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olorektale Karzinome sind heute fast so häufig wie Brust- und Lungen- krebs. In der EU liegt ihre Häufigkeit bei 1 292 Millio- nen jährlich, die neu diagno- stizierten Fälle bei 300 000.Frühzeitigere Diagnose und bessere chirurgische Techni- ken hätten die Fünf-Jahres- Überlebensraten von 40 Pro- zent (1960) auf 60 Prozent (1990) gesteigert, sagte Prof.
Harry Bleiberg (Brüssel) bei einer Pressekonferenz von Sanofi-Synthelabo in Paris.
Auch bei fortgeschrit- tenen kolorektalen Karzino- men ist Chemotherapie effek- tiver, „als gar nichts zu ge- ben“. Lange Zeit stand hier nur 5-Fluorouracil (5-FU) zur Verfügung (auch moduliert durch Folsäure). Seit den frühen Neunzigerjahren ka- men weitere Substanzen hin- zu. Heute zeigt sich, dass Kombinationen (zum Bei- spiel Oxaliplatin/5-FU) be- deutend effektiver und weni- ger toxisch sind als Monothe- rapien.
Synchron zur Diagnose (in 15 bis 30 Prozent) oder metachron innerhalb von drei Jahren (in 15 bis 20 Prozent) findet man bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen Me- tastasen, meist in der Leber.
Bei Lebermetastasen betrage die mittlere Überlebenszeit sechs bis 18 Monate, sagte Prof. René Adam (Paris). Ih- re Resektion, früher als sinn- los verworfen, gilt heute als effektivste Behandlung. Bei Diagnose sind jedoch nur zehn Prozent der Metastasen resektabel. Bei nichtresekta- blen Leber- oder extrahepati- schen Metastasen gebe es kei- ne Chance, nach fünf Jahren noch am Leben zu sein. In entsprechenden Studien lag die Überlebenszeit in diesen Fällen unbehandelt bei zwei bis fünf Monaten, mit Che- motherapie bei elf bis 19 Mo- naten.
Jedoch gelang es in einer Untersuchung anhand von 330 ambulanten Patienten mit fortgeschrittenem kolorekta- lem Karzinom und zunächst nicht resektablen Lebermeta- stasen (Bismuth, 1996), mit
Oxaliplatin plus 5-FU in 53 Fällen (16 Prozent) die Meta- stasen wieder in resektable Stadien zu überführen. An- schließend waren nach durch- schnittlich 42,1 Monaten noch 36 Prozent der Betroffenen am Leben, ohne Rezidive zu erleiden. Die Gesamt-Über- lebensrate betrug 54 Prozent nach drei Jahren und 40 Pro- zent nach fünf Jahren.
Chronotherapie effektiver
Von 1988 bis 1996 wurden am Paul-Brousse-Hospital (Paris) 95 Patienten mit zu- nächst unresektablen Leber- metastasen ambulant über programmierbare Pumpen mit Oxaliplatin plus 5-FU behan- delt. Die Applikation in In- tervallen („Chronotherapie“) war effektiver als konstante Infusionen. Zunächst als unre- sektabel beurteilte Leberme- tastasen wurden durch Chro- no-Chemotherapie verkleinert und konnten bei 14 Prozent dann doch reseziert werden.
Adam hob besonders das Beispiel einer so behandelten Patientin mit großen Leber- metastasen, Hepatomegalie und einer Knochenmetastase in der (total atrophierten) Schulterregion hervor. Diese sei heute, nach über sieben Jahren, noch am Leben. Bei anderen Patienten mit damals als „unresektabel“ eingestuf- ten Metastasen beträgt die Überlebenszeit heute bereits elf Jahre. Demnach gleicht bei gutem Ansprechen zu- nächst unresektabler Meta- stasen auf Chemotherapie, in jedem Tumorstadium, die mitt- lere Überlebenszeit derjeni- gen nach primärer Resektion.
Alle Patienten, die gut auf Chemotherapie ansprechen, sollten deshalb für die Resek- tion von Metastasen in Be- tracht kommen.
In einer multizentrischen europäischen Studie (420 Pa- tienten mit unresektabler Er- krankung) sei es bei über der Hälfte der Betroffenen un- ter Kombinations-Chemothe- rapie zu Remissionen mit ver- längertem progressionsfreiem Überleben (durchschnittlich 8,7 Monate versus 6,1 Monate ohne Kombination) gekom- men, berichtete Prof. Aimery De Gramont (Paris). Vergli- chen wurden Oxaliplatin (Elo- xatin®) plus Folsäure plus 5-FU versus 5-FU plus Folsäure, in- fundiert im Abstand von zwei Wochen.
Die Response-Rate lag unter der Kombination bei 50,7 Prozent versus 22,3 Pro- zent unter „5-FU plus Folsäu- re“ allein. Anders als die Re- sultate bei der progressions- freien Überlebenszeit, sei dies
„sehr, sehr signifikant“, be- tonte De Gramont. Oxalipla- tin sei „exzellent kombinier-
bar“ und habe deshalb Vor- teile schon in der First-Line- Therapie.
Es habe sich gezeigt, dass Kombinationen mit Oxalipla- tin die Response-Rate ver- stärken und das progressions- freie Überleben und (laut Pa- tientenurteil) auch die Le- bensqualität günstig beein- flussen, wahrscheinlich infolge der geringeren Tumormasse, erklärte Prof. Mace Rothen- berg (Nashville/USA). Künf- tig müsse sich zeigen, ob auch die Heilungsraten bei Mi- krometastasierung verbessert werden. In diesem Zusam- menhang müsse man berück- sichtigen, dass es – bei of- fenbar gleicher Kolonkrebs- Erkrankung – Differenzen zwischen den Tumoren gibt.
Standardmäßig wird Oxalipla- tin alle zwei Wochen appliziert, hohe Dosen im Drei-Wochen- Intervall. Doch wenn nötig, sei die Gabe auch wöchentlich möglich. Es müsse sich noch klarer zeigen, ob die Substanz eher in die First-Line-Therapie gehört, wo sie sich in Kombina- tion bewährt hat, oder vor al- lem der Second-Line-Therapie vorbehalten bleiben sollte, so die Meinung der anwesenden Experten. Wolfgang Sass
A-1688 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 24, 16. Juni 2000
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Kolorektale Karzinome
Remissionen durch Kombinationstherapie
K U R Z I N F O R M I E R T Lipidil-Ter – Fournier Pharma GmbH hat zur Be- handlung von primären und sekundären Hyperlipoprotein- ämien Fenofibrat Lipidil-Ter® in den Handel gebracht. Lipi- dil-Ter 160 mg ist nach Fir- menangaben gegenüber den bisherigen fenofibrathaltigen Arzneiformen besser biover- fügbar. Hierzu wird mikroni- siertes Fenofibrat auf hydro- philes Trägermaterial aufge- bracht: Dies bewirkt im Ma- gen-Darm-Trakt eine schnelle- re Löslichkeit und eine bessere Resorption des an sich in Was- ser unlöslichen Fenofibrates.
Lyme Borreliose – Zur adäquaten antibiotischen The- rapie der Lyme Borreliose im Frühstadium (Erythema mi- grans) empfiehlt die Paul- Ehrlich-Gesellschaft für Che- motherapie Cefuroximaxetil
(Elobact®, Glaxo Wellcome GmbH) als Mittel der Wahl.
Die Therapie sollte mit zwei- mal 500 mg Cefuroximaxetil über 20 Tage erfolgen. Als einziges orales Cephalosporin ist Cefuroximaxetil auch für die Therapie der Lyme Borre- liose zugelassen.
Fenistil – Der Wirkstoff Dimetindenmaleat ist nun auch als Fenistil®Nasal Do- sierspray (Novartis) für die Indikationen allergische Rhi- nitis und Heuschnupfen zuge- lassen. Es wird bei Erwach- senen und Kindern ab sechs Jahren bis zu einer maxima- len Tagesdosis von dreimal täglich je ein Sprühstoß pro Nasengang dosiert. Die An- wendung von Fenistil Nasal Dosierspray ist bei aktiver allergischer Rhinitis zeitlich nicht begrenzt. EB