Die tonale Struktur der Verbalklassen
in den Waldneger- und Pygmäensprachen
des Ituri-Urwaldes, Ost-Kongo
Von P. Anton Voebichleb SVD, Hamburg
1. Einführung
Unter allen Kleinwüchsigen Afrikas^ stellen die Pygmäen vom Ituri
die kompakteste Gruppe dar (etwa 35000) und haben am besten ihre
Reinrassigkeit und Eigenart bewahrt, da Heiratsverbindungen mit den
in nachchristlicher Zeit in den Urwald einwandernden Negerstämmen
nur in der Weise erfolgten, daß Männer der hackbautreibenden Neger
Pygmäenfrauen zur Ehe nahmen, nicht aber die Männer der wild-
beuterischen Pygmäen Negerfrauen. Die verschwindenden Ausnahmen
zu dieser Regel haben ihre besondere Begründung und können in unserem
Zusammenhang unberücksichtigt bleiben^.
Die Pygmäen der Ituri-Region zerfallen nach ihrer Sprachzugehörig¬
keit und der Benennung, die sie sich selbst geben, in drei Gruppen : Die
Sua-Kango, die imter den Waldnegerstämmen der Bira-Kumu, Rombi-
Popoi, Mbo, Ndaka, Budu, Bali und Lika nomadisieren. Ihre Sprache
zerfäUt in zwei Dialekte, Sua und Kango, die dem Wald-Bira am nächsten
stehen, aber durch phonetische, lexikalische und syntaktische Besonder¬
heiten als typische Eigendialekte der Pygmäen erscheinen und in dieser
pygmäischen Eigenart von den Großwüchsigen nicht verwendet werden.
Sie sind, wie alle Dialekte der Bira-Kumu Gruppe, Bantudialekte, die
1 Außer den Pygmäen im östlichen Ituri-Urwald gibt es noch andere
Gruppen von Kleinwüchsigen in Zentralafrika: Außerhalb des Kongo in
Gabun rmd Kamerun die Aköa, Abongo, Bekü, Bekwi, Bagielli und andere.
Im Kongo an den Flüssen Sanga und Dja im Distrikt von Ubangi die
Babinga, in der Provinz Equateur die Batswa; im Grenzgebiet von Kivu
und Uganda, in Ruanda und Tanganyika die Batwa; einige stark gemischte
pygmoide Gruppen am Bangweolosee und am Tana-Fluß. Alle zentral¬
afrikanischen Pygmäen zusammen müssen wohl auf etwa 150000 geschätzt
werden.
2 Mir persönlich wurde ein einziges Beispiel dafür bekannt, daß Heiraten
zwischen Negern und Pygmäen in der Weise vorkommen, daß sowohl Neger-
mäimer Pygmäonfrauen als auoh Pygmäenmänner Negerfrauen heiraten.
Und zwar vollzog sich dies in dem Dorf Basua an. der Straße Bafwasende-
Bomili, wo zwischen den Pygmäen imd don Bali-Negern eine vollständige
gegenseitige Bevölkerungsmischung vollzogen worden ist. Diese war aber
auf dieses eine Dorf beschränkt und stellt durchaus eine soziologische Aus¬
nahme dar.
15 ZDMG 116/2
220 P. Anton Vobbichleb;
wegen ihrer Eigenheiten von Carl Meinhof als Degenerationserschei¬
nungen und Mischformen*, von Vaast van Bulck jedoch als archaisches
Bantu aufgefaßt werden*, während Malcolm Guthble sich für den
Ausdruck Suh-Bantu entscheidet und damit der historischen Betrach¬
tungsweise aus dem Weg geht^. Interessant ist dabei immerhin, daß das
Bira-Klunu nicht etwa mit der Gruppe der Ost-Bantu-Sprachen, sondern
mit den West-Bantu-Sprachen, in Sonderheit mit dem Kikongo, enger
verwandt erscheint, obwohl zwischen den West-Bantu-Sprachen und
der Bira-Kumu Gruppe der gewaltige Block der Mongo-Sprachen sich
dazwischenschiebt.
Eine andere Gruppe der Ituri-Pygmäen nennt sich selbst Asüa und
ihre Sprache Asua-ti, während sie von den Negern Akä genannt werden.
Sie leben unter den südlichen Mangbetustämmen, etwa den Abulu
(= Babeyru), und ihre Sprache ist ein pygmäischer Eigendialekt, der in
die Gruppe der Mangbetu-Medje Dialekte gehört. Mit diesen Pygmäen
traf Geoeg Schwelnfueth in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu¬
sammen, als er als erster Europäer die unklaren Gerüchte der Antike
und des Mittelalters über die Existenz der Pygmäen durch den Augen¬
schein bestätigt fand«.
Die dritte Gruppe der Ituri-Pygmäen sind die Efe, die unter den
Mangbutu, Mamvu, Balese, Bvuba, Nyari, Watalinga und, als abge¬
splitterte Gruppen, auch unter den Mbo und Ndaka leben. Ihre Spraehe
ist ein pygmäischer Eigendialekt, der am nächsten den Waldneger¬
dialekten des Balese-Süd (= Obi) und dem Bvuba verwandt ist.
Die Pygmäenidiome im östlichen Ituri-Urwald sind also pygmäische
Dialektvarianten von Waldnegersprachen. Doch haben diese Dialekt¬
varianten enge Beziehungen nur zu drei Waldnegersprachen : Dem Bira-
Kumu, das als Sonderentwicklung in die Familie der Bantusprachen
gehört, dem Mangbetu-Medje und dem Balese-Bvuba-Mamvu, die in
eme SprachfamiUe gehören, die von A. N. Tucker ,, Ostsudanisch"',
von Joseph Geeenberg ,, Zentralsudanisch"* genannt wird. Zu den
' Cabl Meinhof, Die Entstehung der Bantusprachen. In „Zeitschrift für
Ethnologie", 70. Jahrgang 1938, S. 144—152.
Derselbe, Die Sprache der ßira.In„Zeit8chriftfürEingeborenen-Sprachen", Jahrgang 29 1939, S. 241—287.
* Vaast van Bulck, Les Recherches Linguistiques au Congo Beige, M6moires de ITnstitut Royal Colonial Beige, 1948.
^ Malcolm Guthrie, The Classification of the Bantu languages, London
1948.
• Geobg Schweinfübth, Im Herzen von Afrika, Leipzig 1918.
' A. N. TuCKEB, The Eastern Sudanis Languages, Volume I, London 1940.
' H. Joseph Gbeenbebg, Studies in Afriean Linguistic Classification 1955., Derselbe, The Languages of Africa. In „International Joiunal of American Linguistics", Vol. 29, No. 1, January 1963.
Pie tonale Struktur der Verbalklassen in den Waldnegerspraehen 221
anderen Waldnegersprachen bestehen diese engen Beziehungen nicht,
obwohl die Pygmäen auch unter den Nyari, Mbo, Ndaka usw. leben.
II. Die tonale Struktur der Verbalklassen*.
Unter Verbalklassen verstehe ich Gruppen von Verben, die nach ihrer
ihnen in den einzelnen Verbalstammarten gemeinsamen tonalen Struktur
unterschieden werden. Mit Verbalstamm meine ich das bedeutungs¬
tragende Morphem, das nach Abtrennung aller Affixe einer Verbform
übrigbleibt.
Für die Bira-Kumu Gruppe bestehen außer meinen eigenen Aufzeich¬
nungen und Tonbändern, die aber noch der eigentlichen Analyse harren,
keine tonologischen Untersuchungen. Wie weit inzwischen die Bira-
Studien des Fe^ee Robert von den Petits Freres de Jesus gediehen sind,
entzieht sich meiner Kenntnis. So viel kann jedoch bereits mit Sicherheit
gesagt werden : Die Tonhöhen sind auch in der Bira-Kumu Gruppe für
die Differenzierung der Verbalformen von großer Wichtigkeit. Jedoch
scheinen die tonalen Unterscheidungen nur das Verhältnis des Verbal¬
stamms zu seinen Affixen und nicht den affixlosen Verbalstamm selbst
zu betreffen.
Für die Mangbetu-Medje Dialekte hat J. Laeochette vier tonal
imterschiedene Verbalklassen entdeckt, die er auch ,,conjugaisons"
nennt^". Er trifft seine Einteilung nach dem tonalen Verhalten des
Verbalstammes im Perfekt und als Verbalnomen :
1. Klasse: Perfektstamm /Tief-Hoch/ : /-äpa / = sich an jd. wenden,
Verbalnominalstamm (redupliziert und mit Determinationspräfix
versehen) /Hoch-Hoch-Hoch/ : /näpäpa/
2. Klasse: Perfektstamm /Tief-Hoch/ : /epe'/ = sammeln, wählen, Verbal¬
nominalstamm /Hoch-Tief-Tief/ : /ne'pepe/
3. Klasse: Perfektstamm /Tief-Tief/ : /ore/ = FaUen stellen,
Verbalnominalstamm /Hoch-Hoch-Hoch/ : /nöröre'/
4. Klasse: Perfektstamm /Tief-Tief/ : /epe/ = übertreffen,
Verbalnominalstamm /Hoch-Tief-Tief/ : /ne'pepe/
Alle Verben des Mangbetu fallen in eine dieser vier Klassen, wobei
allerdings für Klasse 1 und 2 noch je eine Unterteilung zu treffen wäre
in Verben mit kurzem und solchen mit langem Anlautvokal. Die tonale
Unterscheidung des Verbalstamms dient nach Laeochette sowolil
grammatischer Differenzierung (Perfekt, Verbalnomen) als auch lexikaler
(/-epe'/ sammeln, wählen; /-epe/ übertreffen).
8 Anton Vobbichleb Die Phonologie und Morphologie dea Balese (Ituri-
Urwald, Kongo), Afrikanistisehe Forschungen, Band II, Glückstadt 1965.
1" J. Labochettb, Orammaire des Dialectes Mangbetu et Medje, suivie
d'un manuel de conversation et d'un lexique, Annales du Musöe Royal du
Congo Beige, Tervuren 1958.
15»
222 P. Anton Voebichleb]
Für die dritte Gruppe der Waldneger- und Pygmäendialekte, das
Balese-Bvuba-Efe, konnte ich selbst , unabhängig von Larochette und
ohne seine Ergebnisse im Hinblick auf das Mangbetu zu kennen, ein
äußerst vielfältiges System von tonal unterschiedenen Verbalklassen
nachweisen. Die Ergebnisse stützen sich auf ö Jahre Feldforschung
im Kongo und 5 Jahre Schreibtischarbeit in Europa.
In dem von mir untersuchten Sprachmaterial konnte ich für das
Balese-Süd (= Obi) 14 tonal unterschiedene Verbalklassen feststellen.
Diese Einteilung ergibt sich aus der tonalen Struktur, die dem affixlosen
Stamm in seinen verschiedenen Arten eigen ist. In jeder der 14 fest¬
gestellten Verbalklassen lassen sich 6 tonal differenzierte Stämme unter¬
scheiden :
1. Der Verbalnominalstamm : Er liegt der Bildung des Verbalnomens
und des Partizips zugrunde.
2. Der Präteritalstamm : Mit ihm wird Perfekt, Imperfekt, weit zurück¬
liegende Vergangenheit und Habituahs der Vergangenheit gebildet.
3. Der Futurstamm: Er liegt dem Futur, dem Intentionalis und dem
Habituahs der Gegenwart und Zukunft zugrunde.
4. Der Subjunktivstamm : Ein Subjunktiv mit finaler Bedeutung, ein
Optativ, ein Adhortativ und der indirekte Imperativ werden mit
seiner Hilfe gebildet.
5. Der Negativstamm : Er wird in allen verbalen Verneinungen verwendet.
6. Der Imperativstamm: Er wird verwendet ak direkter Imperativ.
Nach dem totalen Verhalten dieser 6 Verbalstammarten gliedern sich
die 14 Verbalklassen folgendermaßen :
Klasse A : Beispielwort /tämü/ schnuppem
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Hoch/ — /tämü/
2. Präteritalstamm : /Mittel-Mittel/ — /tamu/
3. Futurstamm: /Mittel-Mittel/ — /tamu/
4. Subjunktivstamm: /Tief-Mittel/ — /tämu/
5. Negativstamm: /Tief-Mittel/ — jikmuj
6. Imperativstamm : /Hoch-Hoch/ — /tämü/
Klasse B : Beispielwort /rädi/ vorbeigehen
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Hoch/ — /rädi/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /radi/
3. Futurstamm : /Mittel-Tief/ — /radi/
4. Subjunktivstamm : /Tief-Mittel/ — /rädi/
5. Negativstamm: /Tief-Mittel/ — /rädi/
6. Imperativstamm: /Hoch-Tief/ — /rädi/
Die tonale Struktur der Verbalklaesen in den Waldnegersprachen 223
Klasse C : Beispielwort /täju/ anpirschen
1. Verbalnominalstamm: /Hoch-Mittel/ — /täju/
2. Präteritalstamm: /Tief-Tief/ — /t^jü/
3. Futurstamm: /Mittel-Tief/ — /tajü/
4. Subjunktivstamm: /Tief-Tief/ — /täjü/
5. Negativstamm: /Tief-Tief/ — /tä^jü/
6. Imperativstamm : /Hoch-Tief/ — /täjü/
Klasse D: Beispielwort /ädi/ ziehen
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Mittel/ — /ädi/
2. Präteritalstamm: /Tief-Tief/ — /ädi/
3. Futurstamm: /Mittel-Tief/ — /adi/
4. Subjunktivstamm: /Tief-Tief/ — /ädi/
5. Negativstamm: /Tief-Tief/ — /ädi/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /ädi/
Klasse E : Beispielwort /robä/ angeln
1. Verbalnominalstamm: /Hoch-Hoch/ — /röbä/
2. Präteritalstamm : /Mittel-Mittel/ — /roba/
3. Futurstamm: /Mittel-Mittel/ — /roba/
4. Subjunktivstamm: /Mittel-Mittel/ — /roba/
5. Negativstamm : /Mittel-Mittel/ — /roba/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /röbä/
Klasse F: Beispielwort /änü/ essen
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Tief/ — /änü/
oder: /Tief-Hoch/ — /änü/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /anü/
oder: /Mittel-Mittel/ — /anu/
3. Futurstamm: /Mittel-Mittel/ plus Veränderung des
Anlautvokals zu /u/ — /unu/
4. Subjunktivstamm : /Tief-Tief/ — /änü/
oder: /Tief-Mittel/ — /änu/
5. Negativstamm : /Mittel-Tief/ — /anü/
oder: /Tief-Mittel/ — /änu/
oder : /Mittel-Mittel/ — /anu/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ plus Veränderung des
Anlautvokals zu /u/ — /unü/
Klasse G: Beispielwort /oka/ kaufen
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Mittel/ — /oka/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /okä/
3. Futurstamm: /Mittel-Mittel/ plus Veränderung des
Anlautvokals zu /u/ — /uka/
224 P. Anton Vorbichler
4. Subjunktivstamm: /Tief-Tief/ — /okä/
5. Negativstamm: /Mittel-Tief/ — /okä/
6. Imperativstamm : /Hoch-Hoch/ plus Veränderung des
Anlautvokals zu /u/ — /ükä/
Klasse H: Beispielwort /ome/ lachen
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Tief/ — /ome/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /om^/
3. Futurstamm: /Mittel-Tief/ plus Veränderung des
Anlautvokals zu /u/ — /ünie/
4. Subjunktivstamm : /Tief-Tief/ — /ome/
5. Negativstamm: /Mittel-Tief/ — /ome/
6. Imperativstamm : /Hoch-Tief/ plus Veränderung des
Anlautvokals zu /u/ — /ume/
Klasse I : Beispielwort /ere/ kommen
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Hoch/ — /ere'/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /ere/
3. Futurstamm: /Mittel-Mittel/ — /ere/
4. Subjunktivstamm : /Tief-Mittel/ — /ere/
5. Negativstamm: /Tief-Mittel/ — /ere/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /e're/
Klasse K: Beispielwort /äji/ wachsen, werden
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Mittel/ — /äji/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /aji/
3. Futurstamm: /Mittel-Tief/ — /aji/
4. Subjunktivstamm : /Tief-Mittel/ — /äji/
5. Negativstamm: /Tief-Mittel/ — /äji/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /äji/
KJasse L: Beispielwort /eka/ erwidern, antworten
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Mittel/ — /6ka/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /ekä
3. Futurstamm: /Mittel-Mittel/ — /eka/
4. Subjunktivstamm: /Tief-Tief/ — hkkj
5. Negativstamm : /Tief-Tief/ — /ekä/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /ekä/
Klasse M : Beispielwort /eye/ schütteln
1. Verbalnominalstamm: /Tief-Mittel/ — j^yef
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /ey6/
3. Futurstamm: /Mittel-Tief/ — /eye/
4. Subjunktivstamm: /Tief-Tief/ — jhyhj
5. Negativstamm: /Tief-Tief/ — jhyhj
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /eye/
Die tonale Struktur der Verbalklassen in den Waldnegersprachen 225
Klasse N: Beispielwort /eti/ geben
1. Verbalnominalstamm : /Tief-Mittel/ — /eti/
2. Präteritalstamm: /Mittel-Tief/ — /eti/
3. Futurstamm: /Mittel-Tief/ — /eti/
4. Subjunktivstamm: /Tief-Mittel/ — /eti/
5. Negativstamm: /Tief-Tief/ — /eti/
6. Imperativstamm: /Hoch-Hoch/ — /et!/
Klasse O : Beispielwort /hösi/ anschwellen
1. Verbalnominalstamm • /Tief-Mittel/ — /hösi/
2. Präteritalstamm : /Tief-Mittel/ — /hösi/
3. Futurstamm : /Fallend-Mittel/ — /hösi/
4. Subjunktivstamm : /Tief-Mittel/ — hösi/
5. Negativstamm : /Tief-Mittel/ — /hösi/
6. Imperativstamm : /Hoch-Hoch/ - - /hösl/
In diese 14 Verbalklassen lassen sich alle Verben aus dem von mir
analysierten Material des Balese-Süd einordnen. Dabei verhalten sich
von 491 Verben 89 nach Klasse A, 101 nach B, 102 nach C, 33 nach D,
79 nach E, 29 nach F, 41 nach G, 23 nach H, 6 nach 1, 2 nach K, 2 nach L,
6 nach M, 1 nach N, 7 nach 0. Es handelt sich dabei um Verben, die in
dem untersuchten Material in allen 6 Verbalstammarten vorkamen und
nicht etwa um die Gesamtheit der untersuchten Verben überhaupt. Es
ist deshalb möglich, daß bei der Analyse weiteren Materials die Verbal¬
klassen vermehrt werden müssen ; es ist auch die Möglichkeit nicht aus¬
geschlossen, daß die eine oder andere der aufgestellten Verbalklassen
das Ergebnis eines Fehlers auf Seiten des einheimischen Sprechers oder
des europäischen Auswerters ist rmd vielleicht später mit einer der unter¬
schiedenen Klassen zusammenfällt, aber am Wesentlichen der erläuterten
Einteilung in tonal differenzierte Verbalklassen läßt sich wohl nicht
rütteln.
3. Zusammenfassung.
In den Waldneger- und Pygmäensprachen der Ituri-Region spielt die
tonale Differenzierung im verbalen System eine wichtige Rolle. Jedoch
ist diese Rolle nicht für alle Gruppen dieser Sprachen dieselbe. Während
in der bantuischen Gruppe des Bira-Kumu die tonale Unterscheidung
scheinbar nur das Verhältnis des Verbalstammes zu seinen Affixen
betrifft", spielt sie in den ostsudanischen (oder zentral sudanischen) 11 Eine Arbeit über die tonale Struktur dos Verbums in Bira ist mittler¬
weile erschienen : Anton Vobbichler, Zur tonalen Struktur des Verbalsystems
im Wald-Bira (Ostkongo), Hamburger Beiträge zur Afrika-Kunde, Band 5,
1966, S. 258—264.
226 P- Anton Vorbichler, Die tonale Struktur der Verbalklassen
Gruppen des Mangbetu-Medje und des Balese-Bvuba-Efe-Mamvu bereits
beim affixlosen Stamm ihre Rolle. Dabei erscheint die tonale Differenzie¬
rung des Verbalstammes in der letztgenannten Gruppe viel ausgeprägter
und vielfältiger als in den Mangbetu-Medje Dialekten. Für das Mangbetu-
Medje wurde auf die Doppelfunktion der tonalen Differenzierung des
Verbalstammes hingewiesen: grammatisch und lexikalisch. Für das
Balese wurde nur die erstere in extenso behandelt. Es sei jedoch der
Vollständigkeit halber hier noch hinzugefügt, daß die lexikalische Unter¬
scheidung durch Tonhöhen bei den Verbalstämmen im Balese ebenfalls
von erheblicher Bedeutimg ist: /owa/ singen, /owä/ defäzieren; /oße/
tanzen, /öße/ Bäume fällen, usw.
Zum Bau der Aspekte im Westtschadohamitischen*
Von H. Jttngeaithmäyb, Marburg
I
Unter „Westtschadohamitisch" soll hier der Teil der tschadohamiti¬
schen Sprachen verstanden sein, der innerhalb der Grenzen Nordnige riens
anzutreffen ist. Gegen Osten schließen sich eine zentrale Gruppe —
Zentraltschadohamitisch" —, hauptsächlich auf Kameruner Boden,
und eine östliche Gruppe — ,,Osttschadohamitisch" — in der Republik
Tschad an. — Dies ist eine äußerlich-regionale Einteilung, die nur zum
Teil den linguistisch-strukturellen Verwandtschaftsverhältnissen zwischen
den einzelnen tschadohamitischen Sprachen Rechnung trägt. Solange
aber immer noch bedeutende Lücken in unserer Kenntnis dieser Sprachen¬
welt bestehen, kann und muß diese Art der Einteilung als relativ beste
Arbeitsbasis betrachtet werden.
Die westtschadohamitischen Sprachen lassen sich aufgrund bestimmter
lexikalischer und morphologischer Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede
in 7 Untergruppen einteilen :
1. Hausa^
2. Bade 3. Warja, Pa'a
4. Bolanci, Ngamo, Karekare
5. Tangale, Kanakuru (Dera), Wurkun, Pero
6. Angas, Sura, Ankwe, Chip, Tal, Gerka, Burrum, Montol
7. Ron: Bokkos, Daffo, Fyer, Scha, Kulere.
Über die ,,Diryawa, Miyawa, Sirawa; Gezawa, Seiyawa, Barawa of
Dass", die Greenberg* außer den genannten Sprachen noch in seiner
Gruppe Ic zitiert, liegen uns keine grammatischen Beobachtungen vor,
so daß wir sie vorläufig nicht klassifizieren können. — Auch vom Warja
und Pa'a (s. oben, Gruppe 3) stehen mir nur wenige Notizen zur Ver¬
fügung*. Diese Gruppe ist daher nicht in unsere Betrachtungen ein¬
bezogen worden. Ebenso muß das Bade (Gr. 2) vorläufig unberück¬
sichtigt bleiben, da die Aufzeichnungen von Prof. Lukas über diese
1 "Vortrag gehalten auf dem XVI. Deutschen Orientalistentag, der vom
1.—5. 8. 1965 in Heidelberg stattfand.
2 Die gesperrt gesetzten Namen bezeichnen Sprachen, die für diese
Untersuchung herangezogen werden konnten.
' Joseph H. Gbeenbebg, Languages of Africa, The Hague 1963, S. 46.
* 1964 in der Provincial Secondary School in Bauchi, Nordnigerien, auf¬
genommen.