• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Mißtrauen und Kritik" (12.12.1974)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Mißtrauen und Kritik" (12.12.1974)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Information:

Bericht und Meinung

TAGUNGSBERICHT

Tief mißtrauisch gegenüber den Vorschlägen der Bundesregierung zur Novellierung des Kassenarzt- rechtes äußerte sich der Erste Vor- sitzende des Verbandes der an- gestellten und beamteten Ärzte Deutschlands (Marburger Bund) Dr. Erwin Odenbach anläßlich der 46. Hauptversammlung seines Ver- bandes am 30. November 1974 in Köln. Nachdrücklich lehnte der Marburger Bund eine „staatlich re- glementierte Niederlassungslen- kung" ab. Bevor Niederlassungs- sperren erwogen würden, sollten im Bemühen um eine gleichmäßi- gere Verteilung der ärztlichen Ver- sorgung erst andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen heute allerdings erst mit unter- schiedlichem Erfolg praktiziert würden. Um den sich abzeichnen- den Konsequenzen entgegenzuwir- ken, sollte der gesamte Maßnah- menkatalog der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung aktiviert werden. Namentlich erwähnte Odenbach eine bewußt höhere Ho- norierung kassenärztlicher Lei- stung in unterversorgten Gebieten, ferner die Errichtung von Ärztehäu- sern, die zeitlich befristete Finan- zierung von Mietpraxen und Miet- wohnungen für Ärzte sowie eine großzügigere Förderung sämtlicher Formen gemeinsamer ärztlicher Berufsausübung. Zur Palette mögli- cher Maßnahmen zählte Odenbach ferner die „Bereitstellung" und Be- zahlung von Vertretern durch die KVen, den vorübergehenden Ein- satz ausländischer Ärzte, die un- mittelbare Beteiligung von leiten- den Krankenhausärzten an der kassenärztlichen Versorgung (also nicht nur auf Überweisung), ferner die Ermächtigung von Assistenz- ärzten und Oberärzten an Kran- kenhäusern unter der Vorausset- zung, daß diese Krankenhäuser die Nebentätigkeitsgenehmigung ertei- len.

An die Adresse der Krankenhaus- träger gerichtet, sagte Odenbach:

„Die Verweigerung der Nebentätig- keitsgenehmigung durch Kranken- häuser in der Hoffnung, der Auftrag zur Teilnahme an der kassenärztli- chen Versorgung werde ihnen eini- ge Monate später ohnehin seitens der Krankenkassen unwiderruflich erteilt, wäre ein bemerkenswerter Mißbrauch. Vorher aber hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen al- lenfalls noch die Möglichkeit der Beteiligung der Krankenhäuser selbst als Institution mit der Mög- lichkeit des Widerrufs."

Für mehr Beteiligungen und Ermächtigungen

Die Forderungen des MB-Vorsit- zenden mündeten denn auch in zwei fast einstimmig angenomme- nen Entschließungen, die auf eine Neufassung des § 368 der Reichs- versicherungsordnung abzielen. Die Erweiterung des § 368 a Nr. 8 RVO soll bewirken, daß eine Beteiligung von angestellten und im Beamten- verhältnis stehenden Ärzten über den Kreis der leitenden Kranken- hausärzte hinaus auch auf andere Fachärzte am Krankenhaus ausge- dehnt werden kann, wenn deren persönlich erbrachte Leistungen ge- eignet sind, die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung qualitativ und quantitativ zu ergän- zen. An die Kassenärztlichen Verei- nigungen wird in einer weiteren Entschließung appelliert, mehr von dem Instrument der „Ermächti- gung" — auch von Krankenhaus- ärzten in nicht leitender Stellung — Gebrauch zu machen.

Bessere Arbeitsbedingungen für Landärzte

An die Krankenhäuser in ländli- chen Gebieten appellierte der Mar- burger Bund, in Zukunft erheblich

bessere Arbeitsbedingungen als Großstadtkrankenhäuser zu bieten.

Honorierungszuschläge auf c em Land und Abschläge in der Siadt für Kassenärzte sollten in jedem Falle Vorrang vor Zulassungs- sperren haben. Den Vorschlag, mit Hilfe eines „Facharztes für Öffentli- ches Gesundheitswesen" den e ku- ten Ärztemangel im Bereich des öf- fentlichen Gesundheitswesens be- heben zu wollen, bezeichnete Dr.

Odenbach als einen „nicht ernst zu nehmenden Beitrag".

Sozialminister Geißler für Bedarfspläne

Dr. Heinrich Geißler, rheinland- pfälzischer Sozialminister, traf als Gastreferent auf der MB-Hauptver- sammlung nicht immer auf urige- teilten Beifall. Er lobte den Gesetz- entwurf des Freistaates Bayern zur Weiterentwicklung des Kassenarzt- rechtes, der seiner Ansicht nach durchaus in den „Rahmen einer freiheitlichen Gesellschaft" passe und der die „Bedürfnisse der 13ür- ger" im Auge habe.

CDU-Sozialexperte Geißler arpel- lierte an die zuständigen Ressorts, schon bald Bedarfspläne aufzustel- len. Rheinland-Pfalz werde jeden- falls bereits jetzt einen Bedarfsplan erstellen und nicht darauf warten, bis „wir eine Reform der Rek-dels- versicherungsordnung mit dem Stufenplan und den Vorschlägen des Bundesarbeitsministers auf dem Tisch haben."

Die Bedarfsplanung müsse sicher- stellen, daß sie tatsächlich alle maßgebenden Faktoren unter Ein- schluß der Erfordernisse der _an- desplanung berücksichtige. Die von den einzelnen Kassenärztli- chen Vereinigungen erstellten Strukturanalysen böten dazu die notwendige Basis, müßten jedoch noch ergänzt und durch Informatio- nen seitens der Bedarfsträger der ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung „effizienter" gemacht wer- den. Im übrigen sprach sich Geiß- ler für eine stärkere Integration von ambulanter und stationärer Versor-

Mißtrauen und Kritik

Marburger Bund diskutiert Reformpläne

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 50 vom 12. Dezember 1974

3597

(2)

Aus den Beschlüssen der

Hauptversammlung des Marburger Bundes

Förderung von „Mietpraxen"

Der Marburger Bund fordert die KVen auf, in ärztlich unterversorgten Gebieten Praxisräume und Praxis- einrichtungen sowie gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Gemeinden, ausreichende Wohnmöglichkeiten bereitzustellen, die den an einer Niederlassung in diesen Gebieten interessierten Ärzten gegen entspre- chende Miete zur Verfügung gestellt werden.

Gegen Zulassungsbeschränkungen

Der Marburger Bund hält Zulas- sungsbeschränkungen nicht für ein geeignetes Mittel, die ambulante ärztliche Versorgung sicherzustellen und weiter zu verbessern. Die Si- cherstellung und Verbesserung kann nur erreicht werden durch ein abgewogenes System von Maßnah- men, die dem niederlassungswilli- gen Arzt einen Anreiz geben, freiwil- lig dort tätig zu werden, wo seine ärztliche Leistung vorrangig benö-

tigt wird. Bei der Planung und Durchführung dieser Maßnahmen müssen die künftigen Kassenärzte im Gegensatz zur bisherigen Rege- lung stärker sowohl in den KVen als auch in den Landesausschüssen mitwirken können.

Weiterentwicklung des Kassenarztrechtes

Der Vorstand des Marburger Bun- des wird aufgefordert, zu den dem Bundesrat vorliegenden Entwürfen über die Weiterentwicklung des Kassenarztrechtes konkrete Abän- derungsvorschläge auszuarbeiten und in die parlamentarische Bera- tung einzubringen.

Vermeidung

von „Bummel-Semester"

Der Marburger Bund begrüßt die Absicht des Bundestages und der Bundesregierung, daß die Studen- ten, die im Sommersemester 1971

ihr Studium aufgenommen haben, im Anschluß an die ärztliche Vor- prüfung nach sechs klinischen Se- mestern ihr Studium mit der ärztli- chen 'Prüfung abschließen können.

Damit würde zugleich ein ebenso sinnloses wie unerträgliches „Bum- melsemester" für diese Studenten vermieden.

MB-Landesverband Berlin

Der Landesverband Berlin des Mar- burger Bundes bleibt zunächst Mit- glied des Bundesverbandes, nach- dem der neugewählte Vorstand des MB-Berlin (dem Dr. Nehls und Dr.

Ranke nicht mehr angehören) eine Loyalitätserklärung gegenüber der Hauptversammlung abgegeben hat- te. Darin verpflichtet sich der MB- Landesverband Berlin, die Satzung des Bundesverbandes künftig strikt einzuhalten und die vom Bundesver- band erarbeitete Mustersatzung für Landesverbände entsprechend den Beschlüssen der Hauptversammlung zu übernehmen. Außerdem distan- ziert sich der Berliner Landesver- band öffentlich und vor seinen Mit- gliedern von den Vorwürfen gegen- über dem Bundesverband, wie sie in einem Mitgliederrundschreiben „un- begründet und ungehörig" geäußert wurden. Außerdem wird das Fehl- verhalten des Vorstandes in der Vergangenheit eingestanden. Der ursprünglich auf der 46. Hauptver- sammlung in Köln gestellte Aus- schlußantrag wird anläßlich der nächsten Hauptversammlung erneut überprüft.

Ärztliche Weiterbildung

Der Marburger Bund weist darauf hin, daß die ärztliche Weiterbildung in den meisten Ländern der Euro- päischen Gemeinschaft der ärztli- chen Selbstverwaltung obliegt. Er hält es für unerläßlich, daß die Ver- treter der Berufsgruppe der Ärzte in dem „Beratenden Ausschuß" von der jeweiligen nationalen Ärztedele- gation im Ständigen Ausschuß der Ärzte der EG benannt werden.

Die Information:

Bericht und Meinung Marburger Bund

gung aus: Zwischen beiden Berei- chen fehle ein differenziertes An- gebot, das erheblich zur Senkung der Kosten beitragen könne. Wege dazu seien die Einschaltung von mehr Belegärzten und Praxisklini- ken und die verstärkte wechselsei- tige Unterrichtung von Praxis und Krankenhaus. Ferner: sämtliche Formen ärztlicher Kooperation so- wie die Beseitigung von Steuer- nachteilen für Gemeinschaftsein- richtungen von Ärzten.

Zulassungsbeschränkungen überprüfen

Geißler setzte sich für eine dringli- che Überprüfung der gegenwärti- gen Zulassungsbeschränkungen für das Medizinstudium ein. Die Abiturnote sei kein ausreichender Zulassungsmaßstab; berufsbezoge- ne Parameter müßten hinzutreten, eine Forderung, die kürzlich auch von Bundeswissenschaftsminister Helmut Rohde erhoben wurde.

Die nach wie vor bestehende Son- derquote für ausländische Studien- bewerber in Höhe von 8 Prozent ist nach Geißlers Ansicht künftig nur noch vertretbar, wenn sich die Stu- dieninteressenten verpflichten, später wieder in ihre Länder zu- rückzukehren. Solange nur ein Bruchteil der deutschen Bewerber für das Medizinstudium zugelassen werde, erscheine es problematisch, Studenten aus dem Ausland bevor- zugt zuzulassen.

Eine Senkung der Ausländerquote von acht auf vier bis fünf Prozent brauche jedoch nicht die absolute Zahl ausländischer Medizinstuden- ten zu verringern, wenn gleichzei- tig die Zahl der Studienplätze ver- mehrt werden würde.

Zulassungssteuerungen und Zulas- sungssperren und andere dirigisti- sche Maßnahmen, sagte Geißler, seien die „Ultima ratio", die nur im äußersten Falle angewandt werden solle, denn „den Patienten ist es in jedem Falle lieber, wenn Ärzte sich freiwillig in einem bestimmten Ge- biet niederlassen." HC

3598 Heft 50 vom 12. Dezember 1974 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Abbildung 2 zeigt dasselbe mit Krümmungen von –1 bis +1 in Schritten von Vier- zigsteln...

Hier muß auch einmal auf die inter- essanten Ausführungen des Vertre- ters der Ersatzkassenverbände bei der letztjährigen Sachverständi- genanhörung hingewiesen werden, der

[r]

[r]

[r]

In this paper we are going to introduce first results from explorative analyses concern- ing the development of orthography test results based on data from NEPS

Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand: 19. 2008) sind 792 Verdachts- fälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Gabe von Ima-

Für die- se Betriebe müßte der Staat, der sich durch die Einführung der 35-Stunden- woche bei vollem Lohnausgleich be- trächtliche finanzielle Mittel er- spart, (1 % Arbeitslose