionsprozess im Geflecht aller Variablen verläuft. Dies führt direkt zur Idee, die Exposition als Zielgröße in analytischen Mo- dellen zu verwenden („inverse“ Modellierung). Vergleiche hierzu auch die Ausführun- gen zum propensity score in ROSENBAUM (1995). Tabelle 3.5 zeigt das Ergebnis einer solchen Analyse.

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