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Emojis - Universalsprache oder Hieroglyphen?

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Academic year: 2022

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Reihe 29 S 1

Verlauf Material LEK Glossar Mediothek

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mojis sind aus der digitalen Kom- munikation nicht wegzudenken.

Ursprünglich lediglich als Ergänzung schriftsprachlicher Mitteilungen einge- setzt, fungieren sie zunehmend als au- tonomes Kommunikationsmittel. Dabei knüpfen sie an den alten Menschheits- traum einer Universalsprache zur Über- windung der babylonischen Sprachver- wirrung an.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich hier mit Tendenzen aktueller digi- taler Kommunikation auseinander und reflektieren diese vor dem Hintergrund grundsätzlicher Sprach- und Schrifttheo- rie: Ab wann kann man überhaupt von einer „Sprache“ sprechen, ab wann von einer „Schrift“ und welche Arten von Schriften gibt es unter historischen As- pekten überhaupt? Somit verknüpft die Reihe einzelne Aspekte einer Sprach- und Schriftgeschichte von über 4  000 Jahren und befähigt die Lernenden, sich kritisch mit aktuellen linguistischen Phä- nomenen zu befassen.

Das Wichtigste auf einen Blick

Klasse: S II

Dauer: 10–13 Stunden + LEK Kompetenzen:

– digitale und analoge Kommunikation vergleichend analysieren

– aktuelle Sprachphänomene kritisch reflektieren

– Sprachentwicklungen historisch erklären

– linguistische Phänomene fachbegriff- lich erfassen

– gesellschaftliche Bedingungen des Sprachwandels verstehen

Emojis – Universalsprache oder Hieroglyphen?

Digitale Kommunikation im 21. Jahrhundert untersuchen

Dr. Roland Schmenner, Berlin

© nicomenijes/iStock/Getty Images Plus

Digitale Kommunikation – (fast) immer mit Emojis.

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Fachwissenschaftliche Hinweise

Die Wahl des Themas

Betrachtet man all die Grinse-Smileys, die lustigen Wasserpistolen und bunten Feuerwehrautos, den grinsenden Kothaufen und den grellroten Lippenstift, so könnte man sich durchaus fragen, warum diese infantil anmutenden Bildchen Gegenstand einer ernsthaften linguistischen Untersuchung sein sollten. Und ist die Behandlung von Emojis im Sprachunterricht der gymnasialen Oberstufe womöglich ein bloßes Anbiedern an die Alltagserfahrungen der Schülerinnen und Schüler? Nun ist freilich die Analyse von Alltagskommunikation ein fester Bestandteil der Linguistik. Be- trachtet man aber sowohl den kulturellen als auch den ökonomischen Diskurs über die digitalen Bildzeichen, so fällt auf, dass es sich um weit mehr als nur um einen privaten und somit zu vernach- lässigenden Kommunikationsmodus handelt. Längst gibt es juristische Expertisen zur Lesbarkeit von Emojis in Gerichtsprozessen, Wirtschaftsunternehmen stellen Emoji-Übersetzer ein und 2015 hat das ehrwürdige „Oxford Dictionary“ das Tränen lachende Emoji-Gesicht zum „Wort des Jahres“

bestimmt. Somit sind Emojis auch im akademischen Diskurs angekommen.

Kommunikation mittels digitaler Medien (Smartphone, Tablet, PC) vollzieht sich in einem hybriden sprachlichen Raum. In den unterschiedlichen Applikationen wie WhatsApp, Instagram, SMS wird zwar prinzipiell schriftlich miteinander kommuniziert, allerdings handelt es sich dabei häufig nur um eine Pseudoschriftlichkeit, da von Sender und Empfänger die Imitation einer verbalen Face-to-Face-Kommunikation angestrebt wird. Insofern ähneln die Buchstaben- und Wortfolgen in aller Regel dem sprachwissenschaftlichen Transkript einer verbalen Kommunikation, sodass man hier von einem semiverbalen Kontext sprechen muss. Ergänzt werden die Sprechimitate durch Ergänzungszeichen, die als paralinguistische Unterstützung gedacht sind. Ehemals noch als zu entziffernde und zu lernende Abfolge aus alphanumerischen Zeichen gedacht, sind diese Codes mittlerweile in Bildsymbole überführt worden, sogenannte Emoticons bzw. Emojis. In jüngster Zeit tauchen jedoch Bestrebungen auf, den Ergänzungscharakter der Emojis in einen Sprachcha- rakter zu transformieren. Aus dem ehemaligen Additum werden für sich selbst stehende autono- me Zeichen, die eine eigene Sprache generieren sollen. Getrieben werden diese Bestrebungen von der uralten Menschheitsidee einer Universalsprache, die dann aber hier sich allein im Modus der Schriftlichkeit vollzieht, da es eine gelesene Sprache ist. In letzter Konsequenz steht dabei ein Rückgriff auf das Schriftbild der Hieroglyphen und anderer archaischer und antiker Bildschriften.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich hier nicht nur mit Tendenzen aktueller digitaler Kommunikation auseinander, sondern reflektieren diese vor dem Hintergrund grundsätzlicher Sprach- und Schrifttheorie: Ab wann kann man von einer „Sprache“ sprechen, ab wann von einer

„Schrift“ und welche Arten von Schriften gibt es unter historischen Aspekten überhaupt? Somit verknüpft die Reihe einzelne Aspekte einer Sprach- und Schriftgeschichte von ca. 8 000 Jahren miteinander und befähigt die Lernenden, sich kritisch mit aktuellen linguistischen Phänome- nen auseinanderzusetzen.

Smileys, Emoticons, Emojis – kurze Geschichte der Bildzeichen

1963 entwickelte der Werbegrafiker Harvey Bell für die Versicherungsgesellschaft State Mutual Life Assurance Cos. of America das erste Smiley, indem er zwei Punkte und einen gebogenen Strich in einen Kreis auf ein gelbes Blatt Papier zeichnete. Der Konzern ließ das Gesicht auf Anstecknadeln drucken, um so das Betriebsklima zu verbessern. Bald fand das Smiley aber seinen Weg in die Populärkultur und firmierte dort etwa als Erkennungssymbol der Acid-House-Bewegung. Den Ein- zug in die digitale Kommunikation hielt das Smiley als sogenanntes Emoticon (Emotion + Icon). Der Informatiker Scott E. Fahlmann schlug 1982 vor, mit einer Zeichentypografie, die an das Smiley angelehnt war, digitalen Schriftverkehr emotional zu verdeutlichen, um Missverständnisse zu vermeiden. Zur Darstellung eines Witzes schlug er die Abfolge :-) vor, die de facto ein auf der Seite liegendes Smiley ist. Eine Erweiterung, die bereits stark an die heutigen Emojis erinnert, wurde in Japan entwickelt. Die sogenannten Kaomojis nahmen bereits die Dingsymbole der Emojis vorweg,

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vor allem aber erweiterten sie das Gefühlsrepertoire der Emoticons amerikanischer Prägung. So etwa die Zeichenfolge (>_<), die auch heute noch im Gesichtsausdruck einzelner Emojis zu erken- nen ist. Shigetaka Kurita überführte 1999 die Emoticons weitgehend in die heute bekannten Emojis.

Kurita war Angestellter des Telekommunikationsunternehmens NTT Docomo und experimentierte mit nur wenigen Pixel großen grafischen Darstellungen. Als Inspiration nutzte Kurita japanische Schrift- zeichen und Manga-Comics. Die 176 Ur-Emojis sind mittlerweile im New Yorker MoMA ausgestellt.

Seit 2010 herrscht das Unicode-Gremium über den digitalen Einheitscode der Emojis und vor allem aber über die Anzahl und die Neuaufnahme weiterer Emojis in das Gesamtrepertoire.

Lesbarkeit und Zuordnung der Emojis

Emojis sind eine logografische Schrift. Eine eindeutige Zuordnung zu einer Untergruppe der Bildschrift ist nicht möglich, da dies vom Bedeutungs- und Verwendungszusammenhang abhängig ist. Der überwiegende Teil muss der Gruppe der Ideogramme zugeordnet werden, da mit dem erkannten bzw. gelesenen Bild eine übergeordnete Idee verbunden ist. Dies ist etwa bei dem ein- fachen Smiley als „Ur-Emoji“ der Fall. Zwar kann auch ein lächelndes Gesicht als solches gemeint sein, die Idee des Smileys ist aber die Repräsentation einer Empfindung, im konkreten Fall also Freundlichkeit, Fröhlichkeit etc. Zunehmend tauchen aber Emojis auf, die als Piktogramm exakt das Dargestellte repräsentieren sollen. Dies ist insbesondere bei Ding-Emojis wie einem Kranken- wagen oder einem Zug der Fall. Viele Emojis bewegen sich im Zwischenbereich von Ideo- gramm und Piktogramm; so kann etwa das Ding-Emoji „Weihnachtsbaum“ konkret einen Weihnachtsbaum zum Ausdruck bringen (Piktogramm) oder aber als Idee von Weihnachten, Ad- vent etc. aufgefasst werden (Ideogramm). In dem Maße, in dem Emojis nicht mehr bloß als Additum zwecks Darstellung persönlicher emotionaler Befindlichkeiten Verwendung finden, sondern sich quasi als eigenständiges Schriftzeichen emanzipieren, ist eine verstärkte Tendenz zum Piktografi- schen feststellbar. Besonders virulent wird dies bei der Diskussion um die politisch korrekte Verwen- dung einzelner Emojis im Hinblick auf Hautfarbe oder Religiosität. Hier wird angenommen, das Emoji repräsentiere als Piktogramm die es verwendende Person.

Lingua franca?

Spätestens seit dem Crowdfunding-Projekt „Emoji Dick“, bei dem versucht wurde, den kompletten Roman Melvilles in „Emoji“ zu übersetzen, um damit eine Universalübersetzung anzubieten, rückt die Idee in den Vordergrund, mit Emojis eine neue Universalsprache oder zumindest eine neue Verkehrssprache im Sinne einer Lingua franca zu etablieren. Unter diesem Gesichtspunkt gilt es folgende Punkte zu beachten:

1) Im Gegensatz zu einer universellen Plansprache wie Esperanto oder auch zur originalen Lingua franca wäre „Emoji“ eine rein schriftliche Sprache. Eine mündliche Übersetzung würde immer noch in der jeweiligen Nationalsprache stattfinden.

2) Im Gegensatz zu einer entwickelten Plansprache herrscht (momentan) bei der Konversation mit Emojis ein grammatikalischer Wildwuchs vor, da es keine vereinbarten syntaktischen Regeln gibt.

Mehr noch, das Fehlen sämtlicher grammatikalischer Strukturen produziert eine Sprache, die – ori- entiert am historischen Stufensystem Haarmanns – auf eine vorzivilisatorische Stufe zurückfällt, da einfachste Strukturen der Verknüpfung von Subjekt, Prädikat und Objekt nicht gegeben sind. Da der momentane Gebrauch der Emojis eher selbstregulierender und nicht geplanter Natur ist, könnte sich zwar eine Art Lingua franca entwickeln, die jedoch nur einer unmittelbaren Verkehrskommu- nikation und nicht einer Verständigung über komplexe und abstrakte Sachverhalte dienlich wäre.

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Materialübersicht

1./2. Stunde Einführung ins Thema – Emojis übersetzen M 1 (Tx/Bd) Erkennen Sie die Melodie? – Emojis übersetzen M 2 (Tx) Die Zukunft spricht „Emoji“

3.–5. Stunde Emojis im Kontext der Sprachgeschichte M 3 (Tx/Bd) Bild und Schrift – Emojis seit 4 000 Jahren?

M 4 (Fo) Antike Bildersprache

M 5 (Tx) Emojis – eine „moderne“ Sprache?

6.–8. Stunde Emojis – eine Welt voller Missverständnisse

M 6 (Tx) Wie ist das gemeint? – Missverständnisse mit Emojis vermeiden (?) M 7 (Tx/Bd) Alles klar? – Emojis und technische Missverständnisse

M 8 (Tx) Alles so schön bunt – Emojis als Ausdruck des 21. Jahrhunderts

9./10. Stunde Wem gehören die Emojis?

M 9 (Tx/Bd) Wem gehört die Schrift?

M 10 (Tx/Bd) Wer bin ich? – Probleme der Identität

11./12. Stunde Der Traum universaler Kommunikation M 11 (Tx) Die babylonische Sprachverwirrung

M 12 (Tx/Ab) Versuche der globalen Verständigung

Lernerfolgskontrolle

LEK (Tx) „Emoji“ – eine Sprache für den Schüleraustausch?

Materialgestütztes Schreiben eines informierenden Textes

Abkürzungen: Ab = Arbeitsblatt; Bd = bildliche Darstellung; Fo = Folie; Tx = Text

Minimalplan

Die Materialien M 2, M 4, M 5 bzw. M 7 können ausgelassen oder als Hausaufgabe eingesetzt werden. Genaue Vorschläge finden sich in den jeweiligen Stundenverläu- fen.

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Erkennen Sie die Melodie? – Emojis übersetzen

Wir alle verwenden selbstverständlich Emojis in unseren Textnachrichten, mitunter ersetzen wir gar ganze Wörter oder ganze Sätze mit ihnen. Aber sind diese Texte dann so ohne Weiteres verständlich?

Aufgaben

Erkennen und analysieren Sie die oben dargestellten Emoji-Reihen:

a) Versuchen Sie zu erkennen, welches bekannte Weihnachtslied mit den ersten beiden Emoji-Reihen gemeint ist. Diskutieren Sie darüber, bei welcher der beiden Reihen Ihnen das Erkennen leichter gefallen ist.

b) Bestimmen Sie in Partnerarbeit die Satzglieder in dem gefundenen Liedtitel und versu- chen Sie, diese Satzglieder den einzelnen Emoji-Bildern zuzuordnen. Welche Aussa- gen lassen sich bezüglich der Lexik der einzelnen Bilder treffen?

c) Wiederholen Sie die Aufgaben a) und b) für die dritte Emoji-Reihe. Diskutieren Sie unter Verwendung grammatikalischer Begriffe, warum die „Lesbarkeit“ dieser Reihe offenbar schwieriger als die der ersten beiden Reihen ist.

Zusatzaufgabe

Erstellen Sie in der vierten Reihe mit Ihnen bekannten Emojis (unter Zuhilfenahme Ihres Smartphones) eine mögliche Alternative zu Reihe 3.

Alle Abbildungen: © 2018 Apple Inc.

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Die Zukunft spricht „Emoji“

Sowohl Blogger und Journalisten als auch Sprachwissenschaftler beschäftigen sich zu- nehmend mit Emojis und bewerten deren kommunikatives Potenzial. Hier können Sie vier Haltungen kennenlernen, die die kommunikativen Möglichkeiten der Emojis einschätzen.

a) Die Beherrschung von Emojis gehört heute zur digitalen Alphabetisierung dazu, wer Emo- jis ablehnt, schließt sich selbst von der digitalen Zukunft aus. Denn Emojis sind kein Rück- fall in vorschriftliche Zeiten, auch wenn sie auf oberflächliche Betrachter so wirken mögen.

Sondern ein bisher dramatisch unterschätzter sprachlicher, kultureller und technologischer Fortschritt. Emojis weisen den nächsten Schritt der digitalen Zivilisation.

Aus: „Emojis, die beste Sprache der Welt ;-)“ von Sascha Lobo. SPIEGEL ONLINE, 27.12.2017. © SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/emojis-warum-die-symbole-ein-gesellschaftlicher-fortschritt-sind-a-1185165.html).

b) Wie aber kommunizieren, wenn keiner mehr versteht, was ich sagen will? Das Emoji hilft!

Es ist eine zeitgemäße Hieroglyphe. Gemeintes und Gesagtes sind in einem Bildzeichen zu- sammengefasst. Jeder sieht sofort, was ich meine. Es ist eine universelle Sprache. Man hat so- gar im Crowdfunding-Projekt „Emoji Dick“ Geld gesammelt, um Moby Dick in Emoticons zu übersetzen, sodass er weltweit gelesen werden kann.

Aus: „Ein Emoji sagt mehr als 1000 Worte“ von Sacha Szabo. Badische Zeitung, 09.10.2014. © Badisches Pressehaus GmbH & Co. KG (http://www.badische-zeitung.de/fudder-x1x/ein-emoji-sagt-mehr-als-1000-worte--92505897.html).

c) Emojis sind die Weltsprache für eine bessere Zukunft. […] Wer nun schon einmal mit ei- nem afghanischen Flüchtling Small Talk führen oder dem einzigen Busfahrer Tel Avivs, der tatsächlich nur Hebräisch spricht, sein Reiseziel erklären wollte, der durfte auf dem eigenen Smartphone die supranationale Macht der Emojis spüren. […] Die Weltsprache Emoji ist eine antirassistische, antidiskriminierende Sprache – oder sie versucht es zumindest zu sein.

In ihren Vokabeln bildet sich eine tolerantere, eine offenere Welt ab.

Aus: „Emojis sind die Weltsprache … für eine bessere Zukunft“ von Julian Dörr. jetzt, 08.10.2016. © Süddeutsche Zei- tung SZ Digitale Medien GmbH (https://www.jetzt.de/meine-theorie/emojis-sind-die-weltsprache).

d) Emojis sind wenig präzise. […] Das liegt einerseits an der rudimentären Grammatik: Selbst eingefleischte Fans können nur eine Handvoll Verknüpfungsregeln nennen, etwa jene, dass Gefühle vor Gegenständen kommen, das Herz und der Smiley also vor dem Blumenstrauß und dem Geburtstagskuchen. Ein weiteres Problem: Nicht nur Zeichenfolgen sind vieldeutig, auch die einzelnen Zeichen sind es. Wir können nie sicher sein, ob sie für den Gegenstand oder für einen abstrakten Begriff stehen – und für welchen. Lackierte Nägel können lackierte Nägel sein, eine Tätigkeit meinen oder aber einfach: „Mir ist langweilig.“ Von kulturellen Missverständnissen ganz abgesehen.

Aus: „Emoji: Universalsprache oder Kinderkram?“ von Bettina Steiner. 22.04.2015. © 2018 DiePresse.com (https://die- presse.com/home/techscience/internet/4714894/Emoji_Universalsprache-oder-Kinderkram).

Erläuterung: Hieroglyphe: Schriftzeichen einer Bilderschrift – Crowdfunding: Finanzierungsmodell, bei der zahlreiche Personen/Organisationen/Institutionen individuelle Beträge investieren – Moby Dick: Roman von Herman Melville

Aufgaben

1. Erarbeiten Sie in Partnerarbeit auf Plakaten die oben vorgestellten Positi- onen, indem Sie kategorisierende Überschriften für einzelne der genann- ten Punkte finden.

2. Stellen Sie sich gegenseitig Ihre Plakate vor und diskutieren Sie, welcher Position Sie

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© bpk/Vorderasiatisches Museum, SMB/Olaf M. Teßner

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Antike Bildersprache

Tontafel mit einer Abrechnung über Getreideprodukte aus Uruk (Ende 4. Jt. v. Chr.)

Hieroglyphischer Papyrus, Totenbuch der Neferini (323–30 v. Chr.)

© bpk/Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, SMB/Sandra Steiß

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© picture-alliance/dpa-infografik

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Emojis – eine „moderne“ Sprache?

Wie hat sich Sprache entwickelt? Der Linguist Harald Haarmann unterscheidet vier we- sentliche Stadien in der Sprachgeschichte des Menschen.

Stadium 1 (1,9 Millionen–150 000 v. Chr.)

Am Anfang der Sprachverwendung stehen wahrscheinlich elementare Benennungsmecha- nismen. Dazu gehören onomatopoetische Ausdrucksformen wie bums! als Lautnachah- mung für ein Fallgeräusch oder plitsch, platsch für Wasserbewegung und den Kontakt mit Wasser, dazu […] Interjektionen zum Ausdruck von Erstaunen, Freude, Schrecken usw., und alles vermutlich in Form von Ein-Wort-Sätzen.

Stadium 2 (150 000–100 000 v. Chr.)

Im Zuge einer Erweiterung der Kapazität, Dinge des kulturellen Umfeldes zu „worten“, vergrößert sich das Repertoire sprachlicher Ausdrücke. […] Die Wörter sind einsilbig. In Abhängigkeit vom Kontext können einzelne Wörter die Funktion von Ein-Wort-Sätzen haben. Der Bestand an Signalen und Interjektionen wird durch onomatopoetische Ausdrü- cke erweitert. Grammatische Beziehungen werden noch nicht bezeichnet, Wortarten nicht unterschieden. Dieses Stadium ist asyntaktisch, d.h., es gibt noch keine Satzbaupläne.

Stadium 3 (100 000–70 000 v. Chr.)

Wörter sind ein- oder mehrsilbig. Die elementaren Wortarten (Nomen versus Verb, Pro- nomen) werden formal unterschieden. Die Verwendung pronominaler Systeme (Personal-, Possessivpronomen usw.), also von deiktischen (hinweisenden) Elementen als Ersatz für Personen (sie für „Mädchen“, „Frau“, „Großmutter“ u.a.) oder Dinge (jene für „Feuer- stelle“ […]), setzt abstraktes Denken voraus. Die formale Differenzierung von Wortarten

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Stadium 4 (ca. 70 000 v. Chr.–heute)

Für dieses Entwicklungsstadium gilt die Ausbildung komplexer phonetischer, grammati- scher und syntaktischer Systeme. […] Die funktionalen Differenzierungen zwischen Sub- jekt, Verb und Objekt im Satz bilden sich im Stadium 4 aus. Die Infrastruktur der Sprachen des Stadiums 4 ist entsprechend ihren Kapazitäten als Hochleistungssystem vielschichtig ausdifferenziert. Nicht nur der Wortschatz ist nach bestimmten Prinzipien organisiert, son- dern auch in der Grammatik und im Lautsystem kommt die Wirkung komplexer Organisa- tionsstrukturen zum Tragen.

Aus: Haarmann, Harald: Weltgeschichte der Sprachen. Von der Frühzeit des Menschen bis zur Gegenwart. München:

C. H. Beck 2006, S. 35 ff. © 2018 Verlag C. H. Beck oHG.

Erläuterung: onomatopoetisch: lautmalend – phonetisch: lautlich

Aufgaben

1. Lesen Sie den Text. Halten Sie in der Tabelle unten die wesentlichen Ver- änderungen im Verlauf der Entwicklung von Sprache in den Bereichen

„Lexik“ und „Grammatik“ fest.

Lexik Grammatik

Stadium 1

Stadium 2

Stadium 3

Stadium 4

2. Erörtern Sie, welchen Sprachstadien man Emojis zuordnen kann. Beziehen Sie sich da- bei einerseits auf die Beispielsätze aus M 1 und berücksichtigen Sie andererseits auch das Schlagwortprinzip aus M 3.

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Geschlecht, Religion und ethnische Zugehörigkeit – nun auch eine Frage der Emoji-Identität

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Wer bin ich? – Probleme der Identität

Für wen stehen eigentlich die Emojis? Das ist eine Frage, die in den letzten Jahren für kulturelle Auseinandersetzungen gesorgt hat.

Anders als das Deutsche tragen die Emojis nicht den grammatischen Ballast von meh- reren hundert Jahren patriarchalen Sprachgebrauchs. Es wäre also kein Problem gewe- sen, die Darstellung von Menschen geschlechtsneutral zu gestalten […]. Stattdessen folgte das Unicode-Konsortium 2016 einem Vorschlag seines Mitglieds Google und nahm für alle bereits vorhandenen oder neu hinzugekommenen männlichen Emojis zusätzlich eine weibliche Variante in den Standard auf. Google hatte mit seinem Vorschlag eine Forderung aufgegriffen, die unter Netzaktivistinnen schon länger die Runde machte. Die Sichtbarkeit von Frauen in der Welt der Unicode-Piktogramme ist seitdem zwar gegeben, aber bei der Verwendung von Emojis stellen sich mit dieser Änderung zwei neue Probleme. Das erste Problem ist eines, auf das man bereits im Jahr zuvor hätte aufmerksam werden können.

Noch vor dem Problem der männlichen Übermacht hatte das Konsortium die helle Haut der Emoji-Menschen als Problem erkannt – und zunächst gut gelöst, indem es allen Per- sonendarstellungen eine neutrale Smiley-gelbe Farbe verpasste.

Leider beließ man es nicht dabei, sondern schuf zusätzlich die Möglichkeit, die Emo- jis mit fünf verschiedenen Hautfarben zu kombinieren, von Rosa bis Dunkelbraun. Das stieß nicht nur auf Begeisterung. Die afroamerikanische Kolumnistin Paige Tutt wies da- rauf hin, dass das Konsortium sie und andere Mitglieder ethnischer Minderheiten mit dieser Änderung unter Druck setze, sich bei jeder Verwendung von Menschen-Emojis als

„Person of Color“ zu identifizieren – oder bei ihrem Gegenüber die Frage aufkommen zu lassen, warum sie dies nicht tue. Weiße Amerikaner scheinen sich diesem Problem weitgehend zu entziehen – sie meiden die hellen Hauttöne und weichen stattdessen auf die Smiley-gelben Emojis aus. Das führt dazu, dass das eigentlich neutral gedachte Gelb zu einem visuellen Synonym für weiße Haut wird – ähnlich, wie es bei der Fernsehserie

„Die Simpsons“ der Fall ist. Dunkelhäutigen Menschen steht die neutrale Option damit nicht mehr zur Verfügung.

Mit der Einführung der Geschlechter-Emojis stehen nun auch Frauen vor diesem Problem:

Während Männer einfach die vorher als Normalfall präsentierten männlichen Emojis wei- terverwenden, werden Frauen zwar einerseits in die Lage versetzt, ihr Geschlecht zu kenn- zeichnen, mangels einer geschlechtsneutralen Alternative aber auch dazu gezwungen. […]

Gerade ist das Unicode-Konsortium dabei, dieses Problem auch in den Bereich der Reli- gion zu exportieren. Auf Initiative der in Saudi-Arabien geborenen Hamburger Schülerin Rayouf Alhumedhi und nach breiter medialer Unterstützung wird es in der nächsten

© 2018 Apple Inc.

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tuchtragende Muslimas argumentieren, dass sie ohne eine solche Figur in der Emoji-Welt unsichtbar seien, und folgerichtig wird die Einführung des Hijab-Emojis als antidiskri- minatorischer Akt gefeiert. Allerdings wird der Hijab damit für Frauen zum Symbol des muslimischen Glaubens schlechthin. Die siebzig Prozent gläubiger Muslimas in Deutsch- land, die kein Kopftuch tragen, könnten sich gezwungen sehen, sich in Zukunft pikto- grafisch mit Kopftuch zu präsentieren, um den Vorwurf zu vermeiden, nicht zu ihrem Glauben zu stehen. […]

Auf den ersten Blick mögen Emojis harmlos wirken, vielleicht sogar etwas albern. Aber wie alle Zeichensysteme stehen sie in einer komplexen Beziehung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit: Einerseits sind sie Abbild, andererseits formen sie unser Verständnis des Be- zeichneten. In einer zunehmend heterogenen Gesellschaft werden sie damit unweigerlich zu einem Austragungsort von Kämpfen um Identität und Sichtbarkeit.

Aus: „Debatten um Emojis. Es knirscht im Zeichensatz“ von Anatol Stefanowitsch. 18.03.2017. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001–2018 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/debatten-um-emojis-es-knirscht-im-zeichen- satz-14930000.html).

Erläuterung: patriarchalisch: Gesellschaftsordnung, bei der der Mann eine bevorzugte Stellung in Staat und Familie innehat – Hijab: im engeren Sinn ein islamisches Kopftuch, im weiteren Sinn ein von islamischen Frauen getragenes, den Körper verhüllendes Kleidungsstück.

Aufgabe

Analysieren Sie den vorliegenden Text des Linguisten Anatol Stefanowitsch und fassen Sie die Punkte der kulturellen Auseinandersetzung zusammen.

Diskutieren Sie darüber in der Gruppe.

Erläuterung (M 9 und M 10; Stunden 9/10)

Wem gehören die Emojis?

Diese Sequenz nimmt soziologische Fragestellungen auf, die in den letzten zwei Jahren Ausgangspunkt gesellschaftlicher Kontroversen waren und sind. Gleichzeitig stehen etwas längere theoretische Texte im Fokus, um so auf die am Ende der Reihe anste- hende Klausur vorzubereiten.

Als Einstieg empfiehlt sich ein Rückgriff auf M 7, um am Beispiel der Pistolen-Emojis kurz zu diskutieren, wer für den Darstellungsmodus verantwortlich ist und welche Schwierig- keiten sich daraus ergeben. Die Erarbeitungsphase erfolgt in Partnerarbeit, wobei aus zeitökonomischen Gründen ratsam sein kann, die beiden Texte aufzuteilen und diese sich gegenseitig vorstellen zu lassen, um dann den Vergleich gemeinsam zu erstellen. Die als Transfer dienende Diskussion über die demokratische Legitimität erfolgt in der gesamten Gruppe. Unter Umständen muss als Lehrerimpuls kurz grundsätzlich der Begriff der demokratischen Legitimität bzw. der demokratischen Kontrolle erläutert werden.

Als Überleitung und Einstieg sollte als stummer Impuls die Emoji-Reihe aus M 10 projiziert werden. Die Schülerinnen und Schüler können Vermutungen anstellen, warum es diese Unterschiede gibt und wer dafür verantwortlich ist. Die Erarbeitungsphase erfolgt als Klausurvorbereitung in Einzelarbeit, sodass die Möglichkeit besteht, sich konzentriert mit einem längeren theoretischen Einzeltext zum Aufgabenfeld „Emojis“ auseinanderzuset- zen. Die Sicherung kann als klassischer Tafelanschrieb in Stichpunkten erfolgen. Ein Transfer erfolgt in der sich anschließenden Diskussion in der Gesamtgruppe.

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