Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 106|
Heft 49|
4. Dezember 2009 A 2475A
ls Anfang des Jahres das Kunstmagazin „Art“ die Aus- stellung „Art of Two Germanys – Cold War Culture“ im Los Angeles County Museum ankündigte, fielen dem zuständigen Redakteur ledig- lich die Namen von vier westdeut- schen teilnehmenden Künstlern ein.Von den beteiligten ostdeutschen Künstlern wurden weder Mattheuer noch Heisig noch Tübke der Er- wähnung wert befunden. Ange- sichts solch weitverbreiteter Un- kenntnis oder aber bewusster Igno- ranz gegenüber der DDR-Kunst fragte Eduard Beaucamp (Frankfur- ter Allgemeine Zeitung) in seinem Hinweis auf die Ausstellung zu Recht: „Müssen uns nun wieder die Amerikaner an die Hand nehmen und zeigen, wie man mit solch dop- peltem Erbe umgeht?“
Nachdem die von der Kuratorin Stephanie Barron und Eckhart Gil- len als Kokurator betreute Ausstel-
lung zur Kunst in Deutschland zwi- schen den Ideologien mit großem Erfolg in Los Angeles und danach im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg gelaufen ist, folgte ab 3.
Oktober das Deutsche Historische Museum Berlin als dritte Station.
Und schon jetzt zeigt sich, dass mit dieser Präsentation eine Neubewer- tung der Kunst in den beiden deut- schen Staaten etabliert worden ist.
Neue Facetten
Einerseits beweist die Ausstellung, dass sich vor allem die Maler der Leipziger Schule frühzeitig dem sozialistischen Realismus sowjeti- scher Prägung widersetzt haben, und gleichzeitig wird damit die noch kürzlich in der Berliner Ausstellung
„60 Jahre – 60 Werke“ vertretene These widerlegt, dass nur in einem freien Land freie Kunst entstehen könne. Das Gegenteil scheint bei vielen DDR-Künstlern der Fall ge-
wesen zu sein, gerade das Leiden an der politischen Situation, der stete Kampf gegen Bevormundung und Gängelung hat die besten kreativen Kräfte geweckt. Man denke nur an die Bilder „Kain“ und „Erschre- cken“ von Mattheuer oder „Lebens- erinnerungen des Dr. jur. Schulze“
von Tübke in der Ausstellung.
Andererseits erhält aber auch der Blick auf die westdeutsche Kunst- szene durch die fundierten Analy- sen der amerikanischen Kunsthisto- riker neue Facetten. In ihrem klu- gen Katalogtext „Die Kunst eines Wunders. Eine Geschichte des deutschen Pop 1955–1972“ stellt Christiane Mehring, Kunsthistori- kerin an der Universität Chicago, die immense Bedeutung Konrad Klaphecks heraus. Bereits 1955 hat sich Klapheck dem in Westdeutsch- land nicht weniger rigide inszenier- ten Alleinvertretungsanspruch der Abstraktion entgegengestellt und begonnen, seine emotional aufgela- denen Maschinenbilder zu malen, womit er zu einem Wegbereiter der Pop-Art wurde und nach Ansicht Mehrings auch die Entstehung der Œuvres so bekannter Künstler wie Gerhard Richter und Sigmar Polke entscheidend beeinflusst hat.
Ein Besuch dieser Ausstellung ist unbedingt zu empfehlen, ebenso der Erwerb des begleitenden Kata- logbuches. Zu wünschen wäre nur gewesen, dass die Ausstellung im angemesseneren Rahmen eines be- deutenden Kunstmuseums wie zum Beispiel der Neuen Nationalgalerie Berlin gezeigt worden wäre. Aber so viel Anerkennung für die „DDR- Kunst“ kann man auch 20 Jahre nach der Wende von westdeutschen Museumsdirektoren nicht erwarten.
Erst kürzlich hat Kasper König, Di- rektor des Kölner Museums Lud- wig, in einem Interview der Zeit- schrift „Art“ es für richtig befun- den, dass die von Peter Ludwig frühzeitig und mit sicherem Gespür für Qualität gekauften Werke der DDR-Malerei bis auf wenige Aus- nahmen im Depot verbleiben. Die Ausstellung ist bis 10. Januar 2010 im Deutschen Historischen Mu- seum zu sehen. Informationen
www.dhm.de. ■
Dr. med. Helmut Jaeschke
KUNST UND KALTER KRIEG – DEUTSCHE POSITIONEN 1945–1989
Zwischen den Ideologien
Mit der Ausstellung ist eine Neubewertung der Kunst in den beiden Staaten etabliert worden.
Gerade das Leiden an der politischen
Situation hat bei vielen Künstlern in der DDR die besten kreativen Kräfte geweckt. Ein Bei- spiel dafür ist Wolf-
gang Mattheuers
„Kain“ aus dem Jahr 1965.
Foto: Wolfgang Mattheuer, Kain, 1965*
*© 2009 Wolfgang Mattheuer Estate/VG Bild-Kunst, Bonn 2009. Foto: Courtesy Stiftung Moritzburg Kunstmuseum des Landes Sachsen Anhalt, Foto: © Klaus E. Göltz