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Ein üppiger Baum, der Leben schenkt

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Academic year: 2022

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Gleichnisse, die uns die Liturgie heute vor- legt – zwei Gleichnisse –, sind vom alltäglichen Leben angeregt und offenbaren den aufmerksa- men Blick Jesu, der die Wirklichkeit beobachtet und mithilfe kleiner Alltagsbilder Fenster zum Geheimnis Gottes und zum menschlichen Da- sein öffnet. Jesus sprach auf leicht verständliche Art und Weise, er sprach mit Bildern aus der Wirklichkeit, aus dem Alltagsleben. So lehrt er uns, dass selbst den Dingen des Alltags, die uns mitunter alle gleich zu sein scheinen und die wir zerstreut oder mühsam voranbringen, die ver- borgene Gegenwart Gottes innewohnt, das heißt, sie haben eine Bedeutung. Auch wir brauchen also aufmerksame Augen, damit wir »Gott in al- len Dingen suchen und finden« können.

Heute vergleicht Jesus das Reich Gottes, also dessen Gegenwart, die dem Herzen der Dinge und der Welt innewohnt, mit dem Senfkorn, das heißt mit dem allerkleinsten Samen, den es gibt:

er ist klitzeklein. Und doch wächst er, in die Erde gesät, bis er der größte Baum wird (vgl. Mk4,31- 32). So handelt Gott. Manchmal hindert uns der Lärm der Welt, zusammen mit den vielen Akti- vitäten, die unsere Tage ausfüllen, daran, innezu- halten und zu sehen, wie der Herr die Geschichte führt. Und doch – versichert das Evangelium – ist Gott am Werk, wie ein kleines, gutes Samenkorn, das still und langsam keimt. Und ganz allmählich wird daraus ein üppiger Baum, der allen Leben und Erfrischung schenkt. Auch der Same unserer guten Werke mag nicht nach viel aussehen; aber alles, was gut ist, gehört Gott und trägt deshalb demütig und langsam Frucht. Das Gute – denken wir daran – wächst immer auf bescheidene Weise, auf verborgene Weise, oft unsichtbar.

Liebe Brüder und Schwestern, mit diesem Gleichnis will Jesus in uns Vertrauen wecken. In vielen Lebenssituationen kann es in der Tat vor-

kommen, dass wir entmutigt werden, weil wir die Schwäche des Guten im Vergleich zur schein- baren Stärke des Bösen sehen. Und wir können uns von der Niedergeschlagenheit lähmen las- sen, wenn wir feststellen, dass wir uns zwar bemüht haben, die Ergebnisse aber ausbleiben

und die Dinge sich nie zu ändern scheinen. Das Evangelium fordert von uns einen neuen Blick auf uns selbst und auf die Wirklichkeit; es fordert uns auf, »größere Augen« zu haben, die weiter zu blicken verstehen, vor allem über den bloßen Schein hinaus, um die Gegenwart Gottes zu ent- decken, der auf dem Grund und Boden unseres Lebens und der Geschichte immer als demütige Liebe am Werk ist. Das ist unser Vertrauen, das ist es, was uns Kraft gibt, jeden Tag geduldig voran- zugehen und das Gute zu säen, das Früchte tra- gen wird. Wie wichtig ist diese Einstellung doch auch, um gut aus der Pandemie herauszukom- men! Das Vertrauen zu kultivieren, in Gottes Händen zu sein, und uns zugleich alle verpflich- ten, mit Geduld und Beständigkeit wieder aufzu- bauen und neu zu beginnen.

Auch in der Kirche kann das Unkraut der Ent- mutigung Wurzeln schlagen, besonders wenn wir die Glaubenskrise und das Scheitern ver- schiedener Projekte und Initiativen erleben. Aber wir sollten nie vergessen, dass die Ergebnisse der Aussaat nicht von unseren eigenen Fähigkeiten abhängen: Sie hängen von Gottes Handeln ab. Es liegt an uns, zu säen, und zwar mit Liebe, mit En- gagement und mit Geduld. Aber die Kraft des Sa- mens stammt von Gott. Jesus erklärt dies im an- deren Gleichnis von heute: Der Bauer sät den Samen aus und merkt dann nicht, wie es kommt, dass er Frucht bringt, denn es ist der Same selbst, der spontan wächst, bei Tag, bei Nacht, wenn er es am wenigsten erwartet (vgl. V. 26-29). Bei Gott gibt es auch in den allertrockensten Böden immer Hoffnung auf neue Triebe.

Möge uns die selige Jungfrau Maria, die demütige Dienerin des Herrn, lehren, die Größe Gottes zu sehen, der in den kleinen Dingen am Werk ist, und die Versuchung der Entmutigung zu überwinden. Vertrauen wir jeden Tag auf Ihn!

Nach dem Angelus sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern! Ich bin der Be- völkerung der Region Tigray in Äthiopien beson-

ders nahe, die unter einer schweren humanitären Krise leidet, die die Ärmsten der Armen einer Hungersnot aussetzt. Es gibt heute eine Hungers - not, dort herrscht Hunger. Lasst uns zusammen dafür beten, dass die Gewalt sofort aufhört, dass Nahrung und Gesundheitsversorgung für alle ge- währleistet werden und dass der soziale Friede so bald wie möglich wiederhergestellt werde. In diesem Zusammenhang danke ich allen, die sich dafür einsetzen, das Leid der Menschen zu lin- dern. Beten wir in diesen Anliegen zur Mutter- gottes. Gegrüßt seist du, Maria…

Gestern wurde der Welttag gegen Kinderar- beit begangen. Es ist unmöglich, die Augen vor der Ausbeutung von Kindern zu verschließen, die des Rechts beraubt werden, zu spielen, zu lernen und zu träumen. Nach Schätzungen der Interna- tionalen Arbeitsorganisation werden heute über 150 Millionen Kinder durch Arbeit ausgebeutet:

eine Tragödie! 150 Millionen: Das entspricht in etwa allen Einwohnern von Spanien, Frankreich und Italien zusammen. Dies geschieht heute!

So viele Kinder leiden darunter: ausgebeutet durch Kinderarbeit. Lasst uns gemeinsam die Bemühungen erneuern, dieser Sklaverei unserer Zeit ein Ende zu machen.

Heute Nachmittag findet in Augusta in Sizi- lien eine Begrüßungszeremonie für das Wrack des Bootes statt, das am 18. April 2015 Schiff- bruch erlitt. Dieses Symbol für viele Tragödien des Mittelmeers möge weiterhin das Gewissen aller aufrütteln und das Wachstum einer solidari- scheren Menschheit fördern, die die Mauer der Gleichgültigkeit einreißen möge. Denken wir daran: Das Mittelmeer ist zum größten Friedhof Europas geworden.

Morgen ist Weltblutspendetag. Ich danke den Freiwilligen von ganzem Herzen und ermutige sie, ihr Werk fortzusetzen und die Werte der Großzügigkeit und Unentgeltlichkeit zu bezeu- gen. Vielen, vielen Dank!

Und ich grüße ganz herzlich euch alle, die ihr aus Rom, aus Italien und aus anderen Län- dern gekommen seid, besonders die Pilger, die mit dem Fahrrad aus Sedigliano und aus Bra ge- kommen sind, sowie die Gläubigen aus Forlì und aus Cagliari.

Allen wünsche ich einen schönen Sonntag.

Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Ge- segnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!

Redaktion: I-00120 Vatikanstadt

51. Jahrgang – Nummer 24 – 18. Juni 2021 Wochenausgabe in deutscher Sprache Schwabenverlag AG

D-73745 Ostfildern

Einzelpreis Vatikan d2,20

Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Sonntag, 13. Juni

Ein üppiger Baum, der Leben schenkt

In dieser Ausgabe

Generalaudienz im Damasushof des Apostolischen Palastes am 9. Juni ... 2 Ausstellung von antiken Skulpturen aus der Sammlung der Fürsten Torlonia in den Kapitolinischen Museen... 5 Interview mit Kardinal George Pell über seine Zeit im Gefängnis... 6 Brief von Papst Franziskus an Kardinal Reinhard Marx und Erklärung des Erzbischofs... 7 Brief von Papst Franziskus zum

900-jährigen Gründungsjubiläum der Abtei Prémontré... 8 Botschaft des Papstes zum Start der

»UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen«... 9 Dikasterien der Römischen Kurie – Die Kongregation für den Klerus:

Interview mit Kardinal Beniamino Stella... 10-12 Vatikanstadt. Papst Franziskus kritisiert die

sich verbreitende Auffassung, wonach arme Menschen selbst schuld an ihrer Lage seien und eine wachsende Belastung darstellten. Vielmehr seien es die zu vielen »Formen sozialer und mo- ralischer Unordnung«, die »stets neue Formen von Armut hervorrufen«, betont der Papst in sei- ner am Montag, 14. Juni, veröffentlichten Bot- schaft zum 5. Welttag der Armen. »Armut ist nicht das Ergebnis des Schicksals, sie ist die Folge von Egoismus«, wendet sich Franziskus in dem Schreiben gegen einen individualistischen Le- bensstil, der »mitschuldig ist an der Entstehung von Armut und den Armen oft die gesamte Ver- antwortung für ihre Situation zuschiebt«.

Durch die Corona-Pandemie seien sehr viel mehr Menschen in Armut geraten, erinnert der Papst in der Botschaft zu dem von ihm ins Leben gerufenen weltkirchlichen Aktionstag, der in die- sem Jahr am 14. November begangen wird. Die Krise »klopft weiterhin an die Türen von Millio- nen von Menschen«. Für eine konkrete Antwort an die Millionen Armen, denen nicht nur Gleich- gültigkeit, sondern auch Zurückweisung und Ver- druss entgegenschlage, braucht es laut Franzis- kus Entwicklungsmodelle, die Fähigkeiten und Teilhabe aller Beteiligten stärken. Arme Men- schen dürften nicht nur empfangen, sondern müssten in die Lage versetzt werden, etwas ge-

ben und beitragen zu können. Im Grunde müss - ten besonders die individualistischen und wohl- habenden Gesellschaften des Westens einräu- men, dass sie oft unfähig sind im Umgang mit Armen. »Man spricht von ihnen in abstrakter Weise, beschränkt sich auf Statistiken und meint, mit einigen Dokumentarfilmen die Menschen zu rühren«, kritisiert Franziskus. Damit sich wirk- lich etwas ändern könne, dürften Arme nicht län- ger als Außenstehende betrachtet werden, für die man hin und wieder spende, mahnt der Papst.

Gelegentliche Almosen wirkten kurzfristig und stellten vor allem den Spender zufrieden. Gegen- seitiges Teilen dagegen lasse Geschwisterlichkeit entstehen, stärke die Solidarität und sei Voraus- setzung für Gerechtigkeit.

Für gläubige Christen seien zudem »die Ar- men ein Sakrament Christi; sie repräsentieren seine Person und verweisen auf ihn«. Aus dieser Einsicht, so Franziskus, müsse eine Bekehrung werden. Die bestehe vor allem darin, sein Herz zu öffnen. Jesus nachzufolgen bedeute, sein Den- ken zu ändern, die Herausforderung anzuneh- men, zu teilen und sich zu engagieren. »Wenn man sich nicht entscheidet, arm an vergängli- chem Reichtum, an weltlicher Macht und Eitel- keit zu werden«, werde man immer nur »eine zer- splitterte Existenz leben, voll guter Vorsätze, aber unwirksam für eine Veränderung der Welt«.

Botschaft zum 5. Welttag der Armen veröffentlicht

»Die Armen habt ihr immer bei euch«

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

In dieser vorletzten Katechese über das Gebet sprechen wir über die Beharrlichkeit beim Beten.

Es ist eine Einladung, ja ein Gebot, das aus der Heiligen Schrift zu uns kommt. Der geistliche Weg des »Russischen Pilgers« beginnt, als er auf ein Wort des heiligen Paulus im Ersten Brief an die Thessalonicherstößt: »Betet ohne Unterlass!

Dankt für alles« (5,17-18). Das Wort des Apostels beeindruckt jenen Mann, und er fragt sich, wie es möglich sei, ohne Unterlass zu beten, wo unser Leben doch in viele verschiedene Augenblicke zersplittert ist, die nicht immer die Konzentration ermöglichen. Bei dieser Fragestellung beginnt seine Suche, die ihn zur Entdeckung dessen führen wird, was als »Herzensgebet« bezeichnet wird. Es besteht darin, mit Glauben zu wiederho- len: »Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, hab Erbar- men mit mir Sünder!« Ein einfaches, aber sehr schönes Gebet. Ein Gebet, das sich allmählich dem Atemrhythmus anpasst und sich über den ganzen Tag erstreckt. Tatsächlich hört der Atem niemals auf, auch nicht, wenn wir schlafen; und das Gebet ist der Atem des Lebens.

Kontakt mit der Wirklichkeit

Wie ist es also möglich, stets einen Zustand des Gebets zu bewahren? Der Katechismusbietet uns wunderschöne Zitate, die der Geschichte der Spiritualität entnommen sind und die auf der Not- wendigkeit eines unablässigen Gebets bestehen, das der Höhepunkt des christlichen Lebens sein muss. Ich greife einige auf.

Der Mönch Evagrius Ponticus sagt: »Es wurde uns nicht vorgeschrieben, beständig zu arbeiten, zu wachen und zu fasten« – nein, das wird nicht verlangt. »Doch ist es für uns ein Gesetz, unabläs- sig zu beten« (Nr. 2742). Das betende Herz. Es gibt also einen Eifer im christlichen Leben, der niemals nachlassen darf. Er ist ein wenig wie je- nes heilige Feuer, das in den antiken Tempeln gehütet wurde, das ohne Unterlass brannte und bei dem die Priester die Aufgabe hatten, es am Le- ben zu erhalten. So ist es: Auch in uns muss ein heiliges Feuer sein, das beständig brennt und das nichts auslöschen kann. Und es ist nicht einfach, aber es muss so sein.

Der heilige Johannes Chrysostomus, ein wei- terer Hirte, der auf das konkrete Leben achtgab,

predigte folgendermaßen: »Selbst auf dem Markt- platz oder auf einem einsamen Spaziergang ist es möglich, oft und eifrig zu beten. Auch dann, wenn ihr in eurem Geschäft sitzt, oder gerade kauft oder verkauft, ja selbst wenn ihr kocht« (Nr.

2743). Kleine Gebete: »Herr, hab Erbarmen mit uns«, »Herr, hilf mir«. Das Gebet ist also eine Art Notenlinie, auf die wir die Melodie unseres Le- bens setzen. Es steht nicht im Gegensatz zur täg- lichen Arbeit, es gerät nicht in Widerspruch zu den vielen kleinen Verpflichtungen und Termi- nen. Vielmehr ist es der Ort, wo alles Handeln sei- nen Sinn, seinen Frieden findet.

Gewiss, es ist nicht leicht, diese Prinzipien umzusetzen. Ein Vater und eine Mutter, die von vielen Aufgaben in Anspruch genommen sind, können Sehnsucht haben nach einer Zeit ihres

Lebens, in der es einfach war, geregelte Zeiten und Räume für das Gebet zu finden. Dann kom- men die Kinder, die Arbeit, die Familienangele- genheiten, die Eltern, die alt werden… Man hat den Eindruck, man würde es nie schaffen, alles zu bewältigen. Dann tut es gut, sich daran zu er- innern, dass Gott, unser Vater, der sich um das ganze Universum kümmern muss, stets an einen jeden von uns denkt. Auch wir müssen also stets an ihn denken!

Außerdem können wir uns daran erinnern, dass im christlichen Mönchtum die Arbeit stets in großen Ehren gehalten wurde – nicht nur auf- grund der moralischen Verpflichtung, für sich selbst und für die anderen zu sorgen, sondern auch aufgrund einer Art von Gleichgewicht, ei- nes inneren Gleichgewichts: Es ist gefährlich für den Menschen, ein so abstraktes Interesse zu pflegen, dass er den Kontakt zur Wirklichkeit ver- liert. Die Arbeit hilft uns, mit der Wirklichkeit in Kontakt zu bleiben. Die gefalteten Hände des Mönchs tragen die Schwielen dessen, der zu Spa- ten und Hacke greift. Wenn Jesus im Lukasevan- gelium(vgl. 10,38-42) zur heiligen Marta sagt, dass nur Eines wirklich notwendig ist – auf Gott zu hören –, dann bedeutet das durchaus nicht, die vielen Dienste zu verachten, die sie mit viel Einsatz durchführte.

Licht und Kraft

Beim Menschen ist alles »zweiteilig«: Unser Leib ist symmetrisch, wir haben zwei Arme, zwei Augen, zwei Hände… So ergänzen auch die Arbeit und das Gebet einander. Das Gebet – das der »Atem« von allem ist – bleibt stets der lebens- wichtige Unterbau der Arbeit, auch in den Au- genblicken, in denen es nicht deutlich zum Aus- druck gebracht wird. Es ist unmenschlich, so sehr von der Arbeit vereinnahmt zu sein, dass man nicht mehr die Zeit für das Gebet findet.

Gleichzeitig ist ein Gebet, das lebensfremd ist, nicht gesund. Ein Gebet, das uns vom konkreten Leben entfremdet, wird zum Spiritualismus oder, noch schlimmer, zum Ritualismus. Erinnern wir uns, dass Jesus, nachdem er den Jüngern auf dem Berg Tabor seine Herrlichkeit gezeigt hat, jenen Augenblick der Ekstase nicht verlängern wollte, sondern mit ihnen vom Berg gestiegen ist und den täglichen Weg wiederaufgenommen hat.

Denn jene Erfahrung sollte in den Herzen bleiben als Licht und Kraft ihres Glaubens; auch als Licht und Kraft für jene Tage, die vor der Tür standen:

die Tage des Leidens. Die Zeiten, wir dem Sein bei Gott widmen, beleben also den Glauben, der uns im konkreten Leben hilft. Und der Glaube wie- derum nährt das Gebet, ohne Unterlass. In die- sem Kreislauf aus Glauben, Leben und Gebet hält man jenes Feuer der christlichen Liebe entzün- det, die Gott von uns erwartet.

Und wiederholen wir das einfache Gebet, das im Laufe des Tages zu wiederholen so schön ist, alle gemeinsam: »Herr Jesus, Sohn Gottes, hab Er- barmen mit mir Sünder.«

(Orig. ital. in O.R. 9.6.2021)

Aus dem Vatikan und der Weltkirche

Generalaudienz im Damasushof am 9. Juni

Das Gebet ist der Atem des Lebens

Arbeit und Gebet lassen sich nach Worten von Papst Franziskus nicht trennen. Auch in Momen- ten, in denen es nicht offensichtlich sei, sei das Gebet Atem und vitaler Hintergrund der Arbeit, sagte der Papst bei der Generalaudienz im Dama- sushof des Apostolischen Palastes im Vatikan.

Seit einigen Monaten widmet sich Franziskus in seiner Katechesereihe dem Thema Gebet. In der vergangenen Woche hatte der Papst über das Ge- bet Jesu gesprochen sowie zu Demut und Geduld beim Beten aufgerufen.

Aufruf zu Video-Gedenkaktion zum Todestag von Edith Stein

Warschau/Bonn. Zur Erinnerung an die heilige Edith Stein ruft das Zentrum für Dialog und Gebet nahe der KZ-Gedenkstätte Auschwitz- Birkenau zu einer digitalen Gedenkaktion auf.

Stein, geboren 1891 in Breslau (Wroclaw), war jü- discher Herkunft, ließ sich später katholisch tau- fen, trat in ein Kloster des Karmel-Ordens ein und wurde 1942 wegen ihrer jüdischen Abstam- mung in Auschwitz ermordet. Am 9. August wird des Todestages der »Patronin Europas« ge- dacht.

Ein Treffen an dem Jahrestag in der Gedenk- stätte beziehungsweise in der polnischen Stadt Oswiecim sei nicht möglich, erklärten Manfred Deselaers, Auslandsseelsorger der Deutschen Bi- schofskonferenz am Zentrum für Dialog und Ge- bet in Oswiecim, sowie der Direktor der Einrich- tung, Jan Nowak, nach Angaben der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). »Aber wir können uns anders begegnen. Deshalb laden wir ein, uns gegenseitig in kurzen Videos zu er- zählen, wie Edith Stein uns inspiriert.«

Die Initiatoren bitten die Teilnehmer, ein Vi- deo von drei Minuten auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen, sofern vorhanden, und dem Zen- trum einen entsprechenden Link zu schicken.

Das ist den Angaben zufolge bereits jetzt mög- lich. Die Einrichtung will auf ihrer Webseite eine Liste mit den Teilnehmern publizieren. Zum Ge- denktag am 9. August 2021 sollten alle Beiträge demnach online sein.

»Wir wollen viele Stimmen zusammenbe- kommen, aus verschiedenen Ländern Europas, aus verschiedenen Kirchen und sogar von außer- halb der Kirchen«, betonen Deselaers und No- wak. »Wenn wir unsere Nöte, Sehnsüchte und Hoffnungen teilen, ergibt sich vielleicht auch ein Weg, den wir dann weiter gemeinsam gehen kön- nen.« Die Kirchen und jeweiligen Gesellschaften befänden sich heute an vielen Orten Europas in einer tiefen Krise. »Wir wollen diesen Gedenktag nutzen, um zusammenzufinden und gemein- same Wege zu suchen.«

(Website des Zentrums für Dialog und Gebet:

https://cdim.pl)

Familie als

»Zeichen der Zeit«

Vatikanstadt. Papst Franziskus hat die Be- deutung der Familie insbesondere in der Corona- Pandemie hervorgehoben. In diesen schwierigen Zeiten sei die Familie mehr denn je ein Zeichen der Zeit und es sei Aufgabe der Kirche, den Fami- lien zuzuhören und sie in ihre Seelsorge einzube- ziehen, sagte Franziskus in einer Videobotschaft am Mittwoch, 9. Juni. Der Papst äußerte sich zur Eröffnung eines internationalen Online-Forums zum Thema »Wo stehen wir mit Amoris laetitia?«, das vom vatikanischen Dikasterium für Laien, Fa- milie und Leben organisiert wurde.

Um die Jugend und die Familien von morgen mit der Liebe Gottes zu erreichen, sei es nötig, die Lebenserfahrungen von heute zu berücksich- tigen. »Die in der Familie gelebte Liebe ist eine ständige Kraft für das Leben der Kirche«, so Fran- ziskus weiter. Es müsse daher größte Anstren- gung darauf verwendet werden, die Laien, vor allem Ehepaare und Familien, in der Kirche gut auszubilden – und dies bereits in Vorbereitung auf die Ehe –, damit sie besser die Bedeutung ih- res kirchlichen Engagements und ihres Auftrages verstünden.

Bei dem viertägigen Forum ging es um Strate- gien zur pastoralen Umsetzung des Apostoli- schen Schreibens Amoris laetitiavon Papst Fran- ziskus über Ehe und Familie. Eingeladen waren Verantwortliche für Familienpastoral bei nationa- len Bischofskonferenzen und anderen kirchli- chen Organisationen. Das Forum war Teil des von Papst Franziskus ausgerufenen »Amoris-lae- titia-Jahres«. Themen waren Ehevorbereitung, Ausbildung von Begleitpersonen, Erziehung, ehe- liche Spiritualität, missionarische Familien sowie seelsorg liche Möglichkeiten, Paare und Familien in Schwierigkeiten und Lebensbrüchen zu beglei- ten, ihnen zu raten und sie zu unterstützen. Laut Aussage des Veranstalters haben rund 350 Dele- gierte von rund 70 Bischofskonferenzen und mehr als 30 Gemeinschaften und Verbänden an dem Forum teilgenommen.

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3 Aus dem Vatikan und der Weltkirche

Wahrer Fürsprecher für uns alle

Vatikanstadt. In der Generalaudienz am Mittwoch, 16. Juni, die wieder im Damasushof des Apostolischen Palastes stattfand, schloss Papst Franziskus seine Katechesenreihe über das Gebet ab. Ein Mitarbeiter der deutschsprachigen Abteilung des Staatssekretariats trug die folgende Zusammenfassung vor:

Liebe Brüder und Schwestern, zum Abschluss unserer Katechesen über das Gebet schauen wir auf das Paschamysterium Jesu, der bei seinem Leiden und Sterben völlig ins Gebet eingetaucht ist. Im Garten Getsemani ist der Herr von Todes- angst erfüllt, doch gerade da wendet er sich mit der vertrauensvollen Anrede des Kindes »Abba«

– »Papa« an den Vater. Am Kreuz tritt er beim Va- ter als wahrer Fürsprecher für alle ein, einschließ- lich seiner Peiniger. Zugleich erfährt er, da er die Sünde der Welt trägt, die Gottverlassenheit und übergibt sich im Sterben als Sohn ganz dem Va- ter. Dieses tiefe Geheimnis des Betens Jesu sehen wir am Abend vor seinem Leiden beim soge- nannten »hohepriesterlichen Gebet« nach dem Letzten Abendmahl. Es ist das längste Gebet in den Evangelien und »umfasst die ganze Ökono- mie der Schöpfung und des Heils wie auch Tod und Auferstehung Jesu« (KKK, 2746). Der Blick des Herrn fällt nicht nur auf die Jünger am Tisch, sondern sieht auch uns alle, als wolle er einem je- den sagen: »Beim Letzten Abendmahl und am Holz des Kreuzes habe ich für dich gebetet.« Wir sind hineingenommen in das Gebet Jesu mit dem Vater im Heiligen Geist. So sollen wir selbst mit unserem Beten und Leben sagen: »Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Amen.«

Der Heilige Vater grüßte die deutschsprachi- gen Gläubigen auf Italienisch. Anschließend wurde folgende deutsche Übersetzung der Grüße vorgelesen:

Herzlich grüße ich die Gläubigen deutscher Sprache. Das Gebet ist ein großes Geschenk, das uns an der Gemeinschaft Gottes teilhaben lässt.

Beim Beten vertrauen wir uns Jesus an: »Unser Hohepriester, der für uns betet, ist auch der, der in uns betet; er ist der Gott, der uns erhört« (KKK, 2749). Der Herr segne und behüte euch allezeit.

Vatikanstadt. Ein neues Buch von und über Papst Franziskus legt den Fokus auf die Covid-19-Pandemie und ihre Fol- gen. Das Interview-Buch des italienischen Journa listen Domenico Agasso, das in ei- ner Übersetzung von Erzbischof Georg Gänswein nun auch auf Deutsch er- scheint, trägt den Titel »Papst Franziskus:

Gott und die Welt nach der Pandemie«.

Dies teilte der »Fe-Medienverlag« mit. Im Gespräch mit Agasso beschreibe Franzis- kus seine Vision des Planeten nach der Pandemie und sehe die Menschheit dabei an einer Weggabelung. Die Corona-Krise sei demnach eine Chance für eine gerech- tere und hoffnungsvollere Gesellschaft.

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Vatikanstadt.Der Papst wünscht sich Schulen als Willkommensorte, an denen die Türen weit offen stehen. Hier sollten die eigenen und die Wunden anderer ge- heilt werden, sagte Franziskus in einer Videobotschaft zur 20-Jahr-Feier des »La - teinamerikanischen Verbands der Schulen der Gesellschaft Jesu« (FLACSI).

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Vatikanstadt.Der Papst hat die Staa- ten des Zentralamerikanischen Integrati- onssystems (SICA) zu mehr Engagement für Binnenvertriebene aufgerufen. Diese Bevölkerungsgruppe leide besonders unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Klimawandels, schrieb der Heilige Vater in einer Botschaft an die Teilnehmer einer Solidaritätsveranstaltung in Costa Rica aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des SICA.

Kurz notiert Vatikanische

Finanzkontrolle verbessert

Vatikanstadt.Das »Institut für die religiösen Werke« (IOR), allgemein bekannt als »Vatikan- bank«, hat im Jahr 2020 – trotz eines schwierigen Marktumfelds in Zeiten der Coronapandemie – einen nahezu konstanten Reingewinn von 36,4 Millionen Euro erzielt. Im Jahr zuvor waren es 38 Millionen Euro. Laut der am Freitag, 11. Juni, veröffentlichten Bilanzmitteilung sollen 75 Pro- zent des Geldes gemäß den Vorgaben des Papstes für Aufgaben des Vatikans verwendet werden.

Das IOR verwaltet Einlagen in Höhe von 5,0 Milliarden Euro (2019: 5,1 Milliarden), darunter Gelder von nicht-vatikanischen Kunden in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Das Eigenkapital des In- stituts beläuft sich auf 645,9 Millionen Euro. Der vom Aufsichtsrat Ende April einstimmig geneh- migten Bilanz habe auch der für das IOR zustän- dige Kardinalsrat zugestimmt. Die Zahlen wur- den den Angaben zufolge außerdem vom Unternehmen Mazars unabhängig überprüft.

Das 1942 gegründete »Institut für die religiö- sen Werke« ist für die Verwaltung von Finanzen, Sachwerten und Immobilien zuständig, die für re- ligiöse oder wohltätige Zwecke bestimmt sind.

Seit 2010 wurden wichtige Reformschritte in die Wege geleitet, die mehr Transparenz schaffen sol- len. Im August 2019 erneuerte Papst Franziskus die aus dem Jahr 1990 stammenden Statuten des Instituts.

Vatikanbank IOR schließt 2020 mit konstantem Gewinn ab

Vatikanstadt/Straßburg.Die europäische Anti-Geldwäsche-Kommission sieht im Vatikan weiterhin Verbesserungsbedarf beim Kampf ge- gen Geldwäsche. Die interne Risikobewertung des Vatikans berücksichtige nicht einen mögli- chen Missbrauch des Systems etwa durch Führungskräfte, teilte die Kommission Moneyval am Mittwoch, 9. Juni, in Straßburg mit. Insgesamt erzielte der Heilige Stuhl bei der Überprüfung aber ein gutes Ergebnis. Aufgrund der Fort- schritte werde der Vatikan künftig nur noch ei- nem regulären Berichtsverfahren unterzogen, hieß es.

Lob erhielten der Heilige Stuhl und der Vati- kanstaat für die Sorgfaltspflicht gegenüber Kun- den und die Dokumentation sowie die eigene Fi- nanzaufsicht. Auch unternahm der Vatikan laut Moneyval beträchtliche Bemühungen um eine konstruktive und zügige internationale Zusam- menarbeit. Hingegen bemängelte der Bericht weiterhin fehlende personelle Ressourcen und eine unzureichende Spezialisierung der Finanz - ermittler im Vatikan.

Der Vatikan reagierte in einer Stellungnahme positiv auf den Moneyval-Bericht. Carmelo Bar- bagallo, Leiter der vatikanischen Finanzaufsicht ASIF, hob besonders die Resultate der erstmali- gen Effizienzbewertung hervor. Den Vatikan- behörden wurde dabei in fünf Fällen eine »erheb- liche«, in sechs Fällen eine »mäßige« Wirksamkeit bescheinigt. »Es war ein besonders aussagekräfti- ger Test, und er verlief sehr gut«, so Barbagallos Fazit. Er verwies darauf, dass die Moneyval-In- spektoren in der Regel keine »hohe« Effizienz be- scheinigten. Auch das Prädikat »erheblich« werde eher selten vergeben. Dieses sei dem Vatikan etwa für internationale Zusammenarbeit und Aufsicht vergeben worden.

Der ASIF-Chef räumte ein, dass es weiterhin etliche Aspekte gebe, »an denen noch gearbeitet werden muss«. So halte er in der Justiz, insbeson- dere bei der Geschwindigkeit der Prozesse, »Kor- rekturmaßnahmen« für erforderlich. Allerdings seien Fortschritte oft von der Kooperation auslän- discher Staaten abhängig. Ohne die relevanten Informationen sei bei Sachverhalten von interna- tionaler Tragweite schlicht kein schneller Ab- schluss der Ermittlungen möglich. Insgesamt sieht Barbagallo in den Bewertungen der Kom- mission eine »Ermutigung, es noch besser zu ma- chen«. Die Vorschläge dienten dem Vatikan dazu,

»die Mission der Kirche« mit maximaler Transpa- renz und finanzieller Korrektheit zu erfüllen.

Neue Vorgaben zur internen Führung von Laienverbänden

Gesunder Leitungswechsel

Vatikanstadt.Der Vatikan hat neue Richtli- nien zur internen Führung katholischer Laienor- ganisationen auf internationaler Ebene erlassen.

Ein am Freitag, 11. Juni, veröffentlichtes Dekret des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben betont zum einen Recht und Freiheit von katholi- schen Gläubigen, Vereinigungen zu gründen und zu leiten. Es bekräftigt aber andererseits, dass die interne Führung einer Organisation stets »in Ein- klang mit dem kirchlichen Sendungsauftrag« und ihren Normen stehen müsse. Daher müssten Amtsdauer und Zahl der Leitungsposten be- schränkt werden, um einen »gesunden Wechsel«

sicherzustellen und Veruntreuung sowie Macht- missbrauch vorzubeugen.

Betroffen sind rund 100 internationale Orga- nisationen, die dem Dikasterium unterstehen.

Die Regeln gelten indes nicht für Priestervereini- gungen sowie für Institute geweihten Lebens und Gesellschaften apostolischen Lebens. Ebenso können Gründer von Laienorganisationen von den Vorgaben befreit werden.

In den zentralen Leitungsgremien werden Amtszeiten durch das neue Dekret künftig auf maximal fünf Jahre begrenzt – kürzere Amtszei- ten für unterschiedliche Posten, etwa Schatz - meister oder Sekretär, sind möglich. Insgesamt darf dieselbe Person aber höchstens zehn Jahre einen Posten im Leitungsgremium besetzen, da- nach muss für mindestens eine Amtszeit ausge- setzt werden.

Etwas andere Regeln gelten für Vorsitzende.

Diese dürfen das Amt für maximal zehn Jahre ausüben, können aber zuvor schon länger Mit-

glied des Leitungsteams gewesen sein. Nach zehn Jahren an der Spitze muss dann aber zwei Amtsperioden gewartet werden, bevor intern ein neuer Führungsposten bekleidet werden darf.

In einem Kommentar in der italienischen Ta- gesausgabe unserer Zeitung schreibt Ulrich Rhode, Professor für Kirchenrecht an der Päpstli- chen Universität Gregoriana, dass bislang die Freiheit der Laienverbände sehr groß, »vielleicht zu groß«, gewesen sei. Dies gelte besonders mit Blick auf die Vergabe von Ämtern, Amtszeiten und das Einbeziehen der Mitglieder bei Wahlen.

Das Dekret wurde vom Präfekten des Dikaste- riums für Laien, Familie und Leben, Kardinal Ke- vin Joseph Farrell, sowie dem zuständigen Se- kretär Alexandre Awi Mello unterzeichnet und von Papst Franziskus als rechtlich bindend gebil- ligt. Es tritt drei Monate nach Veröffentlichung in Kraft und löst damit alle bestehenden Regelungen der Laienorganisationen ab.

Mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft

Vatikanstadt.Der Papst hat erneut zu einer Wirtschaftsweise aufgerufen, die dem langfristi- gen Wohl von Mensch und Umwelt dient. Grund- legend für die Überwindung der Pandemie sei

»eine auf den Menschen zugeschnittene Wirt- schaft, die nicht nur dem Profit unterworfen ist, sondern im Gemeinwohl verankert ist«, so Fran- ziskus in einer Grußbotschaft an die 42. Konfe- renz der UN-Ernährungs- und Landwirtschafts- organisation FAO, die vom 14. bis 18. Juni in Rom stattfindet. Adressiert ist das Schreiben an den Vorsitzenden der Videokonferenz, Polens Um- weltminister Michal Kurtyka.

Für einen Neustart nach der Pandemie müsse noch viel mehr eine »Kultur der Fürsorge« ent- wickelt werden, die »individualistischen und aggressiven Wegwerf-Tendenzen« entgegentrete.

In seinem Grußwort knüpft der Papst an seine Enzyklika Fratelli tutti an, mit der er im vergange- nen Oktober Voraussetzungen für eine bessere Welt nach der Pandemie skizziert hatte. Insbe- sondere in Sachen Agrar- und Ernährungswirt-

schaft fordert Franziskus mehr Unterstützung für bäuerliche Kleinbetriebe und ländliche Regionen.

Von der Politik erwartet der Papst gezielten Kampf gegen strukturelle Ursachen von Armut, Hunger und Ungerechtigkeit. 2020 habe die Zahl der Menschen, die von akuter Ernährungsun - sicherheit bedroht sind, den höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht. Das Problem könne sich wei- ter verschlechtern, so der Papst. Konflikte, ex- treme Wetterereignisse, Wirtschaftskrisen und die Pandemie seien für Millionen Menschen eine Ursache von Hunger und Hungersnot.

Die FAO-Konferenz ist oberstes Leitungsorgan der UN-Organisation. Ihr gehören Vertreter aller Mitgliedsländer an, die sich alle zwei Jahre treffen.

Die Konferenz legt Politik, Programm und Akti- vitäten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorga- nisation der Vereinten Nationen fest, genehmigt den Haushalt, prüft laufende Projekte und wählt den Generaldirektor. Seit zwei Jahren ist dies der chinesische Agrarwissenschaftler und frühere Vize-Landwirtschaftsminister Qu Dongyu (57).

Aufmerksam an der Seite des Volkes Gottes

Straße in Ouagadougou nach Benedikt XVI. benannt

Vatikanstadt.Bei einer Audienz für italieni- sche Seminaristen hat Papst Franziskus den Wert der Fügsamkeit betont. Dabei handele es sich

»um eine Gabe, um die wir bitten müssen«, sagte er bei der Begegnung am Donnerstag, 10. Juni, in der Sala Clementina des Apostolischen Palastes.

»Es ist für jeden von Ihnen wichtig, sich immer wieder zu fragen: Bin ich fügsam? Bin ich rebel- lisch, oder ist mir das völlig egal – ich mache, was ich will?«

Fügsamkeit sei eine konstruktive Haltung im Berufs- wie im Privatleben. Ohne diese Tugend

»kann niemand wachsen und reifen«, so der Papst. Ein Priester müsse zudem menschlich sein. Selbst die besten Theologen seien als Pries - ter ungeeignet, wenn ihnen »das Herz« fehle, sagte Franziskus zu den Alumnen des Päpstli- chen Regionalseminars »Pio XI« aus Ancona (Re- gion Marken). Ebenso wenig gehe es darum, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. »Bitte, lasst nicht jede liturgische Feier eine Feier unserer selbst sein«, mahnte der Papst. Ein wahrer Hirte löse sich nicht vom Volk Gottes, sondern bleibe stets aufmerksam an seiner Seite.

Ouagadougou/Vatikanstadt. In Oua- gadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, ist eine Straße nach dem emeritierten Papst Bene- dikt XVI. (2005-2013) benannt worden. Wie das Portal »Vatican News« (15. Juni) unter Berufung auf den Apostolischen Nuntius, Erzbischof Mi - chael Francis Crotty, weiter berichtet, liegen so- wohl die Apostolische Nuntiatur wie auch das Rektorat der Katholischen Universität von West- afrika (UCAO) an der nun umbenannten frühe- ren Straße 54.160. Demnach fand die Zeremonie zur Namensgebung bereits am vergangenen Frei- tag, 11. Juni, statt.

Er sei glücklich, »dass der Hauptsitz der UCAO von nun an in ihrer Adresse den Namen von Papst Benedikt XVI. tragen wird«, zitiert das Por- tal den Nuntius, sei Benedikt XVI. doch »für seine Intelligenz und intellektuelle Kraft bekannt, ebenso wie für seine Hingabe an die Suche nach Wahrheit«. Bürgermeister Armand Pierre Beou- inde nannte Benedikt XVI. laut Bericht »einen Mann, der sich immer für Versöhnung zwischen den Völkern, interreligiösen Dialog und für den Glauben eingesetzt hat«.

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Privataudienzen

Der Papst empfing:

10. Juni:

– den Präfekten der Kongregation für die Glau- benslehre, Kardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer;

– den Erzbischof von Mérida und Apostolischen Administrator »sede vacante et ad nutum Sanctae Sedis« von Caracas (Venezuela), Kardinal Balta- zar Enrique Porras Cardozo, mit Begleitung;

– die Gemeinschaft des Priesterseminars der Re- gion der Marken »Pius XI.« aus Ancona;

11. Juni:

– den Präfekten der Kongregation für die Evange- lisierung der Völker, Kardinal Luis Antonio G.

Tagle;

– den Erzbischof von Santiago de Guatemala (Guatemala), Gonzalo de Villa y Vásquez;

– den Erzbischof von Luxemburg (Luxemburg), Kardinal Jean-Claude Hollerich;

– Miglieder der Kommission der Bischofskonfe- renzen der Europäischen Gemeinschaft (CO- MECE);

– Jugendliche aus der Pfarrei »San Paolo Apos - tolo« in Syrakus (Italien);

12. Juni:

– den Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, Kardinal Marc Ouellet;

– den Botschafter von Gabun, Eric Chesnel, zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens;

– den Präsidenten des Lateinamerikanischen Bischofsrats (CELAM) und Präsidenten der Bi- schofskonferenz von Peru, Héctor Miguel Cab- rejos Vidarte, Erzbischof von Trujillo (Peru), 14. Juni:

– den Generaldirektor der Internationalen Atom- energie-Organisation (IAEO), Rafael Mariano Grossi, mit Gattin und Begleitung;

– den Apostolischen Nuntius im Irak, Mitja Les - kovar, Titularerzbischof von Benevento;

– den Erzbischof von Santiago de Compostela (Spanien), Julián Barrio Barrrio, mit dem Präsi- dent der Regionalregierung von Galicien, Al- berto Núñez Feijóo;

– den Generalminister der Franziskaner, P. Mi - chael Anthony Perry OFM;

– den Genaraloberen des Maronitischen Ordens der seligen Jungfrau Maria, Abt Pierre Najem OMM;

Bischofskollegium

Ernennungen

Der Papst ernannte:

9. Juni:

– zum Erzbischof der Metropolitan-Erzdiözese Durban (Südafrika): Mandla Siegfried Jwara, bisher Apostolischer Vikar von Ingwavuma und Titularbischof von Elefantaria di Proconsolare;

– zum Bischof der Diözese Jerez de la Frontera (Spanien): José Rico Pavés, bisher Weihbischof in der Diözese Getafe und Titularbischof von Mentesa;

– zum Bischof der Diözese Palmares (Brasilien):

Fernando Barbosa dos Santos, bisher Bischof der Territorialprälatur Tefé;

11. Juni:

– zum Erzbischof von Avignon (Frankreich):

François Fonlupt, bisher Bischof von Rodez;

– zum Bischof der Diözese Saint-Flour (Frank- reich): Didier Noblot, vom Klerus der Diözese Troyes, bisher Pfarrer der Pfarrei Nogent-sur- Seine;

– zum Bischof der Diözese Ferns (Irland): Gerard Nash, vom Klerus der Diözese Killaloe, bisher

Diözesansekretär und Direktor für Pastoralent- wicklung in der Diözese Killaloe;

– zum Bischof der suburbikarischen Diözese Albano (Italien): Vincenzo Viva, vom Klerus der Diözese Nardò-Gallipoli, bisher Rektor des Päpst- lichen Kollegs Urbano »de Propaganda Fide« in Rom;

– zum Weihbischof in der Metropolitan-Erzdiö- zese Bogotá (Kolumbien): Germán Medina Acosta, vom Klerus der Erzdiözese, bisher Bi- schofsvikar für das Gebiet »Heiliger Petrus«, mit Zuweisung des Titularsitzes Aradi;

12. Juni:

– zum Bischof der Diözese Celaya (Mexiko): Víc- tor Alejandro Aguilar Ledesma, bisher Weih- bischof in der Erzdiözese Morelia und Titu - larbischof von Castulo;

15. Juni:

– zum Weihbischof in der Diözese Wabag (Papua- Neuguinea): Justin Ain Soongie, vom Klerus der Diözese, bisher Generalvikar der Diözese und Dozent im Priesterseminar von Banz in der Erz- diözese Mount Hagen, mit Zuweisung des Titu- larsitzes Forma.

Rücktritte

Der Papst nahm die folgenden Rücktrittsge- suche an:

9. Juni:

– von Kardinal Wilfrid Fox Napier von der Lei- tung der Metropolitan-Erzdiözese Durban (Süd- afrika);

11. Juni:

– von Bischof Bruno Grua von der Leitung der Diözese Saint-Flour (Frankreich);

– von Bischof Dennis Brennan von der Leitung der Diözese Ferns (Irland);

12. Juni:

– von Bischof Benjamín Castillo Plascencia von der Leitung der Diözese Celaya (Mexiko).

Todesfälle

Am 8. Juniist der Weihbischof in der Erzdiö- zese Port-au-Prince in Haiti, Ducange Sylvain, aus dem Salesianerorden, im Alter von 58 Jahren an den Folgen einer Infektion mit dem Corona - virus gestorben.

Am 11. Juniist der Bischof der Diözese Huari in Peru, Ivo Baldi Gaburri, im Alter von 75 Jah- ren im Krankenhaus von Huaraz an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben.

Ebenfalls am 11. Juni ist der emeritierte Bi- schof der Diözese União da Vitória in Brasilien, Walter Michael Ebejer, aus dem Orden der Dominikaner, im Alter von 91 Jahren gestorben.

Am 15. Juniist der Bischof der Diözese Gumla in Indien, Paul Alois Lakra, im Alter von 65 Jah- ren gestorben.

Der Apostolische Stuhl

Römische Kurie

Der Papst ernannte:

9. Juni:

– zum Mitglied der Kongregation für die Orien - talischen Kirchen: Kardinal Luis Antonio G.

Tagle, Präfekt der Kongregation für die Evangeli- sierung der Völker;

11. Juni:

– zum Präfekten der Kongregation für den Klerus:

Lazarus You Heung-sik, bisher Bischof der Diö- zese Daejeon (Korea), mit Zuweisung des Titels Erzbischof-emeritierter Bischof von Daejeon. Der am 17. November 1951 geborene Koreaner war seit 2003 zunächst Bischofskoadjutor und wurde 2005 Bischof von Daejon;

– Papst Franziskus hat außerdem verfügt, dass Kardinal Beniamino Stella bis zur Amtsein- führung des neuen Präfekten mit der Leitung des Dikasteriums beauftragt bleibt.

VATIKANISCHES BULLETIN

L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

51. Jahrgang Herausgeber: Apostolischer Stuhl Verantwortlicher Direktor: Andrea Monda

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4 Aus dem Vatikan

Papst Franziskus hat die Gleichheit al- ler Menschen weltweit betont. In einer Videobotschaft an die christliche Bewe- gung »Johannes 17« in New York erinnerte er am Abend des 9. Juni daran, dass alle Menschen Kinder des gleichen Vaters seien – unabhängig von Herkunft, Natio- nalität oder Hautfarbe. Entscheidend sei, dass jeder dem anderen mit Liebe be- gegne. Diese brauche »kein profundes theologisches Wissen«, sondern ent- springe der Begegnung mit dem Leben.

»Liebe kann die Welt verändern, aber erst ändert sie uns«, so Franziskus.

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Zum Auftakt der Fußball-Europameis - terschaft 2021 hat Papst Franziskus den UEFA-Präsidenten Aleksander Ceferin in Audienz empfangen. Ebenfalls bei dem Treffen im Apostolischen Palast mit dabei war der Präsident des Italienischen Fuß- ballverbands (FIGC), Gabriele Gravina, wie der Vatikan am Donnerstag, 10. Juni, mitteilte. Die Fußball-EM 2021 begann am 11. Juni mit dem Vorrundenspiel Türkei ge- gen Italien im Olympiastadion in Rom, das Italien mit 3:0 gewann. Bis zum 11. Juli werden in elf verschiedenen Ländern Spiele ausgetragen.

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Zu einem besonderen Friedensgebet für das Heilige Land und Myanmar haben am 8. Juni Papst Franziskus sowie zahlrei- che katholische Laienorganisationen auf- gerufen. Wie die Organisatoren der Aktion

»Eine Minute für den Frieden« mitteilten, war jeder – Katholiken, Christen und an- dere Gläubige – zu einem einminütigen Friedensgebet eingeladen. Zuvor hatte der Papst über Twitter auf die Aktion aufmerk- sam gemacht. Hinter der 2014 ins Leben gerufenen Initiative »Eine Minute für den Frieden« stehen das Internationale Forum der Katholischen Aktion (FIAC), die Katho- lische Aktion Italiens, die Katholische Ak- tion Argentiniens, die Weltunion der ka- tholischen Frauenorganisationen sowie weitere Verbände.

Aus dem Vatikan in Kürze

Vatikanstadt. Die Spitze der EU-Bischofs- kommission COMECE wurde am Freitag, 11. Juni, von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Im Gespräch sei es vor allem um Fragen der Pande- mie und Migration gegangen, berichtete an - schließend der Vorsitzende, Kardinal Jean-Claude Hollerich. Franziskus sei nach wie vor ein großer Förderer der Europäischen Union, auch weil er in ihr eine Friedensmacht und Stütze des Multilate- ralismus sehe. »Mit einer neuen Sichtweise zeigt er uns, wie wichtig tatsächlich die Union ist«, so der COMECE-Vorsitzende.

Die COMECE-Leitung hielt sich vom 8. bis 12. Juni zu ihren jährlichen Gesprächen im Vati- kan auf. Zur Delegation gehörten neben Kardinal Hollerich die Vizepräsidenten Jan Vokal aus Hra- dec Králové (Tschechien), Franz-Josef Overbeck aus Essen (Deutschland) und Mariano Crociata

aus Latina (Italien) sowie die Sekretäre Barrios Prieto und Calcagno. Begleitet wurde die Gruppe durch den neu ernannten Apostolischen Nuntius bei der EU, Erzbischof Aldo Giordano.

Bei den Gesprächen an der Kurie sei es unter anderem um eine mögliche Seligsprechung Robert Schumans (1886-1963) gegangen, sagte Hollerich. Er wäre sehr froh, wenn der frühere französische Außenminister als »wichtigste Gründerfigur der europäischen Einigung und In- tegration« seliggesprochen würde.

Beim Thema Europa und Migration bleiben der Papst und die Bischöfe bei ihrer Haltung, der christliche Glaube gebiete es, Flüchtlingen und Menschen in Not zu helfen, unterstrich Bischof Overbeck. Vordringlichste Aufgabe sei es, mit dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Heimat gar nicht erst verlassen müssten.

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Von Brigitte Kuhn-Forte

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s handelt sich um nichts weniger als die wichtigste private Antikensamm- lung der Welt; nicht nur des Umfangs wegen, sondern aufgrund des hohen qualitativen Niveaus und weil ein guter Teil aus prestige - trächtigen Sammlungen Roms stammt, die vom 18. Jahrhundert bis in die Renaissance zurückrei- chen. »Eine Sammlung der Sammlungen« nennt es Salvatore Settis, mit Carlo Gasparri Kurator die- ser international bedeutenden Ausstellung. Ziel des Abkommens ist ein neues, öffentliches »Mu- seo Torlonia«, ein staatlicher Sitz für die Privat- sammlung, die vor 1876 durch Fürst Alessandro Torlonia (1800-1886) als Museum in Trastevere vor der Porta Settiminiana konstituiert wurde. Be- reits um 1859 hatte er das Gebäude angemietet, 1864 gekauft. Im Gespräch als neuer Sitz für das Museum ist die Villa Rivaldi (1536) nahe dem Ko- losseum. Zuvor wäre das Problem der Restaurie- rung der »übrigen« 528 Skulpturen zu lösen, nachdem die jetzigen Exponate in zweijähriger Arbeit (Sponsor der Juwelier Bulgari) gereinigt wurden, wobei zahlreiche neue Erkenntnisse zu- tage kamen.

Adlige Privatsammlung

Der Begründer der Sammlung war Alessan - dros Vater, der unermesslich reiche Bankier Gio- vanni Raimondo (1754-1829), Sohn eines einge- wanderten Kammerdieners aus der Auvergne (†1785), der es bereits zu einer Geldverleihanstalt gebracht hatte. Giovanni Torlonia erlebte einen kometenhaften wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg, zu dem seine deutsche Ehefrau Anna Maria Schultheiss entscheidend beitrug, ihre Feste im 1807 erworbenen Familienpalast an der Piazza Venezia wurden sogar von Stendhal ge- würdigt. In den unruhigen napoleonischen Zeiten kaufte Giovanni riesige Latifundien, Villen und Paläste, unter anderem 1797 den Feudalbesitz Roma Vecchia zwischen der Via Appia und der Via Tuscolana, verbunden mit dem Titel eines Marchese, im selben Jahr die Villa an der Via No- mentana (heute Museum). Die Residenzen wur- den von berühmten Künstlern wie Giuseppe Va- ladier, Canova und Thorwaldsen ausgestattet.

Die Grundstückskäufe beschleunigten die No- bilitierung, 1814 schließlich erhielt Giovanni den Fürsten-Titel »Principe di Civitella Cesi«. Er be - fasste sich mit Kunst- und Antikenhandel und er- warb ganze Sammlungen en bloc, so 1800 auf einer Versteigerung den gesamten Inhalt des Ate-

liers von Bartolomeo Cavaceppi, Antikenres - taurator und -händler (†1799), über 1000 antike Skulpturen (zahlreiche wertvolle aus früheren Sammlungen) und dekorative Elemente. Viele da- von wurden zur Ausschmückung der riesigen Familienresidenz an der Piazza Venezia verwen- det, welche mit zwei Arkadenhöfen, Terrassen, Prunkstiege, fünf Sälen und einer vierflügeligen Galerie genug Platz bot (sie wurde 1901 zum Bau des Vittorianodemoliert).

1809 überließ der verschuldete Fürst Vin- cenzo Giustiniani dem Bankier die berühmte Sammlung seines gleichnamigen Ahnen (†1637) als Garantie für ein Darlehen von 36.000 Scudi;

in einem Vertrag von 816 werden 267 antike Skulpturen genannt. Sie gingen allerdings erst 1859 nach einem langen Rechtsstreit definitiv in den Besitz der Torlonia über. Sohn Alessandro er- warb 1866 die Villa Albani, wo Kardinal Alessandro Albani (†1779) und sein Antiquar Winckelmann, Begründer der modernen Kunst- und Altertumswissenschaft, gewirkt hatten. Aus dem trotz der Dezimierung durch die französi- sche Beschlagnahmung 1798 noch beträchtli- chen Antikenbestand wurden circa 50 Skulptu- ren, vor allem Brunnenschalen und Porträts, ins Museum in Trastevere übertragen.

Alessandro Torlonia führte die Ankäufe seines Vaters von Immobilien und Latifundien weiter;

letztere bildeten zugleich fruchtbarstes Gelände für Ausgrabungen und wertvolle Funde: neben Roma Vecchia der trajanische Hafen und Kaiser- palast von Portus bei Ostia (Kauf 1856), das etrus- kische Vulci, im Gebiet der Sabina. Alessandro kaufte auch Skulpturen, die bei der fiebrigen Bautätigkeit in der neuen Hauptstadt zutage ka- men. So erreichte das 1881-83 auf 77 Säle erwei- terte Museo Torlonia die immense Anzahl von 620 Antiken.

In einem überzeugend ausgearbeiteten Kon- zept will die Ausstellung als eine nach rückwärts orientierte Erzählung der diversen Episoden der Sammlung verstanden sein, ausgehend vom Mu- seo Torlonia – das Museum als selbstständige didaktisch-wissenschaftliche Einrichtung, nach Gattungen geordnet, ein wichtiger Schritt im Ver- gleich zu den adeligen Privat- sammlungen als Dekoration von Villen und Palästen. Dazu gehört ab 1876 auch die Aus- gabe von Katalogen durch die beiden Kuratoren Pietro Er- cole und Carlo Ludovico Vis- conti, welche 1884-85 in ei- ner sensationellen Neuerung gipfelte, einer Prachtausgabe in foliomit Fotografien (»foto- tipia«) sämtlicher Skulpturen, welche unter anderem Ar- chäologischen Universitätsin- stituten überreicht wurde, um der Forschung zu dienen. Die zweite Sektion der Ausstel- lung zeigt Funde von Aus - grabungen der Familie im

19. Jahrhundert. Es folgen die Ankäufe aus den großen Sammlungen des 18. Jahrhunderts (Al- bani und Cavaceppi); als Höhepunkt die Antiken des Marchese Giustiniani, die größte private Sammlung des Seicento; schließlich Skulpturen aus Sammlungen der Renaissance, unter ande- rem der Kardinäle Giuliano Cesarini (†1510), Pio da Carpi und Cesi, welche am jetzigen Largo Argentina, beziehungsweise auf dem Quirinal und bei St. Peter wunderbare Antikengärten be- saßen.

Damit wird zugleich ein genereller Überblick über die Entwicklung des römischen Sammlungs- wesens gegeben: gerade am Ort der Ausstellung, am Kapitol, befindet sich das erste Antikenmu- seum der Welt, begründet 1471 durch Sixtus’ IV.

Stiftung einiger Bronzestatuen, darunter die berühmte Kapitolinische Wölfin und der »Dorn- auszieher«. Der Besucher erblickt sie am Ende des Rundgangs.

Wie ein roter Faden zieht sich das Thema der Antikenrestaurierung durch die Ausstellung; so zeigen die einzelnen Sektionen auch die Entwick- lung des antiquarischen Geschmacks. Vor allem im Barock wurden weitgehende Ergänzungen als völlig legitim angesehen. Selbst berühmte Bild- hauer beteiligten sich auf diesem Gebiet. Beweis ist ein antiker marmorner Ziegenbock aus der Sammlung Giustiniani mit modernem Kopf von fast menschlichem Ausdruck (er wird nach der Reinigung überzeugend Gian Lorenzo Bernini (um 1620) zugeschrieben, während eine wun- derbare kauernde Venus einen Kopf von dessen Vater Pietro erhalten hatte. Beim Giustiniani- Relief eines Fleischerladens (2. Jh. n. Chr.) mag die aristokratisch anmutende Geflügelhändlerin verwundern; des Rätsels Lösung: es handelt sich um eine hier eingesetzte antike, aber nicht zu- gehörige Figur!

Antike und Renaissance

Bei den Restaurierungen des 19. Jahrhunderts erscheint bedeutsam, dass die Kuratoren des Museums die neuesten Forschungsergebnisse berücksichtigten und in mehreren Fällen eine Skulptur »umrestaurieren« ließen, zum Beispiel eine in der Quintilier-Villa ausgegrabene große weibliche Statue, die anfangs wie eine Replik Albani (nun München) als Ziehmutter Leukothea mit dem Bacchusknaben interpretiert und er- gänzt worden war, bis sich die Theorie deutscher Archäologen (L. Stephani 1859; H. Heinrich Brunn 1867) durchsetzte, es handle sich um eine von Pausanias beschriebene und von Münzen bekannte allegorische Darstellung der Eirene (Frieden) mit Ploutos (Reichtum) – eine »politi- sche« Statue (»kein Wohlstand ohne Frieden«), deren Original auf der Athener Agorà stand (um 360 v. Chr.). So wurde das Kind nun mit einem Füllhorn ergänzt.

Eine Fülle von Meisterwerken begegnet dem Besucher, angefangen im ersten Saal, welcher an den triumphalen Abschluss des alten Museo Torlonia mit seiner gigantischen römischen Por-

trätsammlung von 122 Stücken erinnern soll, dar- unter zwei eindrucksvolle Greisenköpfe: der so- genannte Euthydemos von Baktrien, der aber we- der den hellenistischen Herrscher (um 200 v.

Chr.) noch einen Landmann darstellte (so im In- ventar Giustiniani 1638), eher einen republikani- schen römischen General aus dem 1. Jh. v. Chr.

Aus derselben Zeit stammt der faltendurch- furchte »Alte von Otricoli«. Im Gegensatz dazu besticht das sogenannte »Mädchen von Vulci«

(um 50/40 v.Chr.), ursprünglich mit einem golde- nen Haarschmuck versehen, durch eine faszinie- rende Mischung von Grazie und metallischer Härte. Im Zentrum dominiert eine in der Sabina gefundene überlebensgroße, als Feldherr Germa- nicus restaurierte Bronzestatue.

Im Saal der Ausgrabungsfunde sind neben der erwähnten Eirene bemerkenswert ein kostbares attisches Relief des 5. Jhs. v. Chr. – ein Jüngling, wohl Hippolyt, mit Pferd – aus der Villa des grie- chischen Politikers und Philosophen Herodes At- ticus (101-177) an der Appia; ein großes Relief aus Portus mit der Hafeneinfahrt eines Schiffes, viel- leicht die Rückkehr von Kaiser Septimius Severus 204 aus Afrika; ein musizierender Satyr vor einer sitzenden Nymphe, besonders wichtig, weil sie als einzige gemeinsam gefunden wurden und so die bisherige Hypothese der Zusammengehörig- keit zu einer »Einladung zum Tanz« betitelten Gruppe bestätigten. – Unter den Sammlungen des 18. Jahrhunderts nimmt eine kolossale (177 x 230 cm) Brunnenschale aus der Villa Albani, ge- schmückt mit einem Relief der Arbeiten des Her- kules /50/25 v. Chr., einen ganzen Raum ein.

Im Hauptsaal der Sammlung Giustiniani fällt die paarweise Anordnung von Skulpturen dessel- ben Typus auf, zwei Statuen einer kauernden Ve- nus nach dem griechischen Bildhauer Doidalsas, zwei Isis-Figuren, zwei ausruhende Satyrn nach Praxiteles: so war es bereits unter dem hochgebil- deten Marchese Giustiniani (+1637), dem die Existenz mehrerer Repliken eines Typus und ei- ner Serienproduktion bereits in der Antike be- wusst war! Neben einer weiteren Porträtreihe befindet sich hier die wertvollste Statue der Aus- stellung, die hieratische sogenannte Hestia/Vesta Giustiniani (aber eher Göttin Hera oder Demeter), eine wohl in Baia unter Hadrian120/140 n. Chr.

entstandene Kopie nach einem bronzenen grie- chischen Original (um 460 v. Chr.) im Strengen Stil.

Die Sammlungen der Renaissance sind durch mehrere Statuen Cesarini und zwei große Sarko- phage aus dem Palazzo Savelli vertreten, überragt von der »Tazza Cesi« mit einem dionysischen Bankett von außergewöhnlicher Qualität (um 100 v. Chr.), welche im 15. Jahrhundert durch Zeichnungen vor einer Kirche in Trastevere doku- mentiert ist, dann im Antikengarten Cesi mit ei- nem Wasser speienden Silen, eine in der Ausstel- lung sorgfältig rekonstruierte Aufstellung.

Rom, Musei Capitolini – Villa Caffarelli, bis 29. Juni 2021; täglich 9.30-19.30, nur mit Re - servierung https://museiincomuneroma.viva- ticket.it/; Katalog (italienische und englische Aus- gabe): Electa; ausgezeichnete Vorträge (auf Italienisch) der Kuratoren und Katalog-Autoren:

https://m.facebook.com/watch/43004196509 3825/.

Kultur

Erster Schritt für ein neues Museum: Ausstellung der Torlonia-Antiken auf dem Kapitol

Eine Fülle von Meisterwerken

In der Folge eines Abkommens aus dem Jahr 2016 zwischen der Familie und Stiftung Torlonia und dem italienischen Kulturministerium wird erstmals ein großer Teil, 92 von 620 (!) antiken Skulpturen aus Privatbesitz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Dazu renovierte Stararchitekt David Chipperfield (Museumsinsel Berlin) das Erdgeschoss der den Kapitolinischen Museen zugehörigen Villa Caffarelli.

Links: Ausstellung Villa Caffarelli, erster Saal:

Rekonstruktion der Büstengalerie des »Museo Torlonia« mit Bronzestatue des Germanicus (1. Jh. n. Chr.); Foto: Oliver Astrologo,

©Fondazione Torlonia, Electa, Bvlgari.

Oben: Relief aus Portus (Grabung 1864):

Einfahrt eines Schiffes in den Hafen um 200 n. Chr., MT 430; Foto: Lorenzo De Masi,

©Fondazione Torlonia.

Ziegenbock (1. Jh. n. Chr.) mit Kopf von Gianlorenzo Bernini (ca. 1620), aus Slg. Giustiniani, MT 441;

Foto Lorenzo De Masi, ©Fondazione Torlonia.

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6 Kirche in der Welt

Seit vierzehn Monaten ist Kardinal George Pell, emeritierter Präfekt des Wirtschaftssekre- tariats, wieder ein freier Mann. Am 8. Juni 2021 konnte er seinen 80. Geburtstag in sei- ner australischen Heimat begehen. Aus diesem Anlass wurde er telefonisch von Fabio Cola- grande (Vatican News) interviewt, der mit ihm auch über die Veröffentlichung des 1. Bandes seines Gefängnistagebuchs sprach. Der Kardi- nal hatte stets seine Unschuld beteuert. Sein Freispruch war vom Heiligen Stuhl mit Genug- tuung aufgenommen worden. In einer Er- klärung des vatikanischen Presseamtes hieß es, der Heilige Stuhl habe stets Vertrauen in die Arbeit der australischen Justizbehörden gehabt. Am 12. Oktober letzten Jahres traf der Kardinal mit Papst Franziskus zusammen, der ihm für sein Zeugnis dankte.

Hätten Sie sich jemals vorstellen können, das Gefängnis erleben zu müssen?

Kardinal Pell: Nein, natürlich nicht! Das hätte ich nie gedacht. Ich habe hart gekämpft, da- mit das nicht passiert, aber leider ohne Erfolg. Es war eine Kombination von Umständen, Lügen und Betrug, aber dann kam dank des Obersten Gerichtshofs endlich meine Freilassung.

Was hat Sie veranlasst, in Ihrer 13-monatigen Haft ein Tagebuch zu führen?

Kardinal Pell: Es gab viele Gründe. Ich dachte, es könnte hilfreich sein für Menschen, die sich in Schwierigkeiten befinden, für diejeni- gen, die einen Moment des Leidens durchma- chen, wie den, den ich durchgemacht habe. Dann dachte ich, dass das Führen eines Tagebuchs aus historischer Sicht interessant sein könnte, denn es gab nicht viele Kardinäle, die diese Erfahrung gemacht haben, im Gefängnis zu sein. Aber dann auch, weil ich entdeckt hatte, dass sich viele Gefangene dem Schreiben gewidmet haben, an- gefangen – im katholischen Bereich – beim heili- gen Paulus. Schreiben im Gefängnis ist eine gute Therapie.

Inwieweit hat Ihnen das Gebet geholfen, die Demütigung und die Unannehmlichkeiten der Haft zu ertragen?

Kardinal Pell: Ich muss sagen, dass der Glaube und das Gebet grundlegend waren. Sie haben mir geholfen, die Perspektive auf diese Zeit

der Inhaftierung vollkommen zu verändern.

Heute sage ich allen, um einen englischen Aus- druck zu verwenden, dass das Gefängnis für mich eine Bestätigung war, dass das christliche

»Programmpaket« funktioniert. Meine Erfahrung zeigt, wie sehr die Lehre der Kirche uns hilft, wie sehr es hilft, zu beten, die Gnade Gottes zu su- chen. Vor allem, wenn wir verstehen, dass wir unser eigenes Leiden für ein größeres Gut leben können und dass wir unser Leiden mit dem Lei- den Jesu vereinen können. Als Christen wissen wir, dass wir durch das Leiden und den Tod des Gottessohnes erlöst worden sind. Diese Lehre in Bezug auf den Wert des Leidens zu leben, das än- dert wirklich alles, wenn man sich in einer Situa- tion wie der meinen befindet.

Wie sah in den Tagen Ihrer Inhaftierung die Beziehung zu den anderen Häftlingen aus? Sie schreiben, dass Sie deren Leid gespürt haben…

Kardinal Pell:Ich war in Einzelhaft, damit mein persönlicher Schutz gewährleistet war. Die anderen elf Häftlinge, die mit mir in der gleichen Abteilung waren, habe ich nie gesehen. Erst in den letzten vier Monaten meiner Inhaftierung konnte ich drei andere Häftlinge treffen und mit ihnen sprechen. Aber die meiste Zeit konnte ich nur die Wut, den Kummer meiner Mitgefangenen hören, ohne eine persönliche Beziehung zu ih- nen zu haben.

In Ihrem Tagebuch schreiben Sie, dass Sie von Ihrer Zelle aus oft den Gebeten der muslimischen Häftlinge zuhörten. Wie war es, zu beten, während Sie diese Gebete hörten?

Kardinal Pell:Für mich gibt es nur einen Gott, wir sind Monotheisten. Die theologischen Auffassungen von Christen und Muslimen un- terscheiden sich natürlich, aber wir alle beten auf unterschiedliche Weise zu demselben Gott. Es gibt keinen Gott der Muslime, der Christen oder anderer Religionen. Es gibt nur den einen Gott.

In Ihrem Tagebuch schreiben Sie, dass Sie im Gefängnis jeden Tag Ihren Anklägern vergeben haben, dass sie sie gesegnet und für sie gebetet haben… War es schwierig, ihnen zu verzeihen?

Kardinal Pell: Ich muss zugeben, dass es manchmal schwierig war. Aber sobald ich die Entscheidung getroffen hatte, zu vergeben, folgte alles andere daraus. Für mich war es nicht so schwer, der Person, die mich beschuldigt hat, zu vergeben. Ich wusste, dass er ein Mensch war, der gelitten hatte, der sehr verwirrt war und wer weiß, was sonst noch…

Während Sie inhaftiert waren, haben Sie Tau- sende Briefe der Unterstützung erhalten. Welche Wirkung hatten diese Briefe aus Sie?

Kardinal Pell:Sie haben mir enorm gehol- fen. Viele kamen natürlich aus Australien, aber auch aus den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt. Auch aus Italien, Deutschland, England, Irland. Sie waren eine große Hilfe und Ermuti- gung für mich. Manchmal schrieben mir Fami- lien. Oft waren es sehr spirituelle Briefe, ein an- deres Mal waren sie sehr theologisch, ein anderes Mal von Geschichtskultur geprägt. Es waren wirklich Briefe, die eine große Vielfalt an Themen behandelten, und das hat mir sehr ge- holfen.

Haben Sie auch im Gefängnis immer an die Vorsehung geglaubt?

Kardinal Pell:Ja, auch wenn ich manchmal nicht verstand, was die Vorsehung Gottes da tat.

Aber ich habe immer geglaubt, dass Gott hinter allem steht, was mir passiert ist.

Was haben Sie in diesen dreizehn Monaten als Mann der Kirche gelernt?

Kardinal Pell: Die Bedeutung von Beharr- lichkeit, die Bedeutung der einfachen Dinge, wie Glaube, Vergebung, das erlösungswirksame Lei- den. Normalerweise ist man im Gefängnis ge- zwungen, sich mit den grundlegenden Themen des Lebens auseinanderzusetzen, mit den einfa-

chen und grundlegenden Dingen. Das ist mir auch passiert, und ich muss sagen, dass ich Gott sei Dank überlebt habe.

Kann der Missbrauchsskandal ein Anlass für die Erneuerung der Kirche sein?

Kardinal Pell:Das muss er sein. Wir können nicht auf der gleichen Linie weitermachen. Es ist eine Art geistiger und moralischer Krebs. Ich habe den Eindruck, dass wir hier in Australien ernsthaft daran gearbeitet haben, dies auszurot- ten, aber es ist eine Pflicht für alle Priester und alle Bischöfe der Welt, dafür zu sorgen, dass sich sol- che Skandale nicht wiederholen. Zu viel Leid, zu viel Schmerz. Das Phänomen des Missbrauchs in der Kirche zeigt einmal mehr, dass wir die Lehren Jesu oft nicht befolgt haben. Hätten wir die Ge- bote des Dekalogs befolgt, wäre all dies nicht pas- siert.

Interview mit Kardinal George Pell

Im Gefängnis habe ich meinen Anklägern vergeben

Kardinal George Pell Das Gefängnistagebuch

Vier Jahre lang musste George Kardinal Pell Beschuldigungen, Ermittlungen, Pro- zesse, öffentliche Demütigungen und Ruf- mord erdulden. Ein australisches Beru- fungsgericht verurteilte ihn am 19. März 2019 wegen »sexuellen Missbrauchs zweier Chorknaben« zu sechs Jahren Haft für eine Straftat, die er nicht begangen hatte. Direkt aus dem Gerichtssaal wurde er in Handschellen abgeführt. Kardinal Pell nutzte seine Zeit im Gefängnis als eine Art

»ausgedehnter Exerzitien«. Täglich schrieb er in seinem Notizbuch spirituelle Einsich- ten, Erfahrungen im Gefängnis aus der ersten Zeit vom 27. Februar bis 13. Juli 2019, persönliche Gedanken über Ereig- nisse innerhalb und außerhalb der Kirche und bewegende Gebete nieder, die jetzt in Band I veröffentlicht werden.

George Pell, geb. 1941, studierte Philo- sophie und Theologie am Corpus-Christi- College in Werribee, an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom und an der Universität von Oxford. 1987 wurde er

von Papst Johannes Paul II. zum Bischof er- nannt. Von 1996 bis 2001 war er Erzbi- schof von Melbourne und von 2001 bis 2014 Erzbischof von Sydney. Papst Fran- ziskus ernannte George Kardinal Pell 2014 zum Präfekten des Wirtschaftssekretariats in Rom. Im Jahr 2017 wurde er wegen der Beschuldigung des »sexuellen Miss - brauchs« von allen Ämtern freigestellt.

2020 wurde er durch ein Urteil des Obers - ten Gerichtshofs vollständig entlastet.

George Kardinal Pell, Unschuldig ange- klagt und verurteilt. Das Gefängnistage- buch (Band I), Vorwort von George Weigel;

geb., 416 S., Media Maria-Verlag; ISBN 978-3-9479312-5-5; 24,90 Euro.

Buchtipp

Kardinal George Pell war vom 27. Februar 2019 bis 7. April 2020 aufgrund falscher Anschuldigungen in Haft.

F

ür die Fahrt ins Untersuchungs - gefängnis legte man mir Handschellen an.

Bei der Ankunft durchlief ich mehrere Registrierungen und eine gründliche medizinische Befragung. Alles höflich, aber eine Reihe von Verzögerungen hinter verschlossenen Türen. Da man glaubte, es bestünde Gefahr, dass ich mir selbst Schaden zufügte, wurde ich die Nacht über regelmäßig kontrolliert. Unter den anderen Gefangenen, die ich nicht zu Gesicht bekommen werde, da jeder seine eigene Zelle hat, war eine Frau, die gelegentlich weinte (zumindest hörte es sich so an). Ein oder zwei andere schrien in ihrer Seelenqual und stießen immer wieder laute Beschimpfungen aus. Mein Name fiel auch ein paarmal. Ich war ein wenig erschöpft und habe tief und fest geschlafen, bis der Wärter mich weckte.

Danach habe ich versucht, wie gewohnt den Rosenkranz zu beten, um wieder ein-

zuschlafen, aber ich habe nur noch vor mich hingedöst.

In jedem Fall ist es eine Erleichterung, dass der Tag vorbei ist. Ich befinde mich nun im Auge des Sturms, wo Ruhe herrscht, während meine Familie, meine Freunde und die Kirche insgesamt mit dem Tornado fertigwerden müssen.

Gott, unser Vater, gib mir die Kraft, dies durchzustehen. Möge mein Leiden mit dem Erlösungswerk deines Sohnes Jesus vereint werden für die Ausbreitung des Reiches Gottes, die Heilung aller Opfer dieser Geißel der Pädophilie, den Glauben und das Wohl unserer Kirche und insbesondere für die Weisheit und den Mut der Bischöfe, die uns aus den finsteren Schatten in das Licht Christi führen müssen.

(Aus dem Eintrag zum ersten Tag der Haft, Mittwoch, 27. Februar 2019)

Auszug aus dem Tagebuch

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