Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen KURZBERICHTE
mit insgesamt 30 116 Mitgliedern), Frau Prof. Dr. med. Hanna Neu- meister, CDU-Bundestagsabge- ordnete, Hildesheim, vor der Pres- se in Bonn sagte, will sich der im Herbst 1982 ins Leben gerufene Förderkreis speziell dafür einset- zen, Selbsthilfegruppen „vor Ort"
zu aktivieren und auf die unter- schiedlichsten Arbeitsgemein- schaften und Therapiemöglichkei- ten hinzuweisen.
Die Deutsche RRheumaliga hat
„aus aktuellem Anlaß" sechs For- derungen angemeldet:
1. Verstärkung und Entbürokrati- sierung der Erforschung von Ent- stehungsbedingungen rheumabe- zogener Grundlagenforschung in Verbindung mit der angewandten Forschung, z. B. über die Rolle von Viren sowie über immunologi- sche Vorgänge bei der chroni- schen Polyarthritis, vor allem auch im Hinblick auf medikamentöse Wege der Frühbehandlung.
2. Förderung epidemiologischer Erhebungen über die rheumati- schen Erkrankungen, erleichtert durch die Sicherung einer Stan- dardqualität der Diagnostik durch Anwendung von wissenschaftlich fundierten Standardkriterien.
3. Arbeitsmedizinische Konse- quenzen aus der auffallenden Dis- krepanz zwischen der Zahl von Ar- beitern einerseits und Angestell- ten andererseits sowie zwischen Frauen und Männern bei der Früh- berentung infolge Krankheiten des Stütz- und Bewegungsappa- rates.
4. Stärkere Beachtung der Prä- vention und von Maßnahmen zur Früherkennung.
5. Schaffung von Möglichkeiten wohnortnaher, kontinuierlicher Behandlung.
6. Stärkung des Selbsthilfegedan- kens bei gleichzeitiger Koordinie- rung der Selbsthilfe mit der Ärzte-
schaft. EB
Kostenersparnis im Krankenhaus — aber wie ist das zu erreichen?
Voraussetzungen: Moderne Organisationsstrukturen und Abbau der Eigenwirtschaftlich- keitshemmnisse
Die Kostendynamik vor allem im stationären Sektor des Gesund- heitswesens sei sowohl im poli- tisch bedingten Finanzierungs- und Planungssystem als auch auf einer Reihe gravierender Organi- sationshemmnisse und -mängel in der nach gemeinwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichteten Dienst- leistungswirtschaft „Kranken- hausbetrieb" begründet. Diese These will Prof. Dr. rer. pol. Sieg- fried Eichhorn, Geschäftsführen- des Vorstandsmitglied des Deut- schen Krankenhausinstituts (DKI), Düsseldorf, an den Beginn der wieder aufgeflammten Kranken- haus-Finanzierungsdiskussion ge- stellt wissen.
Der Düsseldorfer „Gesundheits- ökonom", der soeben in die 14köpfige Sachverständigenkom- mission für Fragen der Finanzie- rung der Krankenhäuser berufen wurde, empfiehlt den Gesund- heitspolitikern, nicht nur von tat- sächlich bestehenden Kosten- ersparnispotentialen zu reden, Ar- beitsteilung, Zentralisierung, mehr Information, Kooperation und Koordination zu empfehlen, son- dern vielmehr auch die Vorausset- zungen dafür zu schaffen, um die
„Implementieru ngshemmn isse"
neuer, moderner Organisations- formen im Krankenhausbereich abzubauen. Um die Finanzgeba- rung zu verbessern und adäquate Betriebsorganisationsformen zu entwickeln, müsse dem Kranken- hausträger mehr unternehmeri- sche Selbständigkeit eingeräumt werden, um sich flexibel den sich ständig ändernden Verhältnissen und dem besonders sensiblen per- sonalintensiven Bereich anzupas- sen. Die Betriebsführung müsse aus dem Stadium der bloßen Ka-
meralistik und Verwaltung (in der sich manche Krankenhausträger wohl fühlen) herausgeführt und mit den Kategorien des modernen Managements und der Betriebs- wirtschaft vertraut gemacht wer- den.
Sämtliche Mitglieder der Kranken- hausleitung müßten systematisch auf die Pluralität der Betriebsziele und das weitgefächerte Spektrum der Leistungserstellung vorberei- tet werden. Dies betreffe sowohl den ärztlichen als auch den pfle- gerischen Dienst. Verstärkt werde das überkommene Denkschema vor allem dadurch, daß sich viel- fach humanitäre und karitative Vorstellungen und Aufträge mit den gegebenen ökonomischen Begrenzungen polarisieren.
Versäulte Strukturen
Nach Eichhorns Meinung steht vielfach das Selbstverständnis des Krankenhausträgers ökonomi- schen Strategien entgegen; zu- mindest verkennt es streckenwei- se die richtige Anwendung und zielgerechte Dosierung.
Der Wissenschaftler bemängelt, daß das Führungsverhalten und die Leitungsorganisation im Kran- kenhaus nicht den Anforderungen eines interdisziplinär und hoch- gradig arbeitsteilig organisierten Prozesses der Leistungserstellung entspricht. Erschwerend falle ins Gewicht, daß der klinisch selb- ständig tätige berufsgruppenbe- zogene „Arztdienst" wenig in die Gesamtorganisation des Kranken- hauses integriert sei. Der ärztliche, der pflegerische und der verwal- tungstechnische Bereich seien zu- dem zu sehr versäult und fühlen sich nur durch separate Berufs- gruppen vertreten, so daß sich die Angehörigen nicht so sehr mit der Institution „Krankenhaus" auch ideell und im Hinblick auf die öko- nomischen Begrenzungen identi- fizierten.
Eine weitere Hauptstörquelle sei in dem jeglichen betriebswirt- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 20 vom 20. Mai 1983 103
Kropfhäufigkeit bei Kindern
35,8
In Prozent bei:
Mädchen ...
Jungen
6 Jahre 9 Jahre 12 Jahre 15 Jahre
Eine erschreckend hohe Zahl von Kindern, die unter einer vergrößerten Schilddrüse (Kropf) leiden, wurde bei einer Untersuchung von über 1700 Schulkindern im Alter zwischen 6 und 15 Jahren an der Universitäts-Kinder- klinik Göttingen festgestellt. Besonders auffallend ist dabei, daß Schilddrü- senvergrößerungen bei Mädchen häufiger sind als bei Jungen. Die Ärzte der Göttinger Klinik empfehlen daher eine Vorbeugung mit jodiertem Speisesalz bereits vom frühesten Kindesalter an. Ebenso wichtig ist aber auch, daß Schwangere und stillende Mütter rechtzeitig mit Jodsalz den in der Nahrung vorhandenen Jodmangel ausgleichen. Darauf wiesen Prof. Dr. med. Peter Stubbe und Privatdozent Dr. med. Peter H. Heidemann, beide Kinderklinik und Poliklinik der Universität Göttingen, im Zusammenhang mit einer zwei- jährigen empirischen Untersuchung über die Folgen des naturbedingten Jodmangels hin (vgl. auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 6/1983) pra-Bild Spektrum der Woche
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schaftlichen Erkenntnissen wider- sprechenden Finanzierungs- und Steuerungssystem zu sehen. Die Verwaltung nutze den bequemen Weg, „Kosten zu machen", Kosten nachzuweisen und diese über den Pflegesatz wieder „hereinzuho- len". Eichhorn fragt deshalb pro- vozierend: „Wer möchte schon freiwillig einen Naturschutzpark verlassen?" Auch die bedarfswirt- schaftliche Struktur des Beschaf- fungswesens, der Finanzierung und Preisgestaltung sowie zentral- verwaltungswirtschaftliche Aufla- gen durch Gesetze, Verordnun- gen, Erlasse und Richtlinien er- schwerten eine erwerbswirtschaft- liche Dynamik, ließen jeden not- wendigen Druck auf Rationalisie- rungsmaßnahmen vermissen (ein Gutachten im Auftrage des Bun- desarbeitsministeriums weist Ra- tionalisierungsreserven im nicht- medizinischen Bereich der Kran-
kenhäuser zum Teil bis zu 30 Pro- zent nach).
Rationalisierung durch admini- strative Maßnahmen zu erzwin- gen, zielt nach aller Erfahrung ins Leere, weil niemand zu veranlas- sen ist, sich diametral gegen seine eigenen Interessen zu verhalten, kommentiert der Düsseldorfer Professor. Auch im Krankenhaus- bereich sei das Leistungsangebot
— zum Teil regional und auf die einzelnen Spezialitäten bezogen — übersetzt. Dies führe dazu, daß sich einzelne Hospitäler zu sehr abschotteten, die Kooperation mit anderen Häusern scheuten und befürchteten, daß Außenstehende und Kontrollorgane Einblick in die vorgehaltenen Überkapazitäten gewinnen könnten. Dadurch, daß die Krankenhäuser zur ständigen Leistungsbereitschaft verpflichtet sind und bestimmte Kapazitäten
auch für den Akut- und Extremfall vorhalten müßten, seien sie von jeher auf ein gewisses der Ökono- mie entgegenlaufendes Autarkie- streben bedacht, um möglichst unabhängig und ohne äußeren Einfluß zu bleiben. Unwirtschaft- lichkeit würde auch dadurch in den Hospitalbetrieb hineingetra- gen werden, daß pluralistische und solitäre Krankenhausträger- strukturen ein Nebeneinander von Einzelkrankenhäusern unter- schiedlicher Trägerschaften auch bei nicht optimaler Betriebsgröße begünstigten.
Grenzen
der Krankenhauswirtschaft beachten
Der „goldene Zügel" der staatli- chen Finanzierungsförderung, Be- willigung und Kontrolle würden sich negativ nicht nur auf die Standortwahl, die Ausstattung mit Betten und ärztlichem sowie pfle- gerischem Personal auswirken, sondern auch die Aufbauorganisa- tion sowie den Betriebsablauf ne- gativ beeinflussen. Dadurch wür- den wohlverstandene Anregun- gen, Vorschläge und Maßnahmen, etwa im Hinblick auf mehr Koope- ration, Verbundwirtschaft, bessere Information, rentable Kapazitäts- auslastung und räumliche wie ap- parative Konzentration ausge- schlagen und mißachtet.
Das Streben nach neuen Organi- sationsstrukturen und Rationali- sierungsgewinnen dürfe aber nicht so weit führen, versieht Eich- horn seine Ratschläge, daß vorei- lig und unbesehen solche Maß- nahmen und Verfahrenstechniken auf das Krankenhaus und den
„Medizinbetrieb" insgesamt über- tragen werden, die sich im er-
we rbswirtschaftl ich-privatwirt- schaftl ichen Unternehmensbe- reich bewährt haben. Die spezifi- schen Gegebenheiten erfordern es, stets abzuwägen, ob die Erfah- rungen und Erkenntnisse aus der Unternehmenswirtschaft die Transferierung begrenzen oder ei-
ne Adaption verlangen.
Dr. Harald Clade
104 Heft 20 vom 20. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A