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Erosion der Normalarbeit und soziale Ungleichheit

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Academic year: 2022

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https://doi.org/10.7892/boris.69509 | downloaded: 1.2.2022

Erosion der Normalarbeit und soziale Ungleichheit

Andreas Diekmann und Ben Jann Professur für Soziologie, ETH Zürich

Kontakt: jann@soz.gess.ethz.ch

Gliederung:

Einleitung

Erosion der Normalarbeit in CH und D

„Atypische“ Arbeit und soziale Ungleichheit

Diskussion

(2)

Einleitung:

Rege Diskussion über die These der „Erosion der Normal- arbeit“ in den letzten 20 Jahren:

In Zuge der Individualisierung und der Flexibilisierung der Arbeitswelt würden Normalarbeitsverhältnisse schrittweise durch „atypische“ Arbeitsformen – d.h. neue, flexible und moderne, aber auch prekäre und ungeschützte, nicht am traditionellen Leitbild ausgerichtete Formen von Arbeit – abgelöst.

Unter „Normalarbeit“ wird i.d.R. eine Vollzeitbeschäfti- gung mit unbefristetem Arbeitsvertrag, Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit vom Arbeitgeber sowie sozialver- sicherungspflichtigem Einkommen verstanden.

(3)

Kommission für Zukunftsfragen 1998:

„Noch Anfang der siebziger Jahre standen (. . . ) ei- nem Nicht-Normbeschäftigten fünf Normbeschäftigte gegenüber. Anfang der achtziger Jahre lag das Ver- hältnis bei eins zu vier, Mitte der achtziger Jahre be- reits bei eins zu drei. 1996 lag es bei eins zu zwei.

(. . . ) Bei Fortschreibung dieses Trends wird das Ver- hältnis von Norm- und Nicht-Normarbeitsverhältnissen in wenigen Jahren bei eins zu eins liegen. Nur die

Hälfte der abhängig Beschäftigten hätte dann noch dauerhafte, arbeits- und sozialrechtlich abgesicherte Vollarbeitsplätze, ohne dass die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt zugenommen hätte.“

(4)

Dass neue Arbeitsformen wie z.B. Teilzeitarbeit zugenom- men haben, ist unbestritten. Dies bedeutet aber noch lan- ge nicht, dass diese Zunahme auf Kosten der Vollzeitar- beitsplätze geht.

Zwei Hypothesen:

1. Substitution: Normarbeitsverhältnisse werden durch atypi- sche Beschäftigungsformen verdrängt.

2. Expansion: Der relative Rückgang der Normalarbeit

kommt durch eine überproportionale Zunahme von aty- pischen Arbeitsverhältnissen (und der damit einhergegen- den Ausweitung der Erwerbspartizipation) zu Stande. Ab- solut gesehen (bzw. relativ zur Bevölkerung im erwerbs- fähigen Alter) nimmt der Stellenwert der Normalarbeit jedoch nicht ab.

(5)

Erosion der Normalarbeit in der Schweiz:

Erwerbsstatus: Schematische Darstellung Bevölkerung

Nichterwerbspersonen Erwerbspersonen

Erwerbstätige Arbeitslose

Abhängig Erwerbstätige Selbständige Auszubildende

Vollzeit Teilzeit Geringfügig

Normalarbeit Befristet

(6)

97.8 97.1 96.2

93.5

73.2 71.1

69.0

59.5

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

1970 1980 1990 2000

Normalarbeit: Männer (16−64)

75.3

67.4

60.1

52.0

30.5 28.9 29.3

27.0

Quelle: Eidg. Volkszählungen 0

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

1970 1980 1990 2000

Normalarbeit: Frauen (16−64)

an abhängig Erwerbstätigen an Bevölkerung

(7)

Quelle: Eidg. Volkszählungen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozent

15 20 30 40 50 60 70 80

Alter

Normalarbeit: Männer

(8)

Quelle: Eidg. Volkszählungen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozent

15 20 30 40 50 60 70 80

Alter

1970 1980 1990 2000

Normalarbeit: Frauen

(9)

Erosion der Normalarbeit in (West-) Deutschland:

93.8 93.2

90.1

73.8 75.8

70.4

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

858687888990919293949596979899000102

Normalarbeit: Männer (25−55)

52.8 52.1

47.3

26.3

29.9 30.5

Quelle: GSOEP, gewichtet 0

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

858687888990919293949596979899000102

Normalarbeit: Frauen (25−55)

(10)

Zusammenfassung 1. Teil:

Bis Ende der 80er Jahre: „Erosion“ der Normalarbeit haupt- sächlich aufgrund des starken Wachstums der Frauener- werbsquote (Hypothese 2)

Seit Anfang der 90er Jahre: Deutliche Anzeichen für eine tatsächliche Verdrängung von Normalarbeitsverhältnissen durch „atypische“ Beschäftigungsformen bei den Männern (Hypothese 1)

(11)

„Atypische“ Beschäftigung und soziale Ungleichheit:

Befürchtet wird u.a., dass der Prozess der Erosion der Nor- malarbeit zu erhöhter sozialer Ungleichheit führt.

Zwei Fragen:

Hat die soziale Position einen Einfluss auf die Beschäf- tigungsform? Ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit atypischer Arbeit grösser für Personen mit tiefer Bildung?

Steigt bei Erosion der Normalarbeit die soziale Ungleich- heit? Erhöht beispielsweise atypische Beschäftigung das Armutsrisiko?

(12)

Atypische Arbeit (nur ab- hängig Beschäftigte)

Männer N =9477 Frauen N = 9740 Modell 1 Modell 2 Modell 1 Modell 2 Konstante −1.428∗∗∗ −1.859∗∗∗ 0.797∗∗∗ 1.776∗∗∗

Bildung (Obligatorische Schule):

Berufslehre u.Ä. −0.912∗∗∗ −0.544∗∗∗ −0.030 0.255∗∗

Matura u.Ä. 0.785∗∗∗ 0.874∗∗∗ 0.235 0.706∗∗∗

Höhere Berufsausbildung −0.766∗∗∗ −0.239 −0.073 0.358∗∗

Hochschule 0.205 0.472∗∗ −0.047 0.297

Ausländer/in −0.036 −0.819∗∗∗

Zivilstand (verheiratet):

Ledig 0.650∗∗∗ −1.810∗∗∗

Geschieden/verwitwet 0.148 −1.250∗∗∗

Berufl. Position (ohne Vorgesetztenfunktion):

In Unternehmensleitung −0.957∗∗∗ −0.883∗∗∗

Mit Vorgesetztenfunktion −0.806∗∗∗ −0.714∗∗∗

Wirtschaftsabschnitt (tertiärer Sektor):

Primärer Sektor −0.246 0.628

Sekundärer Sektor −0.799∗∗∗ −0.606∗∗∗

(13)

ISCO-Berufe (Bürokräfte):

Führungskräfte −0.002 −0.440∗∗

Akademiker 0.618∗∗∗ 0.344∗∗

Techniker u.Ä. 0.065 −0.052

Dienstleistung/Verkauf 0.469∗∗ 0.287∗∗∗

Landwirtschaft 0.529 −0.331

Handwerker u.Ä. 0.001 −0.444∗∗

Anlagen/Maschinenbediener −0.465 −0.971∗∗∗

Hilfsarbeitskräfte 0.536∗∗ 0.844∗∗∗

Altersgruppen (35-39):

Alter 15-19 2.286∗∗∗ 0.646∗∗

Alter 20-24 0.752∗∗∗ −0.678∗∗∗

Alter 25-29 0.205 −0.834∗∗∗

Alter 30-34 0.008 −0.333∗∗∗

Alter 40-44 0.110 0.024

Alter 45-49 0.087 −0.112

Alter 50-54 −0.174 −0.206

Alter 55-59 0.197 −0.046

Alter 60-64 1.055∗∗∗ 0.539∗∗∗

Pseudo R2 0.053 0.169 0.002 0.186

(14)

Armutsrisiko Männer (N = 7328) Frauen (N =6592)

Atypische Beschäftigung 2.109∗∗∗ 1.714∗∗∗

(8.07) (8.14)

Bildungsjahre −0.149∗∗∗ −0.183∗∗∗

(−3.75) (−4.17)

Ausländer/in 0.654∗∗ 0.602∗∗

(3.27) (3.09)

Verheiratet 0.174 −0.878

(0.78) (−1.89)

Atypische Besch. × verheiratet −0.981 −0.423

(−2.54) (−0.88)

Konstante −2.649∗∗∗ −1.717∗∗

(−5.07) (−3.07)

Pseudo R2 0.073 0.077

Quelle: SAKE 2003, gewichtet, nur abhängig Beschäftigte; Abhängige Variable: Haushaltseinkommen

<Median-Haushaltseinkommen/2 (stratifiziert nach Haushaltsgrösse)

(15)

Zusammenfassung 2. Teil:

„Atypische“ Beschäftigung ist keineswegs nur ein notwendi- ges Übel für Personen am unteren Ende der sozialen Hierar- chie, sondern auch ein Privileg besser Gebildeter. Die Frage ist, wie man zwischen „guten“ und „schlechten“ atypischen Jobs unterscheiden kann.

Trotzdem kann ein Einfluss der Beschäftigungsform auf das Armutsrisiko ausgemacht werden. Inwieweit die soziale Un- gleichheit insgesamt durch die Ausweitung atypischer Be- schäftigung beeinflusst wurde, ist in einer Längsschnittbe- trachtung noch zu klären.

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