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Archiv "Ein Angriff auf die sittliche Substanz des Arzttums" (01.10.1981)

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Die Information:

Bericht und Meinung Systemveränderer

• Fortsetzung von Seite 1854 Was Herbert Brückner, in Bremen Senator für Gesundheit und Um- weltschutz, hingegen fordert, ist nicht neu. Der ASG-Bundeskon- greß hat im Juni dieses Jahres sei- ne Forderungen an den Gesetzge- ber vorgelegt (dazu Heft 26/1981);

Brückner selbst hatte die ASG- Forderungen in bemerkenswerter Offenherzigkeit ideologisch be- gründet (wie in der neuesten Aus- gabe des „Bremer Ärzteblatts", Heft 9/1981, dokumentiert).

Plan-Kernstück: Vor- und nachstationäre Versorgung ins Krankenhaus

Ein Kernstück der angestrebten Systemveränderung, durch eine aktuelle Stellungnahme des ASG- Bundesvorstands bekräftigt, ist nach wie vor die Einführung vor- und nachstationärer Versorgung im Krankenhaus. Überhaupt sollen nach den Vorstellungen der Ar- beitsgemeinschaft der Sozialde- mokraten im Gesundheitswesen die Krankenhäuser für die ambu- lante Behandlung geöffnet wer- den (wohlgemerkt: gegen pau- schale Vergütung durch die Kran- kenkassen an das Krankenhaus).

Nach den Worten Brückners sei die angeblich „starre Trennung zwischen dem ambulanten und stationären Versorgungsbereich"

einer der kostentreibenden Struk- turmängel; ein anderer: „Das Sy- stem der Einzelabrechnungen in den Arztpraxen, das eine beliebige Vermehrung ärztlicher Leistungen zu Lasten der Versicherten" förde- re (Stichwort auch hier die „struk- turelle Änderung", nämlich Ab- rechnung nicht nach Einzellei- stungen, sondern nach „Lei- stungskomplexen").

In der von der ASG geforderten

„gemeinsamen Nutzung medizi- nisch-technischer Apparate und Geräte durch Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte" feiert die vor einem Jahrzehnt erstmals er- hobene Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes nach „Me-

DER KOMMENTAR

In Hamburg haben Ende Septem- ber nach Schätzungen der berich- tenden Journalisten rund 1400 als Ärzte bezeichnete Personen aus der Bundesrepublik, aus anderen Ländern West-Europas, aus den USA und der UdSSR Ausbildung und Fortbildung in der Katastro- phenmedizin mit der Begründung abgelehnt, die deutsche Zivilbe- völkerung habe bei einem Atom- krieg ohnehin keine Überlebens- chance. Wieder einmal wurde der hippokratische Eid bemüht.

Nehmen wir eine kritische Wer- tung des Vorganges vorweg: Un- ter der Devise „Ärzte - warnen vor dem Atomtod" wurde zu Lasten der Selbstverteidigungsbereit- schaft in der NATO ganz offenkun- dig Propaganda zugunsten der vom sowjetischen Imperialismus militant gerüsteten sozialistischen Internationale betrieben. Ideolo- gisch ambivalente Profilneurotiker und gewissenhafte Sektierer wa- ren auch diesmal wieder bereit, an der ethischen Tarnkappe mate- rialistischer Machtpolitik mitzu- stricken.

Die Entlarvung dieser linken Pro- pagandisten könnte getrost der allgemeinen Publizistik überlas- sen bleiben, wenn nicht Miß- brauch und Verletzung ärztlicher Ethik einer deutlichen Zurückwei- sung gerade aus dem sozialen und ethischen Auftrag des Arzttums bedürften.

Zum Mißbrauch: Die Parole „Ärzte warnen vor dem Atomtod" unter- stellt, daß es besondere ärztliche Gründe gäbe, gerade vor atoma- ren Energien zu warnen. Solche besonderen ärztlichen Gründe gibt es nicht. Die Schlagzeilen

„Ärzte warnen vor dem Verkehrs- tod" oder „Ärzte warnen vor dem Knollenblätterpilz" haben keine geringere ethische Dimension. Die Zahl der Gefährdeten, Leidenden und Sterbenden ist für die Qualität des ärztlichen Auftrags ebenso ir- relevant, wie die Ursachen der Ge- fährdung und Verletzung von Leib und Leben es sind.

Wenn Ärzte eine besondere Pflicht haben, vor den Gefahren friedli- chen oder kriegerischen Einsatzes technischer Mittel und Methoden zu warnen, dann gilt das für den Umgang mit Pfeil und Bogen nicht weniger als für den Umgang mit Atomkraft. Nur konsequenter Pazi- fismus ist respektabel; er orien- tiert sich an sittlichen Normen, nicht an opportunen Erfolgschan- cen. Insoweit haben sich auch echte Pazifisten in Hamburg miß- brauchen lassen.

Was heißt das denn, daß die „deut- sche Zivilbevölkerung bei einem Atomkrieg ohnehin keine Überle- benschance" habe? Hat die deut- sche Zivilbevölkerung denn ohne Atomkrieg eine Überlebenschan- ce? Nimmt man „Bevölkerung"

als Summe aller heute Lebenden,

Ein Angriff

auf die sittliche Substanz des Arzttums

Mediziner gegen Fortbildung in der Katastrophenmedizin

1856 Heft 40 vom 1. Oktober 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung Systemveränderer

so hat davon mit oder ohne Atom- krieg in keinem Falle irgend je- mand eine Überlebenschance.

Aber es sterben nicht alle auf ein- mal! Schon griechische Philoso- phen haben angesichts der Per- ser-Kriege gefragt, ob es sich in Gemeinschaft schwerer sterben lasse als allein.

Die Angst vor dem Tod und vor dem Sterben ist menschlich. Diese Angst hat sich zu verschiedenen Zeiten in besonderer Lebhaftigkeit verschiedenen 'Bedrohungen zu- gewandt. In der Antike war dies z. B. der Ruf „die Perser kom- men". Im Mittelalter war dies die Pest. Heute sind dies Krebs und Atomangst. Der propagandisti- sche Mißbrauch der Todesangst, die dem Menschlichen zutiefst in- newohnt, muß als ganz besonders verwerflich bezeichnet werden.

Nimmt man als „deutsche Bevöl- kerung" das den einzelnen überle- bende deutsche Volk, so ist des- sen Überleben wahrlich von noch ganz anderen Gefahren bedroht als einem Atomkrieg. Auch ist das geschichtliche Schicksal des deutschen Volkes und der deut- schen Nation den Wortführern der Antiatomkraftpropaganda — so- weit aus allen Veröffentlichungen ersichtlich — alles andere als ein inneres Anliegen. Und wäre es dies, so hätte das keinen Bezug zu Besonderheiten ärztlicher Ethik.

Insofern hat sich wohl auch der Generalmajor a. D. Gerd Bastian, dem wir nationale Gesinnung un- terstellen, in Hamburg mißbrau- chen lassen.

Und nun zur Verletzung ärztlicher Ethik durch die Beschlüsse der 1400 medizinischen Atomkraft- und Kriegsgegner. Der Kongreß hat sich mit einer Resolution ge- gen Ausbildung und Fortbildung in der Katastrophenmedizin ge- wandt, da weder entsprechende Übungen noch das geplante Gesundheitssicherstellungsgesetz

der Bevölkerung gegen atomare Gefährdung „irgendeinen Schutz"

bieten könnten.

Hier wird eine Erfolgserwartung zum Maßstab ärztlichen Handelns gemacht und offen dazu aufgeru- fen, ärztliche Ausbildungs- und Fortbildungspflichten zu sabo- tieren.

Die Bundesärztekammer hat oft genug darauf hingewiesen, daß ein Gesundheitssicherstellungs- gesetz überfällig ist. Ihr Wissen- schaftlicher Beirat hat für die ärzt- liche Versorgung bei Reaktorun- fällen das wissenschaftliche Rüst- zeug erarbeitet und setzt diese Ar- beit für die gesamte Katastrophen- medizin fort. Die Bundesärztekam- mer hat auf ihren internationalen Fortbildungskongressen und die Ärztekammern haben in ihren Fortbildungsveranstaltungen die Katastrophenmedizin seit Jahren auch schwerpunktartig gefördert.

Zehntausende von Ärzten haben nicht nur das schriftliche, sondern auch das Kongreßangebot in Katastrophenmedizin wahrge- nommen. Sie sind damit aus frei- em Entschluß ihrer entsprechen- den Fortbildungspflicht nachge- kommen.

Auch im Namen aller dieser Ärzte, die sich, ihrer Pflicht bewußt, aus- gebildet und fortgebildet haben, muß der Hamburger Aufruf zur Sa- botage ärztlicher Pflichten nicht nur als Propaganda ideologischer Fremdenlegionäre demaskiert, sondern als Aufforderung zu zu- tiefst unmoralischer, unärztlicher und unmenschlicher Verweige- rung ärztlicher Hilfeleistung verur- teilt werden. Auch nur in einem einzigen Falle wegen der Gewiß- heit dem Tod das Feld räumen zu müssen, sich nicht nach besten Kräften für ärztliche Hilfe zu rü- sten, heißt den sozialen Auftrag, heißt die sittliche Substanz des Arzttums verleugnen.

J. F. Volrad Deneke

dizinisch-Technischen Zentren"

(MTZ) Wiederauferstehung.

Neben Krankenhaus und Praxis ist der „Arzneimittelmarkt" dritter Ansatzpunkt der „Strukturre- form"-Forderungen: Begrenzung des Sortiments; Vorlage einer

„Positivliste" (die gerade eben im Regierungsentwurf „entfallen"

war).

Erneut anvisiert:

Gleichschaltung der Ersatzkassen

Weiteres aus den Forderungen des ASG-Papiers: Verstärkung der gesellschaftlichen und persönli- chen gesundheitlichen Vorsorge;

dazu sei die „Forschungsarbeit er- heblich zu verschärfen" (Der Aus- druck verrät, welchen Tendenz- charakter hier „Forschung" hat).

Statt linearer Beitragserhöhun- gen in der Krankenversicherung eine Aufhebung oder Anhebung der Versicherungspflichtgrenze und der Beitragsbemessungsgren- ze. „Kassenartenübergreifender Finanzausgleich"; Endlösung:

Gleichschaltung der Ersatzkassen (auch diese war gerade eben erst im Regierungsentwurf „ent- fallen").

Die Arbeitsgemeinschaft der So- zialdemokraten im Gesundheits- wesen verlangt ultimativ von Bun- desregierung und Parlament die Vorlage eines Strukturgesetzes

„im Sinne der o. g. Vorschläge"

und setzt die demokratischen In- stanzen unter (Termin-)Druck.

Sollte nämlich ein solches Gesetz

„aufgrund interessenbezogener oder politischer Gegensätze kurz- fristig nicht möglich sein" (wie der Bundesvorstand formuliert), schlägt die ASG vor, einen soge- nannten „unabhängigen Sachver- ständigenrat" damit zu betrauen,

„Lösungsvorschläge" innerhalb eines Jahres vorzulegen.

Soll also „Forschung" (nach be- währtem Muster) den Systemver- änderern innerhalb eines Jahres erbringen, was politisch derzeit nicht durchsetzbar ist? DÄ DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 40 vom 1. Oktober 1981 1857

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