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Hör en Sie die B ots chaf t …

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Academic year: 2022

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ören Sie die Botschaft bitte bis zum Ende an!», tönt es vom Telefonbeantworter. Ich lege sofort auf. Erstens bräuchte ich den Kollegen H.

jetzt sofort, um 10.27 Uhr, am heutigen Dienstag. Er ist in diesem Moment aber nicht erreichbar. Das geht daraus hervor, dass der Beantworter läuft. Und das ist die einzige Botschaft, die zurzeit für mich rele- vant ist. Das akute Problem werde ich nun ohne die fernmündliche Hilfe von H. lösen müssen. Zweitens habe ich es nicht gerne, wenn man mir sagt, was ich tun soll, wenn man nicht die Situation kennt, in der ich bin. Nämlich bei einer fürsorglichen Freiheitsent- ziehung. Der Patient X des Kollegen H. wurde von der Polizei «fixiert» in meine Praxis gebracht, weil die ja so zentral liegt. Ich schreibe «akuter Erre- gungszustand, Selbst- und Fremdgefährdung» aufs Formular, die Rettungssanitäter starten samt Patient in die psychiatrische Klinik. Die dort sollen sich dann um die Hintergrundinfo kümmern. Nach Feierabend rufe ich nochmals Kollege H. an, um ihn kurz über den Raptus und Verbleib seines Patienten zu infor- mieren. Wieder läuft der Telefonbeantworter. Dies- mal höre ich mir die Botschaft bis zum Ende an. Kol- lege H. teilt mit, dass «wir» – vermutlich er und seine drei MPA – zurzeit nicht den Anruf entgegen neh- men können. Nun, das habe ich vermutet. Er dankt für mein Verständnis. Das habe ich. Aber woher weiss er das? Und haben das auch seine Patienten, die voller Panik in Notlagen anrufen? Meine Patien- ten reagieren immer völlig verständnislos, wenn ich mal einen Sonntag frei haben, eine Nacht durch- schlafen oder in die Ferien fahren will. Und dafür danke ich ihnen nicht … Vermutlich sollte Kollege H.

lieber um Verständnis bitten, anstatt es vorauszuset- zen. Ich erfahre die Praxisöffnungszeiten von Kollege H. und bin beeindruckt, wie viel er und sein Team arbeiten. Das erklärt, warum sie ab und zu die Kom- munikation an den Telefonbeantworter delegieren – die müssen mal Pause machen! Aber oha lätz – der Beantworter lief heute Morgen zur offiziellen Praxis- öffnungszeit. Wenn Kollege H. die Praxis als geöffnet erklärt, erwarte ich, dass er meine Botschaft hört und darauf reagiert. Oder er soll begründen, warum er es nicht tut und wann ich ihn erreichen kann. So, wie es die MPA-losen Psychiater tun oder die chirur- gisch tätigen Kollegen, die ihre MPA zum Haken-

halten einsetzen. Verständnisvoll nickt man in den Hörer hinein, wenn ein Alt oder ein Bariton erklärt, dass sie/er in einer Sitzung mit dem Patienten/bei einem Eingriff ist und stellt sich schluchzende De- pressive/blutiges Fleisch vor. Was mögen Kollege H.

und seine MPA wohl heute Morgen gemacht haben, als sie nicht das Telefon abnahmen? Habe ich noch immer Verständnis dafür? Unverständlich ist mir, warum er Kollege S. als seinen Stellvertreter angibt, diesen arroganten Dummkopf. Doch mein Freund L., Kardiologe in einer Universitätsstadt mit Ärzte- schwemme, erklärt mir die Weisheit dahinter: «Lass dich immer von unsympathischen Nichtskönnern vertreten, dann sehen deine Patienten den Kontrast, sind dir noch dankbarer und wandern nicht ab.»

«Aber sie werden dann nicht so gut betreut wie von einem guten Stellvertreter …», wende ich ein. «Das ist sekundär», wehrt er ab, «und die meisten Patienten sind zäh, die sterben nicht gleich.» Ausserdem gibt Kollege H. die Telefonnummern der Notfallzentrale und des Spitals an. Über deren Kompetenz und Er- reichbarkeit könnte man auch diskutieren. Aber das ist nicht erwünscht, denn es läuft kein Band, auf das man sprechen könnte. Eine ziemlich einseitige Kom- munikation, lieber H.! Du hast nur ein «Alibiphon», einen automatischen Auskunftgeber, der den Arzt entlastet, wenn dieser anderswo ist, anstatt mit seinem Patienten zu sprechen. Ganz anders macht es der Kinderarzt L., der seine kleinen Patienten auf- fordert, auf das Band zu sprechen. Allerdings zeit- aufwendig, all die ernsten Probleme und die Jux- anrufe seiner Teeniepatienten abzuhören. Ich habe vor allem anonyme Schweiger in meiner Patienten- schaft, sowie einige cholerisch fluchende Hörer-Hin- knaller. Und ein paar Umständlich-Überforderte, die die Umstehenden bei sich zu hause beauftragen, ihnen Papier und Bleistift zu reichen, damit sie sich die Infos notieren können. Oder die aufs Band mur- meln, dass es komisch sei, dass der Doktor nicht antwortet, wo er doch gerade gesprochen habe. Tja, nicht jede Message kommt an, und nicht jede Bot- schaft wird bis zum Ende angehört oder gar verstan- den – auch wenn wir drum bitten. Mein Telefon - beantworter ist da ganz meiner Meinung.

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ARS MEDICI 11 2009

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