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Alexander Gall

„Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!"

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Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976

I. Einleitung

1. Transportkrise, deutsche Teilung und Massenmotorisierung Am Ende des Zweiten Weltkriegs war das Transportsystem in Deutschland voll- ständig zusammengebrochen. Seit Sommer 1944 hatten die alliierten Bomberge- schwader schwerpunktmäßig Versorgungs- und Nachschubwege angegriffen.

Dieses Zerstörungswerk setzten die deutschen Truppen während ihres Rückzugs durch die Sprengung zahlreicher Brücken fort. Am härtesten war die Reichsbahn betroffen, die vor dem Krieg rund zwei Drittel aller Güter transportiert hatte. In der britischen und der amerikanischen Besatzungszone waren 5,7 Prozent (3521 km) der Gleise und 8,3 Prozent (13018) der Weichen zerstört sowie 12,4 Prozent (2472) der Eisenbahnbrücken unpassierbar. Dies reichte aus, um sämtliche Haupt- und die meisten Nebenstrecken zu unterbrechen. Außerdem blockierten zahllose ausgebrannte oder entgleiste Lokomotiven und Waggons die Schienen2.

Dennoch gelang es erstaunlich schnell, den Betrieb wieder aufzunehmen. N o c h während der Kampfhandlungen hatten alliierte Spezialeinheiten damit begonnen, die wichtigsten Strecken behelfsmäßig auszubessern, so daß in kürzester Zeit Militärzüge verkehren konnten. Nachdem die Besatzungsbehörden im Mai 1945 die ersten Genehmigungen für den zivilen Personen- und Güterverkehr erteilt hatten, starteten die einzelnen Eisenbahndirektionen einen notdürftigen Betrieb mit den gerade vorhandenen Fahrzeugen. Wegen der schlechten Gleislage und des

1 „ N o c h m a l s : , G u t e S t r a ß e n bis ins kleinste D o r f ! ' " . D i e L a n d k r e i s e z u r V e r a n t w o r t u n g d e s B u n d e s f ü r d e n Bau eines e i n h e i t l i c h e n S t r a ß e n n e t z e s , in: D i e S e l b s t v e r w a l t u n g 12 (1958), S. 109. D e r v o r l i e g e n d e A u f s a t z e n t s t a n d im R a h m e n einer D i s s e r t a t i o n z u m gleichen T h e m a , d i e d u r c h ein S t i p e n d i u m d e r A l f r i e d K r u p p v o n B o h l e n u n d H a l b a c h - S t i f t u n g g e f ö r d e r t w i r d . F ü r K o r r e k t u r e n , A n r e g u n g e n u n d a n d e r e H i l f e n b e d a n k e ich m i c h n e b e n d e n H e r a u s g e b e r n h e r z l i c h bei P r o f . D r . H e l m u t h Trischler, J o h a n n e s A b e l e , M i c h a e l H a s c h e r , J ü r g e n Lieske, T h o m a s W i e l a n d , Stefan Z e i l i n g e r u n d T h o m a s Zeller.

2 Vgl. A l f r e d C . M i e r z e j e w s k i , T h e C o l l a p s e of G e r m a n War E c o n o m y 1 9 4 4 - 1 9 4 5 . Allied A i r P o w e r a n d t h e G e r m a n N a t i o n a l Railway, C h a p e l H i l l / L o n d o n 1988; F r i e d h e l m G o l ü c k e , D e r Z u s a m - m e n b r u c h D e u t s c h l a n d s - eine T r a n s p o r t f r a g e ? D e r A l t e n b e k e n e r E i s e n b a h n v i a d u k t im B o m b e n - k r i e g 1944/45, S c h e r n f e l d 1993; W e r n e r A b e l s h a u s e r , W i r t s c h a f t in W e s t d e u t s c h l a n d 1 9 4 5 - 1 9 4 8 . R e k o n s t r u k t i o n u n d W a c h s t u m s b e d i n g u n g e n in d e r a m e r i k a n i s c h e n u n d b r i t i s c h e n Z o n e , S t u t t g a r t 1975, S. 151 ff.; einen G e s a m t ü b e r b l i c k ü b e r die K r i e g s z e r s t ö r u n g e n gibt R a i n e r K a r i s c h , K r i e g s - z e r s t ö r u n g u n d R e p a r a t i o n s l a s t e n , in: H a n s - E r i c h V o l k m a n n ( H r s g . ) , E n d e d e s D r i t t e n R e i c h e s - E n d e d e s Z w e i t e n W e l t k r i e g s , M ü n c h e n / Z ü r i c h 1995, S. 5 2 5 - 5 5 6 , hier S. 5 2 5 - 5 2 9 .

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Ausfalls der Fernmelde- und Signalanlagen mußten die Züge zwar zunächst mit geringer Geschwindigkeit „auf Sicht" fahren. Doch nach der Einrichtung zentra- ler Betriebsleitungen für die amerikanische und die britische Zone im Sommer 1945 konnte der bis dahin vorherrschende „Inselbetrieb" allmählich überwunden werden3.

Das provisorisch instand gesetzte Netz erlaubte es der Reichsbahn anfangs, die vergleichsweise mäßige Güterproduktion der anlaufenden Wirtschaft zu bewälti- gen. Wie gering die Leistungsfähigkeit dieses Netzes jedoch war, zeigte sich, als im Dezember 1946 ein schwerer Kälteeinbruch die gesamte Binnenschiffahrt lahm- legte, die zuvor rund ein Viertel des Güteraufkommens befördert hatte. Aus dieser Situation entwickelte sich im Verlauf des Winters eine regelrechte „Transport- krise". Die Zahl der Entgleisungen und Schienenbrüche stieg rapide an, während zahlreiche Behelfsbrücken und verschlissene Gleisabschnitte zur Fahrt mit stark gedrosselter Geschwindigkeit zwangen. Diese Probleme resultierten jedoch nicht allein aus dem improvisierten Wiederaufbau, Wartungs- und Erneuerungsarbeiten waren vielmehr schon seit Kriegsbeginn chronisch vernachlässigt worden. Dane- ben dezimierten permanente Uberbeanspruchung, scharfer Frost und die minder- wertige Qualität der Dienstkohle den Bestand an einsatzfähigen Lokomotiven.

Trotz wachsender Haldenbestände im Ruhrgebiet konnte die Reichsbahn die In- dustrie deshalb nur noch unzureichend mit Kohle und Zwischenprodukten belie- fern. Der eben erst in Gang gekommene wirtschaftliche Aufschwung nahm schweren Schaden. Als unmittelbare Reaktion darauf erließen Alliierte und deut- sche Verkehrsverwaltung Versandsperren, Prioritätslisten und Einschränkungen beim Personenverkehr; langfristig konzentrierten sie die Ressourcen auf die Aus- besserung und Neubeschaffung von Lokomotiven und Güterwaggons. Die Trans- portkapazitäten konnten auf diese Weise derart ausgeweitet werden, daß die Wirt- schaftsentwicklung im darauffolgenden Winter nicht mehr wesentlich beeinträch- tigt wurde4.

Im Personenverkehr sah die Situation kaum weniger dramatisch aus. Alliierte Reiseverbote konnten zurückkehrende Soldaten, freigelassene Kriegsgefangene, ehemalige Zwangsarbeiter, Flüchtlinge und Vertriebene nicht daran hindern, sich auf die Suche nach Familienangehörigen, einstigem Wohnort oder künftiger Bleibe zu begeben. Zunächst wurden dazu Leerwagen und Kohlenzüge genutzt.

Sobald erste Reisezüge verkehrten, waren sie hoffnungslos überfüllt; die Reisen- den standen festgeklammert auf Trittbrettern, saßen auf den Dächern oder den Puffern der einzelnen Waggons. Die Überbesetzung der Züge, einschneidende Geschwindigkeitsbegrenzungen auf vielen Streckenabschnitten und lange Auf- enthaltszeiten in den Bahnhöfen erhöhten die Reisedauer enorm. Trotz äußerster Beschränkungen nahmen im Nahverkehr die Zahl und die Entfernung der Fahr- ten zu. Die Zerstörung der Städte zwang zum Wohnen auf dem Land und damit zu langen Wegen an den Arbeitsplatz, die schlechte Ernährungslage zu den schon fast sprichwörtlichen „Hamsterfahrten". Auch die Bewirtschaftung fast aller Gü-

3 Vgl. Sechs Jahre Wiederaufbau bei der Deutschen Bundesbahn, hrsg. von der Deutschen Bundes- bahn, Köln 1951.

Ι Vgl. ebenda, S. 13 und S. 69-73; Abelshauser, Wirtschaft in Westdeutschland, S. 153-156.

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Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 121 ter, das defekte Telefonnetz und der unsichere Postdienst machten in den ersten Nachkriegsjahren verschiedenste Reisen notwendig, die unter normalen Umstän- den unterblieben wären5. Die Situation im Personenverkehr änderte sich erst mit der Währungsreform im Juni 1948. Mit der wiedergewonnen Kaufkraft des Gel- des gingen nicht nur die „Hamsterfahrten" merklich zurück, auch die Fahrpreise hielten potentielle Fahrgäste wieder von einer Reise ab6.

Auch die Infrastruktur des Straßenverkehrs war vom Krieg nicht verschont ge- blieben, und ebenso wie beim Schienennetz wog die Zerstörung der Brücken am schwersten. In Bayern wies das Netz der klassifizierten Straßen einen Verlust von über 1000 Straßenbrücken auf, deren Wiederaufbau sich bis weit in die fünfziger Jahre hinzog7. Die Fahrbahnschäden fielen demgegenüber weit weniger ins Ge- wicht, da sie sich fürs erste meist durch einfache Reparaturen provisorisch behe- ben ließen und nicht in dem Maße wie Gleisschäden den Verkehr blockieren konnten. Das Straßenbild wurde, von den Fahrzeugen der Besatzungsmächte ein- mal abgesehen, ohnehin weitgehend von Fußgängern und Radfahrern bestimmt.

Gegenüber 1939 hatte sich der Bestand an Pkw in Bayern durch Zerstörung, Ver- schleiß oder Konfiszierung um über 70 Prozent auf 39 000 Fahrzeuge im Jahr 1947 reduziert. Vergleichbares galt für den Bestand an Motorrädern8. Bei den Last- kraftwagen konnte sich der Bestand mit 35000 dagegen in etwa auf dem Vor- kriegsniveau halten9. Die Krise im Winter 1946/47 hätte ohne diese Kapazitäten, die durch den massiven Einsatz von Armee-Fahrzeugen erweitert worden waren, zweifellos einen noch weit dramatischeren Verlauf genommen.

Als die unzureichenden Transportkapazitäten in der unmittelbaren Nach- kriegszeit zum entscheidenden Engpaßfaktor der wirtschaftlichen Rekonstruk- tion wurden, zeigte sich die grundlegende Bedeutung eines leistungsfähigen Ver- kehrssystems. Sieht man einmal von der SBZ ab, in der umfangreiche sowjetische Demontagen und Reparationsforderungen den Wiederaufbau des Transport- systems mit durchaus weitreichenden Folgen für die Wirtschaftskraft der D D R

5 Vgl. U w e Burghardt, Verkehr, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), D i e Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2: Wirtschaft, Frankfurt am Main 1989, S. 2 4 8 - 2 9 3 , hier S. 2 4 9 - 2 5 6 ; E.W. Huber, Entwicklung des zivilen Personenverkehrs nach der Kapitulation, in: D i e Reichsbahn 22 (1948), S. 4 1 - 4 6 ; Ministerialdirigent Schubert, D e r Reisezugdienst der beiden letzten Jahre, in: Die Reichs- bahn 22 (1948), S. 8 6 - 9 6 ; Burghard Ciesla, Auf Schienenwegen nach Hause. Deutsche Reichsbahn, Eisenbahner und Heimkehrertransporte, in: Annette Kaminsky (Hrsg.), Heimkehr 1948, München 1998, S. 5 5 - 6 9 .

'' Vgl. Huber, Entwicklung des zivilen Personenverkehrs; Schubert, Rcisezugdienst; Sechs Jahre Wie- deraufbau, S. 80; Anthony James Nicholls, Zusammenbruch und Wiederaufbau. D i e Reichsbahn während der Besatzungszeit, in: Lothar Gall/Manfred Pohl (Hrsg.), Die Eisenbahn in Deutschland.

Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 2 4 5 - 2 7 9 , hier S. 272.

7 Vgl. Ludwig Bruner (Hrsg.), Straßen- und Brückenbau in Bayern in Schrift und Bild. Ein Ü b e r - blick seiner Entwicklung seit dem Jahre 1945, München 1956, S. IV (1066 Brücken).

* Vgl. Christian Peters, Räumliche Mobilität vor dem „Automobilismus". Fortbewegung in Mann- heim 1 9 4 5 - 5 3 , in: Räder, Autos und Traktoren, hrsg. vom Landesmuseum für Technik und Arbeit, Mannheim 1986, S. 1 5 8 - 1 7 4 ; Axel Schildt, Vom Wohlstandsbarometer zum Belastungsfaktor - Autovision und Autoängste in der westdeutschen Presse von den 50er bis zu den 70er Jahren, in:

Hans-Liudger Dienel/Helmuth Trischler (Hrsg.), Geschichte der Zukunft des Verkehrs. Verkehrs- konzepte von der Frühen Neuzeit bis zum 21. Jahrhundert, Frankfurt am M a i n / N e w York 1997, S. 2 8 9 - 3 0 9 , hier S. 290f.

'' Zahlen auch zu Pkw und Krafträdern aus: D e r Kraftfahrzeugbestand in Bayern 1907 bis 1987, hrsg.

vom Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, München 1987, Tabelle I, S. 11 (Beiträge zur Statistik Bayerns 421).

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erschwerten10, verursachten die kriegsbedingten Schäden bei den einzelnen Ver- kehrsträgern zwar gravierende, aber vergleichsweise kurzfristig zu bewältigende Probleme. Im Falle Bayerns kamen jedoch langfristige und letztlich strukturelle Belastungen aus der politischen Teilung Deutschlands hinzu, da der „Eiserne Vor- hang" die wichtigen Verkehrs- und Handelsverbindungen zu den sächsischen Wirtschaftsgebieten durchtrennt hatte. Dieser Schaden war für Bayern nur durch die Ausweitung der Beziehungen zu den Zentren an Rhein und Ruhr zu kompen- sieren. Einem entsprechenden Ausbau der Verkehrswege schenkte die bayerische Politik daher größte Aufmerksamkeit. In besonderer Schärfe stellte sich diese Problematik im Zonenrandgebiet, bei dessen Förderung verkehrspolitischen Maßnahmen deshalb eine tragende Rolle zukam.

Eine Verbesserung der Verkehrserschließung stand jedoch nicht nur für das Zonenrandgebiet auf der politischen Tagesordnung, sondern betraf im Flächen- staat Bayern letztlich das gesamte Land außerhalb der Ballungsräume. Der Deut- sche Landkreistag brachte dies auf die prägnante Formel: „Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!" Als die Parlamentarier des Bundestags 1957 über die Finanzierung des Straßenbaus diskutierten, sollte sie diese Forderung daran erinnern, die länd- lichen Gebiete beim Ausbau der Verkehrswege nicht zu vernachlässigen. Denn auch die Bürger, die abseits großer Verkehrsadern wohnten, hätten darauf ein Recht. Engpässe seien nicht nur die Ortsdurchfahrten, sondern auch die Land- straßen; sie verdienten die gleiche Aufmerksamkeit wie Autobahnen und Bundes- fernstraßen. Selbst wenn diese noch so großzügig ausgebaut würden, blieben sie ohne gute Kreisstraßen Stückwerk11. Diese Forderungen waren nicht aus der Luft gegriffen, denn die Straßen auf dem Land waren zu dieser Zeit noch häufig un- geteert; bei Regen und Schnee war das Fortkommen schwierig, bei Trockenheit zogen Autos und sonstige Fuhrwerke riesige Staubwolken hinter sich her. Erst durch die Anbindung auch des „kleinsten Dorfes" an das regionale und über- regionale Verkehrsnetz wurden entscheidende Voraussetzungen geschaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung strukturschwacher Gebiete zu fördern, die Le- bensverhältnisse auf dem Land zu modernisieren und denen der Stadt anzu- gleichen.

Die Mitte der fünfziger Jahre einsetzende Motorisierungswelle verschärfte diese Probleme und löste im gesamten Verkehrssektor starke Veränderungen aus:

Der Güterverkehr verlagerte sich zunehmend von der Schiene auf die Straße, und die Bahn geriet immer tiefer in eine finanzielle und strukturelle Krise. Der private Pkw entwickelte sich zu einem Massengut und Alltagsgegenstand. Nicht zu Un- recht schrieben deshalb bereits die Zeitgenossen der Massenmotorisierung revolu-

10 Vgl. Burghard Ciesla/Helmuth Trischler, Die andere „Verkehrsnot". Verkehrspolitik und Lei- stungsentwicklung des ostdeutschen Verkehrssystems, in: Lothar Baar/Dietmar Petzina (Hrsg.), Deutsch-Deutsche Wirtschaft 1945 bis 1990. Strukturveränderungen, Innovationen und regiona- ler Wandel. Ein Vergleich, St. Katharinen 1999, S. 153-192; Christopher Kopper, Ausgeplündert, in Ruinen ... Der Wiederaufbau der Deutschen Reichsbahn von 1945 bis 1963, in: Z U G 42 (1997), S. 163-184.

11 57. Präsidialsitzung [des Deutschen Landkreistages] am 19.2. 1957 in Würzburg, in: Die Selbst- verwaltung 11 (1957), S. 99; vgl. auch „Nochmals: ,Gute Straßen bis ins kleinste D o r f ! ' " . Die Landkreise zur Verantwortung des Bundes für den Bau eines einheitlichen Straßennetzes, in: Die Selbstverwaltung 12 (1958), S. 109.

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Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 123 tionären Charakter zu, ihre Dynamik übertraf dennoch regelmäßig sämtliche Pro-

gnosen12. Für die meisten Verkehrspolitiker stand es daher außer Frage, daß bei investitionspolitischen Entscheidungen zunächst der Ausbau der Hauptverbin- dungswege und die Beseitigung der schlimmsten Engpässe in den Ballungsgebie- ten („Bedarfsprinzip") Vorrang vor der Erschließung strukturschwacher Räume durch ein hochwertiges Verkehrsnetz („Erschließungsprinzip") haben müsse. Es zeigte sich aber, daß hier jede Kapazitätssteigerung binnen kurzem erneut vom Verkehrswachstum eingeholt wurde. Das verhältnismäßig lose gekoppelte techni- sche System „Straßenverkehr" hatte eine starke Eigendynamik entwickelt, die sich marktwirtschaftlichen Restriktionen und politischen Steuerungsversuchen weit- gehend entzog13. Die Forderungen nach weiteren Verbesserungen der Verkehrs- systeme in den Ballungsgebieten rissen deshalb trotz erheblicher Investitionen nie ab. Zugleich blieb damit die Entscheidung, welche Priorität die Erschließung strukturschwacher Räume in der Verkehrspolitik genießen sollte, politisch um- stritten.

2. Fragestellung, Forschungsstand und Quellenlage

Unter welchen Voraussetzungen, mit welchen Mitteln und mit welchem Nach- druck das „Erschließungsprinzip" verfochten wurde, ist eine der zentralen Fragen dieses Beitrags. Im einzelnen werden zunächst kurz die verfassungs- und ver- waltungsrechtlichen Handlungsspielräume aufgezeigt, die Bayern im föderativen System der Bundesrepublik für seine Verkehrspolitik besaß. Auf eine Skizze der Problemlagen, Defizite und Disparitäten im bayerischen Verkehrssektor zu Beginn der fünfziger Jahre folgt die Darstellung der Konzepte, mit denen Staatsregierung und Parteien sowie Raumordnung und Landesplanung auf die wahrgenommenen Mängel reagierten. Schließlich werden die wichtigsten verkehrspolitischen Ent- wicklungen anhand der einzelnen Verkehrsträger - Schiene, Straße und Wasserweg - beispielhaft nachgezeichnet; lediglich der Luft- und der Rohrleitungsverkehr14 bleibt unberücksichtigt. Die negativen Folgen für Natur und Umwelt, die der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nach sich zog, stehen nicht im Mittelpunkt der Untersuchung, finden aber Beachtung in den Abschnitten über den Rhein-Main- Donau-Kanal, dessen Bau zeitweise auf heftigen Widerstand stieß, und - am Beispiel der Auseinandersetzung um die Alleebäume - über den Straßenbau15.

12 Vgl. T h o m a s Südbeck, Motorisierung, Verkehrsentwicklung und Verkehrspolitik in der Bundes- republik Deutschland der 1950er Jahre. Umrisse der allgemeinen Entwicklung und zwei Beispiele:

H a m b u r g und das Emsland, Stuttgart 1994, S. 29; Wolfgang Ruppert, Das Auto. „Herrschaft über Raum und Zeit", in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, Frankfurt am Main 1993, S. 1 1 9 - 1 6 2 ; zur Prognostik Ulrich Schühle, Verkehrspro- gnosen im prospektiven Test. Grundlagen und Ergebnisse einer Untersuchung der Genauigkeit von Langfristprognosen verkehrswirtschaftlicher Leitvariablen, Berlin 1986.

, J Vgl. Wolfgang G . Heinze, Verkehr schafft Verkehr: Ansätze zu einer Theorie des Verkehrswachs- tums als Selbstinduktion, in: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung 23 (1979) H . 4/5, S. 9 - 3 2 ; J o a c h i m Radkau, Z u m ewigen Wachstum verdammt? Jugend und Alter großer technischer Systeme, in: Ingo Braun/ Bernward Joerges (Hrsg.), Technik ohne Grenzen, Frankfurt am Main 1994, S. 5 0 - 1 0 6 .

14 Zu den Pipelines vgl. den Aufsatz von Stephan Deutinger (S. 6 6 - 7 0 und S. 82) im vorliegenden Sammelband.

15 Das T h e m a wurde auf Anregung der Herausgeber nachträglich in den Aufsatz aufgenommen.

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Der Aufsatz kann zu sämtlichen angeschnittenen Themen und Fragen nur ei- nen ersten Uberblick liefern, da das Verkehrssystem der Bundesrepublik erst in den letzten Jahren größeres Interesse in der Geschichtswissenschaft gefunden hat.

Hier sind vor allem die Arbeiten von Dietmar Klenke zu erwähnen. Mit seiner 1993 veröffentlichten Habilitationsschrift hat er eine bemerkenswerte Studie zur Verkehrspolitik in den fünfziger Jahren vorgelegt, in der er vor allem die parla- mentarischen Prozesse und die Positionen der beteiligten Akteure auf Bundes- ebene analysiert hat; diese Untersuchung wird ergänzt durch seine hilfreiche Überblicksdarstellung zur „Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik 1949-1994"1 6. Thomas Südbecks 1994 erschienene Dissertation zur „Motorisie- rung, Verkehrsentwicklung und Verkehrspolitik" zeichnet sich demgegenüber eher durch ihren Reichtum an Fakten und Daten aus17. Da sich diese Arbeiten auf die Entwicklungen im Straßenverkehr konzentrieren, bestanden bis vor kurzem noch erhebliche Forschungslücken zur Geschichte der Bundesbahn. Mit der Stu- die von Günther Schulz über „Die Deutsche Bundesbahn 1949-1989" in dem jüngst erschienenen Band zur „Eisenbahn in Deutschland" liegt nun auch dazu eine wichtige Uberblicksdarstellung vor1 8. Nur für die Binnenschiffahrt steht ein entsprechendes Werk noch aus. Gleiches gilt für die Verkehrspolitik auf Länder- ebene, die bis auf den umfangreichen Aufsatz von Rainer Plappert über Rhein- land-Pfalz noch weitgehend unerforscht geblieben ist19. Inzwischen vorliegende wichtige Studien zum Stadtverkehr, zum öffentlichen Personennahverkehr und zum Verkehrssystem der D D R können für die Fragestellungen des vorliegenden Aufsatzes nur in Einzelaspekten weiterhelfen20.

Die Quellenlage ist ebenfalls schwierig. Ausgewertet wurden die Bestände der Staatskanzlei, der Landesplanungsabteilung des Wirtschaftsministeriums, der Vertretung Bayerns beim Bund, außerdem Unterlagen der CSU-Landesgruppe in

16 Vgl. Dietmar Klenke, Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Motorisierung. Konfliktträchtige Wei- chenstellungen in den Jahren des Wiederaufstiegs, Stuttgart 1993; Dietmar Klenke, „Freier Stau für freie Bürger". Die Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik 1949-1994, Darmstadt 1995.

17 Vgl. Südbeck, Motorisierung. Thomas Südbecks Aufsatz Regionalisierung und Zentralisierung:

Infrastruktur und Verkehrspolitik in den 50er Jahren, in: Bernd Weisbrod (Hrsg.), Von der Währungsreform zum Wirtschaftswunder. Wiederaufbau in Niedersachsen, Hannover 1998, S. 183-194, stellt zwar im wesentlichen eine Zusammenfassung von Ergebnissen seiner Disser- tation dar, die aber stärker in den Zusammenhang einer auf Erschließung zielenden Infrastruktur- politik eingebettet werden.

ι» Vgl. Günther Schulz, Die Deutsche Bundesbahn 1949-1989, in: Gall/Pohl (Hrsg.), Eisenbahn in Deutschland, S. 317-376.

19 Vgl. Rainer Plappert, Verkehr und Verkehrspolitik, in: Heinz-Günther Borck (Hrsg.), Beiträge zu 50 Jahren Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Koblenz 1997, S. 235-291. Die französische Dissertation von Bernard Poloni, La Politique des Transports en Baviere depuis 1945, These pour le Doctorat, Paris 1991, beschränkt sich in der Darstellung zu sehr auf äußere Entwicklungen und verkehrspolitische Konzepte, auch scheint ihre Quellengrundlage nicht ausreichend.

20 Vgl. Barbara Schmucki, Äutomobilisierung. Neue Forschungen zur Motorisierung, in: AfS 35 (1995), S. 582-597; Thomas Kühne, Massenmotorisierung und Verkehrspolitik im 20. Jahrhun- dert: Technikgeschichte als politische Sozial- und Kulturgeschichte, in: NPL 41 (1996), S. 196-229;

Hans-Liudger Dienel/Barbara Schmucki (Hrsg.), Mobilität für alle. Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs in der Stadt zwischen technischem Fortschritt und sozialer Pflicht, Stuttgart 1997; Barbara Schmucki, Der Traum vom Verkehrsfluß. Geschichte des städtischen Personenver- kehrs seit dem Zweiten Weltkrieg im deutsch-deutschen Vergleich unter besonderer Berücksichti- gung von München und Dresden, Diss., München 1998; Ciesla/Trischler, Verkehrsnot, in: Baar/

Petzina (Hrsg.), Deutsch-Deutsche Wirtschaft, S. 153-192.

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Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 125 Bonn, die vor allem zur Geschichte des Rhein-Main-Donau-Kanals wertvolle

Informationen enthalten. Eine bedeutende Quelle stellen ferner die stenographi- schen Berichte über die Sitzungen des bayerischen Landtags und vor allem die Protokolle der Landtagsausschüsse dar. Darüber hinaus existieren verkehrs- wissenschaftliche Studien, Zeitschriftenaufsätze, „graue Literatur" und offizielle Regierungsberichte, die für fast alle Teilaspekte dieses Beitrags von Interesse wa- ren. Hingegen konnten die Akten der Obersten Baubehörde wie der Bestand zur Verkehrspolitik aus dem Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Techno- logie nicht eingesehen werden; diese Bestände liegen noch in den Registraturen.

3. Politische Akteure und Verwaltungsauß>au im Verkehrswesen Nach der Kapitulation übernahmen die Alliierten mit den staatlichen Hoheits- rechten auch die Kompetenzen für das Verkehrswesen. Dessen Organisation und Verwaltung übertrugen die Amerikaner in ihrer Zone jedoch schon bald den wie- derhergestellten oder neu geschaffenen Ländern, behielten sich aber Aufsicht und Kontrolle vor. In Bayern wurde daher - ebenso wie in den meisten anderen Län- dern - eigens ein Verkehrsministerium geschaffen, dem seit Februar 1946 der CSU-Politiker Michael Helmerich und seit Januar 1947 dessen Parteifeund Otto Frommknecht vorstanden. Das Verkehrsministerium erhielt neben den Zustän- digkeiten, die die Verkehrsverwaltung Bayerns bereits besessen hatte, auch die Kompetenzen für die Reichsbahn sowie für die Reichsstraßen und Autobahnen, für die zuvor das Deutsche Reich verantwortlich gewesen war. Außerdem er- streckte sich der Aufgabenbereich des Ministeriums auf sämtliche Maßnahmen zur Bewirtschaftung des Verkehrssektors. Mit deren Abbau und der Rückverlage- rung von Kompetenzen auf die Bundesebene seit 1949 reduzierte sich das Arbeits- gebiet des Ministeriums allerdings rasch, so daß es im Jahr 1952 aufgelöst wurde;

die verbliebenen Aufgaben verteilte man auf das Innen-, Finanz- und vor allem das Wirtschaftsministerium21.

Der Trend, Kompetenzen im Verkehrswesen oberhalb der Länderebene zu konzentrieren, war indessen nicht neu. Schon im Juli 1945 hatten die amerikani- schen Besatzungsbehörden in Frankfurt eine Oberbetriebsleitung für die Reichs- bahn errichtet und mit deutschen Kräften besetzt. Während sie wie die britische Besatzungsmacht eine möglichst zentrale Struktur für die Reichsbahn favorisier- ten, kamen vor allem aus Bayern Gegenvorschläge, die anfangs sogar die Wieder- herstellung einer eigenen Staatsbahn einschlossen, wie sie vor 1919 existiert hatte.

Auch die Bezeichnung „Reichsbahn" war in Bayern nicht eben populär. Um ihre Mitspracherechte gegenüber der Oberbetriebsleitung wahrzunehmen und um länderübergreifende Vorhaben im Verkehrssektor zu koordinieren, richteten die Länder der amerikanischen Besatzungszone im Stuttgarter Länderrat zunächst einen Verkehrsausschuß mit Vertretern der einzelnen Verkehrsministerien ein;

auf amerikanischen Befehl hin wurde im Dezember 1945 außerdem ein deutsches Direktorium für Transportwesen in Frankfurt geschaffen. Mit der Bildung des

21 Vgl. Wilhelm Volkert (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799- 1980, München 1983, S. 240-244; Stenographische Berichte über die 62. Sitzung des bayerischen Landtags am 16. 3. 1948 und über die 98. Sitzung am 16. 7. 1952, S. 1139f. bzw. S. 2460-2478.

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Vereinigten Wirtschaftsgebiets machten die Länder ihre Interessen von Januar 1947 an dann über den „Verwaltungsrat für Verkehr" in Bielefeld und seit Ende des Jahres über die „Verwaltung für Verkehr" in Offenbach geltend22.

Seit 1949 beschränkte das Grundgesetz die Handlungsspielräume der Länder für eine eigenständige Verkehrspolitik. Während die Kompetenzen für die recht- liche Ordnung des Verkehrswesens (zum Beispiel für die Verkehrssicherheit) prinzipiell beim Bund lagen, um die Einheitlichkeit der Regelungen für das gesamte Staatsgebiet sicherzustellen, wurden die Aufgaben bei Neubau und In- standhaltung der einzelnen Verkehrswege auf Bund, Länder, Kreise und Gemein- den verteilt23.

Relativ gering war der Einfluß der Länder auf die Bundesbahn, für die dem Bund nach Artikel 73 des Grundgesetzes das ausschließliche Gesetzgebungsrecht zustand. Das 1951 verabschiedete Bundesbahngesetz unterstellte die Bahn dem- entsprechend der Bundesverwaltung und schrieb zugleich ihre autonome Sonder- stellung fest, die sich unter anderem in einem eigenen, von der allgemeinen Staats- verwaltung getrennten Verwaltungsunterbau manifestierte. Damit wurde nicht nur eine Kontinuität zum einheitlichen Reichsbahnwesen der Vorkriegszeit her- gestellt, sondern zugleich mit dem sonst bestehenden Grundsatz der Länder- verwaltung in Bundesangelegenheiten, wie sie etwa für die Bundesstraßen gilt, ge- brochen24. Der Einfluß der Länder beschränkte sich damit auf den Verwaltungsrat der Bundesbahn, für den sie ein Viertel der 20 Mitglieder vorschlagen konnten.

Außerdem vermochten sie sich während der Verhandlungen über das Bundes- bahngesetz gegenüber dem Vorstand der Bundesbahn und dem federführenden Bundesverkehrsministerium genügend Einfluß zu sichern, um Verletzungen ihrer regionalpolitischen Interessen zu verhindern25. So bedurfte es für Entscheidungen über den Bau neuer Strecken und - wichtiger - über die Einstellung des Betriebs auf vorhandenen Linien einer Stellungnahme des betroffenen Bundeslandes, die der Bund, der auch in diesem Fall das letzte Wort behielt, nicht ohne weiteres ignorieren konnte. Im Ergebnis führte dies zu einem komplizierten und langwie- rigen Verfahren, in dem sich gegen die Interessen der Länder gerichtete Beschlüsse oder Reformen in der Regel zumindest erheblich verzögerten. Hier trat ein struk- tureller Konflikt zu Tage: Da der Bund für das gesamte Betriebsdefizit der Bahn aufzukommen hatte, blieben die Länder einerseits von den finanziellen Konse- quenzen ihres Widerstandes gegen Streckenstillegungen und Betriebseinstellun-

22 Vgl. Theodor Kittel, Der Aufbau der Verkehrsorganisation im Süddeutschen Länderrat 1945/46 (Eisenbahnabkommen und Statut des Verkehrsrats), in: Archiv für Eisenbahnwesen 69 (1959), S. 356-396; Nicholls, Zusammenbruch, in: Gall/Pohl (Hrsg.), Eisenbahn in Deutschland, S. 247, S. 258-261, S. 267 und S.279; Kurt Riemann, Organisation der D B , Heidelberg/Mainz 1982, S. 29-33.

23 Einen groben Uberblick bietet: Die Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949- 1957. Ein Bericht des Bundesministers für Verkehr, Bielefeld 1957, S. 15-18.

24 Vgl. Hellmuth St. Seidenfus, Das Verkehrs- und Nachrichtenwesen. Eisenbahnwesen, in: Kurt G.A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von U n r u h (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 485-505; Michael Kilian/Uwe Hesse, Der rechtliche Status von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn seit 1945, in: Die Verwaltung 27 (1994), S. 175-194, hier S. 181-186; zum folgenden auch Schulz, Bundesbahn, in:

Gall/Pohl (Hrsg.), Eisenbahn in Deutschland, S. 323 ff.

2* Vgl. Klenke, Verkehrspolitik, S. 33-43.

(9)

Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 127 gen verschont. U m keine Präzedenzfälle zu schaffen, durften sie aber andererseits die Finanzierung für den Betrieb einzelner Strecken nicht einmal ausnahmsweise selbst übernehmen. Auf die Gestaltung der Bahntarife hatten die Länder aller- dings keinen vergleichbaren Einfluß; in der Praxis dominierte hier eindeutig der Bund2 6.

Anders lagen die Verhältnisse in der Straßenverwaltung, die in Deutschland traditionell Sache der Länder war. Zunächst erstreckt sich ihre Zuständigkeit auf Planung, Finanzierung („Baulast"), Bau und Verwaltung der Landstraßen (I. Ord- nung), die in Bayern Staatsstraßen heißen. Die meisten Länder übernehmen auch die Verwaltung und Planung der Landstraßen II. Ordnung, für die die Kreise und kreisfreien Städte die Baulast tragen und die deshalb auch Kreisstraßen genannt werden. Die bayerische Landkreisordnung von 1952 ermöglichte es den Kreisen allerdings, zur früheren Selbstverwaltung ihrer Straßen zurückzukehren, eine Op- tion, die Mitte der fünfziger Jahre von knapp einem Drittel, Mitte der sechziger Jahre von knapp der Hälfte der 143 bayerischen Landkreise wahrgenommen wurde27. Die Gemeinden wiederum haben für Planung, Finanzierung, Bau und Verwaltung der Gemeindestraßen zu sorgen, die in Orts- und sogenannte Ge- meindeverbindungsstraßen unterteilt werden und den weitaus größten Teil des gesamten Straßennetzes ausmachen28. Planung und Baulast für die Bundesfern- straßen (Bundesstraßen und Bundesautobahnen) gingen 1950 wieder an den Bund zurück, während die Länder mit ihrer Verwaltung und den entsprechenden Bau- maßnahmen beauftragt blieben. In der Regel sind die Verwaltungen der Länder damit für das gesamte Netz der „klassifizierten Straßen" zuständig, zu dem die Autobahnen und Bundesstraßen sowie die Land- und Kreisstraßen gehören29. Die Klassifikation als solche folgt dem Prinzip, daß für Straßen höherer Verkehrsbe- deutung eine übergeordnete Verwaltungsebene die Baulast trägt. In Bayern wer- den die Aufgaben der Planung, des Baus und der Verwaltung der Straßen nicht, wie man zunächst vermuten könnte, vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr wahrgenommen, sondern sie fallen in die Kompetenz der Obersten Bau- behörde, die zum Innenministerium gehört.

Insgesamt ergibt sich aus dieser Aufteilung der Zuständigkeiten im Straßen- wesen eine Konzentration von Verwaltungs- und Planungskompetenzen bei den Ober- und Mittelbehörden der Länder. Obwohl der Bund das Weisungs- und Aufsichtsrecht für die Bundesfernstraßen besitzt, kann er davon nur sehr zurück- haltend Gebrauch machen. Er muß sich vielmehr um eine enge Kooperation mit

2 6 Vgl. Seidenfus, Verkehrs- und Nachrichtenwesen, in: J e s e r i c h / P o h l / U n r u h (Hrsg.), Deutsche Ver- waltungsgeschichte, Bd. 5, S. 488; G e r d Aberle, Zukunftsperspektiven der Deutschen Bundes- bahn, Heidelberg 1988, S. 18.

27 Vgl. R o b e r t Adamek, Straßenwirtschaft und Straßenverwaltung. Ein Beitrag zur Reform der Stra- ßenbauverwaltung in der Bundesrepublik, Wiesbaden/Berlin 1956, S. 80 ff.; Hans Seeser/Rudolf Pawlack, D i e kommunalen Straßen in Bayern, in: Straßen und Brücken in Bayern, 3. Folge. Ein Uberblick über die Jahre 1 9 5 7 - 1 9 6 6 , hrsg. und bearb. von der Obersten Baubehörde im Bayeri- schen Staatsministerium des Innern, München 1966, S. 78.

28 Dazu auch allg. Jürgen Salzwedel, Das Verkehrs- und Nachrichtenwesen. Straßen, Wasserstraßen und Luftverkehr, in: J e s e r i c h / P o h l / U n r u h (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, S. 460—485, hier S. 471 f.

2 9 D e r Teil der Kreisstraßen, der in Bayern von den Landkreisen verwaltetet wird, bildet die Aus- nahme von dieser Regel.

(10)

128 Alexander Gall

den Landesbehörden bemühen, da diese beispielsweise über die notwendigen Pla- nungsdaten verfügen und besser über die Verhältnisse vor Ort informiert sind.

Beim Bundesfernstraßenbau führten diese wechselseitigen Abhängigkeiten von Bund und Ländern nicht nur zu einer hohen Kompromißbereitschaft auf beiden Seiten, sondern auch zur Herausbildung eines ,,quotenmäßige[n] und langfristig inflexible[n] Verteilungsmuster[s]", das mehr am „Einwohneranteil der Länder"

als am tatsächlichen Bedarf „orientiert ist"

30

. Die Handlungsspielräume der Länder gegenüber dem Bund nahmen dabei in dem Maße zu, in dem sich mit der Verwissenschaftlichung der Straßenplanung der Daten- und Informationsbedarf erhöhte und konkrete Baumaßnahmen auf wachsende Widerstände stießen. Diese Entwicklung begann sich schon Anfang der fünfziger Jahre abzuzeichnen, als Teile der Wirtschaftspresse vermeintliche Behinderungen und Verzögerungen beim Autobahnbau durch dessen Reföderalisierung beklagten. Diese würde, so hieß es, vor allem der Forderung der Straßenbauunternehmen nach effizienten Planungsprozessen und zentraler Auftragsvergabe zuwiderlaufen. Als gleichsam unsichtbare Folie diente dieser Kritik der zentralistisch organisierte Bau der Reichsautobahnen „unter Todt", dessen Tempo gerade auf der faktischen Recht- losigkeit untergeordneter Instanzen beruht hatte

31

.

Vor allem im Bereich Straßenbau und Straßenverkehr fielen die Handlungs- spielräume der Landespolitik demnach größer aus, als man zunächst vermuten möchte. Durch die Verschränkung von Bundes- und Landeskompetenzen in der Verkehrspolitik erhielt zudem die Landesgruppe der CSU im Bundestag ein nicht zu unterschätzendes Gewicht, da sich viele Forderungen der Landespolitik im Bundestag effizienter als über den Bundesrat vertreten ließen.

II. Straßen oder „Sturzäcker" ?

Das Verkehrsnetz Anfang der fünfziger Jahre

Nach Kriegsende war in Bayern das Ausmaß der Katastrophe im Verkehrswesen zwar weniger groß als im Ruhrgebiet, in Berlin oder an der umkämpften Rhein- linie

32

. Freilich herrschte auch hier in den ersten Wochen und Monaten fast völli- ger Stillstand, der sich aber relativ rasch überwinden ließ und nur wenige langfri- stige Belastungen zur Folge hatte. Ein verkehrspolitisches Problem erster Ord-

30 Vgl. hierzu und zum folgenden Dietrich Garlichs, Grenzen staatlicher Infrastrukturpolitik. Bund/

Länder-Kooperation in der Fernstraßenplanung, Königstein im Taunus 1980, S. 108-114 und S. 124 (Zitat); Heinrich Mäding, Infrastrukturplanung im Verkehrs- und Bildungssektor. Eine ver- gleichende Untersuchung zum gesamtstaatlichen Planungsprozeß in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1978, S. 148.

31 Vgl. Thomas Zeller, Landschaften des Verkehrs. Landschaftsveränderung durch Verkehrswege in Deutschland im 20. Jahrhundert. Öffentliche Diskussion und technische Lösungsangebote, Diss., München 1998, S. 190-194. In dieser Richtung auch die Kritik von Adamek, Straßenwirtschaft, S. 100-103.

32 Nach Schätzungen des Wirtschaftsministeriums lag der Anteil Bayerns an den Kriegsschäden der DB nach Kriegsende bei rund 19,4 Prozent, der Anteil des bayerischen Streckennetzes machte aber gut 25 Prozent des bundesdeutschen Netzes aus. BayHStA, StK 114596, bayerisches Staatsmini- sterium für Wirtschaft und Verkehr (BStMWV) an bayerisches Staatsministerium der Finanzen vom 12. 12. 1952.

(11)

Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 129

nung resultierte hingegen aus der politischen Teilung Deutschlands: Vor dem Krieg hatten die Hauptachsen des Güterverkehrs vor allem die beiden wirtschaft- lichen Kerngebiete Deutschlands, das Ruhrgebiet und Sachsen, miteinander ver- bunden und waren dementsprechend in West-Ost-Richtung verlaufen; nach 1945 wurden sie durch Zonengrenze und „Eisernen Vorhang" durchschnitten und O s t - bayern von den wichtigsten Bezugsgebieten für Rohstoffe und den traditionellen Absatzmärkten getrennt33. Es reichte daher nicht, die zerstörte Verkehrsinfra- struktur lediglich wiederaufzubauen. Bei ihrer Rekonstruktion mußten zugleich die politische Teilung Deutschlands nachvollzogen und die Verbindungen in Süd- Nord-Richtung verstärkt ausgebaut werden. In welchem Ausmaß Bayern und besonders die drei ostbayerischen Regierungsbezirke Oberfranken, Oberpfalz und Niederbayern unter dieser Verschiebung zu leiden hatten, zeigen die unter- schiedlichen Distanzen zum alten geographischen Mittelpunkt Deutschlands bei Leipzig und dem der Bundesrepublik bei Gießen: Von den oberfränkischen Bahn- höfen war es nach Gießen um durchschnittlich 128 km (61 Prozent) weiter als nach Leipzig, von den oberpfälzischen betrug diese Differenz 103 km (35 Pro-

33 Vgl. Christopher Kopper, Z o n e n r a n d f ö r d e r u n g und Verkehrspolitik im bundesdeutschen G r e n z - gebiet: Das Beispiel Niedersachsen, in: Bernd Weisbrod (Hrsg.), Grenzland. Beiträge zur Ge- schichte der deutsch-deutschen Grenze, H a n n o v e r 1993, S. 95-109, hier S. 98-102; Hans-Joachim Fricke, Die innerdeutsche Grenze und ihre Auswirkungen auf den Schienenverkehr, Landsberg 1980, S. 103-130; Ralf R o m a n Rossberg, Grenze über deutschen Schienen, Freiburg im Breisgau 1980, S. 201-257.

(12)

130 A l e x a n d e r Gall

zent) und von den niederbayerischen 61 km (14 Prozent)34, wobei noch hinzu- kam, daß kaum leistungsfähige Verkehrsverbindungen nach Westen und Nord- westen existierten.

Beim Verkehr mit den norddeutschen Seehäfen traten ebenfalls beträchtliche Erschwernisse auf; da die DDR nicht passiert werden konnte, wuchsen die Ent- fernungen hier zum Teil um bis zu 250 Kilometer. Allein die Eisenbahnfrachten, die in der Folge durch Marktverlagerungen und Transportumwege notwendig wurden, belasteten die bayerische Wirtschaft im Jahr 1950 nach Schätzungen des Ifo-Instituts gegenüber dem letzten Vorkriegsjahr zusätzlich mit 70 Millionen DM. Der nordost- und ostbayerische Raum war davon mit 50 Millionen DM überproportional stark betroffen. Es lag nicht zuletzt an diesen neuen Standort- nachteilen, daß die bayerische Wirtschaft in den ersten Nachkriegsjahren gegen- über den anderen westdeutschen Ländern zurückblieb35.

Bayern mit seiner notorischen „Markt-, Revier- und Seehafenferne" war durch die Teilung Deutschlands und Europas also in eine ausgeprägte Randlage geraten, in der die alten Belastungen und Strukturdefizite noch zusätzliche Schärfe erlang- ten36. Zudem stellten große Fläche und geringe Bevölkerungsdichte besondere Anforderungen an die noch in den Anfängen steckende verkehrsmäßige Erschlie- ßung, wie der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt. U m ein annähernd realistisches Bild davon zu gewinnen, kann nur auf Daten aus dem Jahr 1956 zu- rückgegriffen werden, da hier erstmals eine detaillierte Bestandsaufnahme der Ge- meindestraßen erfolgte.

Verkehrserschließung ausgewählter Bundesländer 1956

Einw./

q k m

K f z / q k m

K f z / 1 0 0 0 Einw.

klass. Str./

1 0 0 q k m1

Straß, ges./

1 0 0 q k m2

Straßen/

1 0 0 0 Einw.2

Schienen/

1 0 0 q k m Bayern 129 18 1 3 5 39 k m 146 k m 1 1 , 0 k m 11 k m

Ni 136 163 1 1 63 4 9 k m 105 km 7,6 k m 7 k m

B W 198 26 1 3 0 6 7 km 1 4 7 km 7,4 k m 12 km

N R W 432 38 88 63 k m 198 km 4,6 km 20 k m

Hessen 2 1 4 26 1 2 0 71 km 126 km 5,9 km 15 k m

S W H S 144 13 90 42 k m 132 km 9,1 km -

1 Länge der klassifizierten Straßen. 2 Länge der klassifizierten und der Gemeindestraßen zusammen.

3 Kfz-Bestand bzw. Bahn-Betriebslänge von 1957. Quellen: Statistische Jahr- bzw. Handbücher der betreffenden Bundesländer, verschiedene Jahrgänge; Wirtschaft und Statistik 11 (1959), S. 31 Of.

34 Vgl. H. Ringelmann/B. Stiglitz, Die Frachthilfemaßnahmen in Bayern, München 1956, S.8 (zu- grunde gelegt wurden die Eisenbahntarifentfernungen).

35 In die Schätzung gingen damit die für Bayern ungünstigen Tarifänderungen der Bundesbahn seit 1948 ein; vgl. Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung/Bayerisches Statistisches Landesamt, Die Bayerische Wirtschaft 1950/51. Hauptprobleme ihrer konjunkturellen und strukturellen Gestal- tung, München 1951, S. 27f. (Sonderschrift des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung Nr. 9); Paul Erker, Keine Sehnsucht nach der Ruhr. Grundzüge der Industrialisierung in Bayern 1900-1970, in:

G u G 17(1991), S. 480-511, hier S. 507.

36 Der Verkehr in Bayern, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, be- arb. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, o.O., o.J. (1965), S. 3 und S. 7.

(13)

Verkehrspolitik u n d L a n d e s p l a n u n g 1945 bis 1976 1 3 1 Gegenüber dem Beginn der fünfziger Jahre dürfte sich 1956 am Gesamtbild der

Verkehrserschließung wenig geändert haben, da das Netz der klassifizierten Stra- ßen in diesem Zeitraum nur unwesentlich erweitert worden ist. Allerdings lassen sich auch für das Jahr 1956 die Verhältnisse nicht ohne weiteres vergleichen. So schnitt Bayern auf den ersten Blick bezüglich der Straßendichte mit 146 km/

100 qkm kaum schlechter ab als beispielsweise Baden-Württemberg und sogar besser als Niedersachsen, Hessen oder Schleswig-Holstein. Die Dichte des baye- rischen Straßennetzes war jedoch primär auf den hohen Anteil der Gemeinde- straßen zurückzuführen, der bei rund 75 Prozent lag. Im südwestdeutschen Nachbarland machten sie dagegen nur 55 Prozent aus. Gerade die Gemeindestra- ßen befanden sich in den fünfziger Jahren aber allgemein in einem ziemlich schlechten Zustand und unterschieden sich teilweise kaum von Wirtschafts- oder Forstwegen. So waren über 70 Prozent aller bayerischen Gemeindestraßen nur einfach befestigt und damit für den Kraftfahrzeugverkehr auf Dauer völlig unge- eignet. In Nordrhein-Westfalen, wo die Gemeindestraßen ebenfalls einen hohen Anteil (68 Prozent) am gesamten Straßennetz besaßen, wiesen demgegenüber nur 27 Prozent eine derart schlechte Beschaffenheit auf37.

Verkehrserschließung der bayerischen Regierungsbezirke 1956

Einw. in Einw./ B u n d e s - Staats- u. G e m e i n - Straßen P k w K f z Tausend q k m q k m fernstr.1 Kreisstr.1 destr. ges.1

k m / 1 0 0 q k m

ges.1

/1000 Einw.

O b e r b a y e r n 2537 155 10,1 29,3 113 170 53 152

N i e d e r b a y e r n 975 90 7,6 32,8 112 152 32 141

O b e r p f a l z 869 90 7,4 29,8 94 131 28 123

O b e r f r a n k e n 1072 143 10,6 29,8 113 154 32 121

Mittelfranken 1315 172 8,8 30,1 122 161 41 124

U n t e r f r a n k e n 1042 123 9,0 34,6 58 102 29 124

S c h w a b e n 1302 127 9,4 21,0 106 136 36 141

Bayern 9115 129 9,0 29,4 108 146 41 135

1 Klassifizierte Straßen nach dem Stand von 1957. Quellen: Statistisches Jahrbuch für Bayern 26 (1958), S. 204, und 27 (1961), S. 198; Der Kraftfahrzeugbestand in Bayern 1907 bis 1987, hrsg. vom Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, München 1987, Tabellen 1 und 10 (Bei- träge zur Statistik Bayerns 421).

Größere Diskrepanzen traten jedoch nicht nur zwischen den einzelnen Bundes- ländern auf, sondern auch innerhalb Bayerns, wie die vorstehende Tabelle deutlich macht38. Die größte Dichte besaß demnach das oberbayerische und das mittel-

37 Vgl. Die Gemeindestraßen. Einzelergebnisse der Statistik der Gemeindestraßen nach dem Stand vom 31. 3. 1956, in: Wirtschaft und Statistik 11 (1959), S. 561-564.

38 Bei den Gemeindestraßen ist zu beachten, daß die Zählung von 1956 nach einer Auskunft der Obersten Baubehörde als unzuverlässig gilt. Bei der Zählung von 1961 wurde dementsprechend

(14)

132 Alexander Gall

fränkische Straßennetz. Zurückzuführen war dies unter anderem auf das Gewicht Münchens und Nürnbergs, die als großstädtische Zentren zugleich die wichtig- sten Verkehrsknotenpunkte darstellten. Oberbayern profitierte außerdem von der Bedeutung des Voralpenlandes als attraktiver Fremdenverkehrsregion. Über dem bayerischen Durchschnitt lag der Anteil Oberbayerns auch bei den Autobahnen und Bundesstraßen, was sich ebenfalls positiv auf die Leistungsfähigkeit des re- gionalen Straßennetzes auswirkte. Am unteren Ende rangierten Schwaben und die Oberpfalz. Das Schlußlicht bildete Unterfranken, das durch sein kaum ausgebau- tes Netz von Gemeindestraßen allerdings eine Art Sonderfall darstellte. Praktisch dürfte dieses Defizit aber teilweise durch den deutlich über dem Durchschnitt lie- genden Anteil an den meist besser ausgebauten Staats- und Kreisstraßen kompen- siert worden sein. Bei den Bundesfernstraßen schnitten wiederum Niederbayern und die Oberpfalz am schlechtesten ab. Diese Ergebnisse können jedoch allenfalls einen ersten Eindruck von den bayerischen Straßenverhältnissen in den fünfziger Jahren geben, da sie nichts über den Zustand der Straßen in den einzelnen Regie-

rungsbezirken aussagen. Immerhin, so viel sei angemerkt, befanden sich die Ge- meindestraßen in Unterfranken Anfang der sechziger Jahre in der relativ besten Verfassung. „Nur" 62 Prozent besaßen hier noch keine staubfreie Oberfläche, während es in Niederbayern, das am anderen Ende der Skala stand, noch ganze 85 Prozent waren39.

Die Frage, welcher Regierungsbezirk am ärgsten unter den schlechten Straßen- verhältnissen zu leiden hatte, lieferte den Landtagsabgeordneten Anfang der fünf- ziger Jahre immer neuen Stoff für hitzige Debatten. So herrschte im Mai 1953 zwar insoweit Einigkeit im Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr, daß „wohl im Laufe von drei Jahren das gesamte Straßennetz in Bayern zusammenbrechen"

werde, wenn für seine Sanierung auch künftig so wenig wie bisher getan würde40. Umstritten war aber die innerbayerische Verteilung der knappen Mittel. Zumin- dest die meisten nord- und ostbayerischen Abgeordneten schienen überzeugt, daß die Straßenverhältnisse in Oberbayern wesentlich besser seien als in ihren Hei- matkreisen. So beklagte der oberpfälzische Abgeordnete Franz Sichler (SPD) die generelle Vernachlässigung des Grenzlands, dem „eine völlige Verödung" drohe.

Auf der Straße von Schwarzeneck nach Neunburg vorm Wald, „einer Verkehrs- ader des Gebietes von Waldmünchen, könne man nicht schneller als 10 km fah- ren", führte er aus. Während in Oberbayern die meisten Straßen eine Teerdecke hätten, seien es im Bayerischen Wald und in Oberfranken nur wenige. Sein Frak- tionskollege Max Drechsel, der ebenfalls aus der Oberpfalz stammte, versuchte die Bevorzugung des Südens gegenüber dem Norden anhand der Länge der Land- straßen zu belegen und führte den vermeintlichen Vorteil Oberbayerns auf die

eine ganze Reihe von Straßen aufgrund ihrer Bedeutungslosigkeit oder ihres schlechten Zustands nicht mehr in die Statistik aufgenommen.

39 Vgl. Die Gemeindestraßen in Bayern. Ergebnis der Statistik der Gemeindestraßen nach dem Stand vom 1. Januar 1961, hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1963, Tabelle 2 (Beiträge zur Statistik Bayerns 247).

40 Hierzu und zum folgenden AdbL, Protokoll der 92. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr am 21. 5. 1953.

(15)

Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1 9 7 6 133 staatliche Förderung des dortigen Fremdenverkehrs zurück. Unterfranken gehe dagegen „ein großer Teil seines Fremdenverkehrs wegen seiner schlechten Straßen verloren", meinte Karl Greib (CSU) aus Würzburg. Die meisten Touristen führen statt dessen „über Württemberg auf der Autobahn nach Südbayern".

Während der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Hugo Geiger (CSU), die Ausschußmitglieder mehrmals ersuchte, von den lokalen Verhältnissen abzuse- hen, verteidigte der Oberfranke Georg Bantele (BP) seinen „Lokalpatriotismus"

ausdrücklich. Im übrigen hielt er es für falsch, die Straßenlänge als Maßstab her- anzuziehen:

„Wenn Oberbayern schon ein vorzüglich ausgebautes Netz von Bundesstraßen hat, sei es doch sinnlos, diese vielen guten Kilometer als Grundlage zu nehmen und dorthin noch mehr Mittel zu geben als in andere Gebiete. Die oberfränkischen Industriegebiete legten doch all- jährlich dem Herrn Finanzminister einen bedeutenden Happen in die Schale und ebenso die Industrie Mittelfrankens, die mindestens der von München gleichkommt. Sie hätten daher ein Anrecht, etwas von dem Vielen zu bekommen, was jetzt nach München gegeben wird."

Der schwäbische Abgeordnete Hermann Ospald (SPD) wollte ebenfalls „die lokalen Verhältnisse da und dort" berücksichtigt wissen, da Regionen mit einem hohen Steueraufkommen seiner Meinung nach ein größeres Anrecht auf ordent- liche Verkehrswege hätten. Doch ließ auch er es sich nicht nehmen, auf die Pro- bleme des mittelschwäbischen Raumes hinzuweisen, der „verkehrsmäßig absolut nicht erschlossen" sei und die „gleichen Beschwerden [...] wie Oberfranken" vor- zutragen habe. Für Oberbayern schließlich schilderte der Abgeordnete Andreas Piehler (SPD) die schlechten Straßenverhältnisse in Miesbach. Nach eigener Aus- sage wollte er damit aber demonstrieren, wie nutzlos es sei, wenn „jeder Abgeord- nete die Straßen seines Bezirks als die schlechtesten" hinstelle: „Die Verhältnisse seien überall gleich."

In diesen Vorwürfen schwang wohl manches Ressentiment gegen den von der Peripherie stets beargwöhnten Münchener Zentralismus mit, doch in erster Linie trafen sie die Arbeit der Obersten Baubehörde, die für die Koordination des Stra- ßenbaus verantwortlich war. Als deren Vertreter bemühte sich Ministerialrat Lud- wig Bruner4', diese Kritik so weit wie möglich zu entkräften. „Der Unterschied in den einzelnen Regierungsbezirken sei nicht so sehr groß", hielt er den Abgeord- neten entgegen. „Im Landesmittel hätten etwa 23 Prozent der Straßen eine gute Decke." Für die Klagen der Abgeordneten gab es dennoch einige Anhaltspunkte, da Oberbayern, nach Bruners Ausführungen, sieben Prozent über dem Durch- schnitt, Niederbayern jedoch acht Prozent darunter lag. Den Schwarzen Peter versuchte Bruner jedoch wieder an die Abgeordneten zurückzugeben, indem er darauf hinwies, daß die Oberste Baubehörde bei „der Verteilung der Mittel nicht frei" sei, sondern aufgrund von Landtagsbeschlüssen die eine oder andere Maß- nahme erfüllen müsse, „ob sie nun in den Plan hineinpaßt oder nicht"42. Die von

41 Im Protokoll heißt es nur „Min. Rat. Brunner". Es handelt sich dabei vermutlich um einen Tipp- fehler. Denn damit wäre nicht Ludwig Bruner von der Obersten Baubehörde sondern Heinrich Brunner vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr gemeint.

42 Der permanente Legitimationszwang der Obersten Baubehörde in dieser Frage dürfte auch der Grund dafür sein, daß der Straßenzustand in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre in den Publika-

(16)

134 Alexander Gall

den Abgeordneten immer wieder geforderten Dringlichkeitslisten für die instand- zusetzenden Landstraßen waren daher durchaus auch im Sinne der Obersten Bau- behörde43.

Die Diskussion über die Verteilung der Gelder für den Straßenbau beschränkte sich jedoch nicht auf den Landtag, in Niederbayern fanden im Herbst 1953 und im Frühjahr 1954 mehrere Protestveranstaltungen empörter Kraftfahrer statt.

Über eine derartige Versammlung in Vilsbiburg berichtete die „Süddeutsche Zei- tung" im Oktober 1953: Das aufgebrachte Publikum sei aus dem Isar-, Rott- und Vilstal hergefahren, „über die unbeschreiblichen Sturzäcker", die auf den Karten als Straßen erster Ordnung gekennzeichnet seien, „von den Niederbayern jedoch nur ,Waschbretter' oder ,Dauerwellen' genannt" würden. Auch der Landrat von Landau an der Isar, Adolf Daßler, legte sich bei den Schilderungen seiner Fahrer- lebnisse keinerlei Zurückhaltung auf: „An den Straßenrändern im Vilstal können Sie beobachten, wohin die Kulturentwicklung in Niederbayern geht: im Sommer eine Staubwüste, im Winter ein Schlamm-Meer." Die Veranstaltung endete mit der Drohung einiger Landräte, immer mehr solcher Protestversammlungen abzuhal- ten, bis die Staatsregierung geneigt sei, von ihren Klagen Kenntnis zu nehmen44.

Dies blieb nicht ohne Wirkung. Im April 1954 begab sich Innenminister Wil- helm Hoegner auf den Weg in die Ortschaft Reisbach, um sich selbst ein Bild von den Straßenverhältnissen in Niederbayern zu machen. Hoegner räumte dabei ein, daß es zwar auch in anderen Landesteilen Bayerns Schlaglöcher gebe, „in Nieder- bayern aber seien es die meisten und die tiefsten". Als „vorläufige Trostpille" teilte er der Versammlung mit, daß im Haushalt der Obersten Baubehörde sofort und außerplanmäßig gut eine Million DM für die dringendsten Arbeiten in der Region bereitgestellt würde45.

III. Konzeptionen und Visionen von Politik und Landesplanung in den fünfziger und sechziger Jahren

Es waren nicht die verkehrsgeographische Randlage und die unzureichende Flä- chenerschließung allein, die Bayern in der Nachkriegszeit schwer zu schaffen machten. Auch bei der Wohnraumversorgung, der Unterbringung und Beschäf- tigung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen sowie beim Aufbau einer leistungsfähigen Energie- und Wasserwirtschaft gab es ernste Probleme, die die ganze Aufmerksamkeit der Politik erforderten. Wie diese Aufgaben zu lösen wa- ren, darüber sollte ein Landesentwicklungsplan Auskunft geben. Schon in seiner Regierungserklärung vom 9. Januar 1951 kündigte Ministerpräsident Hans Ehard an, daß die Vorarbeiten hierzu nun intensiviert würden. Die Koalition aus CSU, tionen der Obersten Baubehörde und des Statistischen Landesamts nicht nach Regierungsbezirken aufgeschlüsselt wurde.

43 AdbL, Protokoll der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr am 4.9. 1952, S. 44-50.

44 Süddeutsche Zeitung vom 28. 10. 1953: „Schlechte Straßen machen böses Blut".

45 Isar-Post vom 12. 4. 1954: .„Fleißig und tüchtig und keine Herde von Halbwilden'. Niederbayern gegen Vernachlässigung seiner Straßen".

(17)

Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 135 SPD und BHE, die seit Dezember 1950 die Regierung bildete, versprach sich da-

von nicht nur die Koordination aller für die einzelnen Bereiche bereits vorliegen- den Pläne und Lösungsansätze, sondern auch eine konzeptionelle Großoffensive zur Neuordnung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Landes. Uber die Notwendigkeit eines solchen Planes herrschte im bayerischen Landtag ein breiter Konsens, der auch nahezu die gesamte Opposition einschloß. Das dazuge- hörige Gesetz, das der Umsetzung dieser Planungen einen rechtlichen Rahmen geben sollte, blieb dagegen bis weit in die fünfziger Jahre hinein umstritten. Ein erster Schritt auf dem Weg zu dem anvisierten Landesentwicklungsplan war im Juni 1951 die Berufung eines Beirats aus unabhängigen Fachleuten, der dafür ent- sprechende Richtlinien ausarbeiten sollte und direkt dem Ministerpräsidenten un- terstellt war. Für Verkehrsfragen wurde Paul Helfrich von der Industrie- und Handelskammer München benannt, der dazu eine fast 50 Seiten starke Vorstudie anfertigte46.

Aus dieser Initiative gingen die „Grundlagen für die Aufstellung von Richt- linien zu einem Landesentwicklungsplan" hervor, deren erster Teil bereits wenige Monate später vorlag. Die Landesplanungsstelle im Wirtschaftsministerium hatte hier in Zusammenarbeit mit den Bezirksplanungsstellen eine knappe „Bestands- aufnahme" vorgenommen. Sie diente als Ausgangspunkt für den mit „Planung"

überschriebenen zweiten Teil, den die Landes- und Bezirksplanungsstellen ge- meinsam mit dem vom Ministerpräsidenten einberufenen Beirat verfaßten. Ver- öffentlicht wurde der zweite, weit über 800 Seiten starke Teil im Jahr 1954. Seinen übervorsichtig formulierten Titel verdankte er nicht zuletzt den kontroversen Diskussionen, die sich zur gleichen Zeit am Entwurf für ein bayerisches Landes- planungsgesetz entzündeten. Er bot jedoch keineswegs nur bloße Grundlagen- arbeit oder Zielfixierung, sondern war in weiten Zügen selbst schon ein vollstän- diger Landesentwicklungsplan47. Trotz seiner rechtlichen Unverbindlichkeit ging von ihm allein schon deshalb eine starke richtungsweisende Kraft aus, weil er bis in die sechziger Jahre konkurrenzlos blieb. Wie unter einem Brennglas bündelten sich hier sämtliche Probleme und Lösungsvorschläge, die in Bayern Anfang der fünfziger Jahre zur Diskussion standen. In seiner Pionierstudie zur Industrialisie- rung Bayerns sprach Klaus Schreyer daher zu Recht von einer „Art Magna Charta der Landesentwicklung"48.

46 Vgl. Stenographischer Bericht über die 5. Sitzung des bayerischen Landtags am 9 . 1 . 1951, die 7. Sitzung am 23. 1 . 1 9 5 1 , die 8. Sitzung am 24. 1 . 1 9 5 1 , die 17. Sitzung am 4. 4 . 1 9 5 1 und die 32. Sit- zung am 22. 6. 1951, S. 27, S. 54f., S. 8 6 f „ S. 4 2 0 - 4 2 7 und S. 982f.; B a y H S t A , S t K 113102, Paul Helfrich: D e r Verkehr im Bayerischen Landesentwicklungsplan, datiert auf den 17.4. 1952.

47 Vgl. D i e bayerische Landesplanung. Grundlagen für die Aufstellung von Richtlinien zu einem Landesentwicklungsplan, hrsg. von der Landesplanungsstelle im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, Teil 1: Bestandsaufnahme, Teil 2: Planung, o . O . o.J. (1951 und 1954), die beiden Bände sind durchgehend paginiert und werden im folgenden als „Richtlinienentwurf"

bezeichnet; vgl. auch Wolfgang Istel, D e r Beitrag der Landesplanung in Bayern zur Landesent- wicklung von 1945 bis 1970, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 61 (1987), S. 3 9 1 - 4 2 3 , hier S. 4 0 0 und S. 406.

4 8 Klaus Schreyer, Bayern - ein Industriestaat. D i e importierte Industrialisierung. Das wirtschaftli- che Wachstum nach 1945 als Ordnungs- und Strukturproblem, München/Wien 1969, S. 252; vgl.

auch Willi Guthsmuths, Raumordnung und Verkehrsplanung, in: ders. (Hrsg.), Raumordnung und Verkehrsplanung. Raumwirtschaftliche Beiträge zur Verkehrsentwicklung, München 1965, S. 3 - 6 , hier S. 4 f.

(18)

136 Alexander Gall

Der umfangreiche Planungsteil gliederte sich in zwei Hauptabschnitte, denen

„Grundgedanken und Leitsätze" vorangestellt waren. In manchen Teilbereichen, etwa bei den Konzepten zur Integration der Heimatvertriebenen, standen die akuten Probleme der Nachkriegszeit im Vordergrund. Von langfristiger Bedeu- tung erwies sich dagegen das in den „Planungsgrundsätzen" anvisierte Modell einer dezentralisiert-gemischten Wirtschafts- und Industriestruktur. Danach soll- ten übermäßige Agglomerationen zugunsten „einer sinnvollen Verteilung von Aufgaben und Funktionen auf die Mittel-, Klein- und Landstädte" vermieden werden. Diese Leitidee wurde mit der Krisenanfälligkeit industrieller Monostruk- turen begründet; zudem ging man davon aus, daß auf diese Weise die „natürlichen Produktionsmöglichkeiten des Raumes" optimal ausgeschöpft werden. Der Aus- bau der Infrastruktur sollte neben dem vorhandenen Arbeitskräftepotential und den niedrigen Lebenshaltungskosten dazu beitragen, die vorgesehenen Unterzen- tren als Standorte für Unternehmen und Industriebetriebe interessant zu machen, ohne darüber hinaus in den Wirtschaftsablauf einzugreifen49.

Selbstverständlich kam dabei auch der Verbesserung des Verkehrswesens eine zentrale Rolle zu, dem im zweiten Hauptabschnitt das bei weitem umfangreichste Unterkapitel gewidmet war50. Aus der Analyse des Status quo zogen die Autoren des Richtlinienentwurfs den Schluß, daß durch den Ausbau des Verkehrswesens sinnvolle Siedlungsstrukturen und die Integration der Heimatvertriebenen geför- dert werden könnten. Unerläßlich sei hierbei eine Anpassung an die Richtungs- änderung der Güterströme seit 1945. Für den Fremdenverkehr und die Industria- lisierung Bayerns, vor allem aber für eine Verbesserung der ungünstigen Standort- verhältnisse in den Grenzgebieten sei außerdem die Erschließung des verkehrsfer- nen Landes eine unabdingbare Voraussetzung: „Insbesondere stehen und fallen alle Bemühungen zum Aufbau eines möglichst dezentralisierten Industriekörpers mit einem entsprechenden Ausbau des Verkehrswesens". Besondere Beachtung schenkten die Landesplaner dabei der Tarifpolitik der Bundesbahn, die durch ihre gemeinwirtschaftliche Ausrichtung bislang einen entscheidenden Beitrag zur rela- tiv ausgeglichenen und dezentralisierten Wirtschaftsstruktur Deutschlands gelei- stet habe. Ihr Tarifsystem beruhte auf einem komplexen Mechanismus, der die Transportpreise für weite Strecken (Entfernungsstaffel) sowie für Massengüter (Wertestaffel) durch die Tarife für kurze Entfernungen und hochwertige Fertig- produkte subventionierte. In der Praxis bewirkte dies im ganzen eine starke Er- mäßigung der in Bayern anfallenden Transportkosten. Die Bundesbahn hatte die interne Subventionierung ihrer Gütertarife seit 1948 wiederholt eingeschränkt, um der Konkurrenz des Lastkraftwagens gewachsen zu bleiben, damit aber bei den Landesplanern heftige Kritik geerntet. Sie hielten es für eine „unbedingte Notwendigkeit", das gemeinwirtschaftliche Tarifsystem in vollem Umfang auf- recht zu halten51. In seiner Vorstudie hatte Helfrich diesem Urteil noch deutlich

49 Richtlinienentwurf, S. 185-200; vgl. hierzu auch Erker, Keine Sehnsucht, S. 481 f., und Elisabeth Miersch, Die räumliche Dezentralisation der bayerischen Industrie, München 1948.

50 Ein Überblick über die „Grundlagen für die Aufstellung von Richtlinien zu einem Landesent- wicklungsplan" mit Schwerpunkt auf den demographischen und industriewirtschaftlichen Aspek- ten findet sich bei Schreyer, Industriestaat, S. 251-256.

Vgl. Richtlinienentwurf, S. 864-888 (Zitate S. 879 und S. 888). Zum Tarifsystem vgl. Volker Hent- schel, Staat und Verkehr. Motive, Ziele und Mittel der Verkehrspolitik westlicher Industriestaaten

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