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Archiv "Hepatitis C: Neue Wirkstoffe stoppen das Virus" (21.03.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 12

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21. März 2014 A 509 HEPATITIS C

Neue Wirkstoffe stoppen das Virus

Direkt antiviral agierende Substanzen verbessern die Therapieoptionen für die Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin sieht darin sogar die Chance für einen Wendepunkt in der Krankenversorgung.

E

twa eine halbe Million Men- schen in Deutschland sind mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infi- ziert. Unbehandelt erkranken sie früher oder später an einer Leber- entzündung; ein kleiner Teil der Pa- tienten entwickelt sogar ein hepato- zelluläres Karzinom. Seit Einfüh- rung der Kombination aus Peginter- feron und Ribavirin (peg IFN/RBV) sowie der Tripletherapie aus einem Proteasehemmer und peg IFN/RBV haben sich die Heilungschancen der chronischen Hepatitis-C-Infektion zumindest für den Genotyp 1 je- weils weiter erhöht (1).

„Allerdings machen vor allem die Nebenwirkungen von Interferon die Behandlung für die Patienten beschwerlich“, so Prof. Dr. med.

Michael P. Manns von der Medizi- nischen Hochschule Hannover. Zu- dem erreiche nur etwa die Hälfte der Patienten das Therapieziel: eine

„sustained virological response“

(SVR), definiert als Virusfreiheit zwölf Wochen nach Therapieende.

Dank neuartiger und besser verträg- licher Wirkstoffe stehe die Therapie und Heilung von Hepatitis C künf- tig deutlich mehr Patienten offen, sagt Manns als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Die Fachgesell- schaft sieht in dieser Entwicklung sogar die Chance für einen Wende- punkt in der Krankenversorgung.

Direkt antiviral agierende Substanzen werden geprüft

„Die Wirkstoffe Boceprevir und Te- laprevir erreichen in Kombination mit Interferon und Ribavirin eine Heilungsrate von bis zu 80 Prozent“, berichtet Manns. Beide Substanzen gehören zu den ersten „direct acting antivirals“, welche die virale HCV- Protease blockieren und somit die Virusvermehrung stoppen. Dadurch

konnte die Behandlungsdauer je nach Ansprechen auf die Triplethe- rapie auf 24 bis 48 Wochen verkürzt werden. Es habe aber hinsichtlich der Verträglichkeit Verbesserungs- bedarf bestanden, so Manns. Zudem sei die bisherige Standard-Triplethe- rapie nur für den HCV-Genotyp 1 zugelassen.

Mehrere Dutzend direkt antiviral agierende Substanzen sind derzeit in der klinischen Entwicklung. „Wir ernten jetzt die Früchte einer jahr- zehntelangen Erforschung des He- patitis-C-Virus“, erläutert Manns.

Simeprevir (ein HCV-Proteasehem- mer) und Sofosbuvir (ein Nukleo- tid-analoger NSB5-Polymerasehem- mer) sind bereits in den USA zu - gelassen; Sofosbuvir seit kurzem auch in Europa. Mit einer größeren Zahl von Wirkstoffen steigen nach Angabe von Manns auch die Chan- cen, schwierige Hepatitis-Infektio- nen erfolgreich zu behandeln. „Es ist vorstellbar, dass es in fünf Jahren Kombinationspräparate gibt, die – wie bei der HIV-Therapie – einmal täglich als Tablette eingenommen werden und zur Heilung führen kön-

nen“, meint der DGIM-Vorsitzende.

Da die Hepatitis C in Deutschland die häufigste Ursache für eine Le- bertransplantation ist, könnten die neuen Therapieregime die Wartelis- te deutlich entlasten. Allerdings sei die innovative Behandlung in är - meren Ländern, wo neun von zehn Hepatitis-C-Kranken leben, derzeit nicht finanzierbar.

Sofosbuvir ist der erste zugelas- sene pangenotypische Polymerase- hemmer und wird als 400 mg Tab- lette einmal am Tag mit Ribavirin und mit oder ohne Peginterferon eingenommen (2). Patienten mit den HCV-Genotypen 1, 4, 5 und 6 werden zwölf Wochen lang mit der Tripletherapie Sofosbuvir (SOF) plus peg IFN/RBV behandelt. Für vorbehandelte HCV-Genotyp-1-Pa- tienten liegen bisher keine Daten zur Tripletherapie aus Studien vor, das Unternehmen muss diese noch nachreichen.

Hohe Heilungschancen, aber auch hohe Kosten

Bei Kontraindikation gegenüber peg IFN oder einer Interferonunver- träglichkeit können diese Patienten 24 Wochen lang nur mit SOF plus RBV behandelt werden. Liegt ein HCV-Genotyp 2 vor, reichen zwölf Wochen SOF plus RBV, beim HCV- Genotyp 3 sind zwölf Wochen Triple- therapie oder 24 Wochen Dualthera- pie möglich. HCV-Patienten, die auf eine Transplantation warten, sollten 48 Wochen lang oder bis zur Trans- plantation mit SOF plus RBV be- handelt werden, um eine Reinfekti- on des neuen Organs zu vermeiden.

Als weiteren Vorteil der neuen Therapieoption erachtet Prof. Dr.

med. Stefan Zeuzem, Frankfurt/

Main, dass die zusätzliche Gabe von Sofosbuvir zu peg IFN/RBV oder RBV nicht mit zusätzlichen Neben- Das Hepatitis-

C-Virus ist ein be- hülltes, einzelsträn- giges RNA-Virus.

Seine Variabilität ist im Vergleich zu an- deren einzelsträngi- gen RNA-Viren ver- hältnismäßig hoch.

Daher wird das HCV in sechs Genotypen unterteilt.

Foto: mauritius images

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21. März 2014 wirkungen außer den bekannten von

Peginterferon und Ribavirin einher- geht und bisher keine substanzspe- zifische Nebenwirkung unter Sofos- buvir berichtet wurde. Die Abbruch- raten in den Studien aufgrund von Nebenwirkungen lagen nach

zwölf Wochen SOF plus RBV bei 0,0–0,5 Prozent,

16 Wochen SOF plus pegIFN/

RBV bei 2,4 Prozent und

24 Wochen peg IFN/RBV bei 11,1 Prozent.

Als Nachteil der Substanz nann- te Zeuzem die Kosten von 20 000 Euro pro Monat. Er wies jedoch zugleich auf die hohe Heilungs- chance, die kürzere Therapiedau- er und den sehr viel geringeren Einsatz von zusätzlichen Medi ka - menten zum Nebenwirkungs-Ma- nagement hin. Zeuzem empfahl, jeden Patienten individuell zu be- raten.

Die Proteasehemmer-basierte Tripletherapie wird abgelöst

Nach Angabe der Fachgruppe Hepa- tologie im Bund der niedergelasse- nen Gastroenterologen sowie von Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin, Frankfurt/M., (8) hat eine Sofosbu- vir-basierte Behandlung die bisheri- ge Proteasehemmer-basierte Triple- therapie abgelöst. Auch die gemein- samen Leitlinien der American Associa tion for the Study of Liver Dis eases und der Infectious Dis - eases Society of America empfeh- len den Einsatz von Sofosbuvir für nicht vorbehandelte und erfolglos vorbehandelte Patienten, Empfeh- lungen für weitere Patientengrup- pen werden folgen (9).

Noch in diesem Jahr wird sich voraussichtlich mit der Zulassung der HCV-Proteasehemmer Sime- previr und Faldaprevir und des NS5A-Proteasehemmers Daclatas- vir das Therapiespektrum inklusive Interferon-freier Regime nochmals erweitern. Im nächsten Jahr sollen dann weitere Interferon-freie Kom- binationstherapien und Optionen mit kürzerer Therapiedauer folgen.

Erst vor wenigen Tagen hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA zum Compassionate Use*

der Kombination aus Ledipasvir (NS5A-Proteasehemmer) und So- fosbuvir bei chronischer Hepatitis C geraten. In klinischen Studien hatte sich diese Kombination – mit oder ohne Ribavirin – bei Patienten mit Genotyp-1-Infektion über einen Zeitraum von zwölf oder 24 Wo- chen als hocheffektiv erwiesen.

Eingeschlossen waren Patienten mit kompensierter Zirrhose (und normaler Leberfunktion) und Pa- tienten, bei denen die Protease-In- hibitoren Telaprevir oder Bocepre- vir früh versagt hatten (6). Im Fe - bruar wurde bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Zu- lassung der fixen Kombinations- tablette aus Sofosbuvir und Ledi- pasvir für die Genotyp-1-HCV-In- fektion eingereicht, und zwar die acht- und zwölfwöchige Therapie je nach Vorbehandlung und Vorlie- gen einer Zirrhose.

Weitere Kombinationstherapien mit und ohne Interferon werden un- tersucht. Derzeit arbeiten Forscher an der weiteren Verkürzung der Therapie und daran, sogar ohne Ri- bavirin auszukommen.

So wurden auf der Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections in Boston erste detail - lierte Daten einer Phase-III-Zulas- sungsstudie (PEARL III) zur rein oralen, interferonfreien Behandlung von Hepatitis C präsentiert (7).

Hierbei kam das sogenannte 3D-Be -

handlungsschema zum Einsatz, das drei direkt antiviral wirksa- me Substanzen (3D) umfasst. Die Kombination der drei unterschied- lichen Wirkmechanismen hat zur Folge, dass der Replikations pro - zess des Hepatitis-C-Virus gehemmt wird. Auf diese Weise wurden SVR12-Raten von 99 Prozent mit und ohne Ribavirin bei nicht vor- behandelten Patienten vom Geno- typ 1b erreicht.

Therapieoptionen wirken positiv auf Epidemiologie

Grundsätzlich geht Prof. Dr. med.

Heiner Wedemeyer, Hannover, da- von aus, dass eine Steigerung der Therapie- und Heilungsrate zu ei- ner deutlichen Reduzierung der Virusträger und Leber-assoziierten Todesfälle in Deutschland führen kann. Eine Arbeitsgruppe berech- net zurzeit anhand eines Modells den Effekt einer wirksamen Thera- pie auf diese beiden Parameter (10). Erste Schätzungen gehen da- von aus, dass bei einer konservati- ven Annahme von 400 000 chro- nisch HCV-Infizierten eine Stei - gerung der Behandlungsraten um 25 Prozent (von circa 10 000 auf 12 500) bis zum Jahr 2030 bereits zu einer Verringerung von mehr als 126 000 Virusträgern und einer Verringerung der Leber-bedingten Sterblichkeit auf 1 270 statt 2 320 Todesfälle pro Jahr führt.

Andrea Warpakowski

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1214

Basis der Zulassung von Sofosbuvir (SOF) sind un- ter anderem fünf Phase-III-Studien mit 1 568 HCV-monoinfizierten Patienten (2–4). Darin spra- chen mindestens 90 Prozent der nicht vorbehan- delten Patienten nach 12 Wochen Behandlung mit SOF plus pegIFN und RBV mit einer dauerhaften Virussuppression 12 Wochen nach Therapieende (SVR) – also Heilung – an. HCV-Genotyp-2-Patien- ten erreichten diese SVR-Rate auch mit 12 Wo- chen SOF plus RBV alleine. Nicht vorbehandelte und vorbehandelte HCV-Genotyp-3-Patienten be- nötigen eine längere Therapiedauer als 12 Wo- chen SOF plus RBV: 24 Wochen SOF plus RBV er-

höhte die SVR-Rate im Vergleich zu 12 Wochen von 27 Prozent auf 84 Prozent (5).

Bei HCV-Patienten Genotyp 1, 2 und 3, die zu- sätzlich eine HIV-Infektion hatten, betrug die SVR12-Rate nach 12 oder 24 Wochen SOF plus RBV mindestens 75 Prozent (nicht vorbehandelt Genotyp 2 und 3: 75 Prozent, vorbehandelt Geno- typ 2 und 3: 93 Prozent und nicht vorbehandelt Genotyp 1: 76 Prozent) (2). Bei HCV-Patienten, die vor der Lebertransplantation bis zu 48 Wo- chen lang SOF plus RBV erhielten, konnte bei 62 Prozent 12 Wochen nach der Transplantation keine HCV-DNA nachgewiesen werden (2).

ZULASSUNGSRELEVANTE DATEN

*Unter „Compassionate Use“ versteht man den Einsatz noch nicht zugelassener Arzneimittel bei schwerstkranken Patienten, die mit zugelassenen Arzneimitteln nicht zufriedenstellend behandelt werden können.

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Neue Wirkstoffe stoppen das Virus

Direkt antiviral agierende Substanzen verbessern die Therapieoptionen für die Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin sieht darin sogar die Chance für einen Wendepunkt in der Krankenversorgung.

LITERATUR

1. Sarrazin C, et al.: Z Gastroenterol 2012;

50: 57–72.

2. Fachinformation Sovaldi®. Stand Januar 2014.

3. Lawitz E, et al.: NEJM 2013; 368:

1878–87.

4. Zeuzem S, et al.: AASLD 2013; Abstract 1085.

5. Jacobson IM, et al.: NEJM 2013; 368:

1867–77.

6. Presseinformation Gilead Sciences.

www.gilead.com/news/press-re leases/2013/12/gilead-announces- svr12-rates-from-three-phase-3-studies- evaluating-a-oncedaily-fixeddose-combi nation-of-sofosbuvir-and-ledipasvir-for genotype-1-hepatitis-c-patients 7. Reddy KR. CROI 2014; Abstract 29LB.

8. www.gastromed-bng.de 9. www.hcvguidelines.org

10. Wedemeyer H, et al.: in preparation.

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Referenzen

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