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Leitlinien für Gemeindepsychiatrische Zentren in Niedersachsen
1Hermann Elgeti
Die rotgrüne Landesregierung will nach den Aussagen ihrer Koalitionsverein- barung von Februar 2013 ambulante und stationäre Angebote für psychisch erkrankte Menschen in gemeindepsychiatrischen Zentren miteinander verzahnen.
Dabei sollen weitere tagesklinische Angebote und psychiatrische Institutsambu- lanzen aufgebaut sowie die Krisenintervention und Nachsorge unter Einbeziehung der Sozialpsychiatrischen Dienste ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Gliederung der stationären Versorgungsgebiete zu überprüfen.
Gemeindepsychiatrische Zentren (GPZ) werden konzipiert als Kooperations- projekte der Kommunen mit den Trägern psychiatrischer Kliniken, die gemäß
§ 15 NPsychKG für das Gesamtgebiet / ein Teilgebiet der Kommune zuständig sind. Ein GPZ vereinigt an einem Standort in der Kommune außerhalb der Klinik die Funktionen
• eines Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi; gemäß §4 – 11 NPsychKG),
• einer Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA; gemäß § 118 SGB V),
• einer allgemeinpsychiatrischen Tagesklinik (TK; nach PVPsych/PEPP),
• einer ambulanten Ergotherapie (ET; über Heilmittelverordnung) und
• einer psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle (PSKB; Kommune).
Die Bausteine eines GPZ sind sorgfältig aufeinander abzustimmen und müssen für die hilfsbedürftigen Personen aus dem Einzugsgebiet ohne Wartezeit nutz- bar sein, ggf. auch im Rahmen aufsuchender und nachgehender Hilfen. Für jede betreute Person soll eine therapeutische Hauptbezugsperson kontinuierlich zuständig sein, unabhängig von der aktuell gerade zum Einsatz kommenden GPZ-Funktion. Zur verbesserten Wohnortnähe werden bei Bedarf zusätzlich gemeindepsychiatrische Ambulanzen als Außenstellen eines GPZ eingerichtet, in denen zumindest die Funktionen eines Sozialpsychiatrischen Dienstes und einer Psychiatrischen Institutsambulanz integriert angeboten werden.
Zur Gewährleistung eines ambulanten, bei Bedarf auch aufsuchenden Kri- sen- und Notfalldienstes kooperiert jedes GPZ unter Beachtung der jeweiligen Zuständigkeiten mit den vor Ort niedergelassenen Haus- und Fachärzten sowie
1 Positionspapier für die Diskussionen im Landesfachbeirat Psychiatrie Niedersachsen über Ge- meindepsychiatrische Zentren in Umsetzung der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom Februar 2013
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Sozialpsychiatrischer Dienst (§§ 4 – 11 NPsychKG)
Psychiatrische Institutsambulanz (§ 118 SGB V)
Zielset- zungen
Krankheiten und Behinderungen rechtzeitig erken- nen und ärztlich behandeln, möglichst selbstän- diges Leben in der Gemeinschaft erreichen
Soziale Integration, indem stationäre Behand- lungen vermieden und verkürzt, Behandlungsab- läufe optimiert werden
Aufgaben
Hilfen anbieten und vermitteln, ggf. auch selbst übernehmen, wenn nötig und der Betroffene sich nicht selbst darum kümmern kann
Bei Bedarf langfristige und kontinuierliche Behandlung gewährleisten, mit anderen Anbietern von Hilfen kooperieren
Ziel- gruppen
Personen, die vermutlich oder gesichert psychisch gestört bzw. behindert sind, wenn und solange andere Hilfen nicht ausreichen oder nicht wahrge- nommen werden
Chronisch psychisch kranke Personen mit gefähr- deter oder anders nicht erreichbarer Kontinuität der Behandlung
Leistungs- inhalte
Leitung durch Facharzt; medizinische, psycholo- gische und pädagogische Hilfen, Unterstützung der Angehörigen; Sprechstunden abhalten, bei Bedarf Hausbesuche durchführen
Facharztstandard; Kontinuität sichern durch per- sönliche Beziehungen und Multiprofessio nalität, Psycho-, Pharmako-, Soziotherapie, einschließlich Hausbesuche
Tab. 1: Synopsis Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatrische Institutsambulanz
Psychotherapeuten. Ergibt sich bei einer psychisch erkrankten Person aufgrund eines komplexen Hilfsbedarfs das Erfordernis zusätzlicher Hilfen, beteiligt sich das hier zuständige Fachpersonal des GPZ an der Planung und Koordination entsprechender Hilfen. Im Rahmen einer intensivierten Zusammenarbeit ist dabei eine enge Abstimmung mit allen im Sozialpsychiatrischen Verbund engagierten Akteuren erforderlich. Das gilt insbesondere für die Selbsthilfe-Initiativen der Betroffenen und ihrer Angehörigen sowie für Angebote der ambulanten psychia- trischen Pflege und der Soziotherapie, der Hilfen zu Arbeit, Ausbildung und Beschäftigung, der ambulanten und stationären Eingliederungshilfe.
Pro 100.000 Einwohner ist für ein GPZ – abhängig von Leistungsspektrum und Inanspruchnahme sowie von der Siedlungsdichte und Sozialstruktur des Einzugsgebietes – mit einem durchschnittlichen Personalaufwand von 20 Voll- zeitstellen zu rechnen. Die Verteilung der Personalressourcen auf die verschie- denen Leistungsträger richtet sich nach dem vorher kalkulierten Aufwand für die verschiedenen Funktionen und vollem Einsatz der durch die Leistungen erzielten Erlöse im GPZ. Folgende Anhaltszahlen (Tabelle 2, S. 94) können dabei für die Aufteilung auf die verschiedenen Funktionen zugrunde gelegt werden.
Für eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung der Arbeit der GPZ auf den Ebenen der individuellen Hilfeleistung, der Organisation der Hilfsangebote und des regionalen Hilfesystems ist eine gemeinsame Qualitätszirkelarbeit unerläss- lich. Die dafür erforderliche Datenbasis wird geliefert über die Beteiligung an einer regionalen Psychiatrieberichterstattung gemäß der Empfehlungen des Lan- desfachbeirats Psychiatrie Niedersachsen (Datenblätter A, B und C), über die in der jeweiligen Kommune geltenden Hilfeplanverfahren und zu einer geeigneten differenzierten und für möglichst für alle GPZ gemeinsam verabredeten Leis- tungsdokumentation.
Elgeti: Leitlinien für Gemeindepsychiatrische Zentren in Niedersachsen
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alle SpDi PIA (500 Pl.) TK (15 Pl.) amb. ET (15 Pl.) PSKB
ärztl. und psycholog. Dienst* 5 1 3 1
Krankenpflege 4 2 2
Sozialarbeit 7 2 4 1
Ergotherapie 2 0,5 1,5
Verwaltung 2 1 1
Summe 20 4 10 3,5 1,5 1
Tab. 2: Vollzeitstellen pro 100.000 Einwohner in den einzelnen Bausteinen eines GPZ
*) In jedem GPZ sollten mindestens drei Vollzeitstellen im ärztlichen Dienst und mindestens eine Vollzeitstelle im psy- chologischen Dienst eingesetzt sein.
Kontaktadresse des Autors Dr. Hermann Elgeti
Geschäftsstelle des Landesfachbeirates Psychiatrie Niedersachsen Region Hannover
Dezernat für Soziale Infrastruktur – Stabsstelle Sozialplanung (II.3) Hildesheimer Str. 20
30169 Hannover
hermann.elgeti@region-hannover.de
3 Gemeindepsychiatrische Zentren entwickeln!