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20 Kiemenfuß- (Branchiopoda) und Ruderfußkrebse (Copepoda)

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20 Kiemenfuß- (Branchiopoda) und Ruderfußkrebse (Copepoda)

Bearbeitet von Mario enGelMann, Hans PellMann & Volker neuMann

(1. Fassung, Stand: August 2019) Einführung

Taxonomisch handelt es sich bei den Großbranchio- poden um eine heterogene Gruppe, die Bestandteil der Klasse der Kiemenfußkrebse (Branchiopoda) ist und sich in die Ordnungen Anostraca (Schalenlose), Notostraca (Rückenschaler) und Diplostraca (Zwei- schalige) gliedern lässt (olesen & richter 2013). In Europa ist – bis auf Artemia spec. als Vertreter der Anostraca – allen diesen Tieren gemein, dass sie aus- schließlich in temporären Gewässern leben.

Die in den letzten 50 Jahren in Sachsen-Anhalt nachgewiesenen Anostraca gehören zu den Gat- tungen Eubranchipus, Tanymastix, Branchipus und Artemia, die mit jeweils einer Art vertreten sind.

Während Eubranchipus grubii und Tanymastix stagna- lis als „Frühjahresarten“ bezeichnet werden dürfen, ist Branchipus schaefferi den „Sommerarten“ zuzu- ordnen. Artemia spec. lebt in permanenten (stark salzigen) Gewässern und kann demzufolge über fast das gesamte Jahr beobachtet werden. Typischerweise können in allen einheimischen Vorkommen der An- ostraca beide Geschlechter beobachtet werden. Eine Ausnahme bildet auch hier Artemia spec.: für diese Art(en) liegen auch Berichte über nur aus Weibchen bestehenden Vorkommen vor (enGelMann et al. 2014).

Die Notostraca sind mit den Arten Lepidurus apus (Frühjahresart) und Triops cancriformis (Som- merart) in Sachsen-Anhalt vertreten. Die meisten Vorkommen bestehen aus weiblichen Tieren, obwohl auch Männchen nachgewiesen wurden (enGelMann

et al. 1996; stePhan 2008).

Der fast 100 Jahre alte Bericht von osterWald

(1920) enthält Nachweise für zwei weitere Spezies von Großbranchiopoden in unserem Bundesland:

Streptocephalus torvicornis (Anostraca) und Lynceus brachyurus (Diplostraca). Die Adulti der letztgenann- ten Art sind deutlich kleiner (zwischen 3 und 5 mm) als alle anderen hier genannten Großbranchiopoden.

In Vorkommen beider Arten sind typischerweise so- wohl männliche als auch weibliche Tiere zu beobach- ten (osterWald & schWan 1919, hoFMann 2016).

Die zu den Copepoda gehörenden, auffallend großen (etwa 5 mm Körperlänge) und blau gefärbten

Riesen-Ruderfußkrebse Hemidiaptomus (Gigantodiap- tomus) superbus und H. (G.) amblyodon leben in tem- porären Frühjahrsgewässern in Sachsen-Anhalt, in denen sich fast immer auch Vertreter der Großbran- chiopoden finden. Das und die Tatsache, dass diese beiden zur Ordnung der Calanoida gehörenden Arten diese auentypische Habitate bewohnen, veranlasste uns, auch sie in die vorliegende Arbeit aufzunehmen.

H. (G.) amblyodon scheint in Ost- und Mitteleuropa verbreitet zu sein, wurde aber nur selten beobachtet (kieFer 1973). Noch seltener sind die Nachweise von H.

(G.) superbus. Die Art wurde bislang weltweit in nur 13 Habitaten gefunden, von denen vier im Elbe-Ein- zugsgebiet liegen (Marrone et al. 2011).

Datengrundlagen

Zusätzlich zu den umfangreichen, insbesondere die alte Literatur berücksichtigenden Zusammenstellun- gen über die in Deutschland vorkommenden Groß- branchiopoden von neuMann & heidecke 1989, enGel-

Mann & hahn 2004; neuMann & heinze 2004, enGelMann

et al. 2014 und neuMann et al. (2016) wurden weitere, nach 2004 erschienene Publikationen ausgewertet.

Der Erstautor verwaltet eine kontinuierlich aktuali- sierte Datenbank für alle Großbranchiopodenvorkom- men auf dem Territorium der heutigen Bundesrepu- blik Deutschland. Die Datengrundlage dieser Arbeit entspricht dem Stand vom Mai 2018.

Die beiden letzten umfassenden Arbeiten zu den Ruderfußkrebsarten H. (G.) superbus und H. (G.) amblyodon stammen aus den Jahren 2011 und 2014 (Marrone et al. 2011; Martens 2014). Marrone und Mit- arbeiter (2011) gewähren u.a. einen Überblick über die weltweiten Fundorte der Arten. Martens (2014) lie- fert eine umfangreiche Darstellung der historischen und aktuellen Vorkommen auf dem Territorium der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Aus den Publi- kationen ist ersichtlich, dass die Vorkommen entlang der Elbe, insbesondere im Land Sachsen-Anhalt, nicht nur landes- sondern sogar weltweit von herausragen- der Bedeutung sind: Von den insgesamt fünf Nach- weisen, die für H. (G.) superbus nach 1950 erbracht wurden, stammt ein Nachweis aus einem Vorkom- men von Sachsen-Anhalt, nämlich aus Breitenhagen an der Elbe. Dabei wurden die Tiere bei Breitenhagen an insgesamt drei, räumlich z.T. durch den Deich von- einander getrennten Habitaten gefunden.

für Umweltschutz Sachsen-Anhalt

Halle, Heft 1/2020: 403–410

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Salinenkrebschen – Artemia spec. [Artemia salina (linnaeus, 1758)]

Alte Nachweise stammen aus den 1930er Jahren in salzhaltigen Abwässern und Teichen des Salzabbaus bei Staßfurt (Leopoldshall, jetzt Ortsteil von Staß- furt). Diese Vorkommen existieren nicht mehr. Ende der 1960er Jahre soll im NSG „Salzstelle bei Hecklin- gen“ auch Artemia spec. beobachtet worden sein.

Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es Nachweise für die Art in Gewässern einer Salzbergbauabraumhalde in Teutschenthal (FND „Salzstelle bei Teutschenthal- Bahnhof“) (enGelMann et al. 2014). Bei allen rezenten Vorkommen von A. spec. in Deutschland ist zu ver- muten, dass es sich um Ansalbungen verschiedener Artemia-Arten aus Europa und Nordamerikas handelt (thieneMann 1916, neuMann & heinze 2004; enGelMann

et al. 2014; neuMann et al. 2016). Spätestens Ende der 1940er Jahre waren Dauereier der kalifornischen Art A. franciscana auch in Deutschland verfügbar und wurden von Aquarianern als Fischaufzuchtfutter ge- nutzt (anonyMus 1949). Für die sichere Charakterisie- rung einer Salzkrebsart sind multidisziplinäre (ein- schließlich molekulargenetische) Untersuchungen und/oder Kreuzungsversuche notwendig (dost 2004).

Deshalb ist die genaue Artdetermination bis heute problematisch.

Frühjahreskiemenfuß – Eubranchipus grubii (dyboWski, 1860)

Der Frühjahreskiemenfuß ist in der Elbaue im Land Sachsen-Anhalt in vielen Vorkommen nachweis- bar. Manzke und Mitarbeiter (2014) vermuten, dass sich fast alle rezenten Vorkommen von E. grubii in

„grundwassernahen und bodenfeuchten ‚alten‘

Waldgebiete[n] und [in] erhalten gebliebenen Au- und Bruchwaldreste[n] (außerhalb der rezenten Auen)“ befinden. Der Bereich der Einmündung der Ohre in die Elbe (ehemalige Lehm- und Sandgrube Rogätz) weist besonders stabile Populationen auf.

Bislang unpublizierte Nachweise aus diesem Areal stammen aus den Jahren von 2002 bis 2018. Diese

zwischen Elbe und Elbdamm) zwischen 2007 und 2018 relativ stabil. Dort wurde der Frühjahres- kiemenfuß allerdings nur in der Flutrinne syntop mit L. apus beobachtet. Vergesellschaftet war(en) E. grubii (und z.T. auch L. apus) mit H. (G.) superbus und H. (G.) amblyodon.

Aktuelle Vorkommen des Frühjahreskiemenfußes sind auch aus den Bereichen der Elbaue bei Wörlitz (April 2016, Grosse, pers. Mitt.) und der Elster-Luppe- Saaleaue zwischen Leipzig und Halle bekannt (Grosse

& neuMann 2016).

Eigene Nachweise von E. grubii in Magdeburg stammen aus dem Monat April der Jahre 2006 und 2008 von der südlichen Grenze der Kreuzhorst und aus dem Herrenkrugpark in Elbnähe (auch vordeichs).

Wegen ausbleibender Frühjahrshochwässer konnten die Tiere in späteren Jahren dort nicht mehr nachge- wiesen werden. Aufgrund geplanter Deichbaumaß- nahmen ist die zukünftige Wiederbeobachtung im Bereich der Kreuzhorst fraglich.

Sommerkiemenfuß – Branchipus schaefferi (Fischer, 1834)

Der Sommerkiemenfuß kommt meist in Bereichen am Auenrand (Altaue) oder außerhalb der Aue vor, die durch entsprechende Nutzung (militärische Übungsgelände;

unbefestigte, landwirtschaftliche Wege) wasserrückhal- tende Senken und wenig Vegetation aufweisen. Auch die alten und erloschenen Vorkommen bei Magdeburg („Cracauer Anger“) lagen in einem z.T. militärisch ge- nutzten Gebiet. Seit dem Jahr 2010 wurden im Bereich der Elbaue nördlich von Magdeburg mehrere neue Vorkommen von B. schaefferi registriert: Ein Vorkommen konnte im Juni und Juli der Jahre 2016 bzw. 2017 in der Nähe von Bertkau auf einem Weg zwischen zwei teil- weise als Viehweiden genutzten Wiesen nachgewiesen werden. In Fahrspuren eines – offensichtlich konventio- nell bewirtschafteten (!) – Getreidefeldes unmittelbar am Elbe-Havel-Kanal bei Niegripp wurde im Juni 2016 und Juli 2017 B. schaefferi gemeinsam mit T. cancrifor- mis entdeckt. Weitere Beobachtungen des Sommerkie- menfußes stammen nördlich von Burg und in der Nähe

(3)

Abb. 1 a, b: Eubranchipus grubii aus dem Vorkommen bei Rogätz. a: Habitus eines männlichen Tieres mit den arttypischen Kopfanhängen;

b: Der arttypische Brutbeutel eines Weibchens, der sich caudal des 11. Blattbeinpaares befindet, vergrößert (Fotos: M. enGelMann, 24.04.2006). Abb. 2: Fahrspuren auf einem Weg zwischen zwei als Viehweiden genutzten Wiesen in der Nähe von Bertkau dienen als Habi- tate für Branchipus schaefferi (Foto M. enGelMann, 06.07.2017). Abb. 3: Weibliche (mit blauem Brutsack) und männliche Branchipus schaefferi (grün gefärbt) im in Abb. 2 gezeigten Habitat (Foto M. enGelMann, 06.07.2017).

1a

1b

2 3

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des Elbe-Havel-Kanales auf ausgefahrenen Feldwegen an bewirtschafteten Äckern (jeweils im Sommer 2013 und 2014; karGe, pers. Mitt.).

Westlich von Stendal zwischen Uengelingen und Belkau wurde B. schaefferi (z. T. gemeinsam mit T. cancriformis) an Feldwegen, die als Zuwegungen zu einem ehemaligen Übungsgelände (dietze 2008) dienen, im Juli 2013 und August 2016 beobachtet.

Die von dietze (2008) mitgeteilten Fundorte scheinen durch Teilbefestigung der Wege bedroht (dietze, pers.

Mitteilung). Mit der Öffnung des Truppenübungs- platzes Colbitz-Letzlinger Heide für faunistische Untersuchungen wurden gemeinsame und separate Vorkommen von B. schaefferi und T. cancriformis in Regenwasserlachen auf Fahrwegen im Südteil der Heide ab 2012 festgestellt (driechciarz 2012, neuMann

et al. 2016).

Das Vorkommen auf dem ehemaligen Übungs- gelände bei Halberstadt (nicolai 1994) ist erloschen (nicolai, pers. Mitteilung).

Eichener Kiemenfuß – Tanymastix stagnalis (linnaeus, 1758)

Es liegt nur ein Bericht über ein Vorkommen bei Wör- litz vor (Grosse & enGelMann 2002), das aber seit der Erstbeobachtung im Jahr 2001 nicht wieder bestätigt wurde. Im Bereich ist das Vorkommen von E. grubii und L. apus gut dokumentiert. Es bleibt abzuwarten, ob der Eichener Kiemenfuß am beschriebenen Ort

erneut beobachtet werden kann. Vorkommen von T.

stagnalis sind in der Elbaue bei Rühstädt (Branden- burg) (stePhan & schWartz 2004) und in – in unmittel- barer Grenznähe nach Sachsen-Anhalt – der Dannen- berger und Gartower Elbmarsch in Niedersachsen (Martens, pers. Mitteilung) bekannt.

Frühjahrsschildkrebs – Lepidurus apus (linnaeus, 1758) Ähnlich wie für E. grubii, mit dem nicht selten eine Vergesellschaftung beobachtet wird, spielt die Elbaue eine herausgehobene Rolle für das Vorkommen des Frühjahresschildkrebses. Dabei ist L. apus ebenfalls weniger an Bereiche mit Baumbestand gebunden und wird häufiger auf überfluteten Wiesenberei- chen beobachtet. Neuere Beobachtungen stammen aus der Elster-Luppe-Saaleaue z. T. gemeinsam mit E. grubii (siehe dort; April 2017, Grosse & neMann, pers. Mitt.) der Elbaue bei Wörlitz (gemeinsam mit E.

grubii, April 2016) und aus einem einzelnen, kleinen temporären Gewässer im Vordeichbereich bei Breiten- hagen (April 2017) und in Magdeburg im Stadtpark, am Südrand der Kreuzhort und Herrenkrugpark (April 2006 und 2008); in keinem der letztgenannten Berei- chen syntop mit E. grubii (zu separaten Vorkommen von E. grubii in denselben Bereichen siehe dort).

Sommerschildkrebs – Triops cancriformis (bosc, 1801) Dieser Notostrake gilt als Charaktertypus eines „Urzeit- krebses“. Im Gegensatz zu L. apus ist er meist größer und ihm fehlt – gattungstypisch – die häufig als „Fe- der“ wahrgenommene Verlängerung des Telsons. Die Habitatansprüche sind ähnlich wie die von B. schaeffe- ri. Ein neuer Nachweis – gemeinsam mit B. schaefferi (dort genauer angegeben) – gelang in einem Feld am Elbe-Havel-Kanal nördlich von Magdeburg. Das gemeinsame Vorkommen mit B. schaefferi auf dem

Abb. 4: Lepidurus apus (links Weibchen, rechts ein seltenes Männchen) aus dem Vorkommen bei Rogätz (Foto M. enGelMann, 18.04.2002).

Abb. 5: „Restpfütze“, in der sich einzelne Individuen von Lepidurus apus befanden, aus dem Vorkommen bei Rogätz. Die Pfütze wur- de – anhand der vorgefundenen Trittsiegel deutlich erkennbar – von Wildschweinen zur Futtersuche und möglicherweise auch zum Suhlen aufgesucht (Foto H. PellMann, 12.03.2015).

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ehemaligen Truppenübungsplatz bei Halberstadt muss als erloschen gelten (siehe B. schaefferi). Ein gemein- sames und solitäres Vorkommen von T. cancriformis und B. schaefferi besteht auf Fahrwegen im Südteil der Colbitz-Letzlinger Heide. Es wurde erstmals 2012 be- obachtet (driechciarz 2012, neuMann et al. 2016).

Ruderfußkrebse (Copepoda)

Hemidiaptomus (Gigantodiaptomus) amblyodon (Marenzeller, 1873)

Das Vorkommen von H. (G.) amblyodon in Sachsen Anhalt ist seit 1950 gesichert. Damals wurde die Art Anfang Mai etwa 20 km nördlich von Magdeburg in einer Sandgrube beobachtet (herbst 1951). Die neuen Funde stammen aus Breitenhagen. Dort wurde H.

(G.) amblyodon gemeinsam mit E. grubii und H. (G.) superbus nachgewiesen (s. a. Martens 2014).

Brillanter Riesen-Ruderfußkrebs – Hemidiaptomus (Gigantodiaptomus) superbus (schMeil, 1895) Die Erstbeschreibung von H. (G.) superbus datiert von 1895 und basiert auf einem Fund im Biederitzer Busch bei Magdeburg (schMeil 1895). Damit stammt sie – wie alle weiteren Funde – aus dem unmittel- baren Saale- oder Elbauengebiet (Martens 2014). An der Saale wurde die Art von 1926 bis 1928 im Dröbel- schen Busch bei Bernburg gefunden. An der Elbe ist – neben Pevestorf in Niedersachsen – Breitenhagen der aktuelle Vorkommensschwerpunkt der Riesen-Ruder- fußkrebse. Dort wurde der Brillante Riesen-Ruderfuß- krebs erstmals 1926 nachgewiesen und ist seit dem unregelmäßig bis einschließlich 2017 beobachtet worden. Damit ist es das älteste noch existierende

Vorkommen von H. (G.) superbus auf dem Territorium der heutigen Bundesrepublik Deutschland.

Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen

Die Dauereier von Großbranchiopoden behalten für mehr als 10 Jahre ihre Schlupffähigkeit. Ihr weiträumi- ger Transport in temporäre Gewässer erfolgt wahr- scheinlich durch Wasservögel (nach Darmpassage oder durch Anheftung an den Körper). Als Vektoren für eine lokale Verbreitung kommen Wildschweine in Frage, die – bei Massenansammlungen von Notostraken in kleinen Restpfützen – die Großbranchiopoden fressen, sich im Schlamm suhlen und mit der Schlammschicht Dauereier in andere Pfützen transportieren. Da das

„Gefressenwerden“ eher ihrer Verbreitung dient, kann die Gefährdung der Vorkommen von Großbranchio- poden und Riesen-Ruderfußkrebsen durch Prädatoren als vernachlässigbar gering eingeschätzt werden. Für sie stellt der Verlust temporärer Gewässer und Kleinst- gewässer im Überschwemmungsbereich und abseits der Flüsse die größte Bedrohung dar. In der rezenten Aue sind es nicht selten kleine Senken, die – z. T.

mit Bäumen und Sträuchern bewachsen – wichtige Lebensräume der Großbranchiopoden und Riesen-Ru- derfußkrebse bilden. In diesen Senken bleibt nach dem Rückzug des Hochwassers die Wasserfüllung noch aus- reichend lange erhalten, um den Tieren das Erlangen der Geschlechtsreife und die Produktion der Dauereier zu ermöglichen. Abseits der Aue sind es meist Fahrspur begleitende oder andere - meist Regenwasser gespeis- te - Tümpel, die den Lebensraum für diese seltenen Tiere liefern.

Abb. 5a, b: Hemidiaptomus (Gigantodiaptomus) superbus aus dem Vorkommen in einer Flutrinne bei Breitenhagen. a: Männchen; b: Weib- chen (Fotos h. PellMann, 06.07.2017).

a b

(6)

Der primäre Schutz der Vorkommen besteht in der Erhaltung und – wo möglich – auch in der Verstärkung der Geländeprofilierung. Im Bereich der Elbe kommt es durch Eindeichung in vielen Abschnitten nicht mehr zu großräumigen Überflutungen, die der natürlichen Auendynamik folgen und Bodensenken weit abseits des Flusslaufes mit Wasser füllen. Stattdessen spielen Druckwasser oder andere mit einem hohen Wasserpe- gel der Flüsse und in der rezenten Aue einhergehende Pfützenbildungen in Bodensenken und Gräben vor- wie hinterdeichs die wichtigste Rolle für die Entste- hung temporärer Gewässer. Dabei steht die extensive forst- oder landwirtschaftliche oder auch die militäri- sche Nutzung der Erhaltung der Habitate und damit dem Vorkommen der Tiere nicht entgegen. Sie kann, eine entsprechend schonende Vorgehensweise voraus- gesetzt, sogar förderlich für die Bildung von tempo- rären Gewässern sein. Verhindert werden muss eine

Umwandlung temporärer in permanente Gewässer, weil in ihnen die Tiere nicht mehr ihren Lebenszyklus durchlaufen können und dem Konkurrenzdruck unter- liegen (Manzke et al. 2014). Darüber hinaus stellt die Verfüllung von Bodenvertiefungen - wie Fahrspuren auf Wiesen und Feldwegen oder Senken - eine Bedro- hung für die Vorkommen dar, weil dadurch die Bildung temporärer Kleinstgewässer verhindert wird, auf die insbesondere die Sommerarten angewiesen sind.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich für Fundmitteilungen herzlich bei den Kollegen Mario birth (Burg), Holm dietze (Stendal), PD Dr. Wolf-Rüdiger Grosse (Halle), Andreas karGe (Burg), Dr. Johannes Martens (Ham- burg), Dr. Bernd nicolai (Halberstadt) und Dr. Fritz rothe (Magdeburg).

Art (wiss.) Art (deutsch) Kat. Bem.

Branchiopoda Kiemenfußkrebse

Branchipus schaefferi (Fischer, 1834) Sommerkiemenfuß 1 § BA

Eubranchipus grubii (dyboWski, 1860) Frühjahreskiemenfuß 3

Lepidurus apus (linnaeus, 1758) Frühjahresschildkrebs 3

Lynceus brachyurus o.F. Müller, 1776 Dickbauchkrebs 0 § BA, 1917 01)

Streptocephalus torvicornis (WaGa, 1830) 0 1914 02)

Tanymastix stagnalis (linnaeus, 1758) Eichener Kiemenfuß 1 § BA

Triops cancriformis (bosc, 1801) Sommerschildkrebs 2

Copepoda Ruderfußkrebse

Hemidiaptomus (Gigantodiaptomus) amblyodon (Marenzeller, 1873) 1

Hemidiaptomus (Gigantodiaptomus) superbus (schMeil, 1895) Brillanter Riesen-Ruderfußkrebs 1 Nomenklatur nach Flössner (1972), brtek & Mura (2000) und Marrone et al. (2011).

(AZ = 0) (AZ = 2)

Ruderfußkrebse

0 – Ausgestorben oder verschollen - - - -

R – Extrem seltene Arten mit geographischer

Restriktion - - - -

1 – Vom Aussterben bedroht - - 2 100,0

2 – Stark gefährdet - - - -

3 – Gefährdet - - - -

Gesamt - - 2 100,0

(7)

Abkürzungen und Erläuterungen, letzter Nachweis/Quelle (Spalte „Bem.“)

§ - Gesetzlicher Schutz nach § 7 (2) Nr. 13 u. 14 Bundesna- turschutzgesetz bezüglich Anhang A und B der EG-VO Nr. 338/97, FFH-Richtlinie Anhang IV, Vogelschutz- Richtlinie (Europäische Vogelarten) und Bundesarten- schutzverordnung Anlage 1: § – besonders geschützte Art: EG-VO Anhang A und B (EG A, EG B), FFH Anhang IV, Europäische Vogelarten (VR) und BA Anlage 1; § – (fett) streng geschützte Art: EG-VO Anhang A (EG A), FFH Anhang IV und BA Anlage 1, Kreuz in Spalte 3 BA - Bundesartenschutzverordnung

01) - Für die Frühjahresart ist ein aus dem Jahr 1917 stammender alter Nachweis (osterWald 1920) bei

Zörbig im „Ruchtendorfer Tümpel“ („Ruchtendorfer Loch“) bekannt. Auf den aktuellen Zustand des Habi- tats wurde bei S. torvicornis hingewiesen.

02) - Zum Vorkommen von S. torvicornis im „Ruchtendor- fer Tümpel“ („Ruchtendorfer Loch“) besteht nur ein in das Jahr 1914 zu datierender Fund durch oster-

Wald und schWan (1919). Bei gelegentlicher Überprü- fung des Habitats wurde die Art (wie auch der dort ebenfalls vergesellschaftete L. brachyurus – siehe dort) nicht wieder beobachtet. Es ist zweifelhaft, ob der „Ruchtendorfer Tümpel“ in seiner jetzigen Aus- stattung noch als Habitat für Großbranchiopoden geeignet ist.

Literatur

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(8)

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182–191.

Anschriften der Autoren Prof. Dr. Mario Engelmann

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Institut für Biochemie und Zellbiologie AG Neuroendokrinologie & Verhalten Leipziger Str. 44/Haus 1

39120 Magdeburg

E-Mail: mario.engelmann@med.ovgu.de

PD Dr. Volker Neumann Säuleneichenweg 6 06198 Salzatal OT Lieskau

E-Mail: volker.neumann.col@gmx.de

Dr. Hans Pellmann Museum für Naturkunde Otto-von-Guericke Straße 68 -73 39104 Magdeburg

E-Mail: hans.pellmann@museen.magdeburg.de

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