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ierisch gut!“ oder „Ich glaub, ich werd zum Tier!“ Die Re- aktionen auf die naturbunte An- näherung an das Kunst-Verhältnis von Tier und Mensch wird die klas- sische Altmeister-Klientel des Köl- ner „Wallraf-Richartz-Museums &Fondation Corboud“ mit Sicherheit teilen. Kommen wird und soll (bis 16 Jahre Eintritt frei) hingegen das Familienpublikum, um die betont kurzweilig-populär gelegte Spur aufzunehmen, die sich hinter dem Ausstellungsmotto verbirgt: „Tier- schau – Wie unser Bild vom Tier entstand“.
Bereits mit einer buntwandig ge- stalteten „19. Jahrhundert“-Abtei- lung in der ständigen Sammlung, nebst wirkungsvollem Hightech- Licht, ist Direktor Andreas Blühm angetreten, das „besucherfreund-
lichste Museum Deutschlands“ auf den Weg zu bringen. Wie dieser Anspruch einzulösen und zu bele- gen sein wird, dürfte im schwieri- gen Kultur-Köln einer Expedition in unbekanntes Dschungel-Terrain mit manch wildem Tier vergleich- bar sein.
Zunächst wird in Blühms Kunst- Tier-Welt darauf hingewiesen, dass Museums-Namensgeber Franz Fer- dinand Wallraf schließlich in Perso- nalunion Kunstsammler, Theologe und Botaniker gewesen sei. Museen waren im 19. Jahrhundert nicht sel- ten Kunst- und Wunderkammern, Kuriositätenkabinette, Orte des Staunens: eben Menschen, Tiere, Sensationen. Hier will Blühm mit beachtlichem Mut offensichtlich an- setzen. Die sieben Kapitel breiten zunächst die Welten exotischer Tier- Entdeckungen aus, die barocke
Künstler unverkrampft in die eu- ropäische Natur implantierten: eine absurde Fauna, tierisch schön, wenn auch vergänglich.
Anatomische und ästhetische In- teressen folgen, der vergleichende Blick mündet schockartig im Dar- winismus. Ein Original-Rokoko- Kostüm für ein Äffchen scheint eine unschuldige Vorstufe zu sein. Davor werden Löwen und Adler im Klassi- zismus zu selbstständigen, bildwür- digen Motiven. Bis zum politischen Machtsymbol, der Übertragung vom Tierreich auf welches Reich auch immer, ist es nur ein kleiner Schritt. Was Delacroix in der ro- mantischen Zwischenzeit jener Ent- wicklung mit spielenden Tigern ver- anstaltet, kann man durchaus intim und einfühlsam nennen, wenn auch auf höchstem dramaturgischen Hel- den-Niveau. Die eminent reizvolle Schnittmenge zwischen Tierbildern aus dem Naturkunde- und Kunst- museum wird, des populären Kon- zepts wegen, notgedrungen unter Preis verkauft.
Der Darwinismus gebiert in der Gründerzeit beseelte, individuali- sierte Kunst-Tiere im Affekt. „Affen als Kunstrichter“ (1889) blicken bei Gabriel Max auf ein für den Be- trachter nicht zu sehendes Bild na- mens „Tristan und Isolde“. Jörg Im- mendorff soll bei Gabriel Max’ Af- fen Inspiration (nicht nur) für sein Schröder-Porträt erhalten haben.
Wilhelm Trübners Dogge Cäsar legt voller Melancholie den Kopf auf den Tisch und stiert die fernen uner- reichbaren Würste des Menschen an. Die Moderne zerlegt die Tiere wie jedes andere Motiv in Form, Farbe, Fläche und Linie, wobei Franz Marc auch ein spirituelles, reines Refugium, eine tierische Ge-
genwelt, entwarf. I
Roland Groß
WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM & FONDATION CORBOUD
Affen als Kunstrichter
In Köln ist zurzeit eine „Tierschau“ zu sehen, die der Frage nachgeht, wie unser Bild vom Tier entstand – vom Barock bis van Gogh.
Die Ausstellung ist im Wallraf- Richartz-Museum (Obenmarspforten am Kölner Rathaus) bis zum 5. August zu sehen: dienstags von 10 bis 20 Uhr, mittwochs bis freitrags von 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis18 Uhr; Telefon: 02 21/21 12 11 19;
Katalog 18 Euro; Internet: www.tier schau-im-wallraf.de.
Gabriel Max, Die Affen als Kunst- richter, 1889, Öl auf Leinwand, 84,5 × 107,5 cm
Wilhelm Trübner, Cäsar am Rubikon, um 1880, Öl auf Lein- wand, 48,5 × 61 cm Euge`ne Delacroix, Spielender Tiger, um 1830, Öl auf Lein- wand, 25,3 × 39,2 cm
Fotos:Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 18⏐⏐4. Mai 2007