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The Future of Europe : Reform or Decline

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Academic year: 2022

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EUROPÄISCHE UNION

Alberto Alesina, Francesco Giavazzi:The Future of Europe: Reform or Decline. Cambridge MA: MIT Press 2006, 172 S., $ 24,95.

Marius R. Busemeyer

Der Titel des Bandes vonAlesinaundGiavazzi suggeriert schon vor dem Lesen, dass es sich bei

„The Future of Europe: Reform or Decline“

um ein provozierendes Buch handelt. Sein An- spruch ist es, aus der Perspektive zweier renom- mierter Wirtschaftswissenschaftler mit berufli- chen und privaten Erfahrungen auf beiden Sei- ten des Atlantiks eine kritische Einschätzung des gegenwärtigen Entwicklungspfades der Länder Westeuropas zu geben. Dabei wird auf Erkenntnisse und Forschungsergebnisse akade- mischer Debatten zurückgegriffen und der Versuch unternommen, diese in die allgemeine politische Debatte einfließen zu lassen. Inso- fern muss der Autor einer Rezension dieses Werkes immer zwei Dimensionen im Blick ha- ben: Zum einen geht es um die Beurteilung der

„Übersetzungsleistung“, zum anderen aber auch um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den zentralen Thesen des Buches.

In Bezug auf die erste Dimension – die

„Übersetzung“ der akademischen Debatte in den politischen Diskurs – muss man Alesina und Giavazzi loben. Das Buch ist sehr klar ge- schrieben, verwendet oft anschauliche Beispiele und hat eine klare Aussage: Europa muss sich reformieren und sich dabei im Prinzip am US- amerikanischen Vorbild orientieren, sonst wird es im Zuge des sich verschärfenden globalen Wettbewerbs zwangsläufig zurückbleiben. Da- bei handelt es sich nach Alesina und Giavazzi nicht unbedingt um einen steilen Abstieg in Armut, sondern vor allem um einen relativen Niedergang. Der Lebensstandard werde weiter- hin gut bleiben, nur mit der Einschränkung, dass der Lebensstandard in anderen Ländern noch viel besser sein werde (5).

Im Verlauf des Buches setzen sich die Auto- ren in mehr oder weniger systematischer Weise mit verschiedenen Aspekten des Arguments auseinander. Zunächst zeigen sie, dass die USA und Europa verschiedene Wohlfahrtsmodelle verfolgen (Kapitel 1). Als wesentliche Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungspfade wird zum Einen die in Europa, aber nicht in den USA bestehende Tradition des „Marxis- mus“ genannt (23), die ein Denken in Klassen- kategorien und wohlfahrtstaatliche Politik be- günstigt habe. Hinzu komme zum Anderen ein hoher Grad an ethnischer Heterogenität in den USA, der dort die Entstehung eines ausgebau- ten Wohlfahrtsstaates erschwert, in ethnisch homogenen europäischen Ländern aber be- günstigt habe (Kapitel 2). Anhand einiger in- teressanter Daten zeigen die Autoren weiterhin, dass Europäer weniger arbeiten als US-Ameri- 393

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS)

URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-2-1cyxpl0839u7x3 Erschienen in: Politische Vierteljahresschrift ; 48 (2007), 2. - S. 393-395

https://dx.doi.org/10.1007/s11615-007-0068-8

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kaner, und meinen, dass dieser Faktor zu ei- nem großen Teil erklären könne, warum Euro- pa beim Wirtschaftswachstum hinter den USA zurückbleibt (Kapitel 3). Die Autoren zeigen auch, dass Europäer und US-Amerikaner mit dem jeweiligen Status quo recht zufrieden sind, aber: „What will become of Europeans who choose to work less and less, to retire early, to eschew work, thereby raising taxes that pay for an expensive welfare state, and to opt for politi- cians that discourage innovation and impede productivity? They will become poorer and poorer relative to harder working societies. As long as this is well understood ... Europe, enjoy your holidays!“ (56).

Im Anschluss diskutieren die Autoren ver- schiedene Aspekte europäischer Politik, die sie für problematisch halten, wie zum Beispiel die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in vielen euro- päischen Ländern (Kapitel 4), der Zustand eu- ropäischer Universitäten (Kapitel 5), die Förde- rung von „national champions“ durch staatli- che Subventionen (Kapitel 6), Interessengrup- pen und Lobbying (Kapitel 7), das Justizsystem (Kapitel 8), Finanzmärkte (Kapitel 9), die Ent- wicklung der Europäischen Union (Kapitel 10), den Euro (Kapitel 12) sowie die Haus- haltspolitik (Kapitel 13). Die Vielzahl und Breite der abgedeckten Themen ist beeindru- ckend, führt aber zwangsläufig zu einer oftmals oberflächlich bleibenden Abhandlung der ein- zelnen Bereiche.

Als Stärke des Buches kann sicherlich gel- ten, dass Alesina und Giavazzi mit ihrer lang- jährigen Erfahrung als Akademiker und Poli- tikberater auf beiden Seiten des Atlantiks eine potentiell ausgewogene und umfassende Per- spektive bieten können. Inhaltlich überzeugt vor allem die kritische Diskussion der Entwick- lung der europäischen Universitätslandschaft.

Hier argumentieren die Autoren, dass weniger die mangelnde Ausstattung der Universitäten mit öffentlichen Mitteln das entscheidende Problem sei als vielmehr ausbleibende Struk- turreformen (77). Sie gehen allerdings nicht auf die neueste, durch den Bologna-Prozess ausgelöste Reformbewegung ein. Die Autoren kritisieren weiterhin das Insider-Outsider-Pro- blem, das vor allem auf den regulierten Arbeits- märkten Europas auftreten kann, mit negativen Folgeerscheinungen für die Beschäftigungsper- spektiven von Gruppen wie Jüngeren, Älteren oder Frauen, die von einem stratifizierten Ar-

beitsmarkt besonders benachteiligt werden (Kapitel 4). Auch ist die Kritik an der Subven- tionspolitik für „national champions“, die ten- denziell unproduktive Unternehmen fördert und „kreative Zerstörung“ à la Schumpeter er- schwert, nicht ganz unberechtigt (Kapitel 6).

Die größte Schwäche des Buches ist seine Einseitigkeit und Oberflächlichkeit. Wenn- gleich im Hinblick auf die Lösung des „Über- setzungsproblems“ eine Zuspitzung der Argu- mentation und die selektive Wiedergabe von akademischen Debatten zulässig sind, wäre ei- ne tiefgründigere Auseinandersetzung mit den Themen angesichts des mit 172 Seiten sowieso recht kurz ausgefallenen Werkes möglich gewe- sen. Die Einseitigkeit des Buchs fällt in mehrer Hinsicht auf: Erstens werden akademische De- batten nur sehr ausschnittsartig wiedergegeben.

Manchmal bekommt der Leser den Eindruck, als werde ein Thema nur deshalb relevant, weil sich einer der Autoren (oder Kollegen) in Form eines akademischen Papiers damit bereits aus- einandergesetzt hat. Dadurch wird dem mit den akademischen Debatten weniger vertrau- ten Leser die Unterscheidung zwischen wissen- schaftlicher Erkenntnis und normativem bzw.

subjektivem Argument erschwert, so dass wis- senschaftlich Umstrittenes leicht als unumstöß- liche Wahrheit präsentiert werden kann. Die zentralen Aussagen und Empfehlungen des Werkes reflektieren nicht den Forschungsfort- schritt, den die um den Institutionalismus an- gereicherte vergleichende politische Ökonomie in den letzten fünfzehn Jahren in der Debatte um die Diversität kapitalistischer Wirtschafts- systeme gemacht hat, sondern lesen sich wie Beiträge aus den Hoch-Zeiten des Neoliberalis- mus und Thatcherismus der 1980er Jahre. Die- se Einseitigkeit fällt letztlich auf Alesina und Giavazzi zurück. Deren Argumentation hätte mehr Glaubwürdigkeit erfahren können, wenn sie der Debatte um die „Varieties of Capital- ism“ deutlicher entgegengetreten wären.

Zweitens konzentrieren sich Alesina und Giavazzi auf die Schwächen Europas. Sie ver- gleichen nicht die Schwächen Europas mit de- nen der USA (obwohl sie eingestehen, dass zu hohe soziale Ungleichheit negative Folgeer- scheinungen produzieren kann, und der euro- päische Wohlfahrtsstaat in dieser Hinsicht Vor- teile hat). Sie wägen auch nicht die Stärken und Schwächen Europas gegeneinander ab. Die anekdotische Evidenz, die präsentiert wird, 394

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stammt hauptsächlich aus Italien und Frank- reich. Beträchtliche Unterschiede in der Re- formfähigkeit europäischer Staaten werden ver- nachlässigt und ausgeblendet; es finden sich nur gelegentliche Hinweise, dass die skandina- vischen Staaten in vielen Bereichen etwas bes- ser dastehen. Vor dem biographischen Hinter- grund der Autoren ist es verständlich, dass Ita- lien eine große Rolle spielt und sich hier viel von dem „Reformfrust“ entlädt. Jedem, der sich mit der Reformfähigkeit europäischer Staaten auseinandergesetzt hat, dürfte aber klar sein, dass Italien ein besonders reformunfreudi- ger Staat ist und nicht als repräsentativ für Eu- ropa gelten kann.

An einigen Stellen, so muss leider festgehal- ten werden, ist die Argumentation so ober- flächlich und ökonomistisch, dass sie ins Abs- truse abdriftet. So wird beispielsweise argumen- tiert, dass hohe Militärausgaben wesentlich zur höheren Innovationsfähigkeit US-amerikani- scher Universitäten beigetragen hätten (77 f.), während europäische Universitäten generell zu wenig private Mittel eintreiben könnten und öffentliche Forschungsförderung im Allgemei- nen ineffizient sei (dies gilt offensichtlich nicht für militärische Forschung). Ein zweites Bei- spiel ist die Argumentation, dass Stadtplanung in Europa die Errichtung von außerstädtischen Einkaufszentren ermögliche, dabei vorgebe, die

„Schönheit“ europäischer Städte zu schützen, in Wirklichkeit aber die Insider-Interessen von kleinen Einzelhändlern auf Kosten der Ver- braucher begünstige (80 f.).

Gänzlich unberücksichtigt bleibt die Meta- Frage nach der Sinnhaftigkeit wirtschaftlichen Wachstums. Alesina und Giavazzi wollen Euro- pa dazu bringen, wieder so zu wachsen wie die USA. Man könnte auch anders herum argu- mentieren und fragen, warum die USA sich nicht stärker an dem nachhaltigeren Lebensstil der Europäer orientieren sollten. Die Stärken Europas in Bezug auf Ansätze einer effektiven Klimapolitik sowie einer Stadt- und Infrastruk- turplanung, die langfristig die Abhängigkeit vom Auto verringert, werden somit gar nicht gesehen. Eine intensive und ernste Auseinan- dersetzung mit diesen eher auf einer funda- mentalen Ebene ansetzenden Punkten hätte das Argument des Buches glaubwürdiger erschei- nen lassen können.

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