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Archiv "Die Relevanz der Empfehlungen und Entscheidungen des Bundesgesundheitsamtes (BGA) für den Arzt" (24.11.1988)

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RECHT FÜR DEN ARZT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Dorothea Prütting

Die Relevanz der Empfehlungen

und Entscheidungen

des Bundesgesundheitsamtes (BGA) für den Arzt

Erinnert man sich an eine Schlagzeile der vergangenen Mo- nate wie: „Das Bundesgesundheitsamt (BGA) hat das Ruhen der Zulassung von Trockenzellpräparaten angeordnet", so wird damit einmal mehr die Frage aufgeworfen, welche Rele- vanz insbesondere die Äußerungen des Instituts für Arznei- mittel des BGA für die Praxis des Arztes haben. Welcher Rechtscharakter, welche Bindungswirkung kommen Empfeh- lungen und Entscheidungen zu? Sind sie produktbezogen? In- wieweit wird die Therapiefreiheit des Arztes tangiert? An Hand von Beispielen soll die Problematik verdeutlicht werden.

Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen, auf denen die Arbeit des BGA (im folgenden ist mit BGA das Institut für Arzneimittel ge- meint) beruht, sind das Arzneimit- telgesetz (AMG 76) von 1976 in der Fassung vom 16. 8. 1986, das Betäu- bungsmittelgesetz (BtMG) vom 19. 11. 1981 in der Fassung vom 6. 8. 1984 und die auf diesen Geset- zen beruhenden Verordnungen.

Weiter von Bedeutung sind die Arz- neibücher, Strahlenschutznormen, das Bundesseuchengesetz mit seinen Nebengesetzen und andere.

Die genannten Bestimmungen enthalten Ermächtigungsnormen für das Verwaltungshandeln des BGA.

So regelt etwa das Arzneimittelge- setz die Auflagenkompetenz bezüg- lich der Fachinformationen und Kennzeichnung von Arzneimitteln (§§ 10 Abs. 2, 11 Abs. la, 11a Abs.

2 u. 3, 28 AMG). Die §§ 21 ff. 38 ff.

AMG bestimmen das BGA als die für die Zulassung und Registrierung zuständige Behörde. Auch für die Frage der Zweitanmelderproblema- tik ist das BGA der Ansprechpart- ner. Dieser Begriff bezieht sich auf den Fall, daß ein Antragsteller ein Arzneimittel zulassen möchte, des- sen Wirkstoff in anderer technologi- scher Zubereitung bereits auf dem Markt ist. Dabei hat der Zweitan- melder die Möglichkeit, auf die Zu-

* Prof. Dr. E. Nürnberg, Erlangen, zum 60. Geburtstag gewidmet

lassungsunterlagen des Vorantrag- stellers zurückzugreifen: § 24 a AMG. Dieser kann der Verwen- dung allerdings widersprechen.

Eine besonders wichtige Norm ist § 28 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 AMG.

Danach ist es dem BGA möglich, durch Auflagen auch nach erfolgter Zulassung analytische, pharmakolo- gisch-toxikologische oder klinische Prüfungen zu verlangen. Dies wird bedeutsam, wenn aufgrund großen therapeutischen Wertes ein beson- deres öffentliches Interesse am un- verzüglichen In-Verkehr-Bringen ei- nes neuen Produktes besteht. Das beste Beispiel dafür ist das AZT, Azidothymidin, für die Indikation AIDS. Der Wirkstoff hemmt die Vi- rusreplikation des AIDS-Virus. Er gehört derzeit zu den wenigen Mit- teln, die dem AIDS-Patienten mög- licherweise eine Überlebenschance ohne allzu große Nebenwirkungen bieten. Die Zulassung des Medika- mentes erfolgte, obwohl die klini- schen Versuche noch nicht abge- schlossen waren. Es lagen allerdings ausreichende Erkenntnisse vor, nach denen das In-Verkehr-Bringen zu verantworten war. Eine Nutzen- Risiko-Abwägung konnte vorge- nommen werden und fiel zugunsten eines forcierten Zulassungsverfah- rens aus.

Das Arzneimittelgesetz regelt auch die Frage der

Zuständigkeit für

die Durchführung eines Stufenplan- verfahrens. Darauf wird im folgen- den näher einzugehen sein.

Welche Möglichkeiten hat das BGA, seine fachlichen Einschätzun- gen weiterzugeben?

Maßnahmenkatalog des BGA Zunächst einmal gibt es Verwal- tungsakte. Das BGA erläßt Verwal- tungsakte im Zulassungsverfahren in Form von Zulassungsbescheiden (§ 25 AMG), Auflagen (§ 28 AMG) und Zustimmungserklärungen zu Änderungsanzeigen (§ 29 Abs. 2a AMG). Im letztgenannten Fall kann die gesetzliche Fiktion des § 29 Abs.

2a Satz 3 AMG die Entscheidung er- setzen. Die Zustimmung zu einer Änderungsanzeige gilt nämlich als erteilt, wenn das BGA nicht inner- halb einer Frist von drei Monaten widersprochen hat.

Rücknahme, Widerruf und An- ordnung des Ruhens der Zulassung ergehen ebenfalls in Form von Ver- waltungsakten (§ 30 AMG). Das Er- löschen der Zulassung allerdings hängt von den in § 31 AMG genann- ten gesetzlichen Voraussetzungen ab und bedarf keiner weiteren Mitwir- kung des BGA.

Die zweite Form der Äußerung des BGA ist die Empfehlung (1). Sie existiert einmal in Gestalt der Richt- linien (2). Aufgrund seiner Aufga- benzuweisung

im Gesundheitsbe- reich kann das BGA für eine unbe- stimmte

Anzahl von Fällen im vor- aus eine Empfehlung aussprechen.

Zum anderen gibt es diese Art der

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Maßnahme im Stufenplan, der all- gemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisi- ken nach § 63 AMG vom 20. 6. 1980 (BAnz. Nr. 114 vom 26. 6. 1980, S. 13 bis 14). Dort ist diese Form der Maßnahme des BGA (unter Punkt 8.1.2.) aus- drücklich genannt Der Bindungs- charakter und die Durchsetzbarkeit einer solchen Empfehlung sind un- ter anderem davon abhängig, um welches Arzneimittel es sich han- delt.

Bei einem zugelassenen oder registrierten Medikament liegen die Verhältnisse anders als bei Rezep- turarzneimitteln oder von Ärzten selbst hergestellten und angewen- deten Arzneimitteln. Die Betäu- bungsmittel unterliegen wiederum eigenen Gesetzen.

Eine dritte Möglichkeit der Äu- ßerung neben Verwaltungsakt und Empfehlung hat das BGA durch Gutachten. Die fachliche Kompe- tenz, die betriebliche und personelle Ausstattung des BGA prädestinie- ren diese Behörde zur Erstellung von Sachverständigengutachten für andere Bundes- oder Landesbehör- den. Infolge ihrer Stellung als öf- fentliches Organ der Gesundheits- pflege ist naturgemäß eine Gutach- tertätigkeit auf privater Ebene mit den Interessen des Staates nicht ver- einbar.

Die genannten Maßnahmen:

Verwaltungsakt, Empfehlung und Gutachten können bei den verschie- denen Arzneimittelgruppen in un- terschiedlicher Weise zum Tragen kommen. Deshalb muß im folgen- den — wie schon angedeutet — nach den einzelnen Produktgruppen ge- trennt werden.

Zulassungs- oder registrierungs- pflichtige Arzneimittel

Der Zulassungspflicht unterlie- gen Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG), die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind. Dabei handelt es sich um solche Stoffe oder Zubereitun- gen, die nach ihrer Zweckbestim- mung und Wirksamkeit im weitesten

Sinne Krankheit heilen, lindern, verhüten oder erkennen lassen. Das Gesetz gibt im einzelnen genauere Definitionen.

Der Antragsteller im Zulas- sungsverfahren wird nach Beendi- gung der Prüfung seines Antrages durch Verwaltungsakt beschieden.

Er erhält einen Ablehnungs- oder Zulassungsbescheid, gegebenenfalls mit Auflagen versehen. Im verwal- tungsgerichtlichen Verfahren hat er die Möglichkeit, die Entscheidung des BGA überprüfen zu lassen. Es gelten die Regelungen der Verwal- tungsgerichtsordnung, die nach dem Widerspruchsverfahren Anfech- tungs- oder Verpflichtungsklage zu- lassen.

Bei zugelassenen Arzneimitteln kommt im Stufenplanverfahren zu- sätzlich die zweite Maßnahmemög- lichkeit, die Empfehlung, zum Tra- gen. Das Stufenplanverfahren dient der Erfassung von Arzneimittelrisi- ken im Sinne des § 63 AMG. Es wird auf der Grundlage der dazu er- lassenen Verwaltungsvorschrift vom 28. 6. 1980 durchgeführt. Man geht in Gefahrenstufen vor. Zunächst kommt es auf der Stufe eins zu ei- nem Informationsaustausch der Länder, Verbände und pharmazeu- tischen Unternehmer. Bei begrün- detem Verdacht auf gesundheitliche Risiken lädt das BGA zu einer Son- dersitzung ein (Gefahrenstufe zwei).

Nach Durchführung einer Anhörung (Gefahrenstufe drei) kann es schließlich zu Maßnahmen der Be- hörden kommen (Gefahrenstufe vier).

Unter Ziffer 8.1.2. der zitierten Verwaltungsvorschrift für den Stu- fenplan ist bezeichnenderweise von einer Anwendungsempfehlung für die Heilberufe und einer Abgaben- empfehlung für die Apotheken die Rede. Man hat es hier mit einer Maßnahme zu tun, die in der Praxis höchst unterschiedliche Wirkungen entfalten kann.

Geht man zunächst vom Wort- laut aus, so hat eine „Empfehlung"

grundsätzlich keinen bindenden Charakter. Sie soll eine Anregung geben, das bisherige Verhalten in Therapie und Abgabe zu überden- ken. Sie soll bei Arzt und Apotheker auf die Risiken eines Arzneimittels

hinweisen. Sie soll ferner Anstoß zu einer Nutzen-Risiko-Abwägung im Rahmen der Anwendung geben.

Der Dialog zwischen Medizinern und Pharmazeuten soll intensiviert oder, soweit nicht vorhanden, in Gang gebracht werden. Es sind also Äußerungen des BGA, die an die Eigenverantwortlichkeit der Ange- hörigen der Heilberufe appellieren und sie letztlich zu gemeinsamem Handeln zum Schutze des Patienten aufrufen.

Gibt das BGA nun Anwen- dungsempfehlungen, die darauf hin- weisen, ein Medikament nur nach strengster Indikationsstellung zu verordnen, so weiß der Arzt, daß die nach der Zulassung des Produktes gesammelten Erkenntnisse dazu zwingen, dieses Arzneimittel nun- mehr als weitaus gefährlicher einzu- stufen als zum Zeitpunkt der Zulas- sung. Er weiß, daß seine Fachinfor- mationen und der Beipackzettel des Arzneimittels nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen. Auf deren Inhalt darf er sich nicht mehr verlassen. Die Therapie mit einem solchen Pro- dukt, die die Anwendungsempfeh- lungen mißachtet, stellt einen Kunstfehler dar Ein solcher Eingriff in die Gesundheit des Patienten ist auch nicht von dessen Einwilligung gedeckt.

Ist nach strengster Indikations- stellung dagegen eine Anwendung ärztlich begründet, stellen sich diese Fragen nicht. Sollte es nunmehr zu Komplikationen kommen, wird sich der Arzt trotzdem fragen lassen müssen, ob seine Indikationsstellung richtig war. Die Prüfung dieser Fälle durch die Gerichte führt selten zu befriedigenden Ergebnissen. Dies kann einmal daran liegen, daß der Arzt im Rahmen seiner Therapie- freiheit einen großen Ermessens- spielraum hat, und zum anderen auch daran, daß ein Krankheitsbild meist zu komplex ist, um die eine oder andere Handlung eines Arztes für den Schadenseintritt als ursäch- lich anzusehen.

Immerhin dürften durch Emp- fehlungen des BGA eventuelle Schuldvorwürfe schwerer zu ent- kräften sein, weil eine Berufung auf Unkenntnis ausscheidet.

A-3334 (38) Dt. Ärztebl. 85, Heft 47, 24. November 1988

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Die Behördenhierarchie Eine von den bisherigen Überle- gungen abweichende Betrachtungs- weise gilt im Rahmen der Behörden- hierarchie. Die im Stufenplanver- fahren als notwendig bezeichneten Maßnahmen - auch die Empfehlun- gen - sind im Rahmen des Behörden- aufbaus zwingend. Der Stufenplan ist eine auf Bundesrecht beruhende Verwaltungsvorschrift. Er bindet Bundes- und Landesbehörden.

Die Empfehlungen des BGA haben dementsprechend weiter zur Folge, daß - führt man den Fall der eingeschränkten Indikation fort - die Verwaltungsbehörden vor Ort auf die Durchsetzung der Empfeh- lungen dringen müssen. Die Äuße- rungen des BGA können also Grundlage für Ordnungsverfügun- gen sein. Zum Beispiel könnte die zuständige Überwachungsbehörde bereits Anderungen der Packungs- beilage eines Arzneimittels oder Warnhinweise im Sinne der Auffas- sung des BGA verlangen. Sie könn- te dagegen nicht das In-Verkehr- Bringen eines zugelassenen Medika- mentes mit der Begründung untersa- gen, das BGA schätze die Situation falsch ein, indem es nur eine Emp- fehlung ausspreche; in Wirklichkeit sei doch das Arzneimittel bedenk- lich im Sinne des § 5 AMG und dür- fe deshalb nicht mehr in den Ver- kehr gebracht werden. Diese Ein- schätzung im eingeleiteten Stufen- planverfahren zu treffen, obliegt al- lein dem BGA. Dieses hat auch, falls die Bedenklichkeit des Medika- mentes bejaht werden sollte, allein die Möglichkeit, durch Verwaltungs- akt regelnd einzugreifen. Es kann ei- ne Ruhensanordnung aussprechen oder die Zulassung zurücknehmen.

Das BGA ist also für zugelasse- ne Arzneimittel im Rahmen des Stu- fenplans „Herr des Verfahrens".

Alle Erkenntnisse, die andere Bun- des- und Landesbehörden in diesem Zusammenhang gewinnen, sind dem BGA zur Auswertung zu übermit- teln. Dies ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck des Stufenplanverfah- rens. Es soll nämlich erreicht wer- den, daß an einer Stelle zentral Sammlung und Auswertung von Ri- siken erfolgen und auf dieser Grund-

lage Maßnahmen getroffen werden.

Die Ruhensanordnung ist in diesem Fall kraft Gesetzes (§§ 30 Abs. 3 Satz 2, 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG) sofort vollziehbar. Der pharmazeutische Unternehmer darf gemäß § 30 Abs.

4 Nr. 1 AMG das Produkt nicht mehr in den Verkehr bringen. Das Weitervertreiben würde einen Straf- tatbestand verwirklichen (§ 96 Nr. 7 AMG). Aus dieser gesetzlichen Konstruktion kann man also eben- falls erkennen, daß der Gesetzgeber das Verfahren durch das BGA um- fassend geregelt haben will.

Käme die zuständige Überwa- chungsbehörde aus anderen als den im Stufenplanverfahren genannten Gründen dazu, das Arzneimittel als

„bedenklich" einzustufen, könnte sie gemäß § 69 Abs.1 Nr. 4 AMG ei- ne Untersagungsverfügung erlassen, um eine vorläufige Gefahr von Leib und Leben der Patienten abzuwen- den. Aber auch dann würde sich das Verfahren wieder auf das BGA ver- lagern; denn alle Risiken, die die Bundes- und Landesbehörden für zugelassene Arzneimittel gesammelt haben, müssen dem BGA unverzüg- lich zugeleitet werden, damit dieses gegebenenfalls ein Stufenplanver- fahren einleiten kann

Rezepturarzneimittel

Erheblich schwieriger ist die Frage nach den Regelungsmöglich- keiten des BGA im Rahmen der Re- zepturarzneimittel zu beantworten.

Dies sei am Beispiel eines bedenkli- chen Schlankheitsmittels demon- striert.

Von einem ausländischen Arzt wurden sogenannte Reduktionsku- ren rezeptiert. Die Verordnungen enthielten in wechselnden Zusam- mensetzungen bis zu 13 verschiede- ne Bestandteile. Dies waren zum Beispiel: hormonhaltige Extrakte aus Schilddrüse, Hypophyse, Ova- rien und Nebennieren, Laxantien, verschiedene Appetitzügler, Diure- tika, Metformin, Diazepam, Barbi- turate, Dihydroergotamin und ver- schiedene Homöopathika. Da es zu lebensbedrohlichen Risiken kam, wurde in der Fachpresse (3) wieder- holt vor diesen Medikamenten ge-

warnt. Die Verschreibungspraxis des Arztes änderte sich zunächst nicht. Er fand sogar bei einigen Kol- legen Nachahmer.

Welche Eingriffsmöglichkeiten hat das BGA in einem solchen Fall?

Grundsätzlich unterliegen Rezeptu- ren nicht der Zulassungspflicht ge- mäß § 21 Abs. 1 AMG. Sie sind kei- ne Fertigarzneimittel im Sinne der

§§ 21 Abs. 1, 4 Abs. 1 AMG. Sie werden nur aufgrund einzelner Ver- schreibungen hergestellt. Eine Pro- duktion „im voraus" erfolgt in der Regel nicht. Das BGA ist also für diese Art der Arzneimittel zunächst nicht zuständig, da sich seine Kom- petenz nur auf zulassungspflichtige Fertigarzneimittel beschränkt.

§ 62 AMG, der die Aufgaben des BGA insbesondere im Hinblick auf die Risikoabwehr umschreibt, spricht aber, was häufig übersehen wird, nicht von „Fertigarzneimit- teln", sondern nur von „Arzneimit- teln". Das bedeutet, daß die Risiko- erfassung, Auswertung und die Koordinierung der nach dem AMG erforderlichen Maßnahmen auch für Rezepturarzneimittel sehr wohl von der Kompetenz des BGA erfaßt wird. Insoweit könnte also das BGA ein Stufenplanverfahren als zustän- dige Bundesoberbehörde (§§ 77, 62, 63 AMG, Stufenplan) zumindest einleiten. Im Rahmen eines solchen Verfahrens bestünde die Möglich- keit, Empfehlungen auszusprechen, nicht aber Entscheidungen (insbe- sondere der Erlaß von Verwaltungs- akten) zu treffen.

Sinnvoll wäre dieses Vorgehen jedoch nur, wenn sich die Verord- nungsweise durch Nachahmer etwa bundesweit ausdehnen würde, wenn also eine bundeseinheitliche Rege- lung wünschenswert wäre. Eine sol- che könnte dann dadurch zustande kommen, daß die zuständigen Lan- desbehörden aufgrund der Empfeh- lung des BGA ihr Vorgehen koordi- nieren. Im Ergebnis ist ein Stufen- planverfahren somit in den selten- sten Fällen durchführbar.

Das BGA hat in diesem Zusam- menhang aber noch eine andere

ebenfalls interessante Möglichkeit

der Einflußnahme. Als sachkompe- tente Behörde ist es in der Lage, ei- gene Gutachten zu erstellen.

(4)

Kommt ein solches Gutachten zu dem Ergebnis, daß ein Rezeptur- arzneimittel bedenklich im Sinne des § 5 AMG ist, so kann diese Stellungnahme Maßstab für staat- liche Eingriffsmaßnahmen sein.

Dies gilt für strafrechtliche wie ver- waltungsrechtliche Schritte glei- chermaßen. Das vorsätzliche In- Verkehr-Bringen eines bedenkli- chen Arzneimittels ist nämlich strafbewehrt (§§ 5, 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG). Eine Untersagung für die Zukunft ist mit einer Verfügung nach § 69 Abs. 1 Nr. 4 AMG durchsetzbar. Auch hier stellt sich die Frage nach den Konsequenzen für Arzt und Apotheker (4).

Wurde das Gutachten bekannt- gemacht, so daß Arzt und Apothe- ker Kenntnis nehmen konnten, müs- sen sich beide diese Kenntnis zu- rechnen lassen. Der Apotheker muß mit diesem Wissen bei Vorlage ei- ner entsprechenden Verschreibung

„Bedenken" im Sinne des § 7 Abs.

1 Satz 4 ApoBO gegen die Verord- nung haben. Der Arzt kann seiner- seits diese Bedenken nicht ausräu- men, weil die Einstufung des Medi- kamentes als „bedenklich" von der dazu berufenen Stelle vorgenommen wurde. Welche rechtlichen Möglich- keiten dem Arzt dann zur Verfü- gung stehen, um eine Überprüfung des Gutachtens zu erreichen, soll im Zusammenhang mit den Fragen der Therapiefreiheit an späterer Stelle ausgeführt werden.

Von Ärzten hergestellte Arznei- mittel

Eine ähnliche Problematik er- gibt sich bei der Fallgruppe der von Ärzten hergestellten und direkt an- gewendeten Arzneimittel. Gemeint sind zum Beispiel Frischzellen oder Frischblutzubereitungen.

Ein regelnder direkter Eingriff des BGA in Form eines Verwal- tungsaktes ist nicht denkbar. Die ge- nannten Arzneimittel unterliegen wie die Rezepturarzneimittel nicht der Zulassungspflicht (§ 21 Abs. 1 AMG). Sie sind keine Fertigarznei- mittel, die im voraus hergestellt wer- den. Sie sind äußerst kurz haltbar und dazu bestimmt, sofort nach der

Herstellung angewendet zu werden.

Würden die Produkte konserviert und zur Abgabe an andere im voraus hergestellt, wären es zulassungs- pflichtige Arzneimittel. Das BGA hätte die obengenannten Kompeten- zen. Für die hier angesprochene Fallgestaltung existiert aber keine Eingriffsnorm des BGA. Die Äuße- rung des BGA kann also wiederum nur empfehlender oder gutachter- licher Art sein.

In der Praxis kommt einem BGA-Gutachten über die Einschät- zung dieser Art von Arzneimitteln aber eine gewisse „Bindungswir- kung" zu. Das ist folgendermaßen zu erklären. Die Herstellungstätig- keit, die der Arzt ausführt, ist nach

§ 13 AMG zwar nicht erlaubnis- pflichtig, muß jedoch gemäß § 67 AMG angezeigt werden. Damit un- terliegt der herstellende Arzt der Überwachung durch die zuständigen Behörden: § 64 AMG. Im Gegen- satz dazu wird die Herstellung eines Rezepturarzneimittels nicht über- wacht. Deshalb kann die Herstel- lung zum Beispiel von Frischzellen untersagt werden, wenn diese be- denklich im Sinne der §§ 5 Abs. 2, 69 Abs. 1 Nr. 4 AMG sind. Diese Einstufung könnte, wie ausgeführt, das BGA vornehmen. In diesen Fäl- len hat die Aussage des BGA ein stärkeres Gewicht als bei den Re- zepturarzneimitteln. Dies liegt an der Beteiligung der Landesbehör- den, die ihren nachgeordneten Be- hörden gegenüber weisungsbefugt sind und in der Regel verlangen, daß nach Auffassung des BGA verfah- ren wird Innerdienstlich sind die Überwachungsbehörden vor Ort al- so gezwungen, nach Maßgabe der BGA-Stellungnahme zu handeln.

Damit hat das BGA durch die Struk- tur der Verwaltung indirekt die Möglichkeit — auch ohne Entschei- dungsbefugnis nach dem Arzneimit- telgesetz — auf die Tätigkeit des Arz- tes einzuwirken. Eine Untersagung etwa der Herstellung von Frischzel- len mit der Begründung, das BGA habe dieses Arzneimittel als bedenk- lich im Sinne des § 5 AGM einge- stuft, kann und muß ergehen. Vor den Verwaltungsgerichten wäre das BGA-Gutachten inzident überprüf- bar.

Betäubungsmittel

Ein weiterer Bereich, in dem das BGA entscheidenden Einfluß hat, ist der Betäubungsmittelver- kehr. Die Bundesoberbehörde ent- scheidet, wer daran teilnimmt, in- dem Sie eine Erlaubnis nach § 3 BtMG erteilt. Arzt und Apotheker brauchen ihre Teilnahme an Betäu- bungsmittelverkehr in der Regel nur anzuzeigen (§ 4 Abs. 3 BtMG).

Betäubungsmittel dürfen gemäß

§ 13 BtMG nur dann verschrieben werden, wenn die Anwendung am menschlichen Körper ärztlich be- gründet ist. Trifft dies nicht zu, ist der Straftatbestand des § 29 Abs. 1 Nr 6 BtMG erfüllt. Dabei ist zu be- rücksichtigen, daß die Auffassung vertreten wird, die Verschreibung müsse ausschließlich zu ärztlichen Zwecken erfolgen. In diesem Zu- sammenhang kann das BGA regelnd eingreifen. Wenn es den begründe- ten Verdacht hat, daß Betäubungs- mittel entgegen den betäubungsmit- telrechtlichen Vorschriften verwen- det werden, so kann es gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 BtMVV die Ausgabe von Betäubungsmittelformularen verweigern. Diese amtlichen Form- blätter erhält in der Regel jeder approbierte Arzt und jeder Medizi- ner mit Berufserlaubnis, es sei denn, seine Tätigkeit ist nicht lei- tend und nicht selbstverantwortlich etwa in einem Krankenhausbetrieb.

Das BGA kann also in gewissem Umfang die Therapie des behan- delnden Arztes einer Prüfung un- terziehen.

Besonders deutlich wird die ge- schilderte Problematik am Beispiel des vom Land Nordrhein-Westfalen geplanten Methadon-Programms Geht man davon aus, daß das Ziel der Behandlung die Entkriminalisie- rung des Drogenabhängigen sein soll, liegt keine ärztlich begründete Anwendung vor. Das BGA kann die Ausgabe der Betäubungsmittelre- zepte verweigern. Sieht man in dem länger wirkenden und mit geringe- rem Suchtpotential behafteten Me- thadon aber eine Chance, von dem stark suchterzeugenden Heroin mit dem Endziel der Drogenfreiheit ab- zukommen, also eine „Behand- lung" Drogensüchtiger, so wird die A-3338 (42) Dt. Ärztebl. 85, Heft 47, 24. November 1988

(5)

Verschreibung aus ärztlicher Sicht möglicherweise vertretbar sein.

Das BGA und die Therapie- freiheit

Die nunmehr angesprochenen Fragen werfen erhebliche Probleme auf und führen immer wieder zu hef- tigen Diskussionen. Es ist bereits an- geklungen, daß BGA-Maßnahmen dadurch, daß sie Behörden und Apotheker auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes binden, den Arzt in seiner Behandlungsmethode einengen können.

Das Arzneimittelgesetz regelt in erster Linie den Verkehr mit Arz- neimitteln, nicht die Anwendung.

Jede Beeinflussung, die der Arzt durch BGA-Maßnahmen erfährt, ist also indirekter Natur. Eine Ermäch- tigungsgrundlage insbesondere auch für das BGA, die Anwendung eines Arzneimittels zu untersagen, exi- stiert nicht. Fühlt sich nun der Arzt zu Unrecht durch BGA-Maßnah- men in seinen Rechten beschnitten, muß auch ihm der Rechtsweg eröff- net sein.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, einige Worte zur Therapie- freiheit (5) des Arztes zu sagen. Die Gerichte messen diesem Recht ei- nen hohen Stellenwert bei. Der Be- griff wird aber oft falsch verstanden und etwas überdehnt. Denn der ärztliche Handlungsspielraum hat auch Grenzen. „Es ist alles erlaubt, was der Arzt unter dem Motto — Hil- fe für den Patienten — tut", kann ebensowenig richtig sein wie ein

„reglementiertes Heilverfahren oh- ne Handlungsspielraum".

Nach dem Eid des Hippokrates (6) ist der Arzt verpflichtet, „zu Nutz und Frommen nach, bestem Vermögen und Urteil" seine Ver- ordnungen zu treffen. Er soll helfen und Vorsorge zur Erhaltung der Ge- sundheit treffen (7). Er soll heilen.

Er darf weder verstümmeln (8) noch einer Folterung assistieren (9). Er darf nicht dort schädigen, wo er weiß, daß dies der Fall sein wird.

Wo das Risiko unvertretbar hoch im Verhältnis zum Nutzen ist, muß das Recht der Therapiefreiheit an strengsten Maßstäben gemessen

werden und notfalls zurücktreten.

Der Weg zu neuen Methoden und Erkenntnissen darf jedoch nicht ver- baut werden. In diesem Zusammen- hang muß deutlich unterschieden werden zwischen der Freiheit der Therapie und der Freiheit von Wis- senschaft und Forschung. Letztere unterliegt sicher anderen Kriterien.

Der Heilerfolg ist wohl auch hier er- strebt, aber nicht vordringlichstes Ziel. Die Therapiefreiheit kann kein Freibrief für die Anwendung nicht nur umstrittener, sondern überwie- gend abgelehnter Methoden sein.

Sie darf auch nicht dazu benutzt werden, gesetzliche Vorschriften zu umgehen.

Diese Probleme sollen am Bei- spiel von Rezepturarzneimitteln ver- deutlicht werden. Hat das BGA ein solches Medikament für eine be- stimmte Indikation als bedenklich im Sinne des § 5 AMG eingestuft, so geschah dies aufgrund der Auswer- tung der gesammelten Erkenntnisse und Risiken. Es kann nicht der In- halt der Therapiefreiheit eines Arz- tes sein, zu sagen: „Ich habe zwar die Grundlagen für eine solche Be- wertung nicht, aber mir steht den- noch zu, im Rahmen meiner Thera- piefreiheit das in Rede stehende Arzneimittel für die problematische Indikation weiter einzusetzen."

Der Apotheker darf ein als be- denklich qualifiziertes Medikament nicht in den Verkehr bringen: §§ 5, 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Er würde ei- nen Straftatbestand verwirklichen.

Das Verordnen des bedenklichen Arzneimittels ist dagegen nicht aus- drücklich verboten. Der Arzt muß sich also darüber im klaren sein, daß eine solche Verschreibung, deren Ausführung er vom Apotheker ver- langt, diesen in größte Schwierig- keiten bringt. Selbst wenn er betont, die Verantwortung für die Therapie zu übernehmen, die er ohnehin nicht ausschließen kann, bleibt der Apo- theker alleiniger Adressat der §§ 5, 95 Abs. Nr. 1 AMG. Nur er bringt das bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr.

Nach den §§ 7 Abs. 1 Satz 4, 17 Abs. 4 ApoBO ist der Apotheker auch nur dann berechtigt, eine Ver- schreibung auszuführen, wenn er keine „Bedenken" dagegen hat.

Weiß er, daß eine bestimmte Rezep- tur vom BGA für „bedenklich" er- klärt wurde, können die dadurch entstehenden Bedenken durch den Arzt nicht ausgeräumt werden. Der Apotheker darf die Verschreibung also auch im Hinblick auf die Apo- thekenbetriebsordnung nicht aus- führen.

Wenn der Arzt nun der Auffas- sung ist, die Einstufung der Rezep- tur als bedenklich sei unrichtig, muß ihm eine Möglichkeit offenstehen, dies gerichtlich überprüfen zu las- sen. Aus § 17 Abs. 4 ApoBO läßt sich grundsätzlich ein Kontrahie- rungszwang zum Abschluß eines Kaufvertrages im Verhältnis Patient—Apotheker ableiten. Der Arzt ist in diesem Vorgang der Re- zeptbelieferung rechtlich jedoch nicht involviert. Eine Überprüfung im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens kommt insoweit nicht in Betracht.

Der Arzt hat jedoch die Mög- lichkeit, im Rahmen einer Klage ge- genüber dem Apotheker feststellen zu lassen (§ 43 VwGO), daß seine Verordnung nicht bedenklich ist und daher gemäß § 17 Abs. 4 ApoBO ausgeführt werden muß. In diesem Zusammenhang wird das BGA-Gut- achten inzident überprüft. Der Arzt kann dabei auch geltend machen, daß in seine Therapiefreiheit im Sin- ne der freien Berufsausübung einge- griffen wird.

Die Therapiefreiheit könnte auch in dem Fall betroffen sein, in dem der Arzt Hersteller und zu- gleich Anwender eines Arzneimit- tels ist. Ich verweise auf die umstrit- tene Frischzellentherapie. Die Emp- fehlungen des BGA werden zur Grundlage von Ordnungsverfügun- gen. Den Ärzten wird durch Verwal- tungsakt die Herstellung und An- wendung eines Arzneimittels unter- sagt. Die Äußerungen des BGA sind im Verwaltungsprozeß inzident überprüfbar.

(Die in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf das Literaturver- zeichnis im Sonderdruck)

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Dorothea Prütting

5000 Köln 1, Zeughausstr. 4-8

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